Aufwändige Kleider wurden in unserem Kulturkreis seit frühchristlicher Zeit als Zeichen der Hoffart und als Blendwerk des Teufels gesehen. Mit Aufkommen exaltierter, körperexponierender Moden im 14. Jahrhundert erweiterte sich der Kanon der Modekritik sprunghaft: die Warnungen und Drohungen wurden lauter, die Palette der Argumentation bunter und der modische Bezug konkreter. "Geschwänzte Röcke" wirbelten den Staub in den Kirchen auf, seien Tanzplatz des Teufels, wetterten die Moralprediger, auch zwischen den Hörnern modischer Hörnerhauben und den weiten Öffnungen der Flügelärmel setze sich der Teufel fest. Dichtende Moralsatiriker des 15. und 16. Jahrhunderts sahen in luxuriösen Kleiderinszenierungen vor allem menschliche Torheit, die demonstriere, wie es um die aus den Fugen geratene Welt bestellt sei. In Sebastian Brants "Narrenschiff" (1494) wird ein eitler, leichtfertiger Jüngling als Prototyp des Modenarren vorgeführt, der, vom rechten Weg abgekommen, nun einen "schändlich kurz" geschnittenen Rock trage, der kaum mehr den Nabel bedecke. Zeitgleich schufen Künstler Bilderwelten, in denen Exempelgeschichten der Moralprediger illustriert, als anstößig empfundene Moden entlarvt, vorgeführt oder mit Mitteln der Satire verspottet wurden. Holzschnitte, Radierungen und Kupferstiche - veröffentlicht als Buchbeigaben, Einblattdrucke und illustrierte Flugblätter - sind lebendige Dokumente dieser von Teufeln und Dämonen bevölkerten, von Todesnähe und Höllenqualen geängstigten Zeit. Welche Modephänomene zogen die Aufmerksamkeit der Moralisten, Didaktiker und Satiriker in besonderem Maße auf sich und warum? Basierend auf breit recherchiertem Quellenmaterial rekonstruiert die Autorin Verlauf und Höhepunkte der Kleiderkritik des Zeitraums 1150-1620. Entstanden ist ein aufschlussreiches, greifbares Bild der Wert- und Moralvorstellung des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, mit vielen Anmerkungen zur Kleider-, Mode- und Sittengeschichte dieser Epoche.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht nur der "müßige Adel", auch die einfachen Leute schmückten sich mit sündigen Modeaccessoires, hat die Rezensentin Sigrid Metken in Gundula Wolters Studie zur Modegeschichte erfahren. Im Gegensatz zu den Dichtern des Mittelalters konnte die Geistlichkeit den Auswüchsen der langen Schleppen und tiefen Ausschnitten der Frauen oder gar den "prall ausgestopften Lustäpfeln am Hosenlatz" der Männer jedoch nichts abgewinnen. Auf Holzschnitten wurden die Damen sogar mit "Schleppenteufeln" auf den Röcken dargestellt, um vor der Erotisierung und deren Folgen zu warnen, wie Metken schreibt. Sie findet die Kommentare zu Texten und Bildern zur Mode zwischen 1150 und 1620 der Kostümhistorikerin und Grafikdesignerin "so amüsant wie fundiert". Insgesamt empfiehlt sie das Buch als "höchst lesenswert" und "eindrucksvoll illustriert". Die Abbildungen könnten sogar für "Kunstgeschichtler und Spezialisten populärer Druckgrafik" interessant sein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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