Produktdetails
- Verlag: Anchor Books
- ISBN-13: 9780767931557
- Artikelnr.: 28327155
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2010Privatsphäre, sagt Zuckerberg, ist nicht mehr zeitgemäß
Gefangen im Netz der Freunde: Ben Mezrich erzählt die Gründungsgeschichte von Facebook
Man nehme zwei Freunde, die von den anderen Jungs ausgelacht werden, ein Abenteuer, das ihnen vor die Füße fällt, und einen großen Triumph, der ihnen das Lob der Erwachsenen und viele hübsche Mädchen einbringt. Verteilt auf 250 Seiten, gäbe das ein wenig originelles Jugendbuch. Doch kommen noch einige Milliarden Dollar, Intrigen und eine Visitenkarte mit der Aufschrift "I'm CEO - Bitch" ins Spiel, ist es die wahre Geschichte von Mark Zuckerberg, einem der Jungs, und seinem großen Abenteuer: Facebook. Die Gründungsgeschichte des Netzwerks, wie Ben Mezrich sie in "The Accidental Billionaires" erzählt, beginnt in den Schlafzimmern von blassen Studenten und endet in Büros von Investoren, deren Millionen Zuckerberg kühl ablehnt. Es ist die Geschichte eines Über-Underdogs.
Dass ausgerechnet der dem Autor, der fleißig und gut recherchiert hat, kein Interview gewährte, erscheint verständlich. Während seiner Studienjahre in Harvard galt Zuckerberg unter den Kommilitonen als wortkarger, unergründlich lächelnder Nerd, und er hat keinen Grund, an diesem Ruf zu arbeiten. Vor wenigen Wochen trat er bei der Facebook-Entwickler-Konferenz "f8" so auf wie Gleichaltrige in der Mensa: Jeans, Turnschuhe, Schüchternheit. Er verhaspelte sich, lachte an Stellen, die dem Publikum nicht lustig erschienen, und verkündete schließlich die Übernahme des Internets durch Facebook. Offiziell ging es um kleine Buttons, doch wie groß er Kleines machen kann, hat Zuckerberg längst bewiesen.
Facebook ging am 4. Februar 2004 als exklusives Netzwerk für Harvard-Studenten online. Wer mitmachen wollte, musste sich mit einer E-Mail-Adresse der Eliteuniversität anmelden. Dass Zuckerberg zuvor schon mit der Internetseite Facemash, auf der man Fotos von Studenten nebeneinanderstellen und bewerten konnte, für Aufsehen auf dem Campus gesorgt hatte; dass er die Million ausgeschlagen hatte, die Microsoft ihm einst für ein von ihm programmiertes Plug-In, das MP3-Playern die Vorlieben seiner Nutzer beibrachte, bot; dass er, vom Bildschirmlicht angestrahlt, im Zimmer saß und sich an Algorithmen berauschte, während die anderen Studenten Wodka tranken - es sind Begebenheiten, die Geschichte sind und dennoch viel über den heutigen Zuckerberg und das, was Facebook noch werden könnte, verraten.
Denn Zuckerbergs im Januar dieses Jahres geäußerte Meinung, Privatsphäre sei nicht mehr zeitgemäß, spricht schon 2003 aus seinen Taten (und dafür, dass inzwischen Zuckerberg bestimmt, was für sehr viele Menschen zeitgemäß ist). Für Facemash hackte er sich in den Universitätscomputer ein, um sich die Fotos aller Harvard-Studenten zu verschaffen; es war möglich, also war es für Zuckerberg in Ordnung. "Informationen sind dafür da, verbreitet zu werden", lässt Mezrich ihn denken, und so, wie er zuvor mit vielen Details, Auszügen aus E-Mail-Wechseln und den Erinnerungen von Zuckerbergs damals bestem Freund, Eduardo Saverin, die Planung der Internetseite rekonstruiert, erscheint das naheliegend. Mezrich hat für die Geschichte, die er erzählt, einen guten Ton gefunden: Fesselnd, dabei nicht reißerisch, beschreibt er den Protagonisten und dessen unglaublichen Erfolg auf der Basis seiner Quellen. Ein Genie zu feiern oder einen Anarchisten zu verteufeln ist seine Sache nicht.
So bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als gleichermaßen fasziniert und erschrocken über den Teenager zu lesen, der wie jeder überzeugte Hacker wenig Wert auf Geld, dafür umso mehr auf Manipulation legt. Freunde, die ihm halfen, Facebook groß zu machen - neben Saverin vor allem der Silicon-Valley-Impresario Sean Parker -, stellte er kalt, wenn er zu bezweifeln begann, dass sie für Facebook lebten. Für die Revolution, die er ausgerufen hatte. "A Mark Zuckerberg Production" stand zu Beginn auf jeder einzelnen Seite des Netzwerkes. Jeder Harvard-Student sollte wissen, mit wem er es zu tun hatte. Bald wusste es auch der Uni-Präsident, der sich mit seiner E-Mail-Adresse ebenfalls dort anmeldete und die Seiten der neuen Studenten aufrief, ihre Fotos, Interessen und Beziehungen. Und dann, als Facebook für alle amerikanischen Hochschulen geöffnet wurde, wusste es jeder amerikanische Student und jede Studentin, von denen einige plötzlich Augen hatten für den geheimnisvollen, stillen Nerd. Heute weiß es die ganze Welt, 400 Millionen Facebook-Mitglieder.
Doch mit der Öffnung veränderte sich auch der Charakter des Netzwerks: Bildete es zu Beginn noch tatsächliche soziale Beziehungen zu den Studenten ab, die man ständig im Hörsaal und auf Partys sah, kamen in den folgenden Jahren Gruppen, Newsfeeds, Applikationen und Werbung hinzu. Das war nötig, um den Internetseite gewordenen Hackertraum zu finanzieren - und noch mächtiger zu machen. War es zu Anfang der Plan gewesen, mit Exklusivität möglichst viele Studenten für das Privatvergnügen Facebook zu begeistern, änderte sich das, nachdem sich täglich Tausende anmeldeten, weil ihre Freunde auch dort waren und sie Facebook vertrauten. An diesem Punkt, im September 2005, endet Mezrichs Buch. Doch es ist mehr als eine interessante Fußnote, was die amerikanische Bürgerrechtsorganisation "Electronic Frontier Foundation" Ende April dieses Jahres über die Entwicklung von Facebook zusammenstellte.
Es sind Auszüge aus den Einstellungen zur Privatsphäre bei Facebook, von 2005 an bis April 2010. Wurde dem Nutzer vor fünf Jahren noch versprochen, keine seiner privaten Informationen werde jemandem zur Verfügung gestellt, der nicht in mindestens einer seiner Gruppen Mitglied sei, musste man dafür 2007 schon Maßnahmen ergreifen: "Dein Name, der Name deiner Schule und dein Profilbild werden in Suchergebnissen im Facebook-Netzwerk zu sehen sein, wenn du das in deinen Privateinstellungen nicht änderst." Zwei Jahre später wird angekündigt, Information, die jemand für "alle" zugänglich mache, dürften von "uns und anderen" ohne Einschränkungen weitergegeben werden. Und im April 2010 schließlich heißt es, wer etwa eine Applikation auf Facebook nutze, übermittle deren Anbieter den eigenen Namen und die seiner Freunde, deren Profilbilder, Geschlecht, User-IDs und mehr. Exklusiv ist hier nur noch wenig.
Mezrichs Geschichte endet mit besagter Visitenkarte, die Zuckerberg 2005 als Chef eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt ausweist. Neben der neuen Position des damals 21 Jahre alten Studienabbrechers und Milliardärs verrät sie auch etwas über seinen Humor. Es spricht einiges dafür, dass Zuckerberg noch viel zu lachen haben wird.
FRIEDERIKE HAUPT
Ben Mezrich: "The Accidental Billionaires". The Founding of Facebook. A Tale of Sex, Money, Genius and Betrayal. Doubleday, New York 2009. 272 S., geb., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gefangen im Netz der Freunde: Ben Mezrich erzählt die Gründungsgeschichte von Facebook
Man nehme zwei Freunde, die von den anderen Jungs ausgelacht werden, ein Abenteuer, das ihnen vor die Füße fällt, und einen großen Triumph, der ihnen das Lob der Erwachsenen und viele hübsche Mädchen einbringt. Verteilt auf 250 Seiten, gäbe das ein wenig originelles Jugendbuch. Doch kommen noch einige Milliarden Dollar, Intrigen und eine Visitenkarte mit der Aufschrift "I'm CEO - Bitch" ins Spiel, ist es die wahre Geschichte von Mark Zuckerberg, einem der Jungs, und seinem großen Abenteuer: Facebook. Die Gründungsgeschichte des Netzwerks, wie Ben Mezrich sie in "The Accidental Billionaires" erzählt, beginnt in den Schlafzimmern von blassen Studenten und endet in Büros von Investoren, deren Millionen Zuckerberg kühl ablehnt. Es ist die Geschichte eines Über-Underdogs.
Dass ausgerechnet der dem Autor, der fleißig und gut recherchiert hat, kein Interview gewährte, erscheint verständlich. Während seiner Studienjahre in Harvard galt Zuckerberg unter den Kommilitonen als wortkarger, unergründlich lächelnder Nerd, und er hat keinen Grund, an diesem Ruf zu arbeiten. Vor wenigen Wochen trat er bei der Facebook-Entwickler-Konferenz "f8" so auf wie Gleichaltrige in der Mensa: Jeans, Turnschuhe, Schüchternheit. Er verhaspelte sich, lachte an Stellen, die dem Publikum nicht lustig erschienen, und verkündete schließlich die Übernahme des Internets durch Facebook. Offiziell ging es um kleine Buttons, doch wie groß er Kleines machen kann, hat Zuckerberg längst bewiesen.
Facebook ging am 4. Februar 2004 als exklusives Netzwerk für Harvard-Studenten online. Wer mitmachen wollte, musste sich mit einer E-Mail-Adresse der Eliteuniversität anmelden. Dass Zuckerberg zuvor schon mit der Internetseite Facemash, auf der man Fotos von Studenten nebeneinanderstellen und bewerten konnte, für Aufsehen auf dem Campus gesorgt hatte; dass er die Million ausgeschlagen hatte, die Microsoft ihm einst für ein von ihm programmiertes Plug-In, das MP3-Playern die Vorlieben seiner Nutzer beibrachte, bot; dass er, vom Bildschirmlicht angestrahlt, im Zimmer saß und sich an Algorithmen berauschte, während die anderen Studenten Wodka tranken - es sind Begebenheiten, die Geschichte sind und dennoch viel über den heutigen Zuckerberg und das, was Facebook noch werden könnte, verraten.
Denn Zuckerbergs im Januar dieses Jahres geäußerte Meinung, Privatsphäre sei nicht mehr zeitgemäß, spricht schon 2003 aus seinen Taten (und dafür, dass inzwischen Zuckerberg bestimmt, was für sehr viele Menschen zeitgemäß ist). Für Facemash hackte er sich in den Universitätscomputer ein, um sich die Fotos aller Harvard-Studenten zu verschaffen; es war möglich, also war es für Zuckerberg in Ordnung. "Informationen sind dafür da, verbreitet zu werden", lässt Mezrich ihn denken, und so, wie er zuvor mit vielen Details, Auszügen aus E-Mail-Wechseln und den Erinnerungen von Zuckerbergs damals bestem Freund, Eduardo Saverin, die Planung der Internetseite rekonstruiert, erscheint das naheliegend. Mezrich hat für die Geschichte, die er erzählt, einen guten Ton gefunden: Fesselnd, dabei nicht reißerisch, beschreibt er den Protagonisten und dessen unglaublichen Erfolg auf der Basis seiner Quellen. Ein Genie zu feiern oder einen Anarchisten zu verteufeln ist seine Sache nicht.
So bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als gleichermaßen fasziniert und erschrocken über den Teenager zu lesen, der wie jeder überzeugte Hacker wenig Wert auf Geld, dafür umso mehr auf Manipulation legt. Freunde, die ihm halfen, Facebook groß zu machen - neben Saverin vor allem der Silicon-Valley-Impresario Sean Parker -, stellte er kalt, wenn er zu bezweifeln begann, dass sie für Facebook lebten. Für die Revolution, die er ausgerufen hatte. "A Mark Zuckerberg Production" stand zu Beginn auf jeder einzelnen Seite des Netzwerkes. Jeder Harvard-Student sollte wissen, mit wem er es zu tun hatte. Bald wusste es auch der Uni-Präsident, der sich mit seiner E-Mail-Adresse ebenfalls dort anmeldete und die Seiten der neuen Studenten aufrief, ihre Fotos, Interessen und Beziehungen. Und dann, als Facebook für alle amerikanischen Hochschulen geöffnet wurde, wusste es jeder amerikanische Student und jede Studentin, von denen einige plötzlich Augen hatten für den geheimnisvollen, stillen Nerd. Heute weiß es die ganze Welt, 400 Millionen Facebook-Mitglieder.
Doch mit der Öffnung veränderte sich auch der Charakter des Netzwerks: Bildete es zu Beginn noch tatsächliche soziale Beziehungen zu den Studenten ab, die man ständig im Hörsaal und auf Partys sah, kamen in den folgenden Jahren Gruppen, Newsfeeds, Applikationen und Werbung hinzu. Das war nötig, um den Internetseite gewordenen Hackertraum zu finanzieren - und noch mächtiger zu machen. War es zu Anfang der Plan gewesen, mit Exklusivität möglichst viele Studenten für das Privatvergnügen Facebook zu begeistern, änderte sich das, nachdem sich täglich Tausende anmeldeten, weil ihre Freunde auch dort waren und sie Facebook vertrauten. An diesem Punkt, im September 2005, endet Mezrichs Buch. Doch es ist mehr als eine interessante Fußnote, was die amerikanische Bürgerrechtsorganisation "Electronic Frontier Foundation" Ende April dieses Jahres über die Entwicklung von Facebook zusammenstellte.
Es sind Auszüge aus den Einstellungen zur Privatsphäre bei Facebook, von 2005 an bis April 2010. Wurde dem Nutzer vor fünf Jahren noch versprochen, keine seiner privaten Informationen werde jemandem zur Verfügung gestellt, der nicht in mindestens einer seiner Gruppen Mitglied sei, musste man dafür 2007 schon Maßnahmen ergreifen: "Dein Name, der Name deiner Schule und dein Profilbild werden in Suchergebnissen im Facebook-Netzwerk zu sehen sein, wenn du das in deinen Privateinstellungen nicht änderst." Zwei Jahre später wird angekündigt, Information, die jemand für "alle" zugänglich mache, dürften von "uns und anderen" ohne Einschränkungen weitergegeben werden. Und im April 2010 schließlich heißt es, wer etwa eine Applikation auf Facebook nutze, übermittle deren Anbieter den eigenen Namen und die seiner Freunde, deren Profilbilder, Geschlecht, User-IDs und mehr. Exklusiv ist hier nur noch wenig.
Mezrichs Geschichte endet mit besagter Visitenkarte, die Zuckerberg 2005 als Chef eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt ausweist. Neben der neuen Position des damals 21 Jahre alten Studienabbrechers und Milliardärs verrät sie auch etwas über seinen Humor. Es spricht einiges dafür, dass Zuckerberg noch viel zu lachen haben wird.
FRIEDERIKE HAUPT
Ben Mezrich: "The Accidental Billionaires". The Founding of Facebook. A Tale of Sex, Money, Genius and Betrayal. Doubleday, New York 2009. 272 S., geb., 16,95 [Euro].
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