Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2012NEUE TASCHENBÜCHER
Wer aber des Nachts wandelt – ein
neuer Held für George Pelecanos
„Halt’s Maul, Malaka“, sagt der Bruder zu Spero, und wird dafür von der Mutter gleich zurechtgewiesen. Die Brüder sind zu Besuch zum Abendessen und kabbeln sich ums Bier. Spero ist der verlorene Sohn. Eine griechische Familie. Malaka bedeutet Wichser im Griechischen, wird aber gleichzeitig auch ganz liebevoll gebraucht.
Spero Lucas ist der neue Held von George Pelecanos, der mit seinen Krimis – und ihren diversen Helden – die Geschichte des modernen Washington und seines Umlands, auch über die Grenze von D. C. hinaus, schreibt. Spero ist bloß adoptiert, er war als Marine im Irak und arbeitet nun als Wiederbeschaffer für einen Rechtsanwalt, vierzig Prozent dessen, was die gefundenen Objekte wert sind, behält er für sich. Für einen Drogenboss, der gerade einsitzt, soll er ein paar verschwundenen Marihuana-Lieferungen nachspüren, es gibt offenbar skrupelloses Doppelspiel in der Bande, und auch die schlimmste Spezies ist dabei, korrupte Cops. „Haben Sie die Bibel gelesen“, fragt ein Mann, den Spero auf einem nächtlichen Parkplatz trifft: „Johannes elf-zehn. Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm.“ Dann schwingt der Mann sein Messer.
Es geht ums Erzählen selbst in diesem Buch, seine Gelassenheit, seinen Sinn. Es geht auch um Erinnerungen an den Krieg, und wie man sie auf Distanz hält. April 2004, die Häuser am Jolan-Friedhof: „Wir müssen nicht darüber reden, denn wir waren ja schließlich dabei“, sagt Spero Lucas zu einem Kumpel, mit dem er sich auf ein Bier trifft, . „Und mit jemandem darüber zu reden, der nicht dabei war . . . Was sollte das bringen?“
Ein Thriller als Bildungsroman, in der klassischen europäischen Tradition und mit ihrem Rhythmus. Man diskutiert Bruce-Lee-gegen-Robert-Baker-Kämpfe und einen Parker-Roman, und es gibt ein hochverdientes Lob für eins der besten Filmbücher der Siebziger, die „Kings of the Bs“ von Todd McCarthy und Charles Flynn.
Fritz Göttler
George Pelecanos:
Ein schmutziges Geschäft. Deutsch von Jochen Schwarzer. RoRoRo. 384 Seiten, 9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Wer aber des Nachts wandelt – ein
neuer Held für George Pelecanos
„Halt’s Maul, Malaka“, sagt der Bruder zu Spero, und wird dafür von der Mutter gleich zurechtgewiesen. Die Brüder sind zu Besuch zum Abendessen und kabbeln sich ums Bier. Spero ist der verlorene Sohn. Eine griechische Familie. Malaka bedeutet Wichser im Griechischen, wird aber gleichzeitig auch ganz liebevoll gebraucht.
Spero Lucas ist der neue Held von George Pelecanos, der mit seinen Krimis – und ihren diversen Helden – die Geschichte des modernen Washington und seines Umlands, auch über die Grenze von D. C. hinaus, schreibt. Spero ist bloß adoptiert, er war als Marine im Irak und arbeitet nun als Wiederbeschaffer für einen Rechtsanwalt, vierzig Prozent dessen, was die gefundenen Objekte wert sind, behält er für sich. Für einen Drogenboss, der gerade einsitzt, soll er ein paar verschwundenen Marihuana-Lieferungen nachspüren, es gibt offenbar skrupelloses Doppelspiel in der Bande, und auch die schlimmste Spezies ist dabei, korrupte Cops. „Haben Sie die Bibel gelesen“, fragt ein Mann, den Spero auf einem nächtlichen Parkplatz trifft: „Johannes elf-zehn. Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm.“ Dann schwingt der Mann sein Messer.
Es geht ums Erzählen selbst in diesem Buch, seine Gelassenheit, seinen Sinn. Es geht auch um Erinnerungen an den Krieg, und wie man sie auf Distanz hält. April 2004, die Häuser am Jolan-Friedhof: „Wir müssen nicht darüber reden, denn wir waren ja schließlich dabei“, sagt Spero Lucas zu einem Kumpel, mit dem er sich auf ein Bier trifft, . „Und mit jemandem darüber zu reden, der nicht dabei war . . . Was sollte das bringen?“
Ein Thriller als Bildungsroman, in der klassischen europäischen Tradition und mit ihrem Rhythmus. Man diskutiert Bruce-Lee-gegen-Robert-Baker-Kämpfe und einen Parker-Roman, und es gibt ein hochverdientes Lob für eins der besten Filmbücher der Siebziger, die „Kings of the Bs“ von Todd McCarthy und Charles Flynn.
Fritz Göttler
George Pelecanos:
Ein schmutziges Geschäft. Deutsch von Jochen Schwarzer. RoRoRo. 384 Seiten, 9,99 Euro.
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