Produktdetails
- Skandinavische Misanthropie Bd.1
- Verlag: Blumenbar
- Seitenzahl: 461
- Deutsch
- Abmessung: 195mm
- Gewicht: 535g
- ISBN-13: 9783936738032
- ISBN-10: 3936738033
- Artikelnr.: 11960252
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2003Porno im Pulli
Der körperbetonte Weltbeschimpfungsroman des norwegischen Schriftstellers Matias Faldbakken
In diesem Jahr sind zwei Bücher erschienen, die mit der Welt, wie sie ist, wie sie war und wie sie wohl noch eine Weile bleiben wird, nicht einverstanden sind.
Zwei Bücher nur? Ist Literatur nicht ein Nicht-Einverstandensein an sich? Ist das Schreiben nicht immer ein Schreiben gegen die Welt? Aus der Welt hinaus ins Buch hinein, wo sich die Welt gestalten läßt, wie es dem Schreibenden gefällt? Jajaja, das kann schon sein und ist auch so. Aber die beiden Bücher, von denen hier die Rede ist, sind ein Fundamentalwiderspruch.
Das erste war die "Reise ans Ende der Nacht" von Louis-Ferdinand Céline, das in der neuen und - wie viele meinten - eigentlich ersten echten deutschen Übersetzung in diesem Frühjahr in der Übertragung Hinrich Schmidt-Henkels erschien. Und das zweite ist das Buch des jungen Norwegers Matias Faldbakken, das gerade erst auf deutsch herausgekommen ist. "The Cocka Hola Company", übersetzt von - Hinrich Schmidt-Henkel.
Worüber soll man sich jetzt mehr wundern? Wie ein einzelner Mann in einem einzigen Jahr die intensive Beschäftigung mit zwei so schwarzbeseelten Büchern übersteht, ohne danach die Welt als unbewohnbar zu empfinden und einfach zu verlassen? Oder wie ein einzelner Mann in einem Jahr zuerst einen als quasi unübersetzbar geltenden französischen Klassiker überträgt und kurz darauf aus norwegischer Sprache einen Trashroman aus dem Pornomilieu des Oslo der Gegenwart? Vielleicht ist beides gleich erstaunlich, und wenn noch irgendwo ein Preisträger gesucht wird, für den Übersetzer des Jahres 2003, dann hätten wir hier jedenfalls einen zwingenden Vorschlag.
Über die einsame Reise Ferdinand Bardamus, durch die Welt und durch die Nacht, wie Céline sie beschrieb und Schmidt-Henkel sie übersetzte, ist alles geschrieben worden, alles gesagt. Über Matias Faldbakken, den Autor der "Cocka Hola Company" aber noch nicht. Er ist der Sohn des wohl erfolgreichsten norwegischen Schriftstellers der Gegenwart, Knut Faldbakken, und in seinem Heimatland hat er seinen ersten Roman unter dem Pseudonym Abo Rasul veröffentlicht, was angeblich soviel heißt wie "Vater Arschloch". Damit war ihm ein hübscher, kleiner Skandal schon mal sicher, und nachdem sich ganz Norwegen über diese Respektlosigkeit empört hatte, kauften alle auch den zugehörigen Roman, und er wurde ein großer Erfolg. Da der Vater in Deutschland aber leider fast so unbekannt ist wie der Sohn, funktioniert dieser kleine Trick hier nicht, und so erscheint er gleich unter seinem richtigen Namen.
Aber das Buch hat Tricks gar nicht nötig. In den Buchhandlungen wird es schon durch sein ungewöhnliches, sexy leuchtendes, graupinkfarbenes Cover Aufmerksamkeit erregen, die Menschen werden es kaufen, und wer erst einmal angefangen hat zu lesen, der wird die gutgelaunte Menschenbeschimpfung, die skandinavische Misanthropie, wie es im Untertitel heißt, wahrscheinlich lieben. Merkwürdige Menschen bevölkern diesen Roman. Schlechte Menschen, ohne Respekt vor verdienstvollen Werten wie Solidarität oder Mitgefühl. Es ist eine kleine Pornogemeinschaft in Norwegens Hauptstadt. Glückliche Pornodarsteller, Pornoideologen, verkommene Familien, Menschenverächter. Körper statt Geist ist ihr Motto. Glück statt Denken. Wir gegen die Welt. Gegen die Welt, in der immer nur von Geld die Rede ist, in der alles zum Design wird, jeder Widerspruch zum Coffeetablebook, leere Menschen über Mode schwätzen und über Architektur. Die Welt als Stil und sonst nur schlaue Sprüche. Damit ist jetzt Schluß. Für die Weltwiderspruchsgruppe von der "Desirevolution", wie sie sich nennen, ist damit Schluß. Simpel, ihr Held und, gemeinsam mit dem sogenannten PapaHans, Gründer des Antiweltprojektes, schildert es bei einer besonders verachtenswerten Adventsfeier einem zufälligen Robert so: "Alles, was du in so einer Situation tun kannst, also wenn du es satt hast, wie die Leute sich abrackern und sich und andere quälen, das ist: Widerstand leisten. Widerstandsarbeit. Dagegen angehen. Du mußt nein sagen." Der zufällige Robert ist nicht so ganz bereit, nein zu sagen. Aber Simpel hat sein aufrechtes Pornogrüppchen ja schon beisammen. Ein ausgesuchter Personenkreis. Sehr ausgesucht. "Da mußt du wen auftreiben, der entsprechend erzogen wurde, damit meine ich wen, dem sie nicht den ganzen Selbstverwirklichungsscheiß vorgelallt haben. Wer so aufgewachsen ist, ist glücklich, wenn er glücklich ist, fertig. Kein leeres Gerede von wegen weiterkommen, den Horizont erweitern, Verantwortung übernehmen und was noch alles. Wir haben also eine Crew von glücklichen Menschen zusammengesucht, kein Neid bitte und kein schlechtes Wort über meine Frau, ja, aber man sollte nicht allzu komplex gestrickt sein, wenn man mit einem Dasein klarkommen will, das sich einzig und allein ums Sexleben dreht."
Nein, das kann man dem norwegischen Vögelvolk nicht vorwerfen, daß es zu komplex gestrickt sei. Eher schlicht. Und wunderlich. Denn man muß doch nicht unbedingt, wie Gruppenmitglied Speedo, einen Zwangsalkoholikervertrag unterzeichnen, der zu exzessivem Alkoholgenuß bis Lebensende verpflichtet, nur um auch ganz sicher nicht zur normalen Gesellschaft zu gehören, muß nicht, wie Rittmeester, der Pornoideologe der Gruppe, einen Isolationistenvertrag unterzeichnen, der zur absoluten Einsamkeit verpflichtet, aus demselben, gesellschaftsablehnenden Grunde. Aber man kann. Und zwischendurch immer und immer wieder Pornos drehen, neuen Pornoregeln folgen. Und kleine menschenverachtende Aktionen unternehmen. Engagierte Lehrerinnen in den Freitod treiben, die Ehefrau des Schulpsychologen so großformatig mit dem Wort FasciNATION tätowieren, daß sie beinahe verblutet, und ähnlichen misanthropischen Wahnsinn.
Das alles liest sich gräßlich, schauerlich, ekelhaft, grandios und unterhaltsam. Leider geht am Ende alles sehr schlecht aus. Simpel gerät in eine Talkshow. Und alle lieben seine Weltbeschimpfung. Herzlos grausam werden seine Thesen niederapplaudiert. Er wird ein Star. Wie sein Erfinder Matias Faldbakken mit der großen norwegischen Menschenverachtungsbibel.
VOLKER WEIDERMANN
Matias Faldbakken. The Cocka Hola Company. Skandinavische Misanthropie. Blumenbar Verlag 2003. 462 Seiten. 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der körperbetonte Weltbeschimpfungsroman des norwegischen Schriftstellers Matias Faldbakken
In diesem Jahr sind zwei Bücher erschienen, die mit der Welt, wie sie ist, wie sie war und wie sie wohl noch eine Weile bleiben wird, nicht einverstanden sind.
Zwei Bücher nur? Ist Literatur nicht ein Nicht-Einverstandensein an sich? Ist das Schreiben nicht immer ein Schreiben gegen die Welt? Aus der Welt hinaus ins Buch hinein, wo sich die Welt gestalten läßt, wie es dem Schreibenden gefällt? Jajaja, das kann schon sein und ist auch so. Aber die beiden Bücher, von denen hier die Rede ist, sind ein Fundamentalwiderspruch.
Das erste war die "Reise ans Ende der Nacht" von Louis-Ferdinand Céline, das in der neuen und - wie viele meinten - eigentlich ersten echten deutschen Übersetzung in diesem Frühjahr in der Übertragung Hinrich Schmidt-Henkels erschien. Und das zweite ist das Buch des jungen Norwegers Matias Faldbakken, das gerade erst auf deutsch herausgekommen ist. "The Cocka Hola Company", übersetzt von - Hinrich Schmidt-Henkel.
Worüber soll man sich jetzt mehr wundern? Wie ein einzelner Mann in einem einzigen Jahr die intensive Beschäftigung mit zwei so schwarzbeseelten Büchern übersteht, ohne danach die Welt als unbewohnbar zu empfinden und einfach zu verlassen? Oder wie ein einzelner Mann in einem Jahr zuerst einen als quasi unübersetzbar geltenden französischen Klassiker überträgt und kurz darauf aus norwegischer Sprache einen Trashroman aus dem Pornomilieu des Oslo der Gegenwart? Vielleicht ist beides gleich erstaunlich, und wenn noch irgendwo ein Preisträger gesucht wird, für den Übersetzer des Jahres 2003, dann hätten wir hier jedenfalls einen zwingenden Vorschlag.
Über die einsame Reise Ferdinand Bardamus, durch die Welt und durch die Nacht, wie Céline sie beschrieb und Schmidt-Henkel sie übersetzte, ist alles geschrieben worden, alles gesagt. Über Matias Faldbakken, den Autor der "Cocka Hola Company" aber noch nicht. Er ist der Sohn des wohl erfolgreichsten norwegischen Schriftstellers der Gegenwart, Knut Faldbakken, und in seinem Heimatland hat er seinen ersten Roman unter dem Pseudonym Abo Rasul veröffentlicht, was angeblich soviel heißt wie "Vater Arschloch". Damit war ihm ein hübscher, kleiner Skandal schon mal sicher, und nachdem sich ganz Norwegen über diese Respektlosigkeit empört hatte, kauften alle auch den zugehörigen Roman, und er wurde ein großer Erfolg. Da der Vater in Deutschland aber leider fast so unbekannt ist wie der Sohn, funktioniert dieser kleine Trick hier nicht, und so erscheint er gleich unter seinem richtigen Namen.
Aber das Buch hat Tricks gar nicht nötig. In den Buchhandlungen wird es schon durch sein ungewöhnliches, sexy leuchtendes, graupinkfarbenes Cover Aufmerksamkeit erregen, die Menschen werden es kaufen, und wer erst einmal angefangen hat zu lesen, der wird die gutgelaunte Menschenbeschimpfung, die skandinavische Misanthropie, wie es im Untertitel heißt, wahrscheinlich lieben. Merkwürdige Menschen bevölkern diesen Roman. Schlechte Menschen, ohne Respekt vor verdienstvollen Werten wie Solidarität oder Mitgefühl. Es ist eine kleine Pornogemeinschaft in Norwegens Hauptstadt. Glückliche Pornodarsteller, Pornoideologen, verkommene Familien, Menschenverächter. Körper statt Geist ist ihr Motto. Glück statt Denken. Wir gegen die Welt. Gegen die Welt, in der immer nur von Geld die Rede ist, in der alles zum Design wird, jeder Widerspruch zum Coffeetablebook, leere Menschen über Mode schwätzen und über Architektur. Die Welt als Stil und sonst nur schlaue Sprüche. Damit ist jetzt Schluß. Für die Weltwiderspruchsgruppe von der "Desirevolution", wie sie sich nennen, ist damit Schluß. Simpel, ihr Held und, gemeinsam mit dem sogenannten PapaHans, Gründer des Antiweltprojektes, schildert es bei einer besonders verachtenswerten Adventsfeier einem zufälligen Robert so: "Alles, was du in so einer Situation tun kannst, also wenn du es satt hast, wie die Leute sich abrackern und sich und andere quälen, das ist: Widerstand leisten. Widerstandsarbeit. Dagegen angehen. Du mußt nein sagen." Der zufällige Robert ist nicht so ganz bereit, nein zu sagen. Aber Simpel hat sein aufrechtes Pornogrüppchen ja schon beisammen. Ein ausgesuchter Personenkreis. Sehr ausgesucht. "Da mußt du wen auftreiben, der entsprechend erzogen wurde, damit meine ich wen, dem sie nicht den ganzen Selbstverwirklichungsscheiß vorgelallt haben. Wer so aufgewachsen ist, ist glücklich, wenn er glücklich ist, fertig. Kein leeres Gerede von wegen weiterkommen, den Horizont erweitern, Verantwortung übernehmen und was noch alles. Wir haben also eine Crew von glücklichen Menschen zusammengesucht, kein Neid bitte und kein schlechtes Wort über meine Frau, ja, aber man sollte nicht allzu komplex gestrickt sein, wenn man mit einem Dasein klarkommen will, das sich einzig und allein ums Sexleben dreht."
Nein, das kann man dem norwegischen Vögelvolk nicht vorwerfen, daß es zu komplex gestrickt sei. Eher schlicht. Und wunderlich. Denn man muß doch nicht unbedingt, wie Gruppenmitglied Speedo, einen Zwangsalkoholikervertrag unterzeichnen, der zu exzessivem Alkoholgenuß bis Lebensende verpflichtet, nur um auch ganz sicher nicht zur normalen Gesellschaft zu gehören, muß nicht, wie Rittmeester, der Pornoideologe der Gruppe, einen Isolationistenvertrag unterzeichnen, der zur absoluten Einsamkeit verpflichtet, aus demselben, gesellschaftsablehnenden Grunde. Aber man kann. Und zwischendurch immer und immer wieder Pornos drehen, neuen Pornoregeln folgen. Und kleine menschenverachtende Aktionen unternehmen. Engagierte Lehrerinnen in den Freitod treiben, die Ehefrau des Schulpsychologen so großformatig mit dem Wort FasciNATION tätowieren, daß sie beinahe verblutet, und ähnlichen misanthropischen Wahnsinn.
Das alles liest sich gräßlich, schauerlich, ekelhaft, grandios und unterhaltsam. Leider geht am Ende alles sehr schlecht aus. Simpel gerät in eine Talkshow. Und alle lieben seine Weltbeschimpfung. Herzlos grausam werden seine Thesen niederapplaudiert. Er wird ein Star. Wie sein Erfinder Matias Faldbakken mit der großen norwegischen Menschenverachtungsbibel.
VOLKER WEIDERMANN
Matias Faldbakken. The Cocka Hola Company. Skandinavische Misanthropie. Blumenbar Verlag 2003. 462 Seiten. 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Frank Schäfer scheint sich bei der Lektüre dieses norwegischen Bestsellers von Matias Faldbakken gut amüsiert zu haben. Die Geschichte um eine Firma, die Pornofilme produziert, und um deren Kopf namens Simpel biete dem Autor einen hervorragenden Hintergrund für die Präsentation der "anarchistischen, misanthropischen, ja Punk-Philosophie" seines Underground-Romans. Dabei gelinge es Faldbakken, das Verhältnis von gewünschter Unabhängigkeit und notwendiger Abhängigkeit vom verhassten Publikum unter die Lupe zu nehmen. Zudem sei das Ganze trotz aller zur Schau gestellten schlechten Laune mit teils trashiger Ironie garniert, was einiges zum positiven Urteil des Rezensenten beizutragen scheint.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Die große norwegische Menschenverachtungsbibel
Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Das ist schon sehr komisch. Wie überhaupt dieser Roman bei aller Misanthropie und Schlechtgelauntheit vor burlesker Komik fast aus den Nähten platzt."
Die Tageszeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Das ist schon sehr komisch. Wie überhaupt dieser Roman bei aller Misanthropie und Schlechtgelauntheit vor burlesker Komik fast aus den Nähten platzt."
Die Tageszeitung
»Die große norwegische Menschenverachtungsbibel.« Frankfurter Allgemeine Zeitung