The past twenty years saw unprecedented growth and stability followed by the worst financial crisis the industrialised world has ever witnessed. In the space of little more than a year what had been seen as the age of wisdom was viewed as the age of foolishness. Almost overnight, belief turned into incredulity. Most accounts of the recent crisis focus on the symptoms and not the underlying causes of what went wrong. But those events, vivid though they remain in our memories, comprised only the latest in a long series of financial crises since our present system of commerce became the cornerstone of modern capitalism. Alchemy explains why, ultimately, this was and remains a crisis not of banking - even if we need to reform the banking system - nor of policy-making - even if mistakes were made - but of ideas. In this refreshing and vitally important book, former governor of the Bank of England Mervyn King - an actor in this drama - proposes revolutionary new concepts to answer the central question: are money and banking a form of Alchemy or are they the Achilles heel of a modern capitalist economy?
I have read umpteen books about the financial crisis of 2007-2008 and its lessons. This is the cleverest one, brimming over with new ideas. While other "lords of finance" publish memoirs, King has produced a brilliant analysis not only of what went wrong in the global financial system, but also of what went wrong in economics itself Niall Ferguson
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2016Radikale Ungewissheit
Überlegungen zu Banken, Geld und Weltwirtschaft
Mervyn King war von 1991 bis 2013 bei der Bank von England tätig, zunächst als Chefökonom, später als Governor. Sein Buch ist weniger eine Geschichte der 2007 beginnenden und noch nicht überwundenen Krise als ein Versuch, deren Entstehung und Verlauf zu erklären und dabei auch die Schwachstellen des ökonomischen Denkens aufzudecken. King vergleicht Banker und Ökonomen mit mittelalterlichen Alchemisten, die versuchten, Gold herzustellen. Geld kann nicht gleichzeitig jederzeit verfügbar sein und als Kredit Investitionen finanzieren. Die Fristen- und Risikentransformation der Banken muss Fragilität bedeuten. Das Problem wird verschärft durch die schwache Eigenkapitalbasis der Banken und die Zwangslage des Staates, Großbanken in der Krise zu Lasten des Steuerzahlers retten zu müssen. Das ist eine implizite Subvention für die Banken. Weil Zeitpunkt, Art und Ausmaß von Krisen radikal ungewiss und damit nicht modellierbar oder gar vorhersagbar sind, helfen Optimierungsansätze nicht weiter, kann es nur um Faustregeln zur Stabilisierung und Vorsichtsmaßnahmen gehen.
Die Weltwirtschaft ist nach King seit Jahrzehnten durch Ungleichgewichte gekennzeichnet. Erstens gibt es mehr Sparbereitschaft als Investitionsbereitschaft. Schon vor Beginn der Krise waren die Zinsen deutlich gesunken, jetzt sind sie real in der Nähe von null. Zweitens gibt es Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften. Briten und Amerikaner haben schon lange passive Handels- und Leistungsbilanzen, Chinesen und Deutsche aktive. Mit der Niedrigzinspolitik haben die Angelsachsen versucht, die dadurch entstandene Nachfragelücke zu kompensieren. Damit wird aber nur Nachfrage vorverlegt und das spätere Nachfragedefizit vergrößert und nicht etwa geschlossen. Die Niedrigzinspolitik hat eine verzweifelte Suche nach höheren Erträgen eingeleitet, die Banken ins Risiko getrieben, die Preise der Vermögenswerte angehoben und unbedachte Ressourcenallokation gefördert. Das kurzfristig und langfristig Erforderliche zeigen in entgegengesetzte Richtung. Kurzfristig sind niedrige Zinsen erforderlich, langfristig höhere.
Beim Geld interessiert sich King weniger für seine Funktion als Tauschmittel und mehr für die Aufbewahrung von Wert und Geld als Rechnungseinheit und die damit verbundenen Unsicherheiten. Mit Hilfe von Geld wollen wir eine unsichere Zukunft bewältigen, in der wir weder das Warenangebot noch die dazugehörigen Preise kennen. Das Bedürfnis, Geld für eine ungewisse Zukunft vorzuhalten, kann zum Horten, Nachfragelücken und Rezessionen führen. Mit dem Teilreservesystem haben die Staaten den größten Teil der Geldschöpfung privaten Banken überlassen. Die Sicherheit der Bankeinlagen und das Bedürfnis, riskante Investitionen zu finanzieren, stehen in einem Spannungsverhältnis. Deshalb hat es immer wieder Krisen gegeben, wobei Illiquidität und Insolvenz nicht immer leicht unterscheidbar sind, wobei Liquidität von Märkten kein Dauerzustand sein muss, auf den man sich verlassen kann. Zweck von Zentralbanken ist die Stabilisierung des krisenanfälligen Bankensystems, die Vermeidung von Inflation und Deflation. Mit den gegenwärtigen Versuchen zur Stabilisierung von Banken und Geldsystem ist King nicht zufrieden. Es gibt zu viele Regulierungen, die kaum überblickbar sind. Stattdessen spricht sich King für höhere Eigenkapitalquoten bei Banken, den Verzicht auf Risikogewichte bei der Beurteilung von deren Vermögenswerten und die vorherige Bewertung der Qualität von Pfändern aus, für die Banken gegen Abschläge Zentralbankkredite erhalten können. Den Banken empfiehlt er den Verzicht auf Produkte, die der Vorstand nicht innerhalb weniger Viertelstunden versteht, und sorgfältige Untersuchungen nicht nur bei unerwarteten Verlusten, sondern auch bei unerwartet hohen Erträgen, hinter denen sich entsprechende Risiken verbergen könnten.
Die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft werden durch den Euro verstärkt. In der Eurozone gibt es weder einen einheitlichen Arbeitsmarkt noch gleiche Einstellungen zur Inflation. Deutschland und die Mittelmeerländer vertragen nicht dieselbe Geldpolitik und denselben Außenwert des Euros. Die Mittelmeerländer sind überschuldet. Mangels Wettbewerbsfähigkeit kann Griechenland seine Schulden nie bedienen. Nötig wäre nach King ein Schuldenschnitt, am besten auch ein Austritt Deutschlands aus der Eurozone. Aber die Politik hält den Euro inzwischen für einen Selbstzweck. Mit der andauernden Krise trägt der Euro dazu bei, die Erholung der Weltwirtschaft zu verzögern.
John Maynard Keynes hatte darauf hingewiesen, dass Lohnsenkungen in der Krise nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen müssen. Analog fragt King, ob man bei Zinssenkungen immer eine Belebung der Wirtschaft erwarten sollte. King unterstellt, dass die Menschen seit Krisenbeginn ihre Einkommenserwartungen dauerhaft nach unten korrigiert haben, dass es deshalb eine Schwemme von Ersparnissen und eine Nachfragelücke gibt. Er sieht die Gefahr eines Abwertungswettlaufs, bei dem die Beteiligten versuchen, ein größeres Stück von der ungenügenden globalen Nachfrage zu erhalten. Nicht nur angelsächsische Länder, sondern auch China und Deutschland, die sich auf auswärtige Nachfrage verlassen, werden umsteuern müssen. Starre Wechselkurse, auch innerhalb der Eurozone, sind dabei ein Hindernis. Dollar und Pfund sind nach King zu stark, langfristig betrachtet.
Das Buch ist trotz der Vielzahl der angesprochenen Themen gut lesbar. Es besteht aus 9 Kapiteln, die am Anfang vorwiegend allgemeine Probleme, wie radikale Ungewissheit, dann Geld, Banken und Krisen behandeln, am Ende weltwirtschaftliche Schwerpunkte setzen. King ist offensichtlich von Keynes inspiriert. Den Neoklassikern wirft er vor, sich nicht dem Problem radikaler Ungewissheit zu stellen und den Wert berechenbarer Modelle zu überschätzen. In Anbetracht der ungenügenden Reform- und Korrekturbereitschaft der Politik hat das Buch einen pessimistischen Grundton. Das Buch ist illusionslos und unbedingt lesenswert.
ERICH WEEDE
Mervyn King: The End of Alchemy. Money, Banking, and the Future of the Global Economy. London: Little, Brown 2016, 430 Seiten, 14,99 Pfund
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Überlegungen zu Banken, Geld und Weltwirtschaft
Mervyn King war von 1991 bis 2013 bei der Bank von England tätig, zunächst als Chefökonom, später als Governor. Sein Buch ist weniger eine Geschichte der 2007 beginnenden und noch nicht überwundenen Krise als ein Versuch, deren Entstehung und Verlauf zu erklären und dabei auch die Schwachstellen des ökonomischen Denkens aufzudecken. King vergleicht Banker und Ökonomen mit mittelalterlichen Alchemisten, die versuchten, Gold herzustellen. Geld kann nicht gleichzeitig jederzeit verfügbar sein und als Kredit Investitionen finanzieren. Die Fristen- und Risikentransformation der Banken muss Fragilität bedeuten. Das Problem wird verschärft durch die schwache Eigenkapitalbasis der Banken und die Zwangslage des Staates, Großbanken in der Krise zu Lasten des Steuerzahlers retten zu müssen. Das ist eine implizite Subvention für die Banken. Weil Zeitpunkt, Art und Ausmaß von Krisen radikal ungewiss und damit nicht modellierbar oder gar vorhersagbar sind, helfen Optimierungsansätze nicht weiter, kann es nur um Faustregeln zur Stabilisierung und Vorsichtsmaßnahmen gehen.
Die Weltwirtschaft ist nach King seit Jahrzehnten durch Ungleichgewichte gekennzeichnet. Erstens gibt es mehr Sparbereitschaft als Investitionsbereitschaft. Schon vor Beginn der Krise waren die Zinsen deutlich gesunken, jetzt sind sie real in der Nähe von null. Zweitens gibt es Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften. Briten und Amerikaner haben schon lange passive Handels- und Leistungsbilanzen, Chinesen und Deutsche aktive. Mit der Niedrigzinspolitik haben die Angelsachsen versucht, die dadurch entstandene Nachfragelücke zu kompensieren. Damit wird aber nur Nachfrage vorverlegt und das spätere Nachfragedefizit vergrößert und nicht etwa geschlossen. Die Niedrigzinspolitik hat eine verzweifelte Suche nach höheren Erträgen eingeleitet, die Banken ins Risiko getrieben, die Preise der Vermögenswerte angehoben und unbedachte Ressourcenallokation gefördert. Das kurzfristig und langfristig Erforderliche zeigen in entgegengesetzte Richtung. Kurzfristig sind niedrige Zinsen erforderlich, langfristig höhere.
Beim Geld interessiert sich King weniger für seine Funktion als Tauschmittel und mehr für die Aufbewahrung von Wert und Geld als Rechnungseinheit und die damit verbundenen Unsicherheiten. Mit Hilfe von Geld wollen wir eine unsichere Zukunft bewältigen, in der wir weder das Warenangebot noch die dazugehörigen Preise kennen. Das Bedürfnis, Geld für eine ungewisse Zukunft vorzuhalten, kann zum Horten, Nachfragelücken und Rezessionen führen. Mit dem Teilreservesystem haben die Staaten den größten Teil der Geldschöpfung privaten Banken überlassen. Die Sicherheit der Bankeinlagen und das Bedürfnis, riskante Investitionen zu finanzieren, stehen in einem Spannungsverhältnis. Deshalb hat es immer wieder Krisen gegeben, wobei Illiquidität und Insolvenz nicht immer leicht unterscheidbar sind, wobei Liquidität von Märkten kein Dauerzustand sein muss, auf den man sich verlassen kann. Zweck von Zentralbanken ist die Stabilisierung des krisenanfälligen Bankensystems, die Vermeidung von Inflation und Deflation. Mit den gegenwärtigen Versuchen zur Stabilisierung von Banken und Geldsystem ist King nicht zufrieden. Es gibt zu viele Regulierungen, die kaum überblickbar sind. Stattdessen spricht sich King für höhere Eigenkapitalquoten bei Banken, den Verzicht auf Risikogewichte bei der Beurteilung von deren Vermögenswerten und die vorherige Bewertung der Qualität von Pfändern aus, für die Banken gegen Abschläge Zentralbankkredite erhalten können. Den Banken empfiehlt er den Verzicht auf Produkte, die der Vorstand nicht innerhalb weniger Viertelstunden versteht, und sorgfältige Untersuchungen nicht nur bei unerwarteten Verlusten, sondern auch bei unerwartet hohen Erträgen, hinter denen sich entsprechende Risiken verbergen könnten.
Die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft werden durch den Euro verstärkt. In der Eurozone gibt es weder einen einheitlichen Arbeitsmarkt noch gleiche Einstellungen zur Inflation. Deutschland und die Mittelmeerländer vertragen nicht dieselbe Geldpolitik und denselben Außenwert des Euros. Die Mittelmeerländer sind überschuldet. Mangels Wettbewerbsfähigkeit kann Griechenland seine Schulden nie bedienen. Nötig wäre nach King ein Schuldenschnitt, am besten auch ein Austritt Deutschlands aus der Eurozone. Aber die Politik hält den Euro inzwischen für einen Selbstzweck. Mit der andauernden Krise trägt der Euro dazu bei, die Erholung der Weltwirtschaft zu verzögern.
John Maynard Keynes hatte darauf hingewiesen, dass Lohnsenkungen in der Krise nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen müssen. Analog fragt King, ob man bei Zinssenkungen immer eine Belebung der Wirtschaft erwarten sollte. King unterstellt, dass die Menschen seit Krisenbeginn ihre Einkommenserwartungen dauerhaft nach unten korrigiert haben, dass es deshalb eine Schwemme von Ersparnissen und eine Nachfragelücke gibt. Er sieht die Gefahr eines Abwertungswettlaufs, bei dem die Beteiligten versuchen, ein größeres Stück von der ungenügenden globalen Nachfrage zu erhalten. Nicht nur angelsächsische Länder, sondern auch China und Deutschland, die sich auf auswärtige Nachfrage verlassen, werden umsteuern müssen. Starre Wechselkurse, auch innerhalb der Eurozone, sind dabei ein Hindernis. Dollar und Pfund sind nach King zu stark, langfristig betrachtet.
Das Buch ist trotz der Vielzahl der angesprochenen Themen gut lesbar. Es besteht aus 9 Kapiteln, die am Anfang vorwiegend allgemeine Probleme, wie radikale Ungewissheit, dann Geld, Banken und Krisen behandeln, am Ende weltwirtschaftliche Schwerpunkte setzen. King ist offensichtlich von Keynes inspiriert. Den Neoklassikern wirft er vor, sich nicht dem Problem radikaler Ungewissheit zu stellen und den Wert berechenbarer Modelle zu überschätzen. In Anbetracht der ungenügenden Reform- und Korrekturbereitschaft der Politik hat das Buch einen pessimistischen Grundton. Das Buch ist illusionslos und unbedingt lesenswert.
ERICH WEEDE
Mervyn King: The End of Alchemy. Money, Banking, and the Future of the Global Economy. London: Little, Brown 2016, 430 Seiten, 14,99 Pfund
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