Produktdetails
- Verlag: Hoover Institution Press
- Seitenzahl: 216
- Erscheinungstermin: 14. Oktober 2021
- Englisch
- Abmessung: 214mm x 136mm x 16mm
- Gewicht: 295g
- ISBN-13: 9780817912956
- ISBN-10: 0817912959
- Artikelnr.: 62475744
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.05.2011Eine neue Ära
Bernard Lewis über das Ende
einer Epoche im Nahen Osten
Zweihundert Jahre lang rivalisierten erst die Europäer, dann Europäer und Amerikaner um Einfluss im Nahen Osten, bis das Ende des Kalten Krieges auch das imperiale Wetteifern beendete. Damit ende die moderne Geschichte der Region, behauptet der in Princeton lehrende Islamhistoriker Bernard Lewis, der an diesem Dienstag 95 Jahre alt wird, in seinem jüngsten Buch. Darin geht es um Propaganda, Revolten und Judenhass, um die Zukunft des Nahen Ostens und um historische Entwicklungslinien.
Am Anfang stand auch hier Napoleon, stand sein Ringen mit Admiral Nelson um Ägypten. Die Franzosen verloren, entscheidend aber war, dass ein modernes Heer das Land im Osmanenreich so leicht besiegen und regieren konnte. Im Kampf um Macht und Einfluss wechselten seither die Hauptspieler, bis die Kolonialmächte, Briten und Franzosen, die Region schließlich verlassen mussten. Eines Tages, so Lewis, mögen Historiker betonen, dass das, was Bonaparte und Nelson begannen, von den beiden Präsidenten George Bush und Michail Gorbatschow beendet wurde. Als Saddam Hussein 1990 Kuwait überfiel, schlüpften weder das Weiße Haus noch der Kreml in die alte imperiale Rolle. Bush wollte es nicht, Gorbatschow konnte es nicht mehr. Sein Reich zerfiel, sechs neue islamische Länder entstanden.
Im kurzen Jahrzehnt bis zum Millennium fiel Russland als Spieler aus, und Amerika wandte sich ab. Auswärtige Mächte mischten sich gelegentlich ein, erfüllten aber nicht die alte Vormachtrolle. Nun mussten die Menschen im Nahen Osten die volle Verantwortung für sich, ihre Fehler und ihren Raum übernehmen. Eine neue Ära begann. Nach den zweihundert Jahren freilich, in denen die Hauptbeschlüsse oft außerhalb fielen, finden Betreffende nicht leicht ihren Kompass. Im Grunde haben Islamisten wie Osama bin Laden Amerika und andere Demokratien durch Terroranschläge letztmalig in die Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten hineingerissen.
Das provokante Buch war vor den jüngsten Revolten fertig, aber nichts scheint des Autors These mehr zu erhärten als der prodemokratische Frühling des Jahres 2011. Im Ringen um Freiheit scheint nun auch dort die Morgenröte der liberalen Globalära auf. Der Vorwurf, Amerika verfolge imperiale Ziele, geht fehl. Schwerer als politische Interventionen wiegt für Lewis die kulturelle Durchdringung: Die Kultur erblühe unabhängig von politischer Kontrolle und erfreue sich des globalen Radius, vom islamischen Iran bis zum kommunistischen China.
Die Popkultur ergreift nicht nur die Eliten, sondern alle. Jugendliche lieben sie, zumal sie Impulse gibt, Entrechtete wie Frauen zu befreien. Den Ideologen gilt sie als tödlich. Ayatollah Khomeini nannte Amerika den Großen Satan. Laut Koran ist dieser ein Verführer. Satan ist weder Eroberer noch Ausbeuter. Aber ein Verlocker, noch dazu, wenn er schmunzelt. Die amerikanische Popkultur bildet die jüngste Herausforderung. Was tun? Soll man diese imitieren, zuschneiden oder hart bekämpfen? Das Buch ist ein Lesegenuss, wobei sich die Region im Moment seines Erscheinens dramatisch verändert. Die Betroffenen beginnen, selbst ihre Geschicke zu gestalten. Was für eine Chance für sie; und eine Festgabe für den Vordenker Bernard Lewis. WOLFGANG G. SCHWANITZ
BERNARD LEWIS: The End of Modern History in the Middle East. Standford: Hoover Institution Press 2011, 188 S., 14,95 Euro.
Bernard Lewis Foto: AlbertoCristofari/laif
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Bernard Lewis über das Ende
einer Epoche im Nahen Osten
Zweihundert Jahre lang rivalisierten erst die Europäer, dann Europäer und Amerikaner um Einfluss im Nahen Osten, bis das Ende des Kalten Krieges auch das imperiale Wetteifern beendete. Damit ende die moderne Geschichte der Region, behauptet der in Princeton lehrende Islamhistoriker Bernard Lewis, der an diesem Dienstag 95 Jahre alt wird, in seinem jüngsten Buch. Darin geht es um Propaganda, Revolten und Judenhass, um die Zukunft des Nahen Ostens und um historische Entwicklungslinien.
Am Anfang stand auch hier Napoleon, stand sein Ringen mit Admiral Nelson um Ägypten. Die Franzosen verloren, entscheidend aber war, dass ein modernes Heer das Land im Osmanenreich so leicht besiegen und regieren konnte. Im Kampf um Macht und Einfluss wechselten seither die Hauptspieler, bis die Kolonialmächte, Briten und Franzosen, die Region schließlich verlassen mussten. Eines Tages, so Lewis, mögen Historiker betonen, dass das, was Bonaparte und Nelson begannen, von den beiden Präsidenten George Bush und Michail Gorbatschow beendet wurde. Als Saddam Hussein 1990 Kuwait überfiel, schlüpften weder das Weiße Haus noch der Kreml in die alte imperiale Rolle. Bush wollte es nicht, Gorbatschow konnte es nicht mehr. Sein Reich zerfiel, sechs neue islamische Länder entstanden.
Im kurzen Jahrzehnt bis zum Millennium fiel Russland als Spieler aus, und Amerika wandte sich ab. Auswärtige Mächte mischten sich gelegentlich ein, erfüllten aber nicht die alte Vormachtrolle. Nun mussten die Menschen im Nahen Osten die volle Verantwortung für sich, ihre Fehler und ihren Raum übernehmen. Eine neue Ära begann. Nach den zweihundert Jahren freilich, in denen die Hauptbeschlüsse oft außerhalb fielen, finden Betreffende nicht leicht ihren Kompass. Im Grunde haben Islamisten wie Osama bin Laden Amerika und andere Demokratien durch Terroranschläge letztmalig in die Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten hineingerissen.
Das provokante Buch war vor den jüngsten Revolten fertig, aber nichts scheint des Autors These mehr zu erhärten als der prodemokratische Frühling des Jahres 2011. Im Ringen um Freiheit scheint nun auch dort die Morgenröte der liberalen Globalära auf. Der Vorwurf, Amerika verfolge imperiale Ziele, geht fehl. Schwerer als politische Interventionen wiegt für Lewis die kulturelle Durchdringung: Die Kultur erblühe unabhängig von politischer Kontrolle und erfreue sich des globalen Radius, vom islamischen Iran bis zum kommunistischen China.
Die Popkultur ergreift nicht nur die Eliten, sondern alle. Jugendliche lieben sie, zumal sie Impulse gibt, Entrechtete wie Frauen zu befreien. Den Ideologen gilt sie als tödlich. Ayatollah Khomeini nannte Amerika den Großen Satan. Laut Koran ist dieser ein Verführer. Satan ist weder Eroberer noch Ausbeuter. Aber ein Verlocker, noch dazu, wenn er schmunzelt. Die amerikanische Popkultur bildet die jüngste Herausforderung. Was tun? Soll man diese imitieren, zuschneiden oder hart bekämpfen? Das Buch ist ein Lesegenuss, wobei sich die Region im Moment seines Erscheinens dramatisch verändert. Die Betroffenen beginnen, selbst ihre Geschicke zu gestalten. Was für eine Chance für sie; und eine Festgabe für den Vordenker Bernard Lewis. WOLFGANG G. SCHWANITZ
BERNARD LEWIS: The End of Modern History in the Middle East. Standford: Hoover Institution Press 2011, 188 S., 14,95 Euro.
Bernard Lewis Foto: AlbertoCristofari/laif
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