Scott Prestons „Über dem Tal“ ist ein furioses Debüt über eine Zeit und einen Ort, die eigentlich gar nicht weit entfernt sind, aber dennoch trennen uns Welten – wir erleben die harte Realität von Schafsbauern in England, die Abhängigkeit von äußeren Umständen, von Naturereignissen, Kälte, Regen,
Krankheiten, die wie biblische Strafen auf die Bewohner und die Tiere treffen.
Aber natürlich bleibt…mehrScott Prestons „Über dem Tal“ ist ein furioses Debüt über eine Zeit und einen Ort, die eigentlich gar nicht weit entfernt sind, aber dennoch trennen uns Welten – wir erleben die harte Realität von Schafsbauern in England, die Abhängigkeit von äußeren Umständen, von Naturereignissen, Kälte, Regen, Krankheiten, die wie biblische Strafen auf die Bewohner und die Tiere treffen.
Aber natürlich bleibt der Autor bei dieser Beschreibung nicht stehen, es ist keine Dokumentation über die Lebensrealität eines aussterbenden Berufsstandes, sondern inhaltlich wird fast alles ausgeschöpft, was es an großen Emotionen und Themen gibt: Liebe, Hass, Leidenschaft, Gier, Stolz, Trauer und Schmerz – die sieben Todsünden kommen auf ihre Kosten. Preston selbst erlebte in seiner Jugend die Seuche und die Tötung der Schafe – fast 900 Höfe verloren ihren gesamten Tierbestand – und er will mit seinem Roman dieses (über-)regionale Trauma darstellen.
Steve Ellieman, der Ich-Erzähler, berichtet rückblickend von seiner Zeit auf dem Hof des Schafzüchters William Herne. Er kommt zurück zu dem Ort seiner Kindheit in Cumbria als sein Vater stirbt, gibt seinen Beruf als LKW-Fahrer auf, tritt in dessen Fußstapfen und kümmert sich um die Schafe, als das Unheil über die Gegend hereinbricht: die Maul-und-Klausen-Seuche. Steve versucht, die Schafe zu isolieren und zu retten, allerdings ohne Erfolg. Die Seuche befällt die umliegenden Bauernhöfe und ein wahnsinniges, schreckliches Gemetzel beginnt: Jedes Tier muss getötet werden und die Keulung wird detailliert und bildhaft beschrieben, sodass jedem der Horror deutlich vor Augen steht.
Diese Szenen sind Ausgangspunkt für alles, was folgt – wie William, der ursprünglich reiche Farmer, der alles verloren hat, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und für Ausgleich und Wiedergutmachung sorgen will. Und damit beginnt die schicksalshafte Verstrickung in Unrecht und Schuld und der Alptraum und Horrortrip nimmt seinen Anfang.
Der Roman ist intensiv, bedrohlich, roh, voller Poesie, Kraft, Liebe zur Natur, zur Kreatur, eine Bejahung des einfachen Lebens, eine Liebeserklärung an dieses raue Land. Ein mir so fremdes und doch auch faszinierendes Thema, wie sehr Landwirte generell von äußeren Einflüssen abhängig sind, was für ein hartes, herausforderndes Leben das ist. Steve betont immer wieder, dass er nicht für Geld arbeitet, dass er keine Ferien hat, dass die Tiere immer versorgt werden müssen – das Leben an sich wird nicht hinterfragt, Introspektion ist überflüssig, „our retirement is death“.
Die blutrünstigen Szenen erinnern an Tarantino-Filme - er hätte sicherlich seine Freude an einer Inszenierung! Sinnlose Gewalt, völlig überzogen, Blut, Gemetzel, tote Tierkadaver - als Verfilmung sicherlich kaum auszuhalten, aber im Roman durch die starke Wortwahl und die exzellenten Beschreibungen noch zu ertragen und voller wilder Schönheit.
Der irische Autor Roddy Doyle hat über seine Protagonisten Folgendes gesagt, was stellvertretend auch auf Steve und William zutrifft:
„The lives are tough, and the language is rough, but beauty and tenderness survive amid the bleakness.“
In diesem Sinne ist dieser ungewöhnliche Roman eine wunderbare Annäherung an die Wildheit und auch Schönheit Cumbrias, eine Würdigung der Farmer und eine Liebeserklärung an diese faszinierende, einsame Gegend, an seine Heimat.