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Thanks to Facebook and Instagram, our younger selves have been captured and preserved online. But what happens, Kate Eichhorn asks, when we can't leave our most embarrassing moments behind? Rather than a childhood cut short by a loss of innocence, the real crisis of the digital age may be the specter of a childhood that can never be forgotten.

Produktbeschreibung
Thanks to Facebook and Instagram, our younger selves have been captured and preserved online. But what happens, Kate Eichhorn asks, when we can't leave our most embarrassing moments behind? Rather than a childhood cut short by a loss of innocence, the real crisis of the digital age may be the specter of a childhood that can never be forgotten.
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Autorenporträt
Kate Eichhorn
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2019

Das Internet kennt kein Vergessen
Kate Eichhorn sondiert Risiken des Aufwachsens mit sozialen Medien

Was bedeutet es, wenn durch die ständige Dokumentation des eigenen Lebens auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken Fotos für immer im Internet kursieren? Darum geht es der amerikanischen Kulturwissenschaftlerin Kate Eichhorn in ihrem neuen Buch. Anders als zu Zeiten analoger Fotografie kann ein ungeliebtes, als peinlich empfundenes Foto, ist es einmal hochgeladen, ja nicht mehr einfach zerrissen und somit aus der Welt geschafft werden. Welchen Einfluss aber hat diese massive Datenspeicherung auf das Heranwachsen von Jugendlichen?

Die Antwort der Autorin, die seit mehr als zwanzig Jahren das Verhalten von Kindern und Jugendlichen im World Wide Web untersucht, lautet: Aufwachsen im digitalen Zeitalter bedeutet, dass die Kindheit nie endet, zu einer hartnäckig fortwährenden ("persistant") Lebensphase wird.

Ihr Buch beginnt mit einem Rückblick, der aufzeigt, wie sich die Wahrnehmung und Erinnerung an Kindheit und Jugend für diejenigen, die mit sozialen Medien aufwachsen, im Vergleich zu analogen Zeiten verändert hat. So brachte Kodak zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit der "Brownie" eine einfach zu bedienende und erschwingliche Kamera auf den Markt, die vielen Menschen Fotos als Erinnerung an besondere Momente ermöglichte. "Memory-making machine" nannte Kodak seine Kamera. Eltern konnten das Aufwachsen ihrer Kinder nun ohne großen Aufwand als Erinnerung dokumentieren. Einige Jahrzehnte später kam die Polaroidkamera auf dem Markt, die sich am ehesten als analoge Entsprechung zu den Smartphone-Kameras von heute ansehen lässt.

Besonderer Beliebtheit erfreute sich diese Sofortbildkamera, so Eichhorn, bei jungen Menschen. Sie erlaubte es mehr Kindern und Jugendlichen, selbst Fotos zu schießen, vor allem aber ließ sich mit ihr die Zensur durch Eltern und Fotostudios vermeiden (in den Vereinigten Staaten waren Fotoentwickler angehalten, in irgendeinem Sinn anstößige Fotografien zu melden). Doch die ungehinderte Verbreitung von Bildern wurde erst im digitalen Zeitalter für alle möglich. In analogen Zeiten habe ein Foto selten den familiären Kreis verlassen, schreibt Eichhorn, erst das Zusammenspiel aus sozialen Netzwerken und der Verfügbarkeit digitaler Medien setzte sie in Umlauf.

Kindheit und Jugend werden nun hauptsächlich durch die Linse der jungen Akteure selbst festgehalten und nicht wie bis dahin aus der Perspektive der Erwachsenen. Doch während sie als Nutzer von sozialen Medien irgendwann keinen Gedanken mehr an ein hochgeladenes Fotos verschwenden, zirkulieren die Bilder weiterhin im Netz. Die digitalen Spuren sind im Grunde nicht mehr zu verwischen. Ein "sauberer Schnitt mit der Vergangenheit", Abstand nehmen von Menschen, von denen man sich trennen möchte, ist kaum mehr möglich.

Eichhorn beschreibt das etwa am Beispiel eines Jungen, der vom Land nach New York zieht, um dort seine Homosexualität ausleben zu können. Obwohl sich der Student eine neue Identität in den sozialen Netzwerken verschafft, holen ihn immer wieder Fotos und Kontakte aus seiner Vergangenheit ein. Das Erwachsenwerden im digitalen Zeitalter werde erschwert, weil die sozialen Medien es nicht zuließen, mit Teilen der eigenen Vergangenheit abzuschließen, meint Eichhorn, das soziale Netzwerk werde "immer mit einem umziehen".

Für Eichhorn ist das Erwachsenwerden ein Zusammenspiel von Wissen und Erfahrungen, aber auch von aktivem Vergessen. Sie spricht von einem "Recht zu vergessen" sowie einem "Recht auf Vergessenwerden", das die sozialen Medien ihren Nutzern durch die Massendokumentation entziehen. (Hier drängt sich die Frage auf, warum dann überhaupt so viele Nutzer ihr Leben online dokumentieren, sie wird aber von der Autorin nicht gestellt.) Die Gewährleistung dieser Rechte sei essentiell für das Aufwachsen in einem Zeitalter, in dem sich der Prozess der Selbstfindung zunehmend ins Netz verlagere. Schon jetzt würden potentielle Arbeitgeber erst surfen und dann entscheiden. Es sei gefährlich, wenn jeder "nur noch die Summe seines Online-Archivs ist".

Weil es zur Auswirkung sozialer Medien noch keine Langzeitstudien gibt, versucht Eichhorn den Schaden, den das Aufwachsen mit sozialen Medien anrichten kann, anhand eines Vergleichs mit Menschen zu belegen, die als Kinderdarsteller in Film und Fernsehen schon sehr früh ein Leben in der Öffentlichkeit führten. Die Erkenntnis lautet: Die ständige Assoziation mit einem Kind habe ihr Erwachsenwerden erheblich erschwert. Diese Gefahr sieht Eichhorn im ständigen "Sich-Exponieren" von Kindern und Jugendlichen in den sozialen Netzwerken auch. Besonders gefährdet seien die jungen gewollten und ungewollten Youtube-Stars, die sie auch als Beispiele heranzieht. Die ständige Konfrontation mit der Vergangenheit entziehe ihnen die "befreiende Erfahrung des Vergessens", die es zum Erwachsenwerden brauche.

Kate Eichhorn formuliert Auswege aus dem Konflikt, indem sie zum Beispiel ein "Bezahlen für das Vergessen"-Modell, also das Löschen von Daten vorstellt. Politik und Tech-Industrie müssten aber mitspielen, die Datenschutz-Grundverordnung in der EU sei schon ein guter Schritt, aber noch nicht ausreichend. "Die Spuren der Vergangenheit sind nun vernetzt und verknüpft und niemals ganz unter Kontrolle zu bekommen", diagnostiziert sie, und die Tech-Industrie habe kein Interesse am Löschen gesammelter Daten, ganz im Gegenteil, sie verdiene an ihnen. Das klingt nach einer Dystopie, die an eine Bemerkung Friedrich Nietzsches denken lässt, dessen Überlegungen zur Rolle des Vergessens Eichhorn auch anführt: "Ohne Vergesslichkeit", heißt es bei ihm, könne es "kein Glück, keine Heiterkeit, keine Hoffnung, keinen Stolz, keine Gegenwart geben."

NORA SEFA.

Kate Eichhorn: "The End of Forgetting". Growing Up with Social Media.

Harvard University Press, Cambridge / Massachussetts 2019. 192 S., geb., 20,50 [Euro].

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