Since its inception over forty years ago, the Conference on Security and Cooperation in Europe has been met with political and historical controversies. While it's known today as a significant contributor to the end of the Cold War, The CSCE and the End of the Cold War revisits some of the most fascinating questions in Cold War historiography.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungIm Osten geht die Sonne auf
Die Rolle der KSZE bei der Überwindung des Kalten Krieges in Europa
Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) war ein Kind des Kalten Krieges. In der geteilten Welt und für diese erfunden, legte sie wesentliche Spielregeln des Ost-West-Konflikts verbindlich fest. Nach vorbereitenden Sondierungen und Verhandlungen der Experten in Helsinki und vor allem in Genf trafen sich vom 30. Juli bis zum 1. August 1975 die Staats- und Regierungs- beziehungsweise Parteichefs wiederum in der finnischen Hauptstadt, um die KSZE-Schlussakte zu unterzeichnen. Vertreten waren außer Albanien sämtliche europäischen Staaten einschließlich der Sowjetunion sowie die transatlantischen Nato-Partner Vereinigte Staaten und Kanada.
Deren Teilnahme war für das Zustandekommen der Konferenz wie der Schlussakte von ausschlaggebender Bedeutung. Denn vielen Westeuropäern war das KSZE-Projekt ursprünglich suspekt, weil die Initiative seit 1954 bei den Sowjets lag und weil es denen dabei um die Festschreibung der Teilung Europas und damit vor allem auch Deutschlands ging. Da man sich aber auf Dauer nicht dem Angebot zu Gesprächen über Sicherheit und Zusammenarbeit verweigern konnte, gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Kreml ließ die Sache ruhen, oder aber der Westen bewegte sich in diesem Punkt auf die Sowjetunion zu. So kam es dann auch, und dafür gab es gute Gründe.
Zum einen hatte die von Willy Brandt geführte sozial-liberale Bundesregierung seit 1969 mit der faktischen Anerkennung der deutschen Teilung eine wichtige Hürde aus dem Weg geräumt, und zum anderen realisierte der Westen jetzt, dass er ein Pfund in der Hand hielt, mit dem sich wuchern ließ: Wenn dem Kreml die Anerkennung der durch den Zweiten Weltkrieg geschaffenen Grenzen so wichtig war, dass er unbeirrt an dieser Forderung festhielt, ließen sich im Gegenzug vor allem in den Fragen der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie bei den parallelen Verhandlungen über die konventionellen Streitkräfte in Europa (MBFR) entsprechende eigene Forderungen formulieren.
Das ist das Thema einer Sammlung von Aufsätzen, die auf eine im Dezember 2015 in Paris gehaltene Konferenz zurückgehen und von Nicolas Badalassi und Sarah B. Snyder herausgegeben wurden. Der Sammelband teilt das Schicksal mancher anderer dieses Genres: Von der Einleitung und der Schlussbetrachtung der Editoren abgesehen, werden die 13 Beiträge lediglich durch das Rahmenthema zusammengehalten.
Hinzu kommt, dass die für das Verständnis des KSZE-Prozesses unverzichtbare Vorgeschichte weitgehend und die parallelen MBFR-Verhandlungen fast vollständig ausgeblendet werden. Vergleichbares gilt für einen Ausblick auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die seit Anfang der neunziger Jahre die Arbeit der KSZE fortsetzt.
Das festzustellen heißt nicht, den Wert der einzelnen Beiträge zu verkennen. Die Autoren sind nicht nur auf ihren Gebieten durchweg gut ausgewiesen und mit den Quellen bestens vertraut, sondern sie kümmern sich auch um scheinbar abgelegene Themen und fragen zum Beispiel, wer eigentlich diejenigen gewesen sind, die in zähen Verhandlungen den Weg zur Schlusskonferenz und von dort zu den zahlreichen Folgeveranstaltungen geebnet haben.
Wohl wahr, Gerald Ford und Leonid Breschnew haben die Schlussakte für die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, Helmut Schmidt und Erich Honecker haben sie für die Bundesrepublik und die DDR medienwirksam unterzeichnet. Aber in einer monatelangen Prozedur ausgehandelt wurden dieses und etliche weitere Dokumente von Hundertschaften "namen- und gesichtsloser" Diplomaten, denen Martin D. Brown und Angela Romano einen bemerkenswerten Beitrag widmen.
Einer von ihnen war Max Kampelman, für den sich Stephan Kieninger interessiert. Der erfolgreiche Anwalt war ein Mann der zweiten Reihe, besaß aber - und vielleicht ebendeshalb - das Vertrauen sowohl des demokratischen Präsidenten Jimmy Carter als auch seines republikanischen Nachfolgers Ronald Reagan. Das wiederum prädestinierte ihn geradezu für eine prominente Rolle bei den diffizilen Gesprächen, welche die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion während der achtziger Jahre gleich auf mehreren Ebenen führten.
Dazu gehörten die KSZE-Folgekonferenzen, allen voran die zweite in Madrid, die sich von November 1980 bis September 1983 hinzog, fast acht Monate ausgesetzt wurde und wegen der Verhängung des Kriegsrechts in Polen beinahe gescheitert wäre. Dass es nicht dazu kam und die Folgekonferenz von Madrid nach Auffassung der meisten Autoren des Bandes zu den erfolgreichen Kapiteln des Prozesses zählt, lag nicht zuletzt an Kampelman. Er leitete die amerikanische Delegation und fand, wie Kieninger zeigen kann, einen Weg, um den öffentlichen Auftritt und die entscheidenden, streng geheimen Hintergrundgespräche mit den Sowjets miteinander in Einklang zu bringen. Erfolge zeitigte das nicht zuletzt bei der Bekräftigung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.
Von besonderer Bedeutung war dieser Themenkomplex für die Opposition und die Bürgerrechtsbewegungen in Ostmittel- und Osteuropa. Das ist heute unumstritten. Einen Schritt weiter geht Jacek Czaputowicz, der nicht nur davon überzeugt ist, dass der sogenannte Helsinki-Prozess ohne die Bürgerrechtsbewegungen eingeschlafen wäre, sondern auch eine Rückwirkung der von diesen Bewegungen formulierten Programme und Forderungen auf die "westlichen Partner" sieht: "Die osteuropäischen Aktivisten", so das Resümee, "halfen ihren Partnern im Westen, die Verbindung von Frieden, Freiheit und Menschenrechten zu verstehen." Das ist eine interessante Beobachtung, die es verdient, weiter verfolgt zu werden.
Welchen unmittelbaren Nutzen die westliche Politik aus dem KSZE-Prozess zog, zeigt Matthias Peter in einer grundlegenden Analyse für die Bundesrepublik. Zum einen bildeten die Vereinbarungen der KSZE eine zunächst nicht erwartete Möglichkeit, sich für die Rechte "von Millionen Deutschen in der DDR und Osteuropa" ins Zeug zu legen. Und dann erkannte die seit Herbst 1982 regierende christlich-liberale Koalition unter Kanzler Helmut Kohl sehr bald, welche Chance in den seit Januar 1984 geführten Verhandlungen über vertrauenbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa für eine friedliche Überwindung der gegebenen Verhältnisse lag. Das war nicht selbstverständlich: Von den italienischen Kommunisten einmal abgesehen, hatten CDU und CSU 1975 als einzige relevante Kraft in Europa die Schlussakte von Helsinki abgelehnt.
GREGOR SCHÖLLGEN
Nicolas Badalassi/ Sarah B. Snyder (Hrsg.): The CSCE and the End of the Cold War. Diplomacy, Societies and Human Rights 1972-1990.
Berghahn Books, New York/Oxford 2018. XIV/365 S., 130,- $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Rolle der KSZE bei der Überwindung des Kalten Krieges in Europa
Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) war ein Kind des Kalten Krieges. In der geteilten Welt und für diese erfunden, legte sie wesentliche Spielregeln des Ost-West-Konflikts verbindlich fest. Nach vorbereitenden Sondierungen und Verhandlungen der Experten in Helsinki und vor allem in Genf trafen sich vom 30. Juli bis zum 1. August 1975 die Staats- und Regierungs- beziehungsweise Parteichefs wiederum in der finnischen Hauptstadt, um die KSZE-Schlussakte zu unterzeichnen. Vertreten waren außer Albanien sämtliche europäischen Staaten einschließlich der Sowjetunion sowie die transatlantischen Nato-Partner Vereinigte Staaten und Kanada.
Deren Teilnahme war für das Zustandekommen der Konferenz wie der Schlussakte von ausschlaggebender Bedeutung. Denn vielen Westeuropäern war das KSZE-Projekt ursprünglich suspekt, weil die Initiative seit 1954 bei den Sowjets lag und weil es denen dabei um die Festschreibung der Teilung Europas und damit vor allem auch Deutschlands ging. Da man sich aber auf Dauer nicht dem Angebot zu Gesprächen über Sicherheit und Zusammenarbeit verweigern konnte, gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Kreml ließ die Sache ruhen, oder aber der Westen bewegte sich in diesem Punkt auf die Sowjetunion zu. So kam es dann auch, und dafür gab es gute Gründe.
Zum einen hatte die von Willy Brandt geführte sozial-liberale Bundesregierung seit 1969 mit der faktischen Anerkennung der deutschen Teilung eine wichtige Hürde aus dem Weg geräumt, und zum anderen realisierte der Westen jetzt, dass er ein Pfund in der Hand hielt, mit dem sich wuchern ließ: Wenn dem Kreml die Anerkennung der durch den Zweiten Weltkrieg geschaffenen Grenzen so wichtig war, dass er unbeirrt an dieser Forderung festhielt, ließen sich im Gegenzug vor allem in den Fragen der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie bei den parallelen Verhandlungen über die konventionellen Streitkräfte in Europa (MBFR) entsprechende eigene Forderungen formulieren.
Das ist das Thema einer Sammlung von Aufsätzen, die auf eine im Dezember 2015 in Paris gehaltene Konferenz zurückgehen und von Nicolas Badalassi und Sarah B. Snyder herausgegeben wurden. Der Sammelband teilt das Schicksal mancher anderer dieses Genres: Von der Einleitung und der Schlussbetrachtung der Editoren abgesehen, werden die 13 Beiträge lediglich durch das Rahmenthema zusammengehalten.
Hinzu kommt, dass die für das Verständnis des KSZE-Prozesses unverzichtbare Vorgeschichte weitgehend und die parallelen MBFR-Verhandlungen fast vollständig ausgeblendet werden. Vergleichbares gilt für einen Ausblick auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die seit Anfang der neunziger Jahre die Arbeit der KSZE fortsetzt.
Das festzustellen heißt nicht, den Wert der einzelnen Beiträge zu verkennen. Die Autoren sind nicht nur auf ihren Gebieten durchweg gut ausgewiesen und mit den Quellen bestens vertraut, sondern sie kümmern sich auch um scheinbar abgelegene Themen und fragen zum Beispiel, wer eigentlich diejenigen gewesen sind, die in zähen Verhandlungen den Weg zur Schlusskonferenz und von dort zu den zahlreichen Folgeveranstaltungen geebnet haben.
Wohl wahr, Gerald Ford und Leonid Breschnew haben die Schlussakte für die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, Helmut Schmidt und Erich Honecker haben sie für die Bundesrepublik und die DDR medienwirksam unterzeichnet. Aber in einer monatelangen Prozedur ausgehandelt wurden dieses und etliche weitere Dokumente von Hundertschaften "namen- und gesichtsloser" Diplomaten, denen Martin D. Brown und Angela Romano einen bemerkenswerten Beitrag widmen.
Einer von ihnen war Max Kampelman, für den sich Stephan Kieninger interessiert. Der erfolgreiche Anwalt war ein Mann der zweiten Reihe, besaß aber - und vielleicht ebendeshalb - das Vertrauen sowohl des demokratischen Präsidenten Jimmy Carter als auch seines republikanischen Nachfolgers Ronald Reagan. Das wiederum prädestinierte ihn geradezu für eine prominente Rolle bei den diffizilen Gesprächen, welche die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion während der achtziger Jahre gleich auf mehreren Ebenen führten.
Dazu gehörten die KSZE-Folgekonferenzen, allen voran die zweite in Madrid, die sich von November 1980 bis September 1983 hinzog, fast acht Monate ausgesetzt wurde und wegen der Verhängung des Kriegsrechts in Polen beinahe gescheitert wäre. Dass es nicht dazu kam und die Folgekonferenz von Madrid nach Auffassung der meisten Autoren des Bandes zu den erfolgreichen Kapiteln des Prozesses zählt, lag nicht zuletzt an Kampelman. Er leitete die amerikanische Delegation und fand, wie Kieninger zeigen kann, einen Weg, um den öffentlichen Auftritt und die entscheidenden, streng geheimen Hintergrundgespräche mit den Sowjets miteinander in Einklang zu bringen. Erfolge zeitigte das nicht zuletzt bei der Bekräftigung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.
Von besonderer Bedeutung war dieser Themenkomplex für die Opposition und die Bürgerrechtsbewegungen in Ostmittel- und Osteuropa. Das ist heute unumstritten. Einen Schritt weiter geht Jacek Czaputowicz, der nicht nur davon überzeugt ist, dass der sogenannte Helsinki-Prozess ohne die Bürgerrechtsbewegungen eingeschlafen wäre, sondern auch eine Rückwirkung der von diesen Bewegungen formulierten Programme und Forderungen auf die "westlichen Partner" sieht: "Die osteuropäischen Aktivisten", so das Resümee, "halfen ihren Partnern im Westen, die Verbindung von Frieden, Freiheit und Menschenrechten zu verstehen." Das ist eine interessante Beobachtung, die es verdient, weiter verfolgt zu werden.
Welchen unmittelbaren Nutzen die westliche Politik aus dem KSZE-Prozess zog, zeigt Matthias Peter in einer grundlegenden Analyse für die Bundesrepublik. Zum einen bildeten die Vereinbarungen der KSZE eine zunächst nicht erwartete Möglichkeit, sich für die Rechte "von Millionen Deutschen in der DDR und Osteuropa" ins Zeug zu legen. Und dann erkannte die seit Herbst 1982 regierende christlich-liberale Koalition unter Kanzler Helmut Kohl sehr bald, welche Chance in den seit Januar 1984 geführten Verhandlungen über vertrauenbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa für eine friedliche Überwindung der gegebenen Verhältnisse lag. Das war nicht selbstverständlich: Von den italienischen Kommunisten einmal abgesehen, hatten CDU und CSU 1975 als einzige relevante Kraft in Europa die Schlussakte von Helsinki abgelehnt.
GREGOR SCHÖLLGEN
Nicolas Badalassi/ Sarah B. Snyder (Hrsg.): The CSCE and the End of the Cold War. Diplomacy, Societies and Human Rights 1972-1990.
Berghahn Books, New York/Oxford 2018. XIV/365 S., 130,- $.
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