Following a remarkable epoch of greater dispersion of wealth and opportunity, we are inexorably returning towards a more feudal era marked by greater concentration of wealth and property, reduced upward mobility, demographic stagnation, and increased dogmatism. If the last seventy years saw a massive expansion of the middle class, not only in America but in much of the developed world, today that class is declining and a new, more hierarchical society is emerging. The new class structure resembles that of Medieval times. At the apex of the new order are two classes-a reborn clerical elite, the clerisy, which dominates the upper part of the professional ranks, universities, media and culture, and a new aristocracy led by tech oligarchs with unprecedented wealth and growing control of information. These two classes correspond to the old French First and Second Estates. Below these two classes lies what was once called the Third Estate. This includes the yeomanry, which is made up largely of small businesspeople, minor property owners, skilled workers and private-sector oriented professionals. Ascendant for much of modern history, this class is in decline while those below them, the new Serfs, grow in numbers-a vast, expanding property-less population. The trends are mounting, but we can still reverse them-if people understand what is actually occurring and have the capability to oppose them.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2020Die Revolution wird nicht auf Twitter stattfinden
Feudale Verhältnisse: Der amerikanische Geograph Joel Kotkin holt zum Rundumschlag gegen die Technik-Elite und ihre Fürsprecher aus
Für die weltgrößten Digitalfirmen ist die Pandemie eine Goldgrube. Ihre Börsenkurse schossen nach oben, Wettbewerber mussten die Türen schließen, die Leute blieben zu Hause und verbrachten ihre Zeit im Internet. So stärkte die Krise einen Sektor, der mit Marktanteilen von achtzig bis neunzig Prozent von Firmen wie Amazon, Google oder Microsoft monopolartige Akteure kennt.
Die Unternehmen, die von der Verhaltenssteuerung der zu Konsumenten umgeformten Staatsbürger leben, betrachten sich dabei als Ingenieure einer besseren Weltgesellschaft. Blickt man auf Kalifornien, die Keimzelle der Tech-Ideologie, kann man sich von dieser besseren Welt ein Bild machen. Laut Statistik hat die Westküstenprovinz die höchste Armutsrate in den Vereinigten Staaten und eine größere Ungleichheit als Mexiko vorzuweisen. Die Kluft wird noch tiefer, wenn man ins Silicon Valley schaut, wo sich in der Nachbarschaft von Hightech-Residenzen slumartige Siedlungen ausbreiten. Leidtragende der wachsenden Disparitäten sind unter anderem die hispanische und afroamerikanische Bevölkerung, die durch die Digitalisierung angestammte Jobs im Industriesektor verliert, sowie der Mittelstand, der aus den hochpreisigen Stadtvierteln vertrieben wird.
Man hat die Lenker der großen Digitalfirmen schon häufig als Neofeudalisten bezeichnet. Der amerikanische Geograph Joel Kotkin macht den Terminus in seinem in den Vereinigten Staaten vielbeachteten Buch sogar zur Signatur des kommenden Zeitalters, das weltweit, so Kotkins These, gekennzeichnet sein werde vom Siegeszug einer Tech-Oligarchie, dem Niedergang der Mittelklassen und der Heraufkunft einer neuen Staatsform, die wohl nicht mehr Demokratie heißen wird.
Tätige Mithilfe für diese Entwicklung leistet nach Kotkin eine Schicht von Intellektuellen, die er den neuen Klerus nennt, weil sie ihre Ziele bisweilen mit religiösem Eifer verfolge. Sie sorge sich um Vielfalt, Minderheitenrechte, Ökologie und nehme es in Kauf, wenn die Realisierung ihrer Ideen negative wirtschaftliche Konsequenzen für untere Klassen hat. Diese in den Augen Kotkins meinungsbildende Schicht erstrecke sich auf alle Dienstleistungsberufe, die von der Globalisierung profitieren. Das alte Links-rechts-Schema scheint Kotkin nicht mehr aussagekräftig, die neue politische Wasserscheide verläuft bei ihm zwischen hochqualifizierten technischen Berufen und anderen Globalisierungsgewinnern auf der einen Seite und schlechtbezahlten Industriearbeitern auf der anderen.
Auch die Tech-Firmen schrieben sich wie ihre intellektuellen Anwälte Minderheitenrechte und Diversität auf die Fahnen. Warum sie das tun, ließe sich wiederum im Silicon Valley studieren. Unternehmen wie Google beschäftigen laut Kotkin um die vierzig Prozent ausländische Mitarbeiter, die gezielt und oft temporär angeworben werden. Afroamerikaner und Latinos arbeiten unter weit weniger komfortablen Bedingungen und haben im Zug der Digitalisierung entweder Lohnkürzungen hinnehmen müssen oder ihre Anstellung ganz verloren. Sie gehörten zu der technisch unqualifizierten Masse, die nicht mehr gebraucht, als Unruhefaktor aber gefürchtet wird.
Die Tech-Firmen würden sich als Ausweis ihrer sozialen Gesinnung für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen, aber das läuft für Kotkin nur hinaus auf die Verfestigung der sozialen Unterschiede zum Klassengegensatz zwischen einer produktiven und einer unproduktiven Bevölkerung. Aus der Nähe betrachtet, sei das Sozialmodell der Tech-Firmen eigennützig, würde aber begeistert fortgetragen vom "neuen Klerus", der sich damit einer progressiven Moral vergewissern kann, die sich gerne auf Twitter darstellt.
Nach Kotkin ist es den großen Tech-Konzernen gelungen, das Problem wirtschaftlicher Machtkonzentration auf einen Nebenschauplatz zu verschieben und die sozialen Kämpfe auf die kulturelle Sphäre zu verlagern - wobei ihnen die neuen Medien, die jede Debatte in endlose Identitätskämpfe zersplittern, treue Dienste leisteten. Der Hass auf den Staat, der in Hightech-Kreisen weit verbreitet sei, verbinde sich mit einer Identitätspolitik, die der Demokratie den Boden entziehe. Im Grunde, so Kotkin, sei der Digitalkapitalismus indifferent gegenüber der Staatsform. Er könne auch einer autoritären Staatspartei wie der chinesischen KP dienen, der viele chinesische Hightech-Unternehmer angehören.
Kotkin verbindet seine Beobachtungen zu einem großen Weltgemälde. Er sieht in Peking die gleichen Mechanismen am Werk wie in Chicago oder Berlin: wachsende Ungleichheit, Geburtenrückgang, Erosion des Mittelstands und seiner staatsbürgerlichen Werte, gepaart mit wachsender Scheu vor spontanen Begegnungen in der analogen Welt. Begleiterscheinung der Digitalisierung sei eine sozial undurchlässige Gesellschaft, von der nur wenige profitierten. Damit würde auch ein Unterschied zum Feudalismus deutlich, dessen Schichten einen stärkeren inneren Zusammenhang gehabt hätten.
Es gebe zwar Mittel, die Macht der Tech-Firmen zu begrenzen - wie das Kartellrecht oder das Verbot ihres tatsächlich feudalistischen Geschäftsmodells, das Privates zum Firmeneigentum macht -, aber dafür müsste ein neuer Zusammenhalt geschaffen werden. Auf der alles zerfasernden Identitätspolitik lässt sich dabei nicht aufbauen.
Der großzügige Zugriff des Autors hat Vorzüge und Nachteile. Zuweilen verliert er den technischen Faktor aus den Augen, dem er die beschriebenen Fehlentwicklungen in erster Linie anlastet. Darüber hinaus nivelliert er manchen Unterschied zwischen Europa, China und den Vereinigten Staaten. Den europäischen Sozialstaat etwa hat die Globalisierung bisher nicht in dem von ihm erwarteten Ausmaß zerstört. Aber es gelingt Kotkin, das materielle Substrat von heutigen Anerkennungskämpfen ans Licht zu heben. Er zeigt, wogegen sich Kritik und Widerstand eigentlich gleicherweise richten müssten. Kulturelle Ungleichbehandlung zieht heute alle Aufmerksamkeit auf sich. Technische Diskriminierung muss sich kaum rechtfertigen. Etwas zugespitzt könnte man sagen: Die Technik-Elite setzt die Agenda und liefert zugleich die Maßstäbe ihrer Bewertung.
THOMAS THIEL
Joel Kotkin: "The Coming of Neo-Feudalism". A Warning to the Global Middle Class.
Encounter Books,
New York/London 2020.
224 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Feudale Verhältnisse: Der amerikanische Geograph Joel Kotkin holt zum Rundumschlag gegen die Technik-Elite und ihre Fürsprecher aus
Für die weltgrößten Digitalfirmen ist die Pandemie eine Goldgrube. Ihre Börsenkurse schossen nach oben, Wettbewerber mussten die Türen schließen, die Leute blieben zu Hause und verbrachten ihre Zeit im Internet. So stärkte die Krise einen Sektor, der mit Marktanteilen von achtzig bis neunzig Prozent von Firmen wie Amazon, Google oder Microsoft monopolartige Akteure kennt.
Die Unternehmen, die von der Verhaltenssteuerung der zu Konsumenten umgeformten Staatsbürger leben, betrachten sich dabei als Ingenieure einer besseren Weltgesellschaft. Blickt man auf Kalifornien, die Keimzelle der Tech-Ideologie, kann man sich von dieser besseren Welt ein Bild machen. Laut Statistik hat die Westküstenprovinz die höchste Armutsrate in den Vereinigten Staaten und eine größere Ungleichheit als Mexiko vorzuweisen. Die Kluft wird noch tiefer, wenn man ins Silicon Valley schaut, wo sich in der Nachbarschaft von Hightech-Residenzen slumartige Siedlungen ausbreiten. Leidtragende der wachsenden Disparitäten sind unter anderem die hispanische und afroamerikanische Bevölkerung, die durch die Digitalisierung angestammte Jobs im Industriesektor verliert, sowie der Mittelstand, der aus den hochpreisigen Stadtvierteln vertrieben wird.
Man hat die Lenker der großen Digitalfirmen schon häufig als Neofeudalisten bezeichnet. Der amerikanische Geograph Joel Kotkin macht den Terminus in seinem in den Vereinigten Staaten vielbeachteten Buch sogar zur Signatur des kommenden Zeitalters, das weltweit, so Kotkins These, gekennzeichnet sein werde vom Siegeszug einer Tech-Oligarchie, dem Niedergang der Mittelklassen und der Heraufkunft einer neuen Staatsform, die wohl nicht mehr Demokratie heißen wird.
Tätige Mithilfe für diese Entwicklung leistet nach Kotkin eine Schicht von Intellektuellen, die er den neuen Klerus nennt, weil sie ihre Ziele bisweilen mit religiösem Eifer verfolge. Sie sorge sich um Vielfalt, Minderheitenrechte, Ökologie und nehme es in Kauf, wenn die Realisierung ihrer Ideen negative wirtschaftliche Konsequenzen für untere Klassen hat. Diese in den Augen Kotkins meinungsbildende Schicht erstrecke sich auf alle Dienstleistungsberufe, die von der Globalisierung profitieren. Das alte Links-rechts-Schema scheint Kotkin nicht mehr aussagekräftig, die neue politische Wasserscheide verläuft bei ihm zwischen hochqualifizierten technischen Berufen und anderen Globalisierungsgewinnern auf der einen Seite und schlechtbezahlten Industriearbeitern auf der anderen.
Auch die Tech-Firmen schrieben sich wie ihre intellektuellen Anwälte Minderheitenrechte und Diversität auf die Fahnen. Warum sie das tun, ließe sich wiederum im Silicon Valley studieren. Unternehmen wie Google beschäftigen laut Kotkin um die vierzig Prozent ausländische Mitarbeiter, die gezielt und oft temporär angeworben werden. Afroamerikaner und Latinos arbeiten unter weit weniger komfortablen Bedingungen und haben im Zug der Digitalisierung entweder Lohnkürzungen hinnehmen müssen oder ihre Anstellung ganz verloren. Sie gehörten zu der technisch unqualifizierten Masse, die nicht mehr gebraucht, als Unruhefaktor aber gefürchtet wird.
Die Tech-Firmen würden sich als Ausweis ihrer sozialen Gesinnung für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen, aber das läuft für Kotkin nur hinaus auf die Verfestigung der sozialen Unterschiede zum Klassengegensatz zwischen einer produktiven und einer unproduktiven Bevölkerung. Aus der Nähe betrachtet, sei das Sozialmodell der Tech-Firmen eigennützig, würde aber begeistert fortgetragen vom "neuen Klerus", der sich damit einer progressiven Moral vergewissern kann, die sich gerne auf Twitter darstellt.
Nach Kotkin ist es den großen Tech-Konzernen gelungen, das Problem wirtschaftlicher Machtkonzentration auf einen Nebenschauplatz zu verschieben und die sozialen Kämpfe auf die kulturelle Sphäre zu verlagern - wobei ihnen die neuen Medien, die jede Debatte in endlose Identitätskämpfe zersplittern, treue Dienste leisteten. Der Hass auf den Staat, der in Hightech-Kreisen weit verbreitet sei, verbinde sich mit einer Identitätspolitik, die der Demokratie den Boden entziehe. Im Grunde, so Kotkin, sei der Digitalkapitalismus indifferent gegenüber der Staatsform. Er könne auch einer autoritären Staatspartei wie der chinesischen KP dienen, der viele chinesische Hightech-Unternehmer angehören.
Kotkin verbindet seine Beobachtungen zu einem großen Weltgemälde. Er sieht in Peking die gleichen Mechanismen am Werk wie in Chicago oder Berlin: wachsende Ungleichheit, Geburtenrückgang, Erosion des Mittelstands und seiner staatsbürgerlichen Werte, gepaart mit wachsender Scheu vor spontanen Begegnungen in der analogen Welt. Begleiterscheinung der Digitalisierung sei eine sozial undurchlässige Gesellschaft, von der nur wenige profitierten. Damit würde auch ein Unterschied zum Feudalismus deutlich, dessen Schichten einen stärkeren inneren Zusammenhang gehabt hätten.
Es gebe zwar Mittel, die Macht der Tech-Firmen zu begrenzen - wie das Kartellrecht oder das Verbot ihres tatsächlich feudalistischen Geschäftsmodells, das Privates zum Firmeneigentum macht -, aber dafür müsste ein neuer Zusammenhalt geschaffen werden. Auf der alles zerfasernden Identitätspolitik lässt sich dabei nicht aufbauen.
Der großzügige Zugriff des Autors hat Vorzüge und Nachteile. Zuweilen verliert er den technischen Faktor aus den Augen, dem er die beschriebenen Fehlentwicklungen in erster Linie anlastet. Darüber hinaus nivelliert er manchen Unterschied zwischen Europa, China und den Vereinigten Staaten. Den europäischen Sozialstaat etwa hat die Globalisierung bisher nicht in dem von ihm erwarteten Ausmaß zerstört. Aber es gelingt Kotkin, das materielle Substrat von heutigen Anerkennungskämpfen ans Licht zu heben. Er zeigt, wogegen sich Kritik und Widerstand eigentlich gleicherweise richten müssten. Kulturelle Ungleichbehandlung zieht heute alle Aufmerksamkeit auf sich. Technische Diskriminierung muss sich kaum rechtfertigen. Etwas zugespitzt könnte man sagen: Die Technik-Elite setzt die Agenda und liefert zugleich die Maßstäbe ihrer Bewertung.
THOMAS THIEL
Joel Kotkin: "The Coming of Neo-Feudalism". A Warning to the Global Middle Class.
Encounter Books,
New York/London 2020.
224 S., geb., 23,- [Euro].
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