The title story, 'The Djinn and the Nightingale's Eye', a long story about an Englishwoman in Turkey who unwittingly releases a genie from his bottle, is a reflection on women's lives, on magic and on the power of storytelling itself.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1995Hübsch wie trockenes Laub
Antonia Byatt singt das Lied einfacher Wahrheiten
Am Schreibtisch sitzt diese Literaturwissenschaftlerin und "Narratologin" nur selten. Zumeist ist Gillian Perholt unterwegs, auf Reisen zu Konferenzen in ferne Länder mit exotischen Gerüchen, die selbst aus klimatisierten Räumen nicht völlig zu verdrängen sind. Eine dieser Tagungsreisen führt sie in die Türkei, wo die Luft nach orientalischer Magie und zauberhaften Geschichten duftet.
Die Narratologenkonferenz in Ankara entpuppt sich rasch als interkultureller Geschichtenbazar. Dr. Gillian Perholt berichtet von Chaucers "Canterbury Tales" und erfährt dafür einiges über die "Märchen aus Tausendundeiner Nacht". Die Lektion hat sie ohne Zweifel bitter nötig, denn auf einem Ausflug nach Istanbul ersteht sie eine geheimnisvolle blaue Flasche, die einen wahren orientalischen Märchengeist, einen "Dschinn", enthält. Welch ein Glück für die Frau, welch ein Glück für den Geist! Wenn er der bemerkenswert wenig verblüfften Narratologin drei Wünsche erfüllt, wird er sein Dasein künftig nicht mehr in der Flasche fristen müssen, aus der sie ihn unfreiwillig befreit hatte.
Was wünscht sich eine "robuste Engländerin", um die Fünfzig, geschieden, erfolgreich und "unabhängig"? Sie möchte nicht unreif zwar, doch aber jünger sein. Würde sie bloß nicht mehr altern! Außerdem wäre ihr ein perfekter Liebhaber sehr genehm. Nur allzu gern erfüllt der Geist die verständlichen Sehnsüchte, auch wenn er darauf hinweisen muß, daß sie trotz magischer Verjüngungskur dem Tod nicht entgehen kann. Die Rolle des gefälligen Liebhabers aber übernimmt er ohne jede Einschränkung gleich selbst. Obwohl vom magischen Liebesspiel sehr beeindruckt, hat die Literaturwissenschaftlerin schließlich ein Einsehen mit der mißlichen Lage ihres wunderbaren Dschinns und wünscht sich, daß ihm alle Wünsche in Erfüllung gehen. Nun ist er frei.
Der versöhnliche Schluß des halb komödiantisch, halb sentimental erzählten Märchens "Der verliebte Dschinn" überrascht nicht. Er zitiert die Gattung. So sehr Antonia Byatt, die selbst Literaturwissenschaftlerin ist, die Welt des literaturwissenschaftlichen Jet-sets parodiert, so wenig parodiert sie das Genre. Zumindest versucht die philologisch sehr gebildete Autorin, die durch die Romane "Geisterbeschwörung" und "Besessen" bekannt wurde, ihr Märchen so zu erzählen, als hätte es die literarische Moderne nie gegeben. Das schmale Ensemble von Figuren wird nur verhalten psychologisch ausgeleuchtet. Sie präsentiert sie so, wie man sie sich ohnehin vorstellt.
Das mit einigem Grund. In Märchen sind die Figuren in der Regel psychologisch nicht kompliziert gestrickt. Die eigentliche Hauptrolle ist nicht dem autonomen Helden, sondern dem eigenwilligen Schicksal zugedacht. Das Schicksal aber lehrt: der Mensch ist sterblich. Auch ein liebenswerter Dschinn mag daran nichts ändern. Wer sich aber seinem Schicksal fügt, findet das Glück auch ohne die hilfreiche Magie. Da kann denn auch, zum guten Schluß, ein Altersfleck als untrügliches Zeichen menschlicher Vergänglichkeit gar schön sein: "Er hatte eine hübsche Farbe wie trockenes Laub."
Das ist literarischer Balsam für die verwelkte Haut. Tatsächlich verblassen die komödiantischen Elemente vor Byatts Sentimentalität, selbst wenn es auch bei der zweiten Lektüre noch recht amüsant ist, daß der Flaschengeist mit Boris Becker sein Unwesen treibt. Das Verwirrspiel mit Zeiten und Formen, das die Byatt-erfahrene Übersetzerin Melanie Walz mit feinem Gespür für unterschiedliche Stillagen ins Deutsche übertragen hat, wird stets dominiert durch die wissende Stimme einer ausgesprochen pathetischen Erzählerin. Wer deshalb hinter Byatts Zitieren, Imitieren und Überblenden orientalischer und alteuropäischer Erzähltraditionen ein Gestalten von Unübersichtlichkeit vermutet, das postmodern zu nennen wäre, täuscht sich. Das ganze Raffinement von Byatts Erzählweise dient nur dazu, das einseitige Lob einfacher Wahrheiten zu singen.
Sicher, das muß im Märchen so sein. Aber es war auch in den anderen Erzählungen und Romanen von Antonia Byatt zumeist kaum anders. Die Reise in die Welt orientalischen Erzählens, die voll gelehrter Anspielungen ist, genügt den Ansprüchen einer philologischen Bildungsreise. Das ist Literaturwissenschaft, literarisch präsentiert. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. MICHAEL WEITZ
Antonia S. Byatt: "Der verliebte Dschinn". Aus dem Englischen übersetzt von Melanie Walz. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1995. 157 S., geb., 32,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Antonia Byatt singt das Lied einfacher Wahrheiten
Am Schreibtisch sitzt diese Literaturwissenschaftlerin und "Narratologin" nur selten. Zumeist ist Gillian Perholt unterwegs, auf Reisen zu Konferenzen in ferne Länder mit exotischen Gerüchen, die selbst aus klimatisierten Räumen nicht völlig zu verdrängen sind. Eine dieser Tagungsreisen führt sie in die Türkei, wo die Luft nach orientalischer Magie und zauberhaften Geschichten duftet.
Die Narratologenkonferenz in Ankara entpuppt sich rasch als interkultureller Geschichtenbazar. Dr. Gillian Perholt berichtet von Chaucers "Canterbury Tales" und erfährt dafür einiges über die "Märchen aus Tausendundeiner Nacht". Die Lektion hat sie ohne Zweifel bitter nötig, denn auf einem Ausflug nach Istanbul ersteht sie eine geheimnisvolle blaue Flasche, die einen wahren orientalischen Märchengeist, einen "Dschinn", enthält. Welch ein Glück für die Frau, welch ein Glück für den Geist! Wenn er der bemerkenswert wenig verblüfften Narratologin drei Wünsche erfüllt, wird er sein Dasein künftig nicht mehr in der Flasche fristen müssen, aus der sie ihn unfreiwillig befreit hatte.
Was wünscht sich eine "robuste Engländerin", um die Fünfzig, geschieden, erfolgreich und "unabhängig"? Sie möchte nicht unreif zwar, doch aber jünger sein. Würde sie bloß nicht mehr altern! Außerdem wäre ihr ein perfekter Liebhaber sehr genehm. Nur allzu gern erfüllt der Geist die verständlichen Sehnsüchte, auch wenn er darauf hinweisen muß, daß sie trotz magischer Verjüngungskur dem Tod nicht entgehen kann. Die Rolle des gefälligen Liebhabers aber übernimmt er ohne jede Einschränkung gleich selbst. Obwohl vom magischen Liebesspiel sehr beeindruckt, hat die Literaturwissenschaftlerin schließlich ein Einsehen mit der mißlichen Lage ihres wunderbaren Dschinns und wünscht sich, daß ihm alle Wünsche in Erfüllung gehen. Nun ist er frei.
Der versöhnliche Schluß des halb komödiantisch, halb sentimental erzählten Märchens "Der verliebte Dschinn" überrascht nicht. Er zitiert die Gattung. So sehr Antonia Byatt, die selbst Literaturwissenschaftlerin ist, die Welt des literaturwissenschaftlichen Jet-sets parodiert, so wenig parodiert sie das Genre. Zumindest versucht die philologisch sehr gebildete Autorin, die durch die Romane "Geisterbeschwörung" und "Besessen" bekannt wurde, ihr Märchen so zu erzählen, als hätte es die literarische Moderne nie gegeben. Das schmale Ensemble von Figuren wird nur verhalten psychologisch ausgeleuchtet. Sie präsentiert sie so, wie man sie sich ohnehin vorstellt.
Das mit einigem Grund. In Märchen sind die Figuren in der Regel psychologisch nicht kompliziert gestrickt. Die eigentliche Hauptrolle ist nicht dem autonomen Helden, sondern dem eigenwilligen Schicksal zugedacht. Das Schicksal aber lehrt: der Mensch ist sterblich. Auch ein liebenswerter Dschinn mag daran nichts ändern. Wer sich aber seinem Schicksal fügt, findet das Glück auch ohne die hilfreiche Magie. Da kann denn auch, zum guten Schluß, ein Altersfleck als untrügliches Zeichen menschlicher Vergänglichkeit gar schön sein: "Er hatte eine hübsche Farbe wie trockenes Laub."
Das ist literarischer Balsam für die verwelkte Haut. Tatsächlich verblassen die komödiantischen Elemente vor Byatts Sentimentalität, selbst wenn es auch bei der zweiten Lektüre noch recht amüsant ist, daß der Flaschengeist mit Boris Becker sein Unwesen treibt. Das Verwirrspiel mit Zeiten und Formen, das die Byatt-erfahrene Übersetzerin Melanie Walz mit feinem Gespür für unterschiedliche Stillagen ins Deutsche übertragen hat, wird stets dominiert durch die wissende Stimme einer ausgesprochen pathetischen Erzählerin. Wer deshalb hinter Byatts Zitieren, Imitieren und Überblenden orientalischer und alteuropäischer Erzähltraditionen ein Gestalten von Unübersichtlichkeit vermutet, das postmodern zu nennen wäre, täuscht sich. Das ganze Raffinement von Byatts Erzählweise dient nur dazu, das einseitige Lob einfacher Wahrheiten zu singen.
Sicher, das muß im Märchen so sein. Aber es war auch in den anderen Erzählungen und Romanen von Antonia Byatt zumeist kaum anders. Die Reise in die Welt orientalischen Erzählens, die voll gelehrter Anspielungen ist, genügt den Ansprüchen einer philologischen Bildungsreise. Das ist Literaturwissenschaft, literarisch präsentiert. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. MICHAEL WEITZ
Antonia S. Byatt: "Der verliebte Dschinn". Aus dem Englischen übersetzt von Melanie Walz. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1995. 157 S., geb., 32,- DM.
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