Produktdetails
- Verlag: Farrar, Straus, Giroux / Macmillan US
- Seitenzahl: 380
- Erscheinungstermin: 13. Februar 2012
- Englisch
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 605g
- ISBN-13: 9780374288907
- ISBN-10: 0374288909
- Artikelnr.: 33256969
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2011Manifest
der Mitte
Amerika scheint keine politische Mitte mehr zu haben. Das Land ist zerrissen, die politischen Lager haben sich so weit voneinander entfernt, wie noch nie seit dem Bürgerkrieg. Es gibt keine Basis für Kompromisse mehr. Das jedenfalls ist die Perspektive aus Washington. Tatsächlich jedoch gibt es diese Mitte noch, vermutlich gehört ihr sogar die Mehrheit der Amerikaner an, sie ist nur durch den politischen Kampf zum Schweigen gebracht worden. Das neue Buch von Bestseller-Autor Thomas L. Friedman kann man als Versuch verstehen, diese Mitte aufzuwecken und ihr eine Stimme zu geben. Zusammen mit Michael Mandelbaum, Politologe an der Johns Hopkins University, beschwört Friedman das Land „das wir einmal waren“ – ein wirtschaftlich erfolgreiches und optimistisches Amerika, in dem die Autoren ihre Jugend verbracht haben. Dieses Land hat seine Erfolgsformel verloren und befindet sich im Niedergang. Friedman und Mandelbaum appellieren an ihre Landsleute, sich auf ihre Stärken zu besinnen und den Niedergang zu stoppen.
Die Autoren formulieren eine Alternative zur vorherrschenden Interpretation der Wirtschaftsgeschichte. Amerika, so schreiben sie, hatte nicht deshalb Erfolg, weil der Staat früher nichts tat, sondern weil er das Richtige tat. Die Erfolgsformel bestand aus einer Kombination aus freiem Unternehmertum und staatlichen Investitionen in Infrastruktur, aus Einwanderung und einem aufwendigen Bildungssystem. Der Fehler habe darin gelegen, nicht zu reagieren, als im Zuge der Globalisierung andere Länder die amerikanische Formel übernahmen und den USA auf ihrem eigenen Feld Konkurrenz machten. Amerika zehrte sich stattdessen im Kampf gegen die Verlierer der Globalisierung (die Islamisten) auf und führte „Krieg gegen Mathematik und Physik“ – eine schöne Formel für die Ignoranz in Sachen Staatsschulden und die Leugnung des Klimawandels.
Die Autoren propagieren eine Art historischen Kompromisses: Kürzung der Sozialprogramme, Steuererhöhungen und Investitionen in Zukunftsprogramme. Sehr moderat, fast langweilig. Aber im gegenwärtigen politischen Klima klingt es fast ketzerisch.
Nikolaus Piper
Thomas L. Friedman, Michael Mandelbaum: That Used to Be Us, Macmillan, 10,70 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Mitte
Amerika scheint keine politische Mitte mehr zu haben. Das Land ist zerrissen, die politischen Lager haben sich so weit voneinander entfernt, wie noch nie seit dem Bürgerkrieg. Es gibt keine Basis für Kompromisse mehr. Das jedenfalls ist die Perspektive aus Washington. Tatsächlich jedoch gibt es diese Mitte noch, vermutlich gehört ihr sogar die Mehrheit der Amerikaner an, sie ist nur durch den politischen Kampf zum Schweigen gebracht worden. Das neue Buch von Bestseller-Autor Thomas L. Friedman kann man als Versuch verstehen, diese Mitte aufzuwecken und ihr eine Stimme zu geben. Zusammen mit Michael Mandelbaum, Politologe an der Johns Hopkins University, beschwört Friedman das Land „das wir einmal waren“ – ein wirtschaftlich erfolgreiches und optimistisches Amerika, in dem die Autoren ihre Jugend verbracht haben. Dieses Land hat seine Erfolgsformel verloren und befindet sich im Niedergang. Friedman und Mandelbaum appellieren an ihre Landsleute, sich auf ihre Stärken zu besinnen und den Niedergang zu stoppen.
Die Autoren formulieren eine Alternative zur vorherrschenden Interpretation der Wirtschaftsgeschichte. Amerika, so schreiben sie, hatte nicht deshalb Erfolg, weil der Staat früher nichts tat, sondern weil er das Richtige tat. Die Erfolgsformel bestand aus einer Kombination aus freiem Unternehmertum und staatlichen Investitionen in Infrastruktur, aus Einwanderung und einem aufwendigen Bildungssystem. Der Fehler habe darin gelegen, nicht zu reagieren, als im Zuge der Globalisierung andere Länder die amerikanische Formel übernahmen und den USA auf ihrem eigenen Feld Konkurrenz machten. Amerika zehrte sich stattdessen im Kampf gegen die Verlierer der Globalisierung (die Islamisten) auf und führte „Krieg gegen Mathematik und Physik“ – eine schöne Formel für die Ignoranz in Sachen Staatsschulden und die Leugnung des Klimawandels.
Die Autoren propagieren eine Art historischen Kompromisses: Kürzung der Sozialprogramme, Steuererhöhungen und Investitionen in Zukunftsprogramme. Sehr moderat, fast langweilig. Aber im gegenwärtigen politischen Klima klingt es fast ketzerisch.
Nikolaus Piper
Thomas L. Friedman, Michael Mandelbaum: That Used to Be Us, Macmillan, 10,70 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2012Amerika muss sich ändern
Ein Buch fordert die Rückbesinnung auf alte Tugenden
Der Starreporter der "New York Times" Thomas Friedman und der Politikwissenschaftler Michael Mandelbaum von der Johns Hopkins University stellen die Frage, warum Amerika an weltwirtschaftlichem und weltpolitischem Gewicht verliert, und was man tun sollte, um den Trend umzukehren.
Im ersten Teil wird die Diagnose gestellt. Amerika muss sich vier Herausforderungen stellen: erstens der globalisierten Welt mit ihrem verschärften Wettbewerb, zweitens der durch Informationstechnologien vernetzten Welt, drittens dem Staatsdefizit und den steigenden Staatsschulden und viertens dem allzu hohen Verbrauch von fossiler Energie und dem Risiko des Klimawandels. In Globalisierung und Informationstechnologie sehen Friedman und Mandelbaum amerikanische Errungenschaften, bezweifeln aber, ob Amerika der dadurch entstandenen Welt und der chinesischen Konkurrenz gewachsen ist.
Um mit den Herausforderungen fertig zu werden, empfehlen sie die Rückbesinnung auf fünf (ehemalige) amerikanische Stärken: erstens ein hervorragendes Bildungssystem, zweitens eine exzellente Infrastruktur, drittens eine offene Tür für Einwanderer, viertens staatliche Unterstützung der Forschung, fünftens adäquate Regulierung der Privatwirtschaft (weder zu viel, noch zu wenig).
Im zweiten Teil wird das Bildungssystem in vier langen Kapiteln behandelt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass Vernetzung und Globalisierung den Wettbewerb so verschärft haben, dass ohne Akkumulation von Humankapital und Innovation Arbeitsplätze nicht nur in der Industrie, sondern auch in den Dienstleistungen unsicher werden. Hierarchien werden flacher. Ohne Kreativität kann man immer weniger Arbeitsplätze sichern. Gute Schulleistungen sind zwar keine hinreichende Bedingung dafür, aber notwendig. Die amerikanischen Leistungen beim Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften sind aber höchstens durchschnittlich. Amerikas Jugend verschwendet zu viel Zeit - mehr als sieben Stunden pro Tag - zwecks Unterhaltung vor Bildschirmen.
Mit Durchschnittlichkeit wird sich der amerikanische Traum nicht verteidigen lassen. Auffällig bei diesem zweiten Teil ist der weitgehende Verzicht auf eine Auseinandersetzung mit der relevanten psychometrischen Forschung und der Frage, ob nicht ein großer Teil der Bevölkerung im globalen Wettbewerb mit Innovations- und Kreativitätszwang überfordert sein und bleiben muss. Die Lösbarkeit des Bildungsproblems wird vorausgesetzt, nicht hinterfragt.
Der dritte Teil hat die bezeichnende Überschrift: der Krieg gegen Mathematik und Physik. In dauernden Budgetdefiziten und steigenden Schuldenlasten sehen Friedman und Mandelbaum einen "Krieg gegen die Mathematik". Den Demokraten werfen sie vor, die Grenzen der Bezahlbarkeit von Sozialleistungen zu übersehen, den Republikanern die Notwendigkeit von Steuererhöhungen zwecks fiskalischer Konsolidierung. Die Leugnung der Gefahr des Klimawandels wird als "Krieg gegen die Physik" bezeichnet. Eine Steuer auf Emissionen von Kohlendioxid wird gefordert, eine Befürwortung von Atomenergie angedeutet. Die Notwendigkeit, den Verbrauch fossiler Energie zu reduzieren, wird außerdem geopolitisch begründet. Amerika sollte nicht so stark von Öllieferanten im Nahen Osten abhängen.
Der vierte Teil beschäftigt sich mit Politikversagen. Dieser Teil ist besonders heterogen. Es gibt viele beunruhigende Informationen, etwa dass Kalifornien inzwischen mehr für seine Gefängnisse als seine Universitäten ausgibt, oder zur zunehmenden Ungleichheit oder dem Verfall der Infrastruktur.
Im fünften Teil machen sich Friedman und Mandelbaum Gedanken, wie es zur Umkehr kommen könnte. Zunächst erzählen sie etliche Beispiele von zeitgenössischen Gründern und Unternehmern, die im globalen Wettbewerb bestehen. Die Botschaft soll sein: Amerikaner können noch gewinnen. Dann stellen sie die These auf, dass ein Weitermachen wie bisher nicht funktionieren kann. Sie fordern eine radikale Mitte und hoffen auf eine dritte Kraft, die Demokraten und Republikaner zu einer Politik der Vernunft zwingt.
Das Buch ist gut geschrieben und leicht lesbar. Viele Reportagen und Analysen lösen einander ab. Ob die Auswege praktikabel und durchsetzbar sind, ist fraglich. Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen vielen Seiten, die eigentlich pessimistische Erwartungen über den Niedergang Amerikas nahelegen, und einem nicht immer überzeugenden Optimismus.
ERICH WEEDE.
Thomas L. Friedman and Michael Mandelbaum: That Used to Be Us.
Farrar, Straus and Giroux, New York 2011, 380 Seiten, 16 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Buch fordert die Rückbesinnung auf alte Tugenden
Der Starreporter der "New York Times" Thomas Friedman und der Politikwissenschaftler Michael Mandelbaum von der Johns Hopkins University stellen die Frage, warum Amerika an weltwirtschaftlichem und weltpolitischem Gewicht verliert, und was man tun sollte, um den Trend umzukehren.
Im ersten Teil wird die Diagnose gestellt. Amerika muss sich vier Herausforderungen stellen: erstens der globalisierten Welt mit ihrem verschärften Wettbewerb, zweitens der durch Informationstechnologien vernetzten Welt, drittens dem Staatsdefizit und den steigenden Staatsschulden und viertens dem allzu hohen Verbrauch von fossiler Energie und dem Risiko des Klimawandels. In Globalisierung und Informationstechnologie sehen Friedman und Mandelbaum amerikanische Errungenschaften, bezweifeln aber, ob Amerika der dadurch entstandenen Welt und der chinesischen Konkurrenz gewachsen ist.
Um mit den Herausforderungen fertig zu werden, empfehlen sie die Rückbesinnung auf fünf (ehemalige) amerikanische Stärken: erstens ein hervorragendes Bildungssystem, zweitens eine exzellente Infrastruktur, drittens eine offene Tür für Einwanderer, viertens staatliche Unterstützung der Forschung, fünftens adäquate Regulierung der Privatwirtschaft (weder zu viel, noch zu wenig).
Im zweiten Teil wird das Bildungssystem in vier langen Kapiteln behandelt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass Vernetzung und Globalisierung den Wettbewerb so verschärft haben, dass ohne Akkumulation von Humankapital und Innovation Arbeitsplätze nicht nur in der Industrie, sondern auch in den Dienstleistungen unsicher werden. Hierarchien werden flacher. Ohne Kreativität kann man immer weniger Arbeitsplätze sichern. Gute Schulleistungen sind zwar keine hinreichende Bedingung dafür, aber notwendig. Die amerikanischen Leistungen beim Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften sind aber höchstens durchschnittlich. Amerikas Jugend verschwendet zu viel Zeit - mehr als sieben Stunden pro Tag - zwecks Unterhaltung vor Bildschirmen.
Mit Durchschnittlichkeit wird sich der amerikanische Traum nicht verteidigen lassen. Auffällig bei diesem zweiten Teil ist der weitgehende Verzicht auf eine Auseinandersetzung mit der relevanten psychometrischen Forschung und der Frage, ob nicht ein großer Teil der Bevölkerung im globalen Wettbewerb mit Innovations- und Kreativitätszwang überfordert sein und bleiben muss. Die Lösbarkeit des Bildungsproblems wird vorausgesetzt, nicht hinterfragt.
Der dritte Teil hat die bezeichnende Überschrift: der Krieg gegen Mathematik und Physik. In dauernden Budgetdefiziten und steigenden Schuldenlasten sehen Friedman und Mandelbaum einen "Krieg gegen die Mathematik". Den Demokraten werfen sie vor, die Grenzen der Bezahlbarkeit von Sozialleistungen zu übersehen, den Republikanern die Notwendigkeit von Steuererhöhungen zwecks fiskalischer Konsolidierung. Die Leugnung der Gefahr des Klimawandels wird als "Krieg gegen die Physik" bezeichnet. Eine Steuer auf Emissionen von Kohlendioxid wird gefordert, eine Befürwortung von Atomenergie angedeutet. Die Notwendigkeit, den Verbrauch fossiler Energie zu reduzieren, wird außerdem geopolitisch begründet. Amerika sollte nicht so stark von Öllieferanten im Nahen Osten abhängen.
Der vierte Teil beschäftigt sich mit Politikversagen. Dieser Teil ist besonders heterogen. Es gibt viele beunruhigende Informationen, etwa dass Kalifornien inzwischen mehr für seine Gefängnisse als seine Universitäten ausgibt, oder zur zunehmenden Ungleichheit oder dem Verfall der Infrastruktur.
Im fünften Teil machen sich Friedman und Mandelbaum Gedanken, wie es zur Umkehr kommen könnte. Zunächst erzählen sie etliche Beispiele von zeitgenössischen Gründern und Unternehmern, die im globalen Wettbewerb bestehen. Die Botschaft soll sein: Amerikaner können noch gewinnen. Dann stellen sie die These auf, dass ein Weitermachen wie bisher nicht funktionieren kann. Sie fordern eine radikale Mitte und hoffen auf eine dritte Kraft, die Demokraten und Republikaner zu einer Politik der Vernunft zwingt.
Das Buch ist gut geschrieben und leicht lesbar. Viele Reportagen und Analysen lösen einander ab. Ob die Auswege praktikabel und durchsetzbar sind, ist fraglich. Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen vielen Seiten, die eigentlich pessimistische Erwartungen über den Niedergang Amerikas nahelegen, und einem nicht immer überzeugenden Optimismus.
ERICH WEEDE.
Thomas L. Friedman and Michael Mandelbaum: That Used to Be Us.
Farrar, Straus and Giroux, New York 2011, 380 Seiten, 16 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main