Nicht ganz so gelungene Fortsetzung der Atlas-Reihe mit starkem Schluss
Nachdem im Finale von "The Atlas Six" die Leiche der Physiomagierin Libby Rhodes von Illusionist Tristan Caine als Animatur entlarvt wurde, haben die verbliebenen Atlas Six nach der verschwundenen Libby gesucht. Doch fehlt
auch einen Monat später noch jede Spur von ihr. So geht das Leben in der Alexandrinischen Bibliothek…mehrNicht ganz so gelungene Fortsetzung der Atlas-Reihe mit starkem Schluss
Nachdem im Finale von "The Atlas Six" die Leiche der Physiomagierin Libby Rhodes von Illusionist Tristan Caine als Animatur entlarvt wurde, haben die verbliebenen Atlas Six nach der verschwundenen Libby gesucht. Doch fehlt auch einen Monat später noch jede Spur von ihr. So geht das Leben in der Alexandrinischen Bibliothek weiter und für die verbliebenen fünf Auserwählten steht nun ihre Initiierung bevor. Darüber werden sie von Kurator Atlas Blakely und Forscher Dalton Ellery im Unklaren gelassen, wenn sie lediglich erfahren, dass es sich dabei um eine Art von Spiel ohne Regeln handelt.
Zum Einstieg von "The Atlas Paradox" stellt Olivie Blake umfangreiches Material zur Verfügung. Weil ich den ersten Band der Atlas-Reihe noch ganz gut in Erinnerung hatte, ist mir diese Überleitung auch vor dem Hintergrund, dass die sich in den ersten, aus Sicht der Atlas Six geschilderten Kapitel fortgesetzt hat, ein wenig zu lang geraten. So hat sich Olivie Blake für meinen Geschmack zu viel Zeit damit gelassen, bis die Handlung dann doch noch in die Gänge kommt.
Die aus „The Atlas Six“ bekannte Erzählweise in reihum wechselnden Perspektiven wird im zweiten Band der Reihe nahezu unverändert beibehalten, entwickelt sich dabei immer mehr zum Korsett, das nicht recht passen will und stellenweise der an sich interessanten Geschichte die Luft abschnürt. Denn die sich verschiebenden Allianzen unter den verbliebenen Atlas Six, die nach der erfolgten Initiierung um ihre Forschungsgebiete ringen, ist weit weniger spannend als im Vorgänger ausgefallen, weil dabei die moralische Fallhöhe fehlt, die auf einen Mord an einem von ihnen hinausläuft.
In den nach wie vor als Kammerspiel inszenierten Scharmützel in der Bibliothek tritt die Handlung über weite Strecken auf der Stelle. Daran ändert auch wenig, dass die Protagonisten plötzlich ganz andere Wesenszüge zeigen. Indem die präzise ausgearbeitete Charakterisierung der Hauptfiguren eine der großen Stärken des Vorgängers gewesen ist, wirkte das eher irritierend auf mich.
Um den Roman interessanter zu gestalten, hätte sich angeboten, den zweiten Band der Reihe stärker vom Vorgänger abzugrenzen. Denn als besonders gelungen habe ich "The Atlas Paradox" genau dann empfunden, wenn Olivie Blake die beschränkte Welt der Alexandrinischen Bibliothek hinter sich gelassen hat. Das ist in den Kapiteln von Libby, dem Zeitreisenden Ezra und dem Träumer Gideon der Fall. Dabei entwickelte sich insbesondere Gideon für mich zum Sympathieträger, dessen erstes Kapitel zwar noch stark an Inception erinnert hat. Im weiteren Verlauf schaffte es aber die Autorin ihren Szenen aus der Traumwelt eine ganz eigene Note zu verleihen. Das wird besonders deutlich in Gideons Konfrontation mit Telepathin Parisa.
Spannender wäre "The Atlas Paradox" ausgefallen, wenn Olivie Blake Gideon, Libby und Ezra als Sprungbrett genutzt hätte, um die von ihr in "The Atlas Six" angedeutete, phantastische Welt jenseits der engen Grenzen der Alexandrinischen Bibliothek zu erforschen. Dafür hätten sich die von Gideon erkundeten Traumreiche ebenso wie der Handlungsstrang, der auf einer zweiten Zeitebene in der Vergangenheit angesiedelt ist, angeboten. Leider beweist die Autorin zudem eine Schwäche beim Timing, das sich gerade in der Entscheidung zeigt, von welchen Stunden oder Tagen sie erzählt und welche Ereignisse sie überspringt, um sie dann nur im Rückblick kurz anzuschneiden. Denn dabei werden häufig gerade die spannendsten Stellen ausgelassen wie beispielsweise beim Aufeinandertreffen von Ezra und Libby nach deren Entführung. Da währenddessen in der Bibliothek nicht sonderlich viel passiert, haben sich so Längen eingeschlichen, die hätten vermieden werden können.
Am besten haben mir der letzte Teil "IX Olymp" und das offene Ende gefallen, weil Olivie Blake darin mit einigen überraschenden Wendungen aufzuwarten hatte. Auch die gelungene Umsetzung die Lebensgeschichte einer Nebenfigur aus deren Sicht im Zeitraffer abzuspulen, hat mich überzeugt. Dieser Ansatz ist aus dem ersten in den zweiten Band der Reihe übernommen worden, hebt sich aber vom Vorgänger dadurch deutlich genug ab, dass eine ganz andere Figur in deren Mittelpunkt gestellt wurde.
Im Finale von "The Atlas Paradox" hat die Autorin sogar einen actiongeladenen Showdown untergebracht, der seine eigenwillige Dynamik den magischen Fähigkeiten, die Hexer und Medäer im Kampf einsetzen, verdankt, und der Bibliothek wird das Opfer dargebracht, auf das sie schon lange gewartet hat. Mit Libby, Gideon und Dalton durchlaufen die Figuren, die für mich in diesem Roman am interessantesten gewesen sind, eine glaubwürdig geschilderte Entwicklung, für die die Autorin einen passenden Abschluss gefunden hat. Weil ich die sich in den letzten Kapiteln andeutenden neuen Allianzen teils als unerwartet, teils als vielversprechend empfunden habe, bin ich nun schon auf die Fortsetzung der Atlas-Reihe gespannt.