Today, coolness is a term most often used in advertising trendy commodities, or, more generally, in promoting urban lifestyles. The Cultural Career of Coolness explores the history of the term as a metaphor for affect control and aesthetic detachment, charts various cultural practices of coolness in the United States and Japan, and links them to the rationalization of intimate relations and an incorporation of disaffection in modernity.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungKlimalehre der japanischen Kultur
Ein Sammelband untersucht die phänomenale Soft Power von "Cool Japan"
Gibt es coole Nationen? Im 21. Jahrhundert scheint Japan, wenn man einem Sammelband zur kulturellen Karriere der Kühle glauben will, die Vereinigten Staaten als Leitkultur des "Coolen" und der Soft Power abzulösen. Vom unterkühlten Samurai-Geist über Tanizakis Essay "Lob des Schattens" zur Vermarktung von "Cool Japan" entwirft er eine kleine Klimatologie der japanischen Kultur. Die Chronik der Gefühle beleuchtet routinierte Affekte im emotionalen Kapitalismus der Pop-Moderne. In der Charmeoffensive von Manga, Mode und Maskottchen gerinnen Ethos, Etikette und Protest als veräußerte innere Werte zu Exportschlagern ("The Cultural Career of Coolness", hrsg. von Irmela Hijiya-Kirschnereit u. a., Lexington Books, Plymouth 2013).
Irmela Hijiya-Kirschnereits Essay "Ist Japan cool?" sichtet Typen und Formeln des Coolen in Literatur und Kino wie Samurai, Yakuza, Dandy und Flaneur. In der aus den Traumata und den Trümmern der Tradition geborenen Nachkriegsliteratur sind Scham, Maskerade und Narzissmus Prothesen des Gefühls und coole Ingredienzen. Nihilistisch-existentialistische Ausprägungen sind "Gezeichnet" (Dazai Osamu) oder "Über die Dekadenz" (Sakaguchi Ango). Yukio Mishimas kriegspsychologische Werke "Geständnisse einer Maske" oder "Der Tempelbrand", in dem der Zen-Novize als Brandstifter den brennenden Tempel von einer Anhöhe Zigarette rauchend betrachtet, sind Ausdruck des Coolen und einer Kulturpoetik der Ruinen ohne Wiederaufbaurhetorik. Neuere coole Literatur sind Konsumkritiken wie "Made in Japan" (Akira Kuroda) und Haruki Murakamis nonchalant-postmoderne Einzelgängerprosa.
Das Buch vergleicht Kulturen der Distanz wie Stoa, Konfuzianismus und buddhistischer Gleichmut. Der Essay "Kalte Normen und warme Herzen" über Ratgeberliteratur und konfuzianische Etikette-Bücher der Vormoderne von Michael Kinski führt aus, wie eingefrorene Bewegungen, soziale Manifestationen der Maske, Verbeugungen und mechanisches Verhalten als Verinnerlichungsübung zur Herzensbildung gereichten und Hierarchien bestätigten.
Jens Heises Text zu Philosophen und Philosophien der Kühle untersucht Asiens Codes des Coolen. In Anlehnung an Yoshihiko Ikegamis semiotische Essays und die kulturelle Klimatologie von Claude Lévi-Strauss ("Das wilde Denken") stellt Heise die "kalte" kontextabhängige der "heißen" kontextfreien Perspektive von Kultur, Geschichte und Selbst gegenüber. Japans durch Oberflächen, Verpackungen und Rollenspiele geprägte Kultur, das in der Sprache ausgesparte "Ich" bis hin zur Schenkkultur, in der die Hülle zum Bedeutungskern wird, bezeugen die heruntergekühlte Macht der Subjekte. Wird ferner, nach Helmut Lethens "Verhaltenslehren der Kälte", die "kalte persona" in der auf Äußerlichkeiten fixierten Weimarer Republik als Anomalie und Überlebensstrategie zwischen den Kriegen behandelt, so ist bei Tetsurô Watsuji der kalte Menschentypus in der dualen Struktur des Selbst und kosmischer Verbundenheit ein bedeutungsvolles Prinzip.
Paul Roquets Essay "Die Domestizierung der coolen Katze" widmet sich dem Katzen-Boom in der Popkultur und Literatur von "Hello Kitty"" (seit 1975) über die Fotoserien der achtziger Jahre mit den in menschlichen Kleidern und Szenerien posierenden "Namenayo Cats" bis zum Genre der Katzenliteratur. Insbesondere die Katzenbücher von Rie Yoshiyuki bezeugen im Verbund mit dem Haustier geleistete gesellschaftliche Rückzugsstrategien und die Apartment-Einsamkeit der Nachkriegszeit. Am Ende ist im kapitalistischen Gefühlsmanagement die Hinwendung zu Haustieren, Gadgets wie Tamagotchis und Artefakten Ausdruck "kalter Intimitäten".
Die fortschreitende Disneyfizierung Japans - Tokyo Disneyland eröffnete 1983 - war laut Aviad E. Raz weniger eine Umarmung als "Glokalisierung" des amerikanischen Lebensstils. Er untersucht "Cute" und "Cool", süß (Japanisch "kawaii") und kühl als Gegensatzpaare, die Kultur in Erscheinungsformen wie Frau/Mann, kitschig/schick, Japan/Amerika definieren. Die Kommerzialisierung der Gefühle und einheimische Spielarten des Coolen und Infantilen wie Cosplay (Verkleidung als Manga-Figur), Falsettstimme oder knielange Socken sind Inszenierungen des Unreifen und süße Rebellion. Das futuristische und zugleich retardierende Moment der Cool-Kawaii-Kultur, die sich in domestizierten Botschaftern des Maschinentraums wie die Pokémon-Videospielfiguren und Resonanzen an die Kindheit äußert, trug Züge einer alternativen Moderne und wies auch ökonomische Auswege aus dem "Verlorenen Jahrzehnt" der neunziger Jahre. Den Startschuss für die coole Kulturdiplomatie und "Cool Japan"-Regierungskampagne legte 2002 der von Douglas McGray in "Foreign Policy" publizierte Aufsatz "Japan's Gross National Cool". Heute hat der Warencharakter Japans ikonische Ubiquität erlangt. "Things Japanese" sind beliebig bespielbare Bedeutungsträger, transkulturelle Fragmente im Kaleidoskop globaler Konsumphantasien.
STEFFEN GNAM
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Sammelband untersucht die phänomenale Soft Power von "Cool Japan"
Gibt es coole Nationen? Im 21. Jahrhundert scheint Japan, wenn man einem Sammelband zur kulturellen Karriere der Kühle glauben will, die Vereinigten Staaten als Leitkultur des "Coolen" und der Soft Power abzulösen. Vom unterkühlten Samurai-Geist über Tanizakis Essay "Lob des Schattens" zur Vermarktung von "Cool Japan" entwirft er eine kleine Klimatologie der japanischen Kultur. Die Chronik der Gefühle beleuchtet routinierte Affekte im emotionalen Kapitalismus der Pop-Moderne. In der Charmeoffensive von Manga, Mode und Maskottchen gerinnen Ethos, Etikette und Protest als veräußerte innere Werte zu Exportschlagern ("The Cultural Career of Coolness", hrsg. von Irmela Hijiya-Kirschnereit u. a., Lexington Books, Plymouth 2013).
Irmela Hijiya-Kirschnereits Essay "Ist Japan cool?" sichtet Typen und Formeln des Coolen in Literatur und Kino wie Samurai, Yakuza, Dandy und Flaneur. In der aus den Traumata und den Trümmern der Tradition geborenen Nachkriegsliteratur sind Scham, Maskerade und Narzissmus Prothesen des Gefühls und coole Ingredienzen. Nihilistisch-existentialistische Ausprägungen sind "Gezeichnet" (Dazai Osamu) oder "Über die Dekadenz" (Sakaguchi Ango). Yukio Mishimas kriegspsychologische Werke "Geständnisse einer Maske" oder "Der Tempelbrand", in dem der Zen-Novize als Brandstifter den brennenden Tempel von einer Anhöhe Zigarette rauchend betrachtet, sind Ausdruck des Coolen und einer Kulturpoetik der Ruinen ohne Wiederaufbaurhetorik. Neuere coole Literatur sind Konsumkritiken wie "Made in Japan" (Akira Kuroda) und Haruki Murakamis nonchalant-postmoderne Einzelgängerprosa.
Das Buch vergleicht Kulturen der Distanz wie Stoa, Konfuzianismus und buddhistischer Gleichmut. Der Essay "Kalte Normen und warme Herzen" über Ratgeberliteratur und konfuzianische Etikette-Bücher der Vormoderne von Michael Kinski führt aus, wie eingefrorene Bewegungen, soziale Manifestationen der Maske, Verbeugungen und mechanisches Verhalten als Verinnerlichungsübung zur Herzensbildung gereichten und Hierarchien bestätigten.
Jens Heises Text zu Philosophen und Philosophien der Kühle untersucht Asiens Codes des Coolen. In Anlehnung an Yoshihiko Ikegamis semiotische Essays und die kulturelle Klimatologie von Claude Lévi-Strauss ("Das wilde Denken") stellt Heise die "kalte" kontextabhängige der "heißen" kontextfreien Perspektive von Kultur, Geschichte und Selbst gegenüber. Japans durch Oberflächen, Verpackungen und Rollenspiele geprägte Kultur, das in der Sprache ausgesparte "Ich" bis hin zur Schenkkultur, in der die Hülle zum Bedeutungskern wird, bezeugen die heruntergekühlte Macht der Subjekte. Wird ferner, nach Helmut Lethens "Verhaltenslehren der Kälte", die "kalte persona" in der auf Äußerlichkeiten fixierten Weimarer Republik als Anomalie und Überlebensstrategie zwischen den Kriegen behandelt, so ist bei Tetsurô Watsuji der kalte Menschentypus in der dualen Struktur des Selbst und kosmischer Verbundenheit ein bedeutungsvolles Prinzip.
Paul Roquets Essay "Die Domestizierung der coolen Katze" widmet sich dem Katzen-Boom in der Popkultur und Literatur von "Hello Kitty"" (seit 1975) über die Fotoserien der achtziger Jahre mit den in menschlichen Kleidern und Szenerien posierenden "Namenayo Cats" bis zum Genre der Katzenliteratur. Insbesondere die Katzenbücher von Rie Yoshiyuki bezeugen im Verbund mit dem Haustier geleistete gesellschaftliche Rückzugsstrategien und die Apartment-Einsamkeit der Nachkriegszeit. Am Ende ist im kapitalistischen Gefühlsmanagement die Hinwendung zu Haustieren, Gadgets wie Tamagotchis und Artefakten Ausdruck "kalter Intimitäten".
Die fortschreitende Disneyfizierung Japans - Tokyo Disneyland eröffnete 1983 - war laut Aviad E. Raz weniger eine Umarmung als "Glokalisierung" des amerikanischen Lebensstils. Er untersucht "Cute" und "Cool", süß (Japanisch "kawaii") und kühl als Gegensatzpaare, die Kultur in Erscheinungsformen wie Frau/Mann, kitschig/schick, Japan/Amerika definieren. Die Kommerzialisierung der Gefühle und einheimische Spielarten des Coolen und Infantilen wie Cosplay (Verkleidung als Manga-Figur), Falsettstimme oder knielange Socken sind Inszenierungen des Unreifen und süße Rebellion. Das futuristische und zugleich retardierende Moment der Cool-Kawaii-Kultur, die sich in domestizierten Botschaftern des Maschinentraums wie die Pokémon-Videospielfiguren und Resonanzen an die Kindheit äußert, trug Züge einer alternativen Moderne und wies auch ökonomische Auswege aus dem "Verlorenen Jahrzehnt" der neunziger Jahre. Den Startschuss für die coole Kulturdiplomatie und "Cool Japan"-Regierungskampagne legte 2002 der von Douglas McGray in "Foreign Policy" publizierte Aufsatz "Japan's Gross National Cool". Heute hat der Warencharakter Japans ikonische Ubiquität erlangt. "Things Japanese" sind beliebig bespielbare Bedeutungsträger, transkulturelle Fragmente im Kaleidoskop globaler Konsumphantasien.
STEFFEN GNAM
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