»Fast alles, was sozial geschieht, geschieht unter der Beobachtung Dritter. Bald ist es das Publikum, bald das Wahlvolk, bald sind es die Konsumenten, die Eltern, die Kinder oder die Gerichte, deren Existenz beim sozialen Handeln in Rechnung gestellt wird. [...] Solange es zwei gibt, gibt es nur Sozialität, sobald es einen Dritten gibt, gibt es Gesellschaft« (Jürgen Kaube). Diesen Status der Figur des Dritten im Verhältnis zum Anderen und zum Einen, von Tertiarität mit Bezug auf Alterität und Identität fokussieren die »Studien zur Sozialontologie«. Auf den Schultern von Simmel und Freud, von Sartre und Lacan, von Lévinas und Girard, von Elias und Berger/Luckmann, die je Figuren und Funktionen des Dritten (der bzw. die Dritte) reflektiert haben, werden sprachanalytische, ödipal-trianguläre, sozialphänomenologische und polymorphologische Argumente systematisiert, um den unhintergehbaren Stellenwert des Tertius in den Urszenen der Vergesellschaftung aufzuweisen. In der Konsequenz zeigen sich die »generalisierte Dritte« und »dreifache Kontingenz« als produktive Sozialkategorien, um die bekannte Kluft zwischen Intersubjektivitätstheorien (Ego und Alter Ego) und Transsubjektivitätstheorien (das Kollektive bzw. das Dritte) zu überbrücken. Abschließende Erprobungen demonstrieren, dass relevante soziale Teilsysteme wie Recht, Marktökonomie, Politik, Medien und Familiarität, selbst die Liebe nur unter Einbeziehung der dritten Person sinngesetzlich adäquat verstanden und erklärt werden können.
Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Rezensent André Kieserling erkennt in diesem Buch des Göttinger Soziologen Joachim Fischer zur Tertiarität eine wichtige Intervention: Die Soziologie kritisiere schließlich gern die Wirtschaftswissenschaft, die mit ihrem Modell des homo oeconomicus den Menschen völlig an der Realität vorbei abstrahiere, erklärt Kieserling, sie selbst aber operiere jedoch mit einem Zweiermodell, das ebenfalls andere wichtige Elemente außer acht lasse, zum Beispiel den Dritten im Bunde oder außerhalb. Denn auch in einer Zweierbeziehung geht niemand absolut auf, weiß Kieserling, jeder ist auch immer mit anderen verbunden. Allerdings findet der Rezensent den Dritten nur als theoretische Figur überzeugend, aber nicht wenn der Autor ihn als konrete Person begreift. Ein Ehepaar hört nicht erst dann auf, nur als Zweierbeziehung zu existieren, wenn ein gemeinsames Kind kommt, sondern auch durch Arbeit und Freunde.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH