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A major new study of the ancient roots of nationalism and its enduring power in the modern world.

Produktbeschreibung
A major new study of the ancient roots of nationalism and its enduring power in the modern world.
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Autorenporträt
Aviel Roshwald is Professor of History at Georgetown University in Washington, DC. He is the author of The Endurance of Nationalism: Ancient Roots and Modern Dilemmas (Cambridge: Cambridge University Press, 2006). His previous publications include Estranged Bedfellows: Britain and France in the Middle East during the Second World War (New York: Oxford University Press, 1990) and Ethnic Nationalism and the Fall of Empires: Central Europe, Russia and the Middle East, 1914-1923 (London: Routledge, 2001). He is co-editor, with Richard Stites, of European Culture during the Great War: The Arts, Entertainment, and Propaganda, 1914-1918 (Cambridge: Cambridge University Press, 1999).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2007

Politik der Horde

Warum Nationen die Geschichtsbühne nicht mehr verlassen werden, meint der amerikanische Historiker Aviel Roshwald herausgefunden zu haben.

Ein schönes Beispiel für Mythologie im Gewand kritischer Wissenschaft bietet die Nationenforschung. Schon die humanistischen Nationalgeschichtsschreiber garnierten ihre Erfindungen mit ausgefeilter Quellenkritik und distanzierten sich damit von den "fabulatores" in fürstlichen Diensten, die ihren Herren Auftragsgenealogien anfertigten. Die kritische Wissenschaft des 19. Jahrhunderts überlistete sich und andere mit der Erfindung eines Volksgeistes, der alle nationalsprachlichen Quellen durchwalte; aus dem Nibelungenlied konnte so ein deutscher Nationalmythos werden, ohne dass in ihm ein Deutscher auftrat, und aus dem jungen Nationalstaat die Erfüllung einer alten Verheißung.

Als diese Verheißung im 20. Jahrhundert zum Fluch und dann zur Altlast wurde, war eine neue Erzählung gefragt. "Modernisten" wie Ernest Gellner und Eric Hobsbawm "demaskierten" die Nation als Kunstprodukt des industriellen Zeitalters und reduzierten sie zu einer ephemeren Erscheinung, die die Geschichtsbühne so rasch betreten habe, wie sie sie verlassen werde. Auf diese Nachricht hatten alle Antinationalisten gewartet. Und solange der Modernismus für sie eine sinnstiftende Funktion erfüllt und in Autoritäten wie Hans-Ulrich Wehler seine Mythenhüter findet, tut sich die Kritik an ihm schwer.

Daran wird auch die intelligente Studie des amerikanischen Historikers Aviel Roshwald über die "Dauerhaftigkeit des Nationalismus" wenig ändern - trotz ihrer bestechenden Bloßlegung der logischen Zirkelschlüsse und der historischen Fehlurteile modernistischer Forscher. Denn die grundlegende Schwäche der Kritik an den Modernisten bleibt mit ihr bestehen, ja verschärft sich noch: die gewaltige Dissonanz ihrer Stimmen. Roshwald schlägt nochmals einen neuen Ton an. Er siedelt die Geschichte der Nation und des Nationalismus in einem zeitlichen Horizont vom Turmbau zu Babel bis zum Turmsturz zu New York an; so wird auch aus den biblischen Juden und aus den alten Griechen ein Volk von Nationalisten. Dem Autor gelingt dabei das Kunststück, durch konsequente Strapazierung der Begriffe einen in sich schlüssigen Ansatz zu entwickeln. Im Gegensatz zu den meisten Nationalismustheorien werden die Leitbegriffe definiert und von einem stabilen Theoriegerüst getragen.

Auch die Kontinuitätslinien, die er von der Antike bis in die Gegenwart zieht, sind nachvollziehbar und lassen darüber hinaus einen blinden Fleck der modernistischen Erklärungsansätze sichtbar werden: die zentrale Rolle des ideengeschichtlichen Bricolage bei der Nationskonstruktion. Zu dessen wichtigsten Versatzstücken gehörten der jüdische Auserwähltheitsglaube, der stoisch-christliche Märtyrerkult, die römische Freiheitsrhetorik sowie Geblütslehren ethnischer und ständischer Couleur. Indem Roshwald die wechselhaften Verflechtungen dieser Ideenstränge über eine lange Dauer verfolgt, gelangt er zu einer überzeugenden Revision modernistischer Standardargumente. Gegen die Idee einer Hierarchie der Loyalitäten, in der die moderne Nation den ersten Rang einnehme, führt er die "kaleidoskopische Realität menschlicher Loyalitäten und Gefühle" an, gegen die Formel "Nationalismus gleich Religionsersatz" die intensive wechselseitige Durchdringung nationaler und religiöser Zugehörigkeiten und gegen die Darstellung der Massenmedien als Voraussetzung der Nationenbildung den elitären Charakter der meisten Nationalstaatsgründungen bis ins 20. Jahrhundert.

Nicht ohne Brisanz ist schließlich - gerade für einen amerikanischen Historiker - seine starke Relativierung der Opposition von "bürgerlich-westlichem" und "ethnisch-östlichem" Nationalismus, die er als Selbstbeweihräucherung der westlichen Demokratien interpretiert, seien diese doch ebenso auf kulturelle Ausgrenzungsmechanismen angewiesen wie andere Nationen. Insgesamt erscheint bei Roshwald nicht nur die ferne, sondern auch die jüngere Vergangenheit in einem anderen Licht, und je mehr er sich der Gegenwart nähert, desto erhellender wirkt es.

Bei aller Konsistenz und Transparenz von Roshwalds Theorie bleibt die Frage, ob mit ihr einem vertieften Verständnis der Nationenbildung gedient ist. Hier stellen sich Zweifel ein. Indem Roshwald Nationalismus als ein "anthropologisches Phänomen" wie Landwirtschaft, Handel, Religion und Kunst auffasst, verschenkt er die Chance, ihn gründlicher zu historisieren, als es die Modernisten getan haben. Deren ahistorischen Partikularismus kontert er mit einem ahistorischen Universalismus. Wohin das führt, zeigt seine halb scherzhafte Suche nach Unterscheidungskriterien zwischen Nationen und Schimpansenhorden. Roshwalds aufrichtiges Bemühen, nicht als Gleichmacher der Geschichte aufzutreten, erweist sich auf dieser theoretischen Grundlage als vergeblich; die markanten Differenzen zwischen Antike und Neuzeit verschwimmen ebenso wie jene zwischen vormoderner und moderner Nationenbildung.

Für eine historisierende Betrachtung des Nationalismus bedarf es keiner Überdehnung der Begriffe, sondern einer Verschiebung des Blickpunktes. Um die Nation als spezifischen Gemeinschaftstyp auszuweisen, haben Generationen von Forschern nach ihrem inneren Konstruktionsprinzip gesucht; in dieser Hinsicht hebt sich Roshwald wenig von der Forschungstradition ab. Was sie dabei fanden, war indes nie spezifisch genug: Überall, wo ein Zivilisationsprozess in Gang kommt, bilden sich abstrakte Gemeinschaften, die eine gemeinsame Kultur, Geschichte und Herrschaftsordnung beanspruchen.

Vielversprechender ist es, nach dem äußeren Konstruktionsprinzip zu fragen: Wie gestaltet der Nationalismus jene Sphäre, die er von der eigenen Nation trennt? Hier lassen sich signifikante Abweichungen zu ethnischen, religiösen und imperial-zentristischen Kollektiven festmachen: Eine Nation steht keiner Einheit von Heiden, Barbaren oder Unmenschen gegenüber, sondern einer Vielheit anderer Nationen. Diese horizontal-multipolare Abgrenzung macht die spezifische Dynamik des Nationalismus aus. Herausbilden jedoch konnte sie sich nur in einem kulturellen Binnenraum, der über lange Zeit von politischen Zentrifugalkräften geprägt war, ohne dabei auseinanderzufallen: dem papstkirchlichen Europa des Spätmittelalters. Zu dieser entscheidenden Epoche bleibt Roshwalds Buch bezeichnenderweise stumm.

CASPAR HIRSCHI

Aviel Roshwald: "The Endurance of Nationalism". Cambridge University Press, Cambridge 2006. 349 S., br., 29,99 $.

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'The terms and the debates are clearly explained and well sourced ... There is a penetrating analysis of the response to 9/11 ... and extensive discussion on European examples, ancient and modern.' The Times Higher Education Supplement