Declan Burke ist zurück - mit The Big O, der den Leser nach Luft schnappen lässt, vor Spannung und vor Lachen. Ein perfekt austarierter Plot, irrwitzige verbale Schusswechsel und Figuren, die so überzeichnet wie unverwechselbar sind:Karen ist eine Sprechstundenhilfe mit notorisch schlechter Laune. Zum Monatsende unternimmt sie regelmäßig Raubüberfälle unter virtuosem Einsatz ihrer .44er Magnum. Karens Chef, Frank, ist ein Schönheitschirurg mit Geldsorgen und einer Frau, die bald seine Ex-Frau sein wird, Madge. Sie will er entführen lassen, um das Lösegeld von der Versicherung zu kassieren. Hier kommt Ray ins Spiel, den Karen kennengelernt hat, als sie ihn bei einem Überfall versehentlich fast erschossen hätte. Hauptberuflich malt Ray Wandbilder, aber nebenbei ist er Auftrags-Kidnapper. Nur leider ist Madge, auf die er angesetzt wird, Karens beste Freundin. Und dann ist da noch Karens Ex Rossi, der gerade aus dem Knast kommt und sich an ihre Fersen heftet, denn sie hat noch ein Motorrad und eine Knarre, die ihm gehören ...
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Bereits 2007 veröffentlicht, ist Declan Burkes grandiose Krimi-Groteske nun auch auf Deutsch erschienen, freut sich Rezensent Christopher Schmidt. Burke beherrscht nicht nur die Kunst des Genre-Mix aus Crime und Comedy, Screwball und Noir, sondern spielt auch derart genial mit den verschiedenen Erzählperspektiven, dass der Leser während der Lektüre selbst zum Detektiv wird, schwärmt der Kritiker. Und so folgt er gebannt dem Figurenensemble, das sich immer tiefer in Liebes- und Geschäftsbeziehungen verwickelt und durch Dublin, allerdings noch vor der Finanzkrise, irrt. Dass Burke Tarantino, James Cagney, Bruce Springsteen, Rossini und vielen anderen seine Reverenz erweist, macht das Buch vollends zum Ereignis, schließt Schmidt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2016Ein Haufen Verrückter unter sich
Nicht hasenrein: Declan Burke liefert mit "The Big O" eine Screwballkomödie
Diese Geschichte ist ein einziger Wahnsinn. Entsprechend ist ihr Personal ein Satz von Verrückten, wie sie im echten Leben in Reinform kaum vorkommen und schon gar nicht realistischerweise zusammengeführt werden.
Eine gewisse Ordnung stiften die sieben Kapitel, die nach den Wochentagen Mittwoch bis Dienstag heißen, in denen sich die wirre Handlung verdichtet, außerdem sind die einzelnen Absätze jeweils mit den Namen der dramatis personae überschrieben. Die da wären (in der Reihenfolge ihres Erscheinens): Karen, eine Frau Anfang dreißig mit schiefgehauenem Unterkiefer, aber einer Menge Sex und Grips; Ray, ein Typ mit Tolle und knackigem Hintern, den man sich irgendwie wie den britischen Sänger Morrissey vorzustellen hat, aber jünger; Frank, ein Schönheitschirurg, den schlechte Schnipseleien an optimierungswilligen Frauen in Verruf und an den Rand des Ruins gebracht haben.
Dann folgt Rossi, ein gerade entlassener Kleingangster, mit einem überlebensgroßen Ego, einem viel zu weiten Nadelstreifenanzug und geringem Verstand; Madge, Franks Noch-Ehefrau, die den Gatten nicht schlecht abzockt und ansonsten scharf auf jüngere Männer ist; Doyle, eine liebestolle Polizistin mit eher beschränktem Horizont; und Anna, eine einäugige Mischung aus Husky und Wolf. Anna ist die eigentliche Sympathieträgerin in dem absurden Spiel - neben Karen und Ray, wenn man das so sagen darf, wo es doch ständig um Gaunereien größeren oder kleineren Ausmaßes geht. Dann sind da noch ein paar weitere Figuren unterwegs, um das Chaos perfekt zu machen.
Etwas wie einen Plot hat sich der in seiner irischen Heimat erfolgreiche Krimiautor Declan Burke auch einfallen lassen: Frank will seine Ex Madge entführen lassen, um so die Versicherung um eine halbe Million Euro zu betrügen und damit abzuhauen aus Dublin, wo die Chose ihren Lauf nimmt. In diesen Plan werden, auf verqueren Umwegen, eben Karen und Ray verwickelt. Wobei festzuhalten ist, dass Karen im Hauptberuf die Sprechstundenhilfe von Frank ist (im Nebenberuf macht sie ab und an kleinere Überfälle), obendrein die beste Freundin von Madge und das Frauchen von Anna. Und dass Ray (der im Hauptberuf Wandmaler ist) just seine Karriere als Entführungsspezialist hatte beenden wollen (oder auch nicht), als er auf Karen trifft und sie zu mögen beginnt. Dazwischen funkt nun aber Rossi, Karens ehemaliger Lover, der sich bei ihr "die sechzig Riesen" (aus seinem bisher letzten Überfall) zurückholen möchte, außerdem seine Ducati und seine 44er Magnum (Dinge, die Karen für ihren Lebensstil und ihre Freizeittätigkeit an sich genommen hat). Es ist leicht zu erkennen, dass das nicht glattgehen kann.
Was aber hat der geneigte Leser damit zu tun? Der muss so einen Zirkus wollen, um auf seine Kosten zu kommen. Eine abstruse Situation jagt die nächste, ständig plappern die Protagonisten dazu in ihrem an Zoten und Vulgaritäten reichen Umgangston. Der Übersetzer Robert Brack hat ganze Arbeit geleistet, nicht nur was das extrabreite Spektrum von Wörtern angeht, die nicht zwingend im kultivierten Thesaurus vorkommen. Hinter allem steht ein rabiat unterkomplexes Frauen-(allerdings auch Männer-)Bild, das dem Autor freilich keinesfalls unterlaufen ist, sondern im Gegenteil als entscheidendes Stilmittel fungiert. Hat sich der Leser also erst einmal dieser literarischen Strategie zugeneigt, kann er sich durchaus amüsieren. Im Kern sind es die Qualitäten der klassischen Screwballkomödie mit ihren zugespitzten Dialogen besonders im Feld der Paarbeziehung, die Burke zur Dynamisierung seiner Handlung einsetzt. Es gibt jede Menge Anspielungen, auf Musik und auf Filme; Ray hört ständig Bruce Springsteen im Auto, und Frank steht auf Opern, besonders von Rossini (was irgendwann zu einem kurzzeitig dramatischen Missverständnis führt).
"The Big O" erschien in Irland bereits 2007, daher gibt es ein paar kleine Antiquiertheiten. Allerdings ist diese Story sowieso als Kriminalroman nicht hasenrein, sie tendiert in Richtung Fantasy Fiction, eine Parodie des Genres ist sie jedenfalls. Irgendwann, sehr spät, erfährt man dann auch, was "The Big O" eigentlich bedeutet, natürlich wieder mit doppeltem Boden. Und den allerletzten Biss hat Anna.
ROSE-MARIA GROPP
Declan Burke: "The Big O". Kriminalroman.
Aus dem Englischen von Robert Brack. Edition Nautilus, Hamburg 2016. 317 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nicht hasenrein: Declan Burke liefert mit "The Big O" eine Screwballkomödie
Diese Geschichte ist ein einziger Wahnsinn. Entsprechend ist ihr Personal ein Satz von Verrückten, wie sie im echten Leben in Reinform kaum vorkommen und schon gar nicht realistischerweise zusammengeführt werden.
Eine gewisse Ordnung stiften die sieben Kapitel, die nach den Wochentagen Mittwoch bis Dienstag heißen, in denen sich die wirre Handlung verdichtet, außerdem sind die einzelnen Absätze jeweils mit den Namen der dramatis personae überschrieben. Die da wären (in der Reihenfolge ihres Erscheinens): Karen, eine Frau Anfang dreißig mit schiefgehauenem Unterkiefer, aber einer Menge Sex und Grips; Ray, ein Typ mit Tolle und knackigem Hintern, den man sich irgendwie wie den britischen Sänger Morrissey vorzustellen hat, aber jünger; Frank, ein Schönheitschirurg, den schlechte Schnipseleien an optimierungswilligen Frauen in Verruf und an den Rand des Ruins gebracht haben.
Dann folgt Rossi, ein gerade entlassener Kleingangster, mit einem überlebensgroßen Ego, einem viel zu weiten Nadelstreifenanzug und geringem Verstand; Madge, Franks Noch-Ehefrau, die den Gatten nicht schlecht abzockt und ansonsten scharf auf jüngere Männer ist; Doyle, eine liebestolle Polizistin mit eher beschränktem Horizont; und Anna, eine einäugige Mischung aus Husky und Wolf. Anna ist die eigentliche Sympathieträgerin in dem absurden Spiel - neben Karen und Ray, wenn man das so sagen darf, wo es doch ständig um Gaunereien größeren oder kleineren Ausmaßes geht. Dann sind da noch ein paar weitere Figuren unterwegs, um das Chaos perfekt zu machen.
Etwas wie einen Plot hat sich der in seiner irischen Heimat erfolgreiche Krimiautor Declan Burke auch einfallen lassen: Frank will seine Ex Madge entführen lassen, um so die Versicherung um eine halbe Million Euro zu betrügen und damit abzuhauen aus Dublin, wo die Chose ihren Lauf nimmt. In diesen Plan werden, auf verqueren Umwegen, eben Karen und Ray verwickelt. Wobei festzuhalten ist, dass Karen im Hauptberuf die Sprechstundenhilfe von Frank ist (im Nebenberuf macht sie ab und an kleinere Überfälle), obendrein die beste Freundin von Madge und das Frauchen von Anna. Und dass Ray (der im Hauptberuf Wandmaler ist) just seine Karriere als Entführungsspezialist hatte beenden wollen (oder auch nicht), als er auf Karen trifft und sie zu mögen beginnt. Dazwischen funkt nun aber Rossi, Karens ehemaliger Lover, der sich bei ihr "die sechzig Riesen" (aus seinem bisher letzten Überfall) zurückholen möchte, außerdem seine Ducati und seine 44er Magnum (Dinge, die Karen für ihren Lebensstil und ihre Freizeittätigkeit an sich genommen hat). Es ist leicht zu erkennen, dass das nicht glattgehen kann.
Was aber hat der geneigte Leser damit zu tun? Der muss so einen Zirkus wollen, um auf seine Kosten zu kommen. Eine abstruse Situation jagt die nächste, ständig plappern die Protagonisten dazu in ihrem an Zoten und Vulgaritäten reichen Umgangston. Der Übersetzer Robert Brack hat ganze Arbeit geleistet, nicht nur was das extrabreite Spektrum von Wörtern angeht, die nicht zwingend im kultivierten Thesaurus vorkommen. Hinter allem steht ein rabiat unterkomplexes Frauen-(allerdings auch Männer-)Bild, das dem Autor freilich keinesfalls unterlaufen ist, sondern im Gegenteil als entscheidendes Stilmittel fungiert. Hat sich der Leser also erst einmal dieser literarischen Strategie zugeneigt, kann er sich durchaus amüsieren. Im Kern sind es die Qualitäten der klassischen Screwballkomödie mit ihren zugespitzten Dialogen besonders im Feld der Paarbeziehung, die Burke zur Dynamisierung seiner Handlung einsetzt. Es gibt jede Menge Anspielungen, auf Musik und auf Filme; Ray hört ständig Bruce Springsteen im Auto, und Frank steht auf Opern, besonders von Rossini (was irgendwann zu einem kurzzeitig dramatischen Missverständnis führt).
"The Big O" erschien in Irland bereits 2007, daher gibt es ein paar kleine Antiquiertheiten. Allerdings ist diese Story sowieso als Kriminalroman nicht hasenrein, sie tendiert in Richtung Fantasy Fiction, eine Parodie des Genres ist sie jedenfalls. Irgendwann, sehr spät, erfährt man dann auch, was "The Big O" eigentlich bedeutet, natürlich wieder mit doppeltem Boden. Und den allerletzten Biss hat Anna.
ROSE-MARIA GROPP
Declan Burke: "The Big O". Kriminalroman.
Aus dem Englischen von Robert Brack. Edition Nautilus, Hamburg 2016. 317 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main