Linking histories thought of as totally unrelated, Kakel demonstrates that the Early American and Nazi-German national projects of territorial expansion, racial exclusion, and settler colonization were surprisingly similar projects of 'space' and 'race', with deadly consequences for 'unwanted' peoples in the American West and the Nazi East.
By employing new 'optics' and a comparative approach, this book helps us recognize the unexpected and unsettling connections between America's 'western' empire and Nazi Germany's 'eastern' empire, linking histories previously thought of as totally unrelated and leading readers towards a deep revisioning of the 'American West' and the 'Nazi East'.
By employing new 'optics' and a comparative approach, this book helps us recognize the unexpected and unsettling connections between America's 'western' empire and Nazi Germany's 'eastern' empire, linking histories previously thought of as totally unrelated and leading readers towards a deep revisioning of the 'American West' and the 'Nazi East'.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2014Ausrottung als Kriegsziel
Beeinflusste die amerikanische Westexpansion das deutsche Lebensraumkonzept?
Von Amerika lernen heißt siegen lernen? Hitler zumindest sah es so. Man müsse, so erklärte er 1942, die im Osten Europas "unterworfenen Völker auf einem möglichst niedrigen Kulturniveau" halten, so wie dies "bei den Negern und Indianern" in Nordamerika praktiziert werde. Die Partisanenbekämpfung in der Sowjetunion, davon war er überzeugt, ähnele dabei den dortigen "Indianerkämpfen". Doch lässt sich, wie Hitler dies postulierte, der deutsche Massenmord in Mittelosteuropa während des Zweiten Weltkrieges überhaupt mit der weitgehenden Ausrottung der indigenen Bevölkerung in Nordamerika vergleichen? Erst einmal regt sich eine gewisse Skepsis. Andererseits erinnern sogar Begrifflichkeiten wie das geplante "Judenreservat" im vom Reich besetzten Polen oder Bilder von deutschen Siedlerkolonnen, die in Planwagen gen Osten ziehen, an die Geschichte der Vereinigten Staaten.
Auch andere amerikanische Entwicklungen könnten einen sensibel angelegten Vergleich mit dem "deutschen Osten" rechtfertigen. Man denke etwa an die systematische Vertreibung der Indianer aus ihren angestammten Siedlungsgebieten, die Rolle von amerikanischen Rangern und Bürgerwehren bei der Ermordung von ganzen Stämmen, an die planmäßige Zerstörung von Feldern oder Nahrungsmitteldepots sowie die Verbreitung von Alkoholismus oder Seuchen, um die Widerstandskraft der indigenen Bevölkerung zu schwächen. In einem Bericht des US-Kongresses vom 26. Januar 1867 wurden deshalb auch die "Ausrottungskriege" als Grund für den rapiden Bevölkerungsrückgang der Indianer genannt. Diese Kriege, so das Resümee, hätten sich insgesamt zu einem "unterschiedslosen Abschlachten von Männern, Frauen und Kindern" entwickelt. Dabei wurden zugleich rassistische Stereotype deutlich, da es sich bei den Indianerkriegen, so der Kongress, um einen "unkontrollierbaren Konflikt zwischen einer höherwertigen und einer minderen Rasse" handele.
Carroll P. Kakel III sieht deutliche Gemeinsamkeiten zwischen der Kolonisierung des amerikanischen Westens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und den deutschen Siedlungsabsichten in Mittelosteuropa während des Zweiten Weltkrieges. Für ihn finden sich vielfache Parallelen in Hinblick auf die territoriale Expansion, aber auch die "rassische Säuberung" der eroberten Gebiete durch Vertreibung und Ermordung der indigenen Bevölkerung. Um seine Hypothese zu belegen, untersucht er die ideologischen Grundlagen der amerikanischen Westexpansion und des deutschen Lebensraumkonzepts. Daneben analysiert er den "Siedlerkolonialismus" und fragt, in welcher Weise sich Deutsche und Amerikaner Territorien aneigneten beziehungsweise wie diese Gebiete anschließend besiedelt werden sollten. Seine Erwägungen rundet Kakel damit ab, dass er den Umgang mit der indigenen Bevölkerung - also Vertreibung und Massenmord - vergleicht. Insgesamt kommt er zum Schluss, dass es weitgehende Parallelen der Entwicklung gebe. Ja, Kakel geht sogar so weit zu behaupten, dass NS-Deutschland "in erheblichem Maße vom nordamerikanischen Präzedenzfall und Modell beeinflusst wurde". Die Entwicklung in Mittelosteuropa stellt seiner Ansicht nach "den logischen Höhepunkt der vorangegangenen angloamerikanischen kontinentalen imperialistischen Ideologie dar".
Dies ist mutig formuliert, äußerst mutig. Doch sollte der Historiker weniger auf Wagemut als auf eine umfassende Quellenbasis setzen. Wie sieht es damit aus? Diese ist weit weniger beeindruckend als seine Thesenfreudigkeit. Kakel hat sich nicht die Mühe gemacht, Originaldokumente einzusehen, sondern wertet englischsprachige Werke zu seinem Themenbereich aus. Damit nimmt er sich die Möglichkeit, den wahren Trumpf eines fundierten historischen Vergleichs auszuspielen, nämlich vermittels Quellen neue, bisher unbekannte Vergleichsebenen zu erschließen. So aber verbleibt er in den bekannten Diskursen, die er auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht. Das Ergebnis sind mehr oder minder geistreiche Impressionen, mit denen fehlende Empirie ausgeglichen wird.
Vergleiche sind aber letztlich nur sinnvoll, wenn einzelne Sachverhalte systematisch im Detail untersucht werden, um damit Antworten auf die grundlegenden Forschungsfragen zu geben. Problematisch ist bereits die Grundannahme des Werkes, die Vergleichbarkeit der Siedlungsbewegung in den Vereinigten Staaten und Deutschland. Für Nordamerika ergibt dies in jeder Hinsicht einen Sinn, doch kann während des Zweiten Weltkrieges von einer analogen freiwilligen Kolonisierung von deutscher Seite kaum die Rede sein. Abgesehen von den Umsiedlungen der Volksdeutschen, vor allem aus der Sowjetunion, hatten die Landwirte aus dem Reich kaum Interesse daran, als Wehrbauern in den Osten zu gehen. Auch im Falle eines siegreichen Krieges wäre die Besiedlung der riesigen Territorien mangels Bevölkerung kaum möglich gewesen. Deutsche Planungen waren insgesamt vor allem ideologisch motiviert und kaum mit der Realität in Einklang zu bringen. Anders in Amerika, wo der massive Siedlungsdruck ein ausschlaggebender Faktor für die Vertreibung und Ermordung der indigenen Bevölkerung war.
Insgesamt ist Kakel gezwungen, den Genozid an den Indianern zu einem "racial cleansing" umzudeuten, um eine Vergleichbarkeit mit dem "deutschen Osten" herstellen zu können. Doch kann man, wie vom Autor vorgenommen, keinesfalls bereits im 18. Jahrhundert vom Beginn eines "rassischen Antagonismus" zwischen weißen Siedlern und Indigenen in Nordamerika sprechen. Hierbei handelte es sich eher um religiöse, ethnische oder kulturelle Differenzen, die aber letztlich für viele Betroffenen tödlich endeten. So legt man das Werk mit einem gewissen Bedauern zur Seite, da viele interessante Ansätze vorhanden gewesen wären, die durchaus einer tiefgehenden Forschung bedurft hätten. Fruchtbar wäre beispielsweise ein Vergleich der Techniken, wie Räume von ihrer angestammten Bevölkerung "gesäubert" wurden. Welche Planungen wurden angestellt, welche Radikalisierungsprozesse zeigten sich? Ebenso hätte man genau untersuchen können, wie Massenmorde stattfanden, weshalb dieser zum Beispiel auch auf Frauen und Kinder ausgedehnt wurde. Doch die Weite des amerikanischen Westens und des europäischen Ostens harrt weiter einer systematischen Analyse.
MICHAEL MAYER
Carroll P. Kakel, III: The American West and the Nazi East. A Comparative and Interpretive Perspective. Palgrave Macmillan Ltd., Hampshire 2013. 299 S., 71,79 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beeinflusste die amerikanische Westexpansion das deutsche Lebensraumkonzept?
Von Amerika lernen heißt siegen lernen? Hitler zumindest sah es so. Man müsse, so erklärte er 1942, die im Osten Europas "unterworfenen Völker auf einem möglichst niedrigen Kulturniveau" halten, so wie dies "bei den Negern und Indianern" in Nordamerika praktiziert werde. Die Partisanenbekämpfung in der Sowjetunion, davon war er überzeugt, ähnele dabei den dortigen "Indianerkämpfen". Doch lässt sich, wie Hitler dies postulierte, der deutsche Massenmord in Mittelosteuropa während des Zweiten Weltkrieges überhaupt mit der weitgehenden Ausrottung der indigenen Bevölkerung in Nordamerika vergleichen? Erst einmal regt sich eine gewisse Skepsis. Andererseits erinnern sogar Begrifflichkeiten wie das geplante "Judenreservat" im vom Reich besetzten Polen oder Bilder von deutschen Siedlerkolonnen, die in Planwagen gen Osten ziehen, an die Geschichte der Vereinigten Staaten.
Auch andere amerikanische Entwicklungen könnten einen sensibel angelegten Vergleich mit dem "deutschen Osten" rechtfertigen. Man denke etwa an die systematische Vertreibung der Indianer aus ihren angestammten Siedlungsgebieten, die Rolle von amerikanischen Rangern und Bürgerwehren bei der Ermordung von ganzen Stämmen, an die planmäßige Zerstörung von Feldern oder Nahrungsmitteldepots sowie die Verbreitung von Alkoholismus oder Seuchen, um die Widerstandskraft der indigenen Bevölkerung zu schwächen. In einem Bericht des US-Kongresses vom 26. Januar 1867 wurden deshalb auch die "Ausrottungskriege" als Grund für den rapiden Bevölkerungsrückgang der Indianer genannt. Diese Kriege, so das Resümee, hätten sich insgesamt zu einem "unterschiedslosen Abschlachten von Männern, Frauen und Kindern" entwickelt. Dabei wurden zugleich rassistische Stereotype deutlich, da es sich bei den Indianerkriegen, so der Kongress, um einen "unkontrollierbaren Konflikt zwischen einer höherwertigen und einer minderen Rasse" handele.
Carroll P. Kakel III sieht deutliche Gemeinsamkeiten zwischen der Kolonisierung des amerikanischen Westens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und den deutschen Siedlungsabsichten in Mittelosteuropa während des Zweiten Weltkrieges. Für ihn finden sich vielfache Parallelen in Hinblick auf die territoriale Expansion, aber auch die "rassische Säuberung" der eroberten Gebiete durch Vertreibung und Ermordung der indigenen Bevölkerung. Um seine Hypothese zu belegen, untersucht er die ideologischen Grundlagen der amerikanischen Westexpansion und des deutschen Lebensraumkonzepts. Daneben analysiert er den "Siedlerkolonialismus" und fragt, in welcher Weise sich Deutsche und Amerikaner Territorien aneigneten beziehungsweise wie diese Gebiete anschließend besiedelt werden sollten. Seine Erwägungen rundet Kakel damit ab, dass er den Umgang mit der indigenen Bevölkerung - also Vertreibung und Massenmord - vergleicht. Insgesamt kommt er zum Schluss, dass es weitgehende Parallelen der Entwicklung gebe. Ja, Kakel geht sogar so weit zu behaupten, dass NS-Deutschland "in erheblichem Maße vom nordamerikanischen Präzedenzfall und Modell beeinflusst wurde". Die Entwicklung in Mittelosteuropa stellt seiner Ansicht nach "den logischen Höhepunkt der vorangegangenen angloamerikanischen kontinentalen imperialistischen Ideologie dar".
Dies ist mutig formuliert, äußerst mutig. Doch sollte der Historiker weniger auf Wagemut als auf eine umfassende Quellenbasis setzen. Wie sieht es damit aus? Diese ist weit weniger beeindruckend als seine Thesenfreudigkeit. Kakel hat sich nicht die Mühe gemacht, Originaldokumente einzusehen, sondern wertet englischsprachige Werke zu seinem Themenbereich aus. Damit nimmt er sich die Möglichkeit, den wahren Trumpf eines fundierten historischen Vergleichs auszuspielen, nämlich vermittels Quellen neue, bisher unbekannte Vergleichsebenen zu erschließen. So aber verbleibt er in den bekannten Diskursen, die er auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht. Das Ergebnis sind mehr oder minder geistreiche Impressionen, mit denen fehlende Empirie ausgeglichen wird.
Vergleiche sind aber letztlich nur sinnvoll, wenn einzelne Sachverhalte systematisch im Detail untersucht werden, um damit Antworten auf die grundlegenden Forschungsfragen zu geben. Problematisch ist bereits die Grundannahme des Werkes, die Vergleichbarkeit der Siedlungsbewegung in den Vereinigten Staaten und Deutschland. Für Nordamerika ergibt dies in jeder Hinsicht einen Sinn, doch kann während des Zweiten Weltkrieges von einer analogen freiwilligen Kolonisierung von deutscher Seite kaum die Rede sein. Abgesehen von den Umsiedlungen der Volksdeutschen, vor allem aus der Sowjetunion, hatten die Landwirte aus dem Reich kaum Interesse daran, als Wehrbauern in den Osten zu gehen. Auch im Falle eines siegreichen Krieges wäre die Besiedlung der riesigen Territorien mangels Bevölkerung kaum möglich gewesen. Deutsche Planungen waren insgesamt vor allem ideologisch motiviert und kaum mit der Realität in Einklang zu bringen. Anders in Amerika, wo der massive Siedlungsdruck ein ausschlaggebender Faktor für die Vertreibung und Ermordung der indigenen Bevölkerung war.
Insgesamt ist Kakel gezwungen, den Genozid an den Indianern zu einem "racial cleansing" umzudeuten, um eine Vergleichbarkeit mit dem "deutschen Osten" herstellen zu können. Doch kann man, wie vom Autor vorgenommen, keinesfalls bereits im 18. Jahrhundert vom Beginn eines "rassischen Antagonismus" zwischen weißen Siedlern und Indigenen in Nordamerika sprechen. Hierbei handelte es sich eher um religiöse, ethnische oder kulturelle Differenzen, die aber letztlich für viele Betroffenen tödlich endeten. So legt man das Werk mit einem gewissen Bedauern zur Seite, da viele interessante Ansätze vorhanden gewesen wären, die durchaus einer tiefgehenden Forschung bedurft hätten. Fruchtbar wäre beispielsweise ein Vergleich der Techniken, wie Räume von ihrer angestammten Bevölkerung "gesäubert" wurden. Welche Planungen wurden angestellt, welche Radikalisierungsprozesse zeigten sich? Ebenso hätte man genau untersuchen können, wie Massenmorde stattfanden, weshalb dieser zum Beispiel auch auf Frauen und Kinder ausgedehnt wurde. Doch die Weite des amerikanischen Westens und des europäischen Ostens harrt weiter einer systematischen Analyse.
MICHAEL MAYER
Carroll P. Kakel, III: The American West and the Nazi East. A Comparative and Interpretive Perspective. Palgrave Macmillan Ltd., Hampshire 2013. 299 S., 71,79 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"This book provides a valuable and uncharted insight into two dark moments of history. Kakel deserves considerable credit for tackling such an important and scarcely addressed topic. ... Kakel's work provides a fascinating and detailed assessment of two atrocity-laden nationalist projects and does so by unearthing profound insight without obscuring the individual histories. Any scholar of transnational history would do well to read this work and incorporate its lessons and approach into their own work and teaching models." (Derrick J. Angermeier, H-War, H-Net Reviews, March 2018)