â An intimate, insightful portrait of an extraordinarily private leaderâ WALTER ISAACSON From the bestselling author of Enemies of the People An intimate and deeply researched account of the extraordinary rise and political brilliance of the most powerful â and elusive â woman in the world.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2021Global Merkel
Zum Ende ihrer Amtszeit ein Blick zurück von außen: Ein Porträt der deutschen Kanzlerin aus neun internationalen Biographien und einem Ausmalbuch
Kolumbien.
"La física del poder" heißt das Buch der in Berlin lebenden kolumbianischen Journalistinnen Patricia Salazar Figueroa und Christina Mendoza Weber. Der Titel lässt sich sowohl mit "Die Physik" als auch mit "Die Physikerin der Macht" übersetzen. Nach ihrer Veröffentlichung 2019 wurde die Biographie zu einem Erfolg in der spanischsprachigen Welt (Verlag Intermedio), im Heimatland der Autorinnen war und ist sie ein sensationeller und seltener Bestseller. Die "biographische Reportage" der beiden Kolumbianerinnen basiert auf fünfzehn Jahren Recherche. Tatsächlich ist "La física del poder" sehr informativ, aber vor allem eine rasante und sogar - trotz des essenziellen Gleichmutes seines Sujets - ziemlich spannende Darstellung des Werdegangs der Bundeskanzlerin und der Umstände, die ihn gestaltet haben. Ihre Bewunderung für Merkel äußern die beiden Journalistinnen nicht explizit. Allerdings üben sie auch keine Kritik an den Schwächen ihrer Politik - sondern legen den Fokus auf Merkels Regierungsstil. Der dynamische Ton des Buches ist ohne Zweifel ein Grund für seine Beliebtheit. Ein anderer ist natürlich Merkel selbst - oder eher all das, was viele Menschen in Lateinamerika und Spanien mit Merkel verbinden, aber meistens eben nicht mit ihren eigenen Politikern. Zu den "Formeln von Merkels Erfolg" zählen die Autorinnen beispielsweise: "Anwendung der wissenschaftlichen Methode" auf die Politik. Diskretion und Vorsicht als "Überlebensmaximen". Und: "Regieren bedeutet Dienen". Hernán D. Caro.
Italien.
Zu den Parallelen zwischen Deutschland und Italien zählt, neben vielen Gemeinsamkeiten der politischen Geschichte, das übersteigerte Mutterideal: In der Praxis unerfüllbar, führte es zu einer niedrigen Geburtenrate und Erwerbsquote gleichermaßen. Wenn eines der bislang meistbeachteten Merkel-Bücher "Mutti" im Titel trägt, hat das insofern einen tieferen Hintersinn. Geschrieben von Michael Braun, der seit Ewigkeiten als Korrespondent für die deutsche taz in Rom lebt und deshalb als Italiener durchgehen kann, ist es Ende 2015 bei Laterza erschienen, dem führenden Verlag für historische Literatur. Von den Klischees, die der Titel vermuten lässt, hält Braun sich fern - und spiegelt in seiner Bewertung die Ambivalenz des italienischen Merkel-Bildes. Anders als in Griechenland war auf der Halbinsel - ähnlich wie in den übrigen Krisenländern - die Ablehnung der strengen Euro-Retterin aus dem Norden selbst auf dem Höhepunkt des Schuldendramas nie einhellig; zu offensichtlich erschien, dass die eigene politische Klasse am Niedergang der Berlusconi-Jahre die Hauptverantwortung trug. So kommt der Deutsch-Italiener am Ende zu einer zwiespältigen Bilanz: Merkel sei "weder ein wiedergeborener Hitler noch eine zweite Mutter Teresa", notiert er mit Seitenblick auf die Flüchtlingsfrage; die fortbestehenden Risiken für die Eurozone ignoriere sie allerdings. Zumindest in diesem Punkt hat sich die Kanzlerin korrigiert - und mit dem gerade für Italien so erfolgreichen Covid-Wiederaufbauprogramm ihr europapolitisches Erbe abgerundet. Ralph Bollmann.
China.
In Zhao Yuans Merkel-Biographie "In der Stille liegt die Kraft" (Verlag Xin Shìjiè Chübanshè) von 2016 tritt die Kanzlerin vor allem als Mysterium in Erscheinung, das es zu entschlüsseln gilt: "Was für eine Seele lebt hinter dieser introvertierten und gleichmütigen Fassade?", lautet die Leitfrage. Vieles an diesem "sagenumwobenen Leben" wirkt auf den Autor erst einmal erklärungsbedürftig. Wie konnte es dazu kommen, dass "eine Hausfrau, die sich nach dem normalen Leben sehnt", eine so "einzigartige Führungspersönlichkeit" werden konnte, dass überhaupt "eine Frau" versucht, "Europa zu kontrollieren"? Als Deutungsmuster bemüht Zhao die "unnachgiebige deutsche Seele", die ja ein Faszinosum für sich ist. "Um ihre Selbstverwandlung zu vollenden", habe Merkel "die Gelassenheit und Selbstdisziplin, die ihr innewohnt im deutschen Blut", genutzt. Dieselben Eigenschaften hätten Deutschland auch zur dominanten Kraft in Europa gemacht. Parallel zur Karriere Merkels erzählt Zhao die Karriere der Bundesrepublik, die er, vielleicht um der größeren Plausibilität für chinesische Leser willen, unter Begriffe von der Art stellt, wie sie Xi Jinping für seine Umgestaltung Chinas verwendet: "Deutschland ist unsterblich - Leiden und Hoffnung auf nationale Genesung". Die "deutsche Iron Lady" aber habe die in China sehr berühmte Margaret Thatcher längst hinter sich gelassen.
Mark Siemons.
Norwegen.
Angela Merkel ist wie ein Fingerhut: Die Blütenblätter machen im geschlossenen Zustand von außen nicht besonders viel her, die Innenseiten aber sind prächtig. Diesen überraschenden botanischen Vergleich zieht die norwegische Journalistin Ingrid Brekke, die seit Langem für die Tageszeitung Aftenposten über Deutschland berichtet, in ihrer 2016 erschienenen Merkel-Biographie "Angela Merkel. Ein europäisches Drama" (Kagge). Als Fingerhut hatten wir uns die Kanzlerin vorher noch nie vorgestellt. Aber manch anderes, was in Deutschland und im Rest der Welt an Merkels Leben für besonders bemerkenswert gilt, ist in Norwegen eben nicht der Rede wert. Schon 1981, fast 25 Jahre vor Merkels Einzug ins Kanzleramt, übernahm in Oslo zum ersten Mal eine Frau die Regierungsverantwortung. Die nüchterne, unprätentiöse Art der Physikerin aus Deutschland muss den Norwegern gleichfalls vertraut vorkommen, gelten Bescheidenheit und Nahbarkeit bei ihnen doch seit jeher als unverzichtbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche politische Karriere. Brekke legt folgerichtig das Gewicht ihrer Darstellung darauf, welche Bedeutung Kindheit, Jugend und erste Berufsjahre unter den für ihre norwegischen Leser exotischen Bedingungen der DDR für Merkels weiteren Weg hatten. Besonders detailliert schildert sie die Wendezeit zwischen 1989 und 1991; die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 ist der zweite Schwerpunkt des Buchs. Merkel tritt hier als die moralische Anführerin Europas auf. Ein Lob, dem sich die Norweger wohl mehrheitlich anschließen würden. Norwegische Politiker jedenfalls bezeichnen heute parteiübergreifend Merkel als Vorbild; die amtierende Ministerpräsidentin hat sich sogar - lange vor Olaf Scholz - die Raute von ihr abgeschaut. Sebastian Balzter.
Vereinigte Staaten I.
Ob sie sich als Feministin verstehe, das wurde Angela Merkel in den vergangenen sechzehn Jahren oft gefragt, dabei kommt es ja weniger auf das Bekenntnis an als auf ihre Politik und öffentliche Wirkung. Die Politikwissenschaftlerin Joyce Marie Mushaben von der Georgetown University beleuchtet in ihrer Biographie "Becoming Madam Chancellor: Angela Merkel and the Berlin Republic" (Cambridge University Press) aus dem Jahr 2017 die Karriere der Kanzlerin vor allem unter diesem Gesichtspunkt und kommt zum Schluss: Ein weiblicher Staatschef muss sich nicht regelmäßig offen zur Feministin erklären, um "einen Unterschied zu machen". Leider versucht Mushaben gar nicht, nachzuweisen, ob sich die Verhältnisse für Frauen unter Merkel tatsächlich dank Merkel geändert haben: dank der Strahlkraft der Kanzlerin oder konkreter politischer Maßnahmen, dank ihrer kommunikativen Fähigkeiten oder ihrem irgendwie weniger "männlichen" Führungsstil - oder doch in erster Linie, trotz Merkel, wegen der allgemeinen gesellschaftlichen Emanzipation. Aber vielleicht ist das ja tatsächlich schon eine politische Qualität: den gesellschaftlichen Fortschritt nach Möglichkeit zuzulassen.
Fortsetzung auf Seite 39.
Und den Schwachsinn auszusitzen: Zum Schluss fasst Mushaben ihre Erkenntnisse in fünfzehn Punkten zusammen, die die "Methode Merkel" ausmachen. Lektion 1: "Irgendwann werden sie aufhören, über deine Frisur zu reden." Harald Staun.
Russland.
In Alexandr Derewjantschenkos Biographie "Die drei Leben der Angela Merkel: gewöhnlich, propädeutisch, triumphal" (URSS, 2017) befindet der Autor über die Kanzlerin: "Ihr Aufstieg auf den politischen Olymp Deutschlands und der ganzen Welt erinnert an die Geschichte von Aschenputtel." Das erste Leben umfasst nach seiner Darstellung Kindheit, Ausbildung, Wissenschaft und einem ersten Gatten gewidmete Jahre von 1954 bis 1990. Das zweite lässt der Autor mit der Wende 1989 beginnen und 2005 enden, wobei mit "propädeutisch" die politisch-charakterliche Vorbereitung auf Kanzlerschaft und "Triumph" gemeint ist. Merkel spreche "wirklich recht gut" Russisch, schreibt Derewjantschenko, der seiner Heldin sonst wohlgesinnt ist, im Ukraine-Konflikt aber klar auf Kreml-Kurs liegt. So wirft er Merkel vor, die "Wiedervereinigung" der Krim und Russlands völkerrechtlich anders zu werten als die Deutschlands und 2015 die Annexion der ukrainischen Halbinsel als "verbrecherisch" bezeichnet zu haben. Am Ende heißt es, Merkel habe "ihr Leben" - nun in der Einzahl - stets sorgfältig in einen offenen und einen versteckten Teil getrennt. Da die Öffentlichkeit in einem "vierten Leben" nach Ende der Kanzlerschaft viel über den "verschlossenen" Teil erfahren werde, bemühe sich Merkel wohl, "das Herannahen dieses Ereignisses so lange wie möglich aufzuschieben". Friedrich Schmidt.
Türkei.
Die 2018 erschienene Biographie "Savasi Sabreden Kazanir" ("Wer geduldig ist, gewinnt den Kampf") von Celal Özcan, ehemaliger Korrespondent der türkischen Zeitung Hürriyet in Berlin, bringt zunächst vieles den türkischen Lesern nahe, was hierzulande bekannt ist. So schildert er Merkels frühe Jahre und ihren raschen politischen Aufstieg nach dem Mauerfall. Er greift die - in der Türkei - beliebte Frage auf, ob sie ihren Aufstieg "geheimen Mächten" verdanken könnte. Die Antwort lautet: Nein.
Über das Biographische hinaus beschäftigt sich Özcan mit der Stellung Deutschlands in der Welt. Deutschland habe unter Merkel an Einfluss gewonnen. Vor Merkel sei die Bundesrepublik wirtschaftlich ein Riese, politisch aber ein Zwerg gewesen. Nun hinterlasse sie nicht nur ein wirtschaftlich, sondern in der Welt auch politisch starkes Deutschland.
Breiten Raum nehmen die deutsch-türkischen Beziehungen ein. Wie viele Türken bedauert auch Özcan, dass unter Merkel der EU-Beitrittsprozess ins Stocken geraten ist. In ihrer Amtszeit seien aber die bilateralen Beziehungen vertieft worden, auch wenn sie sich seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 wieder verschlechtert haben. Spannend sind die Schilderungen der Putschnacht. Merkel, die sich auf einer Auslandsreise befand, habe um vier Uhr morgens mit dem kurz zuvor zurückgetretenen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu telefoniert, mit dem sie sich gut verstand. Özcan lässt offen, ob sie versucht hat, auch mit Erdogan zu sprechen. Rainer Hermann.
Frankreich.
Angela Merkel und die Franzosen, das ist ein schwieriges Thema. Warum eine deutsche Bundeskanzlerin, wie Konrad Adenauer einst äußerte, die Trikolore dreimal grüßen müsse, hat die frühere DDR-Bürgerin mit Faible für die Vereinigten Staaten und Urlaubsdomizilen in Italien wohl bis zum Schluss nicht verstanden. Jean-Paul Picaper, langjähriger Korrespondent des Figaro in Berlin, fällt im fast 400 Seiten starken Buch "Angela Merkel. Die mächtigste Frau der Welt" aus dem Jahr 2010 trotzdem ein freundliches Urteil. Schließlich fiel das Erscheinen in eine Phase erstaunlicher Harmonie zwischen Merkel und dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, auf dessen Marotten sich die Kanzlerin einst mit dem Konsum von Louis-de-Funès-Filmen eingestimmt hatte - bis Sarkozy im folgenden Wahlkampf (zu spät) bemerkte, dass ihm die Hilfe aus Deutschland nur schadete. Zutreffend stellt Picaper fest, dass Merkel die Vormachtstellung in Europa, die ihr das Schicksal zuwies, nie angestrebt und dann trotzdem mit lutherischem Pflichtbewusstsein ausgefüllt habe. Solche nüchternen Analysen schließen jedoch nicht aus, dass der Autor auch sehr französische Akzente setzt. So widmet er ein ganzes Kapitel dem Kleidungsstil, also den bunten Jacken der Hamburger Modedesignerin Bettina Schoenbach, die auf der gleichen Wellenlänge wie die Kanzlerin liege: "keine überflüssigen Experimente, keine unnützen Risiken". boll.
Vereinigte Staaten II.
Aufgewachsen im Ostblock, aufgestiegen im Westen: Der Lebensweg der amerikanischen Publizistin Kati Marton ähnelt dem der deutschen Kanzlerin. Marton aber, geboren 1947, konnte mit ihren Eltern, ungarischen Dissidenten, schon Ende der Fünfzigerjahre in den Westen fliehen, hat später auch darüber geschrieben, hat die amerikanischen Möglichkeiten ausgeschöpft, von denen Merkel in der DDR geträumt hat. Ihr respektvolles, elegantes Porträt "The Chancellor" (Simon & Schuster, erscheint Ende Oktober) ist ein Beispiel für die Tradition amerikanischer, weltoffener Intellektualität, die Trump und seine Republikaner so verachten. Marton ist die Witwe des Stardiplomaten Richard Holbrooke, ihr Buch verrät, wie leicht sie sich auch im inneren politischen Berlin bewegt haben muss. Stark sind die Passagen über Obama und Merkel, und wenn Marton die Kanzlerin einmal kritisiert, schimmert immer die Kritik an amerikanischen Verhältnissen durch: Die Menschen, die 2015 nach Deutschland flohen, "flohen aus Kriegen, die die Vereinigten Staaten begonnen und so gut wie aufgegeben hatten". Tobias Rüther.
Malbuch.
Man muss schon ein sehr großer Anhänger von Angela Merkel sein, um ihr zur Entspannung bunte Farben ins Gesicht zu malen. Mag sein, dass es dem einen oder der anderen hilft, "Emotionen abzubauen", wie es der Titel des "Angela Merkel Legendary Coloring Book: Relax and Unwind Your Emotions with our Inspirational and Affirmative Designs" verspricht, besonders legendär ist es wohl nicht. Über die Autorin Jasmine Herrera ist nichts bekannt, gut möglich, dass ihr Name ebenso computergeneriert ist, wie es die billigen Malvorlagen sind, die einem hier für knapp zehn Euro angedreht werden. Ein großer kommerzieller Erfolg scheint das Heftchen auch nicht zu sein, sogar in der Amazon-Kategorie "Bürgerrechte" landet es nur auf Platz 722. Aber ist es nicht die perfekte Metapher? Merkel als Projektionsfläche für Zuschreibungen, als Frau ohne Eigenschaften und Innenleben, in die jeder hineinlesen kann, was er will: die warmherzige Fluchthelferin, die Zerstörerin Griechenlands, die geschickte Strategin, die Personifizierung von Visionslosigkeit, das Chamäleon. Aber nicht nur für ein Malbuch gilt: Farblos zu sein kann ein großer Vorteil sein. stau
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zum Ende ihrer Amtszeit ein Blick zurück von außen: Ein Porträt der deutschen Kanzlerin aus neun internationalen Biographien und einem Ausmalbuch
Kolumbien.
"La física del poder" heißt das Buch der in Berlin lebenden kolumbianischen Journalistinnen Patricia Salazar Figueroa und Christina Mendoza Weber. Der Titel lässt sich sowohl mit "Die Physik" als auch mit "Die Physikerin der Macht" übersetzen. Nach ihrer Veröffentlichung 2019 wurde die Biographie zu einem Erfolg in der spanischsprachigen Welt (Verlag Intermedio), im Heimatland der Autorinnen war und ist sie ein sensationeller und seltener Bestseller. Die "biographische Reportage" der beiden Kolumbianerinnen basiert auf fünfzehn Jahren Recherche. Tatsächlich ist "La física del poder" sehr informativ, aber vor allem eine rasante und sogar - trotz des essenziellen Gleichmutes seines Sujets - ziemlich spannende Darstellung des Werdegangs der Bundeskanzlerin und der Umstände, die ihn gestaltet haben. Ihre Bewunderung für Merkel äußern die beiden Journalistinnen nicht explizit. Allerdings üben sie auch keine Kritik an den Schwächen ihrer Politik - sondern legen den Fokus auf Merkels Regierungsstil. Der dynamische Ton des Buches ist ohne Zweifel ein Grund für seine Beliebtheit. Ein anderer ist natürlich Merkel selbst - oder eher all das, was viele Menschen in Lateinamerika und Spanien mit Merkel verbinden, aber meistens eben nicht mit ihren eigenen Politikern. Zu den "Formeln von Merkels Erfolg" zählen die Autorinnen beispielsweise: "Anwendung der wissenschaftlichen Methode" auf die Politik. Diskretion und Vorsicht als "Überlebensmaximen". Und: "Regieren bedeutet Dienen". Hernán D. Caro.
Italien.
Zu den Parallelen zwischen Deutschland und Italien zählt, neben vielen Gemeinsamkeiten der politischen Geschichte, das übersteigerte Mutterideal: In der Praxis unerfüllbar, führte es zu einer niedrigen Geburtenrate und Erwerbsquote gleichermaßen. Wenn eines der bislang meistbeachteten Merkel-Bücher "Mutti" im Titel trägt, hat das insofern einen tieferen Hintersinn. Geschrieben von Michael Braun, der seit Ewigkeiten als Korrespondent für die deutsche taz in Rom lebt und deshalb als Italiener durchgehen kann, ist es Ende 2015 bei Laterza erschienen, dem führenden Verlag für historische Literatur. Von den Klischees, die der Titel vermuten lässt, hält Braun sich fern - und spiegelt in seiner Bewertung die Ambivalenz des italienischen Merkel-Bildes. Anders als in Griechenland war auf der Halbinsel - ähnlich wie in den übrigen Krisenländern - die Ablehnung der strengen Euro-Retterin aus dem Norden selbst auf dem Höhepunkt des Schuldendramas nie einhellig; zu offensichtlich erschien, dass die eigene politische Klasse am Niedergang der Berlusconi-Jahre die Hauptverantwortung trug. So kommt der Deutsch-Italiener am Ende zu einer zwiespältigen Bilanz: Merkel sei "weder ein wiedergeborener Hitler noch eine zweite Mutter Teresa", notiert er mit Seitenblick auf die Flüchtlingsfrage; die fortbestehenden Risiken für die Eurozone ignoriere sie allerdings. Zumindest in diesem Punkt hat sich die Kanzlerin korrigiert - und mit dem gerade für Italien so erfolgreichen Covid-Wiederaufbauprogramm ihr europapolitisches Erbe abgerundet. Ralph Bollmann.
China.
In Zhao Yuans Merkel-Biographie "In der Stille liegt die Kraft" (Verlag Xin Shìjiè Chübanshè) von 2016 tritt die Kanzlerin vor allem als Mysterium in Erscheinung, das es zu entschlüsseln gilt: "Was für eine Seele lebt hinter dieser introvertierten und gleichmütigen Fassade?", lautet die Leitfrage. Vieles an diesem "sagenumwobenen Leben" wirkt auf den Autor erst einmal erklärungsbedürftig. Wie konnte es dazu kommen, dass "eine Hausfrau, die sich nach dem normalen Leben sehnt", eine so "einzigartige Führungspersönlichkeit" werden konnte, dass überhaupt "eine Frau" versucht, "Europa zu kontrollieren"? Als Deutungsmuster bemüht Zhao die "unnachgiebige deutsche Seele", die ja ein Faszinosum für sich ist. "Um ihre Selbstverwandlung zu vollenden", habe Merkel "die Gelassenheit und Selbstdisziplin, die ihr innewohnt im deutschen Blut", genutzt. Dieselben Eigenschaften hätten Deutschland auch zur dominanten Kraft in Europa gemacht. Parallel zur Karriere Merkels erzählt Zhao die Karriere der Bundesrepublik, die er, vielleicht um der größeren Plausibilität für chinesische Leser willen, unter Begriffe von der Art stellt, wie sie Xi Jinping für seine Umgestaltung Chinas verwendet: "Deutschland ist unsterblich - Leiden und Hoffnung auf nationale Genesung". Die "deutsche Iron Lady" aber habe die in China sehr berühmte Margaret Thatcher längst hinter sich gelassen.
Mark Siemons.
Norwegen.
Angela Merkel ist wie ein Fingerhut: Die Blütenblätter machen im geschlossenen Zustand von außen nicht besonders viel her, die Innenseiten aber sind prächtig. Diesen überraschenden botanischen Vergleich zieht die norwegische Journalistin Ingrid Brekke, die seit Langem für die Tageszeitung Aftenposten über Deutschland berichtet, in ihrer 2016 erschienenen Merkel-Biographie "Angela Merkel. Ein europäisches Drama" (Kagge). Als Fingerhut hatten wir uns die Kanzlerin vorher noch nie vorgestellt. Aber manch anderes, was in Deutschland und im Rest der Welt an Merkels Leben für besonders bemerkenswert gilt, ist in Norwegen eben nicht der Rede wert. Schon 1981, fast 25 Jahre vor Merkels Einzug ins Kanzleramt, übernahm in Oslo zum ersten Mal eine Frau die Regierungsverantwortung. Die nüchterne, unprätentiöse Art der Physikerin aus Deutschland muss den Norwegern gleichfalls vertraut vorkommen, gelten Bescheidenheit und Nahbarkeit bei ihnen doch seit jeher als unverzichtbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche politische Karriere. Brekke legt folgerichtig das Gewicht ihrer Darstellung darauf, welche Bedeutung Kindheit, Jugend und erste Berufsjahre unter den für ihre norwegischen Leser exotischen Bedingungen der DDR für Merkels weiteren Weg hatten. Besonders detailliert schildert sie die Wendezeit zwischen 1989 und 1991; die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 ist der zweite Schwerpunkt des Buchs. Merkel tritt hier als die moralische Anführerin Europas auf. Ein Lob, dem sich die Norweger wohl mehrheitlich anschließen würden. Norwegische Politiker jedenfalls bezeichnen heute parteiübergreifend Merkel als Vorbild; die amtierende Ministerpräsidentin hat sich sogar - lange vor Olaf Scholz - die Raute von ihr abgeschaut. Sebastian Balzter.
Vereinigte Staaten I.
Ob sie sich als Feministin verstehe, das wurde Angela Merkel in den vergangenen sechzehn Jahren oft gefragt, dabei kommt es ja weniger auf das Bekenntnis an als auf ihre Politik und öffentliche Wirkung. Die Politikwissenschaftlerin Joyce Marie Mushaben von der Georgetown University beleuchtet in ihrer Biographie "Becoming Madam Chancellor: Angela Merkel and the Berlin Republic" (Cambridge University Press) aus dem Jahr 2017 die Karriere der Kanzlerin vor allem unter diesem Gesichtspunkt und kommt zum Schluss: Ein weiblicher Staatschef muss sich nicht regelmäßig offen zur Feministin erklären, um "einen Unterschied zu machen". Leider versucht Mushaben gar nicht, nachzuweisen, ob sich die Verhältnisse für Frauen unter Merkel tatsächlich dank Merkel geändert haben: dank der Strahlkraft der Kanzlerin oder konkreter politischer Maßnahmen, dank ihrer kommunikativen Fähigkeiten oder ihrem irgendwie weniger "männlichen" Führungsstil - oder doch in erster Linie, trotz Merkel, wegen der allgemeinen gesellschaftlichen Emanzipation. Aber vielleicht ist das ja tatsächlich schon eine politische Qualität: den gesellschaftlichen Fortschritt nach Möglichkeit zuzulassen.
Fortsetzung auf Seite 39.
Und den Schwachsinn auszusitzen: Zum Schluss fasst Mushaben ihre Erkenntnisse in fünfzehn Punkten zusammen, die die "Methode Merkel" ausmachen. Lektion 1: "Irgendwann werden sie aufhören, über deine Frisur zu reden." Harald Staun.
Russland.
In Alexandr Derewjantschenkos Biographie "Die drei Leben der Angela Merkel: gewöhnlich, propädeutisch, triumphal" (URSS, 2017) befindet der Autor über die Kanzlerin: "Ihr Aufstieg auf den politischen Olymp Deutschlands und der ganzen Welt erinnert an die Geschichte von Aschenputtel." Das erste Leben umfasst nach seiner Darstellung Kindheit, Ausbildung, Wissenschaft und einem ersten Gatten gewidmete Jahre von 1954 bis 1990. Das zweite lässt der Autor mit der Wende 1989 beginnen und 2005 enden, wobei mit "propädeutisch" die politisch-charakterliche Vorbereitung auf Kanzlerschaft und "Triumph" gemeint ist. Merkel spreche "wirklich recht gut" Russisch, schreibt Derewjantschenko, der seiner Heldin sonst wohlgesinnt ist, im Ukraine-Konflikt aber klar auf Kreml-Kurs liegt. So wirft er Merkel vor, die "Wiedervereinigung" der Krim und Russlands völkerrechtlich anders zu werten als die Deutschlands und 2015 die Annexion der ukrainischen Halbinsel als "verbrecherisch" bezeichnet zu haben. Am Ende heißt es, Merkel habe "ihr Leben" - nun in der Einzahl - stets sorgfältig in einen offenen und einen versteckten Teil getrennt. Da die Öffentlichkeit in einem "vierten Leben" nach Ende der Kanzlerschaft viel über den "verschlossenen" Teil erfahren werde, bemühe sich Merkel wohl, "das Herannahen dieses Ereignisses so lange wie möglich aufzuschieben". Friedrich Schmidt.
Türkei.
Die 2018 erschienene Biographie "Savasi Sabreden Kazanir" ("Wer geduldig ist, gewinnt den Kampf") von Celal Özcan, ehemaliger Korrespondent der türkischen Zeitung Hürriyet in Berlin, bringt zunächst vieles den türkischen Lesern nahe, was hierzulande bekannt ist. So schildert er Merkels frühe Jahre und ihren raschen politischen Aufstieg nach dem Mauerfall. Er greift die - in der Türkei - beliebte Frage auf, ob sie ihren Aufstieg "geheimen Mächten" verdanken könnte. Die Antwort lautet: Nein.
Über das Biographische hinaus beschäftigt sich Özcan mit der Stellung Deutschlands in der Welt. Deutschland habe unter Merkel an Einfluss gewonnen. Vor Merkel sei die Bundesrepublik wirtschaftlich ein Riese, politisch aber ein Zwerg gewesen. Nun hinterlasse sie nicht nur ein wirtschaftlich, sondern in der Welt auch politisch starkes Deutschland.
Breiten Raum nehmen die deutsch-türkischen Beziehungen ein. Wie viele Türken bedauert auch Özcan, dass unter Merkel der EU-Beitrittsprozess ins Stocken geraten ist. In ihrer Amtszeit seien aber die bilateralen Beziehungen vertieft worden, auch wenn sie sich seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 wieder verschlechtert haben. Spannend sind die Schilderungen der Putschnacht. Merkel, die sich auf einer Auslandsreise befand, habe um vier Uhr morgens mit dem kurz zuvor zurückgetretenen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu telefoniert, mit dem sie sich gut verstand. Özcan lässt offen, ob sie versucht hat, auch mit Erdogan zu sprechen. Rainer Hermann.
Frankreich.
Angela Merkel und die Franzosen, das ist ein schwieriges Thema. Warum eine deutsche Bundeskanzlerin, wie Konrad Adenauer einst äußerte, die Trikolore dreimal grüßen müsse, hat die frühere DDR-Bürgerin mit Faible für die Vereinigten Staaten und Urlaubsdomizilen in Italien wohl bis zum Schluss nicht verstanden. Jean-Paul Picaper, langjähriger Korrespondent des Figaro in Berlin, fällt im fast 400 Seiten starken Buch "Angela Merkel. Die mächtigste Frau der Welt" aus dem Jahr 2010 trotzdem ein freundliches Urteil. Schließlich fiel das Erscheinen in eine Phase erstaunlicher Harmonie zwischen Merkel und dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, auf dessen Marotten sich die Kanzlerin einst mit dem Konsum von Louis-de-Funès-Filmen eingestimmt hatte - bis Sarkozy im folgenden Wahlkampf (zu spät) bemerkte, dass ihm die Hilfe aus Deutschland nur schadete. Zutreffend stellt Picaper fest, dass Merkel die Vormachtstellung in Europa, die ihr das Schicksal zuwies, nie angestrebt und dann trotzdem mit lutherischem Pflichtbewusstsein ausgefüllt habe. Solche nüchternen Analysen schließen jedoch nicht aus, dass der Autor auch sehr französische Akzente setzt. So widmet er ein ganzes Kapitel dem Kleidungsstil, also den bunten Jacken der Hamburger Modedesignerin Bettina Schoenbach, die auf der gleichen Wellenlänge wie die Kanzlerin liege: "keine überflüssigen Experimente, keine unnützen Risiken". boll.
Vereinigte Staaten II.
Aufgewachsen im Ostblock, aufgestiegen im Westen: Der Lebensweg der amerikanischen Publizistin Kati Marton ähnelt dem der deutschen Kanzlerin. Marton aber, geboren 1947, konnte mit ihren Eltern, ungarischen Dissidenten, schon Ende der Fünfzigerjahre in den Westen fliehen, hat später auch darüber geschrieben, hat die amerikanischen Möglichkeiten ausgeschöpft, von denen Merkel in der DDR geträumt hat. Ihr respektvolles, elegantes Porträt "The Chancellor" (Simon & Schuster, erscheint Ende Oktober) ist ein Beispiel für die Tradition amerikanischer, weltoffener Intellektualität, die Trump und seine Republikaner so verachten. Marton ist die Witwe des Stardiplomaten Richard Holbrooke, ihr Buch verrät, wie leicht sie sich auch im inneren politischen Berlin bewegt haben muss. Stark sind die Passagen über Obama und Merkel, und wenn Marton die Kanzlerin einmal kritisiert, schimmert immer die Kritik an amerikanischen Verhältnissen durch: Die Menschen, die 2015 nach Deutschland flohen, "flohen aus Kriegen, die die Vereinigten Staaten begonnen und so gut wie aufgegeben hatten". Tobias Rüther.
Malbuch.
Man muss schon ein sehr großer Anhänger von Angela Merkel sein, um ihr zur Entspannung bunte Farben ins Gesicht zu malen. Mag sein, dass es dem einen oder der anderen hilft, "Emotionen abzubauen", wie es der Titel des "Angela Merkel Legendary Coloring Book: Relax and Unwind Your Emotions with our Inspirational and Affirmative Designs" verspricht, besonders legendär ist es wohl nicht. Über die Autorin Jasmine Herrera ist nichts bekannt, gut möglich, dass ihr Name ebenso computergeneriert ist, wie es die billigen Malvorlagen sind, die einem hier für knapp zehn Euro angedreht werden. Ein großer kommerzieller Erfolg scheint das Heftchen auch nicht zu sein, sogar in der Amazon-Kategorie "Bürgerrechte" landet es nur auf Platz 722. Aber ist es nicht die perfekte Metapher? Merkel als Projektionsfläche für Zuschreibungen, als Frau ohne Eigenschaften und Innenleben, in die jeder hineinlesen kann, was er will: die warmherzige Fluchthelferin, die Zerstörerin Griechenlands, die geschickte Strategin, die Personifizierung von Visionslosigkeit, das Chamäleon. Aber nicht nur für ein Malbuch gilt: Farblos zu sein kann ein großer Vorteil sein. stau
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Captivating."
-Michelle Goldberg, The New York Times
-Michelle Goldberg, The New York Times