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Produktdetails
  • Fischer Taschenbücher Bd.14414
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Originaltitel: The Devil's Own Work
  • 1999.
  • Seitenzahl: 135
  • Erscheinungstermin: Juni
  • Deutsch
  • Gewicht: 130g
  • ISBN-13: 9783596144143
  • ISBN-10: 3596144140
  • Artikelnr.: 07972214
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.1998

Vorhölle, schwach geheizt
Eine moralische Geschichte: Alan Judds Roman "Teufels Werk"

Wenn einer Ruhm, Reichtum und Erfolg hat, meint Alan Judd in seinem Roman "Teufels Werk", dann muß der Böse seine Hand im Spiel haben - ein bekannter Einfall. Die Geschichte vom atemberaubenden Aufstieg und vom späteren Verfall des Schriftstellers wird im Roman von einem biederen Freund erzählt, der sorgenvoll die Kälte des Künstlers wahrnimmt, die zum äußeren Zeichen für sein Bündnis mit dem Teufel wird.

"Teufels Werk" ist der zweite Roman des britischen Autors. Mit seinem Erstlingswerk "A Breed of Heroes" gewann Judd 1981 den renommierten Royal Society of Literature Award. Zehn Jahre später ließ er diesen nun übersetzten kurzen Roman folgen, der im englischen Sprachraum begeistert aufgenommen und ebenfalls mit einem Preis geehrt wurde, dem Guardian Fiction Prize.

Der äußere Anlaß für "Teufels Werk" war eine Begegnung des Autors mit Graham Greene. Judd glaubte dabei jene Kälte gegenüber Menschen und Umwelt feststellen zu können, die in seinen Augen den erfolgreichen Schriftsteller umgibt. Sein Roman wird zur großen Abrechnung mit dieser Schreiberzunft und ihren inhumanen Werken. Dabei gerät nicht nur Graham Greene in die Schußlinie, sondern auch gleich die ganze Postmoderne.

Judd bedient sich dabei der Gestalt Edwards: Edward ist ein junger, erfolgversprechender Autor. Eine Kritik an dem führenden englischsprachigen Romancier Tyrrel macht ihn berühmt: ohne Rücksicht auf den berühmten Namen prangert er die Selbstbezogenheit des Autors an, dem der Stil zum Selbstzweck geraten sei. Edward wird von Tyrrel an die Riviera, seinen Wohnsitz, eingeladen. Im Verlaufe eines merkwürdigen Gesprächs übergibt Tyrrel dem jungen Heißsporn ein geheimnisvolles Manuskript, aus dem er alle Stoffe für seine Werke bezogen habe. Die Übergabe wird zu einem inneren Kampf des altersmüden Romanciers mit dem jungen aufstrebenden Talent. Tyrrel verliert in dieser Auseinandersetzung. Doch kaum hat Edward das Manuskript an sich gebracht, bricht Tyrrel tot zusammen. Neben dem unentzifferbaren Manuskript übernimmt Edward zugleich auch Tyrrels ewig junge Geliebte Eudoxie, die fortan nicht mehr von seiner Seite weichen wird.

Damit beginnt der unaufhaltsame Aufstieg Edwards. Er tritt an die Stelle Tyrrels, wird der führende Schriftsteller seiner Zeit. Doch dabei verstärken sich in seinem Wesen jene Charakterzüge, die sein erzählender Freund schon früher besorgt an ihm bemerkt hatte und die vorher Tyrrel zueigen waren: Egozentrik, Kälte und in seinen Werken eine ausschließliche Konzentration auf den Stil. Bald wird der Erzähler das Geheimnis seines ehemaligen Studienkollegen erfahren: nicht dieser schreibt seine Erzählungen, sondern das geheimnisvolle Manuskript treibt ihn magisch an. Es schreibt seine Werke durch ihn. Jedesmal wenn Edward seinen Füllfederhalter ansetzt, erfüllt ein Schreibgeräusch die Luft, das ihn verfolgt. Ohne das Gekrakel im Hintergrund kann er nicht mehr schreiben. Judd charakterisiert Edward in Passagen wie dieser überdeutlich als einen Vertreter der Postmoderne: nicht der Autor kontrolliert sein Werk, sondern er ist machtlos eingebunden in eine Struktur von Zeichen, die er lediglich wiedergibt.

Durch die Gestalt des Erzählers übt Judd scharfe Kritik an der Postmoderne. Die Literatur habe sich des Menschen anzunehmen, habe die Motive und Wünsche ihrer Gestalten offenzulegen. Kurz und gut: sie habe die Wahrheit hinter den Dingen zu offenbaren und im Namen dieser Wahrheit moralisch Stellung zu beziehen. Doch hier offenbart der Roman seine Schwächen. Der Erzähler selbst ist dazu nämlich nicht bereit: Judd entleiht sich diese Erzähler-Gestalt von dem amerikanischen Schriftsteller Ford Madox Ford, über den er vor einigen Jahren eine Biographie veröffentlicht hat. Wie in Fords Roman "The good soldier" (1915) wird auch bei Judd das Geschehen von einem Erzähler berichtet, der zu keinerlei Gefühlen fähig ist. Andere Menschen bleiben ihm stets ein Rätsel. Auch will er sie gar nicht verstehen, denn er möchte nicht damit belästigt werden, hinter die Kulissen der Dinge schauen zu müssen. Zugleich verlangt er jedoch von einem Kunstwerk, daß es uns die Sinne für das schärfen solle, was im ständigen Lärm und Unsinn unseres Daseins eigentlich vorgehe. Hier liegt der Widerspruch, an dem der Roman krankt: die Motive der Handelnden bleiben unbekannt. So bleibt auch die eigentlich interessante Figur des Romans, der Schriftsteller Edward, stets im Hintergrund. Im nüchternen, gleichwohl angenehm zu lesenden Protokoll des Erzählers gehen die Motive für Edwards Verbindung mit dem Teufel unter. Statt dessen rücken der Erzähler und sein Leben ins Zentrum des Geschehens. Doch wen interessiert schon ein Erzähler, der sein Leben mit dem Gleichmut eines Scharfrichters führt? Judds Roman erstickt an diesem Erzähler.

Darüber hinaus erscheint es sehr gewagt, einen Autor wie Graham Greene mit der Postmoderne in Beziehung zu setzen. Greenes Werk zeichnet sich durch eben die verzweifelte Suche nach einem tieferen Sinn im menschlichen Leben aus, die Judd von einem Autor fordert. Neben der Postmoderne und Graham Greene nennt Judd noch einen weiteren Autor, dessen Werk vom Pakt mit dem Teufel gezeichnet sei: Thomas Mann. Gerade der Vergleich mit dessen "Doktor Faustus" aber offenbart die Schwächen von Judds Entwurf des Faust-Stoffes. Thomas Mann zeigt das Verhängnis des Künstlers. Sein Erzähler Serenus Zeitblom überläßt Adrian Leverkühn das Feld, weil Thomas Mann genau einzuschätzen wußte, daß dieser gar nicht in der Lage wäre, den verführerischen Anlaß des Teufelsbündnisses Adrian Leverkühns adäquat zu erfassen. Judds Serenissimus dominiert hingegen den Roman. Mit seiner Forderung nach dem tiefer verstehenden Schriftsteller erweist sich dieser unschuldsvolle Biedermann dabei als ein Brandstifter, der mitleidlos das Höllenfeuer entfacht, in dem am Ende andere schmoren werden. STEFAN RINGEL

Alan Judd: "Teufels Werk". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Mecklenburg. Alexander Fest Verlag, Berlin 1997. 136 S., geb., 32,- DM.

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