Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2003Mama, predige nicht!
Zuckerwattesüß: Madonna hat ein Kinderbuch geschrieben
Der Hanser Verlag konnte wohl nicht anders als zugreifen, als man ihm die Lizenz für die fünf Bilderbücher anbot, die Madonna neuerdings geschrieben hat. Vorsichtig optimistisch plante der Vertrieb eine erste Auflage von 20 000 Exemplaren für den ersten Band, "Die englischen Rosen", der heute zeitgleich in über hundert Ländern auf der Welt erscheint. In Deutschland liegt an diesem Montag bereits die dritte Auflage in den Läden, so überwältigend war die Nachfrage, bevor irgend jemand einen Blick hineinwerfen konnte. Unter strengsten Geheimhaltungsauflagen hatte der Verlag seine Rezensionsexemplare verschickt; auch das erinnert an den "Harry Potter"-Hype.
Dort geht es immerhin um etwas. "Die englischen Rosen" dagegen sind eine einzige zuckerwattesüße Luftnummer und nur deshalb keine Enttäuschung, weil ohnehin kein Mensch erwartet hat, daß ausgerechnet Madonna plötzlich den Kindern viel zu sagen hätte. Was nicht heißt, daß das Werk bei den Adressaten keinen Anklang finden wird. Man will ja als junges Mänchen nicht unentwegt etwas Wertvolles und Wichtiges gesagt bekommen, sondern sich auch einmal, mütterliche Ermahnungen im Ohr, in Ruhe den Barbies widmen können.
Genau diesen Zweck erfüllt Madonnas Geschichte im Verbund mit den Illustrationen des Modezeichners Jeffrey Fulvimari, die man kongenial nennen müßte, ginge es um die Entsprechung von Text und Bild. Denn er begegnet Madonnas einfältiger Aufforderung an die Leserinnen, nicht nur nach dem äußeren Eindruck zu schielen, mit Bildern, die genau diese Regung bedienen. "Die englischen Rosen" - so nennen sich hier vier Freundinnen, die sich gegen eine fünfte verschwören - bewegen sich in einer reinen Dekor-Welt und sind selbst reine Hülle. Sie sehen aus wie die teuren Anziehpuppen, die neuerdings der Barbie Konkurrenz machen: leere Gesichter ohne Nasen, dafür besonders aufwendig mit Frisuren, Kleidung, Accessoires ausgestattet. Insgesamt wirkt Fulvimaris Illustration wie eine Mischung aus Modezeichnungen der fünfziger Jahre und Geschenkpapier.
Die vier Girlies läßt Madonna nun auf ein Mädchen stoßen, das noch perfekter ist: blond, begabt, nett. Neid kommt auf. Die Mutter einer "Rose" (trotz Nasenlosigkeit ähnelt sie der Autorin) sagt den vieren, daß es nicht nett ist, neidisch zu sein, worauf diese ihre Pyjamaparty abbrechen, sich ins Bett legen und darüber nachdenken. Dann lernen sie das Mädchen kennen und sehen, daß auch sie ihr Päcklein zu tragen hat. Unter anderem hat sie keine Mutter mehr - zufällig genau wie die Autorin, die als Kind ihre Mutter verlor und darunter, wie sie längst aller Welt mitgeteilt hat, sehr litt.
Es ist eine normale Regung prominenter und weniger prominenter Leute, Kinderbücher zu schreiben, sobald sie selbst Eltern werden. Warum sollte es Madonna anders gehen, zumal sie sich in ihrer neuesten Rolle als wirklich nette Mutter präsentiert. Und wirklich nett ist es ja auch von ihr, das Honorar einer Stiftung zu übereignen, die sich für Kinder in Not einsetzt. Zwar wird ihr Buch nicht, wie sie es wünscht, die Herzen aller Kinder mit Liebe erfüllen. Aber die Rückkehr des pädagogischen Zeigefingers wird in diesem Fall bestimmt verziehen. Es kommt halt darauf an, wer damit wackelt.
MONIKA OSBERGHAUS.
Madonna: "Die englischen Rosen". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anu Stohner. Carl Hanser Verlag, München 2003. 46 S., geb., 12,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zuckerwattesüß: Madonna hat ein Kinderbuch geschrieben
Der Hanser Verlag konnte wohl nicht anders als zugreifen, als man ihm die Lizenz für die fünf Bilderbücher anbot, die Madonna neuerdings geschrieben hat. Vorsichtig optimistisch plante der Vertrieb eine erste Auflage von 20 000 Exemplaren für den ersten Band, "Die englischen Rosen", der heute zeitgleich in über hundert Ländern auf der Welt erscheint. In Deutschland liegt an diesem Montag bereits die dritte Auflage in den Läden, so überwältigend war die Nachfrage, bevor irgend jemand einen Blick hineinwerfen konnte. Unter strengsten Geheimhaltungsauflagen hatte der Verlag seine Rezensionsexemplare verschickt; auch das erinnert an den "Harry Potter"-Hype.
Dort geht es immerhin um etwas. "Die englischen Rosen" dagegen sind eine einzige zuckerwattesüße Luftnummer und nur deshalb keine Enttäuschung, weil ohnehin kein Mensch erwartet hat, daß ausgerechnet Madonna plötzlich den Kindern viel zu sagen hätte. Was nicht heißt, daß das Werk bei den Adressaten keinen Anklang finden wird. Man will ja als junges Mänchen nicht unentwegt etwas Wertvolles und Wichtiges gesagt bekommen, sondern sich auch einmal, mütterliche Ermahnungen im Ohr, in Ruhe den Barbies widmen können.
Genau diesen Zweck erfüllt Madonnas Geschichte im Verbund mit den Illustrationen des Modezeichners Jeffrey Fulvimari, die man kongenial nennen müßte, ginge es um die Entsprechung von Text und Bild. Denn er begegnet Madonnas einfältiger Aufforderung an die Leserinnen, nicht nur nach dem äußeren Eindruck zu schielen, mit Bildern, die genau diese Regung bedienen. "Die englischen Rosen" - so nennen sich hier vier Freundinnen, die sich gegen eine fünfte verschwören - bewegen sich in einer reinen Dekor-Welt und sind selbst reine Hülle. Sie sehen aus wie die teuren Anziehpuppen, die neuerdings der Barbie Konkurrenz machen: leere Gesichter ohne Nasen, dafür besonders aufwendig mit Frisuren, Kleidung, Accessoires ausgestattet. Insgesamt wirkt Fulvimaris Illustration wie eine Mischung aus Modezeichnungen der fünfziger Jahre und Geschenkpapier.
Die vier Girlies läßt Madonna nun auf ein Mädchen stoßen, das noch perfekter ist: blond, begabt, nett. Neid kommt auf. Die Mutter einer "Rose" (trotz Nasenlosigkeit ähnelt sie der Autorin) sagt den vieren, daß es nicht nett ist, neidisch zu sein, worauf diese ihre Pyjamaparty abbrechen, sich ins Bett legen und darüber nachdenken. Dann lernen sie das Mädchen kennen und sehen, daß auch sie ihr Päcklein zu tragen hat. Unter anderem hat sie keine Mutter mehr - zufällig genau wie die Autorin, die als Kind ihre Mutter verlor und darunter, wie sie längst aller Welt mitgeteilt hat, sehr litt.
Es ist eine normale Regung prominenter und weniger prominenter Leute, Kinderbücher zu schreiben, sobald sie selbst Eltern werden. Warum sollte es Madonna anders gehen, zumal sie sich in ihrer neuesten Rolle als wirklich nette Mutter präsentiert. Und wirklich nett ist es ja auch von ihr, das Honorar einer Stiftung zu übereignen, die sich für Kinder in Not einsetzt. Zwar wird ihr Buch nicht, wie sie es wünscht, die Herzen aller Kinder mit Liebe erfüllen. Aber die Rückkehr des pädagogischen Zeigefingers wird in diesem Fall bestimmt verziehen. Es kommt halt darauf an, wer damit wackelt.
MONIKA OSBERGHAUS.
Madonna: "Die englischen Rosen". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anu Stohner. Carl Hanser Verlag, München 2003. 46 S., geb., 12,90 [Euro].
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