A finalist for the PEN/Faulkner Award for Fiction and the Story Prize, the first ever collection of "dazzlingly told" (The New York Times) short stories-now available as a trade paperback.
Set in Greece, the Caribbean, Manhattan, a white-collar prison and outer space, this "small masterpiece of short fiction" (USA Today) is a mesmerizing introduction to Don DeLillo's iconic voice. In "Creation," a couple at the end of a cruise somewhere in the West Indies can't get off the island-flights canceled, unconfirmed reservations, a dysfunctional economy. In "Human Moments in World War III," two men orbiting the earth, charged with gathering intelligence and reporting to Colorado Command, hear the voices of American radio, from a half century earlier. In the title story, Sisters Edgar and Grace, nuns working the violent streets of the South Bronx, confirm the neighborhood's miracle, the apparition of a dead child, Esmeralda.
Nuns, astronauts, athletes, terrorists and travelers, the characters in The Angel Esmeralda propel themselves into the world and define it. These nine stories describe an extraordinary journey of one great writer whose prescience about world events and ear for American language changed the literary landscape.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Set in Greece, the Caribbean, Manhattan, a white-collar prison and outer space, this "small masterpiece of short fiction" (USA Today) is a mesmerizing introduction to Don DeLillo's iconic voice. In "Creation," a couple at the end of a cruise somewhere in the West Indies can't get off the island-flights canceled, unconfirmed reservations, a dysfunctional economy. In "Human Moments in World War III," two men orbiting the earth, charged with gathering intelligence and reporting to Colorado Command, hear the voices of American radio, from a half century earlier. In the title story, Sisters Edgar and Grace, nuns working the violent streets of the South Bronx, confirm the neighborhood's miracle, the apparition of a dead child, Esmeralda.
Nuns, astronauts, athletes, terrorists and travelers, the characters in The Angel Esmeralda propel themselves into the world and define it. These nine stories describe an extraordinary journey of one great writer whose prescience about world events and ear for American language changed the literary landscape.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2012Hier gibt es nur Geheimnisgewissheit
Don DeLillo gilt als einer der größten amerikanischen Romanciers. Doch in den letzten dreißig Jahren sind auch Erzählungen entstanden, die der Autor aber sorgsam zurückhielt. Nun erscheinen sie endlich als Buch.
Von Christian Metz
Am Anfang von Don DeLillos Erzählband "Der Engel Esmeralda" steht ein schreibökonomischer Coup. Obwohl der sechsundsiebzigjährige Autor seinem Werk nur einen einzigen, jüngst verfassten Text hinzufügt, erweitert er es doch um eine wesentliche Facette. Als steten Verfasser der traditionsreichen short story kannte man DeLillo bislang nicht. Jetzt aber präsentiert er neun Erzählungen aus einer Zeitspanne von 1979 bis 2011, die er offenbar sorgsam aufgespart hat.
Das durchaus heikle Manöver löst sich ein, weil die Kurzgeschichten eine atemberaubende erzählerische Klasse aufweisen. Worin die liegt, bekommt man in den Blick, wenn man den Erzählungen bis zu ihrer Wurzel folgt. Ihren Ausgangspunkt nehmen sie in einer Charaktereigenschaft, die alle auftretenden Protagonisten teilen. Alle neun sind hochsensibilisiert, mitunter überempfindlich gegenüber Menschen und Dingen, Gedanken und Gefühlen. Ihr Feinsinn richtet sich vor allem auf Phänomene, die "am Rande aufschimmern". Die Figuren nehmen aber nicht nur anderes, sondern auch anders wahr. Aufgrund dieser Begabung können sie - wie die Studenten in der Erzählung "Mitternacht in Dostojewskij" (aus dem Jahr 2009) - von sich behaupten, "dass wir bei aller Normalität eigentlich gewohnheitsmäßig gestört sind, alltagsverrückt".
Die einzelnen Geschichten spielen Varianten dieser Alltagsverrücktheit durch. In der genannten Erzählung beobachten die Studenten ausgerechnet ihren Logik-Professor so intensiv, bis sie davon überzeugt sind, dass er unter einer unbekannten Infektionskrankheit leidet. Das Phantasiespiel kippt in Furor, als sie auf die feuchte Aussprache des Logiklehrers aufmerksam werden: "Manchmal hustete er in die Hand, manchmal auf den Tisch, und wir stellten uns mikroskopisch kleine Lebensformen vor, die auf die Tischplatte spritzten und als Querschläger in unseren Einatmungsraum prallten. Wer ihm am nächsten saß, duckte sich mit einem Zucken weg, das zugleich ein halb entschuldigendes Lachen war."
Eine alltägliche Spielart des verrückten Blicks bildet die Keimzelle von "Der Läufer" (1988). Flüchtig bemerkt ein Jogger, wie ein Auto plötzlich eine Wiese quert: ",Haben Sie gesehen, was passiert ist?' ,Nein. Eigentlich nur das Auto ungefähr zwei Sekunden lang.'" Mehr weiß und mehr erfährt man nicht. In der Titelgeschichte "Der Engel Esmeralda" (1994), die in den Roman "Unterwelt" eingegangen ist, weicht der Blick einem Gefühl. Die Nonne Edgar erspürt "aufwirbelnde Informationen auf den staubigen Korridoren des Klosters", die in ihr ein "schreckliches Gefühl, eine jener Vorahnungen aus längst vergangenen Zeiten" auslösen. Und bei der "Akrobatin aus Elfenbein" (1988) handelt es sich um eine kleine, geschnitzte Figur, die in den Händen der verängstigten Protagonistin Kyle zu Leben erwacht und ihr unerwartet Halt bietet: "Ihr Selbstgefühl endete, wo die Akrobatin begann. Als sie das einmal erkannt hatte, packte sie die Figur in die Tasche und nahm sie überallhin mit."
Aus diesen Wahrnehmungen erwachsen Handlungen, indem sich an sie wie bei der Kristallbildung Szenen und Ereignisse lagern. Damit dies gelingt, geben die Figuren ihren flüchtigen Gedanken und Beobachtungen Raum. Sie gehen den Geheimnissen nach, die in den Dingen ruhen, lüften aber die Rätsel nicht. Die geheimnisgewissen Erzählungen werfen Fragen auf, geben aber keine Antworten. Denn nur so tragen die Unschärfemomente ein doppeltes Potential in sich. Von ihnen geht die diffuse Unsicherheit aus, die das vermeintlich feste Lebensgefüge destabilisiert.
In ihnen liegt zugleich die Poesie geborgen, die den Alltag aus seiner starren Mechanik löst. Je nach Charakter der Perspektivfigur, je nach ihrer momentanen Situation entspinnt sich aus dem Wahrnehmungsmoment eine andere Handlung. Im Fall von "Schöpfung" (1979) initiiert der flüchtige Blick eine Liebesgeschichte. Als der verheiratete Schriftsteller Rupert auf der Rückreise von einem Segeltörn auf einem Flughafen strandet, fällt ihm eine Frau auf: "Sein Blick irrte ständig nach rechts. Eine Frau stand ein paar Schritte entfernt." Im ersten Augenblick erscheint sie ihm unattraktiv. Doch gerade dies erweist sich als besonders reizvoll. Aus dem Seitenblick wird ein Seitensprung.
"Der Engel Esmeralda" verschiebt dieselbe Wahrnehmungsform von der Liebe in das Feld der Religion und kulminiert in einem mysteriösen Massenereignis: Mitten in der South Bronx bewegt ein Windzug ein Reklamebanner. Für einen Moment zeichnen sich die Züge eines verstorbenen Mädchens ab. Die Erscheinung zieht eine wachsende Menschenmenge in ihren Bann. Und "Baader-Meinhof" (2002) schließlich nimmt die feinsinnige Blickweise für die ästhetische Betrachtung in Anspruch: Dort verliert sich eine Frau in einem Detail von Gerhard Richters "RAF-Zyklus". Täglich kehrt sie deshalb in die New Yorker Ausstellung zurück.
Mit diesen Inszenierungen schließt DeLillo bei einer Kulturgeschichte, die fragt, ob die Welt so ist, wie wir sie wahrnehmen. Angefangen bei Platons "Höhlengleichnis", Orpheus' Gebot "Schau dich nicht um" oder Petrarcas "Blick vom Mont Ventoux" bis zur romantischen Natur- oder expressionistischen Großstadtwahrnehmung.
Nicht zuletzt aber knüpft DeLillo bei seinen eigenen Schreibverfahren an. Die Figuren blicken in derselben Weise auf die Welt wie ihr Autor. Sie sind seine Widergänger. Denn zu den Konstanten von DeLillos Schreiben gehört, die Unschärfemomente der amerikanischen Historie aufzuspüren, um Überempfindlichkeit und Angst der Gesellschaft aufzuzeigen. In "Unterwelt" genügt ihm die Szene eines Baseballspiels, um von dort aus die diffuse Furcht vor einem nuklearen Anschlag als treibende Kraft der amerikanischen Kultur zu dechiffrieren. "Falling Man" schließt an diese subtile Diagnose an. Der Roman zeigt, wie die zuvor wirksamen Ängste durch das akute Bedrohungsgefühl nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überlagert werden. In DeLillos Erzählband lässt sich ebenfalls eine solche Analyse erkennen. In erster Linie erzählt eine Geschichte wie "Die Akrobatin aus Elfenbein" von jenen fünf Wochen des Jahres 1981, in denen die unfassbare Folge von angeblich 15 000 Erdbeben Athens Bevölkerung in Schrecken versetzte. DeLillo zeichnet ein realistisches Bild dieser Zeit. Aus heutiger Sicht jedoch liest sich die Geschichte gleichzeitig wie ein Kommentar zur gegenwärtigen ökonomischen Lage. Muss Griechenlands Bevölkerung die Krise nicht als schicksalhaftes, übermächtiges Ereignis auffassen? Lebt sie nicht in ständiger Angst vor der nächsten, stärkeren Erschütterung?
Auf solche Aktualitätseffekte legt es DeLillos Auswahl an. Hatte er die Abgründigkeit des Ökonomischen bereits in "Cosmopolis" zum herrschenden Zeitgefühl erhoben, so verstärkt sein Erzählband diesen Eindruck. Auf dieser Ebene treten die Erzählungen miteinander in Dialog. "Hammer und Sichel" (2011) forciert diese ökonomische Lesart. Dort tragen zwei Mädchen im Fernsehprogramm Börsennachrichten vor, ohne jedes Verständnis dafür, was sie sagen: ",Ganz Europa schaut gen Süden. Was sehen Sie da?' ,Sie sehen Griechenland.' ,Sie sehen finanzielle Instabilität, enorme Schuldenlast, möglichen Bankrott.' ,Krisis ist ein griechisches Wort.'"
Worthülse folgt auf Worthülse, ohne etwas zu erhellen. Einer der Zuschauer dieses absurden Szenarios ist der Vater der beiden Kinder. Er sitzt wegen Bilanzfälschung im Gefängnis und betrachtet seine Kinder jetzt auf dem Bildschirm. Grandios, was für ein Bild unserer Gegenwart DeLillos Erzählband entwirft.
Don DeLillo: "Der Engel Esmeralda". Neun Erzählungen.
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 246 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Don DeLillo gilt als einer der größten amerikanischen Romanciers. Doch in den letzten dreißig Jahren sind auch Erzählungen entstanden, die der Autor aber sorgsam zurückhielt. Nun erscheinen sie endlich als Buch.
Von Christian Metz
Am Anfang von Don DeLillos Erzählband "Der Engel Esmeralda" steht ein schreibökonomischer Coup. Obwohl der sechsundsiebzigjährige Autor seinem Werk nur einen einzigen, jüngst verfassten Text hinzufügt, erweitert er es doch um eine wesentliche Facette. Als steten Verfasser der traditionsreichen short story kannte man DeLillo bislang nicht. Jetzt aber präsentiert er neun Erzählungen aus einer Zeitspanne von 1979 bis 2011, die er offenbar sorgsam aufgespart hat.
Das durchaus heikle Manöver löst sich ein, weil die Kurzgeschichten eine atemberaubende erzählerische Klasse aufweisen. Worin die liegt, bekommt man in den Blick, wenn man den Erzählungen bis zu ihrer Wurzel folgt. Ihren Ausgangspunkt nehmen sie in einer Charaktereigenschaft, die alle auftretenden Protagonisten teilen. Alle neun sind hochsensibilisiert, mitunter überempfindlich gegenüber Menschen und Dingen, Gedanken und Gefühlen. Ihr Feinsinn richtet sich vor allem auf Phänomene, die "am Rande aufschimmern". Die Figuren nehmen aber nicht nur anderes, sondern auch anders wahr. Aufgrund dieser Begabung können sie - wie die Studenten in der Erzählung "Mitternacht in Dostojewskij" (aus dem Jahr 2009) - von sich behaupten, "dass wir bei aller Normalität eigentlich gewohnheitsmäßig gestört sind, alltagsverrückt".
Die einzelnen Geschichten spielen Varianten dieser Alltagsverrücktheit durch. In der genannten Erzählung beobachten die Studenten ausgerechnet ihren Logik-Professor so intensiv, bis sie davon überzeugt sind, dass er unter einer unbekannten Infektionskrankheit leidet. Das Phantasiespiel kippt in Furor, als sie auf die feuchte Aussprache des Logiklehrers aufmerksam werden: "Manchmal hustete er in die Hand, manchmal auf den Tisch, und wir stellten uns mikroskopisch kleine Lebensformen vor, die auf die Tischplatte spritzten und als Querschläger in unseren Einatmungsraum prallten. Wer ihm am nächsten saß, duckte sich mit einem Zucken weg, das zugleich ein halb entschuldigendes Lachen war."
Eine alltägliche Spielart des verrückten Blicks bildet die Keimzelle von "Der Läufer" (1988). Flüchtig bemerkt ein Jogger, wie ein Auto plötzlich eine Wiese quert: ",Haben Sie gesehen, was passiert ist?' ,Nein. Eigentlich nur das Auto ungefähr zwei Sekunden lang.'" Mehr weiß und mehr erfährt man nicht. In der Titelgeschichte "Der Engel Esmeralda" (1994), die in den Roman "Unterwelt" eingegangen ist, weicht der Blick einem Gefühl. Die Nonne Edgar erspürt "aufwirbelnde Informationen auf den staubigen Korridoren des Klosters", die in ihr ein "schreckliches Gefühl, eine jener Vorahnungen aus längst vergangenen Zeiten" auslösen. Und bei der "Akrobatin aus Elfenbein" (1988) handelt es sich um eine kleine, geschnitzte Figur, die in den Händen der verängstigten Protagonistin Kyle zu Leben erwacht und ihr unerwartet Halt bietet: "Ihr Selbstgefühl endete, wo die Akrobatin begann. Als sie das einmal erkannt hatte, packte sie die Figur in die Tasche und nahm sie überallhin mit."
Aus diesen Wahrnehmungen erwachsen Handlungen, indem sich an sie wie bei der Kristallbildung Szenen und Ereignisse lagern. Damit dies gelingt, geben die Figuren ihren flüchtigen Gedanken und Beobachtungen Raum. Sie gehen den Geheimnissen nach, die in den Dingen ruhen, lüften aber die Rätsel nicht. Die geheimnisgewissen Erzählungen werfen Fragen auf, geben aber keine Antworten. Denn nur so tragen die Unschärfemomente ein doppeltes Potential in sich. Von ihnen geht die diffuse Unsicherheit aus, die das vermeintlich feste Lebensgefüge destabilisiert.
In ihnen liegt zugleich die Poesie geborgen, die den Alltag aus seiner starren Mechanik löst. Je nach Charakter der Perspektivfigur, je nach ihrer momentanen Situation entspinnt sich aus dem Wahrnehmungsmoment eine andere Handlung. Im Fall von "Schöpfung" (1979) initiiert der flüchtige Blick eine Liebesgeschichte. Als der verheiratete Schriftsteller Rupert auf der Rückreise von einem Segeltörn auf einem Flughafen strandet, fällt ihm eine Frau auf: "Sein Blick irrte ständig nach rechts. Eine Frau stand ein paar Schritte entfernt." Im ersten Augenblick erscheint sie ihm unattraktiv. Doch gerade dies erweist sich als besonders reizvoll. Aus dem Seitenblick wird ein Seitensprung.
"Der Engel Esmeralda" verschiebt dieselbe Wahrnehmungsform von der Liebe in das Feld der Religion und kulminiert in einem mysteriösen Massenereignis: Mitten in der South Bronx bewegt ein Windzug ein Reklamebanner. Für einen Moment zeichnen sich die Züge eines verstorbenen Mädchens ab. Die Erscheinung zieht eine wachsende Menschenmenge in ihren Bann. Und "Baader-Meinhof" (2002) schließlich nimmt die feinsinnige Blickweise für die ästhetische Betrachtung in Anspruch: Dort verliert sich eine Frau in einem Detail von Gerhard Richters "RAF-Zyklus". Täglich kehrt sie deshalb in die New Yorker Ausstellung zurück.
Mit diesen Inszenierungen schließt DeLillo bei einer Kulturgeschichte, die fragt, ob die Welt so ist, wie wir sie wahrnehmen. Angefangen bei Platons "Höhlengleichnis", Orpheus' Gebot "Schau dich nicht um" oder Petrarcas "Blick vom Mont Ventoux" bis zur romantischen Natur- oder expressionistischen Großstadtwahrnehmung.
Nicht zuletzt aber knüpft DeLillo bei seinen eigenen Schreibverfahren an. Die Figuren blicken in derselben Weise auf die Welt wie ihr Autor. Sie sind seine Widergänger. Denn zu den Konstanten von DeLillos Schreiben gehört, die Unschärfemomente der amerikanischen Historie aufzuspüren, um Überempfindlichkeit und Angst der Gesellschaft aufzuzeigen. In "Unterwelt" genügt ihm die Szene eines Baseballspiels, um von dort aus die diffuse Furcht vor einem nuklearen Anschlag als treibende Kraft der amerikanischen Kultur zu dechiffrieren. "Falling Man" schließt an diese subtile Diagnose an. Der Roman zeigt, wie die zuvor wirksamen Ängste durch das akute Bedrohungsgefühl nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überlagert werden. In DeLillos Erzählband lässt sich ebenfalls eine solche Analyse erkennen. In erster Linie erzählt eine Geschichte wie "Die Akrobatin aus Elfenbein" von jenen fünf Wochen des Jahres 1981, in denen die unfassbare Folge von angeblich 15 000 Erdbeben Athens Bevölkerung in Schrecken versetzte. DeLillo zeichnet ein realistisches Bild dieser Zeit. Aus heutiger Sicht jedoch liest sich die Geschichte gleichzeitig wie ein Kommentar zur gegenwärtigen ökonomischen Lage. Muss Griechenlands Bevölkerung die Krise nicht als schicksalhaftes, übermächtiges Ereignis auffassen? Lebt sie nicht in ständiger Angst vor der nächsten, stärkeren Erschütterung?
Auf solche Aktualitätseffekte legt es DeLillos Auswahl an. Hatte er die Abgründigkeit des Ökonomischen bereits in "Cosmopolis" zum herrschenden Zeitgefühl erhoben, so verstärkt sein Erzählband diesen Eindruck. Auf dieser Ebene treten die Erzählungen miteinander in Dialog. "Hammer und Sichel" (2011) forciert diese ökonomische Lesart. Dort tragen zwei Mädchen im Fernsehprogramm Börsennachrichten vor, ohne jedes Verständnis dafür, was sie sagen: ",Ganz Europa schaut gen Süden. Was sehen Sie da?' ,Sie sehen Griechenland.' ,Sie sehen finanzielle Instabilität, enorme Schuldenlast, möglichen Bankrott.' ,Krisis ist ein griechisches Wort.'"
Worthülse folgt auf Worthülse, ohne etwas zu erhellen. Einer der Zuschauer dieses absurden Szenarios ist der Vater der beiden Kinder. Er sitzt wegen Bilanzfälschung im Gefängnis und betrachtet seine Kinder jetzt auf dem Bildschirm. Grandios, was für ein Bild unserer Gegenwart DeLillos Erzählband entwirft.
Don DeLillo: "Der Engel Esmeralda". Neun Erzählungen.
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 246 S., geb., 18,99 [Euro].
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"A beautiful book for all time"-San Francisco Chronicle