Dieser Band untersucht das Verhältnis von Schriftauslegung und spiritueller Praxis anhand ausgewählter Fallbeispiele aus Hinduismus, Buddhismus und Christentum. In diesen Religionen existiert das Wissen, dass ein rein kognitiver Zugang zu den Heiligen Texten unzureichend bleibt. Die Rezipienten werden durch spirituelle Übungen auf das Erfassen der tieferen Bedeutung Heiliger Texte vorbereitet. Die ältesten Formen der Schriftauslegung sind eingebunden in Liturgie, Ritus, Meditation und Gebet. Andererseits vollzog sich in der Geschichte der Religionen schon relativ früh ein Prozess der Ausdifferenzierung. Ein gewichtiger Teil der Schriftauslegung verlagerte sich in Institutionen höherer Bildung. An verschiedenen Orten scheinen unterschiedliche Texterkenntnisse zu entstehen. Setzt ein und derselbe Text entsprechend der Disposition seiner Rezipienten unterschiedliche Bedeutungen frei? Was folgt daraus für die Verhältnisbestimmung von religiösem und wissenschaftlichem Auslegen Heiliger Texte?