In this illuminating work of history, Shlaes follows the struggles of those now forgotten people, from a family of butchers in Brooklyn who dealt a stunning blow to the New Deal, to Bill W., who founded Alcoholics Anonymous, and Father Divine, a black cult leader.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2008Roosevelts Hin und Her
Amity Shlaes erzählt die Weltwirtschaftskrise neu
Kaum eine Krise ist von Wirtschaftshistorikern und Finanzwissenschaftlern so oft gedeutet worden wie die Kettenreaktion auf den Zusammenbruch der New Yorker Börse von 1929, die man als "the great depression" kennt. Was aber die Ökonomen gelernt haben, so etwa Ben Bernanke, der sich in seinem akademischen Vorleben mit dem Thema beschäftigte, hat kaum etwas mit den populären Schlussfolgerungen zu tun, die sich seither im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt haben. Während die Experten auf politische Fehlentscheidungen von der Geldpolitik bis zur Anhebung von Steuern verweisen, stand die öffentliche Wahrnehmung auf einem ganz anderen Blatt.
Nicht nur in den Vereinigten Staaten hielt sich jahrzehntelang der Mythos, wonach die Ursache in einer ungehemmten Entfaltung des Kapitalismus zu suchen sei, der schließlich an seinen Übertreibungen scheiterte, während Roosevelts New Deal die Krise durch entschlossenes staatliches Handeln überwand. Wie sehr diese Einstellung mindestens zwei Generationen geprägt hat, zeigt sich daran, dass bis vor kurzem die jeweils ältesten amerikanischen Wähler sich selbst als die progressivsten einstuften. Amity Shlaes, die sich als Kolumnistin für "Financial Times", "Wall Street Journal" und "Bloomberg" einen Namen gemacht hat, attackiert diesen New-Deal-Mythos, indem sie die beiden gängigsten Behauptungen widerlegt.
Zunächst korrigiert sie das geläufige Bild vom Bruch zwischen einem angeblich antiinterventionistischen, auf die Marktkräfte setzenden Politikstil Herbert Hoovers und dem aktiven Gestaltungswillen seines Nachfolgers Roosevelt, indem sie die Kontinuität hervorhebt. Beide, der in Großprojekte verliebte und an Organisation und Effizienz orientierte Ingenieur Hoover, der Lohnerhöhungen verordnete, und Roosevelt, der ohne Selbstzweifel beim Frühstück den Goldpreis festsetzte, glaubten daran, Menschen und Ereignisse kontrollieren zu können. Beide bastelten, wie Shlaes schreibt, an der Ökonomie herum ("doctored the economy habitually"). Roosevelt freilich baute diese Neigung zu einem System aus, indem er durch die Schaffung zahlloser nationaler Agenturen die Balance des amerikanischen Föderalismus grundlegend veränderte, so dass die Einzelstaaten und die Kommunen immer mehr von der Bundesregierung abhängig wurden.
PWA, die neue Public Works Administration, verfügte über die Hälfte des Bundesetats, der zwischen 1929 und 1936 auf mehr als das Dreifache, nämlich von 2,5 Prozent am Nationalprodukt auf 9 Prozent, angewachsen war. Entsprechend ihrer Macht, griffen diese Bundesagenturen auch immer tiefer in das Wirtschaftsgeschehen ein. Die NRA, die National Recovery Administration, die Mussolinis italienischem Vorbild glich, setzte nicht nur Förderquoten für Erdöl fest, um dem Preisverfall entgegenzuwirken, sondern regelte auch die Zusammensetzung von Maccaroni.
Die Arbeitslosigkeit schließlich, die 1932 vor Roosevelts erstem Wahlsieg bei 17 Prozent lag, in den ersten Amtsjahren auf 24 Prozent stieg, um Ende der dreißiger Jahre wieder das Ausgangsniveau zu erreichen und erst im Zweiten Weltkrieg darunter zu sinken, kann kaum der Rooseveltschen Politik zugerechnet werden. Dass diese Politik weit weniger konsistent war, als unterstellt wird, fiel nicht nur dem oft als Paten betrachteten John Maynard Keynes auf, sondern verweist auf Amity Shlaes' zweite Korrektur an dem gängigen Bild.
Suggeriert das Etikett des New Deal einerseits eine übertriebene Diskontinuität gegenüber den Vorgängern, so zeigt andererseits die gesamte Amtszeit Roosevelts ein Hin und Her, das zwar den Fähigkeiten eines meisterlichen Machttechnikers und Kommunikators, nicht aber der Unterstellung eines geschlossenen und durchgehaltenen Konzepts entspricht. Zu Beginn stand der Anspruch im Vordergrund, dem in Bedrängnis geratenen Einzelnen zu Hilfe zu kommen, dem "forgotten man", von dem Roosevelt in Umdeutung einer ganz anders gemeinten Formel des liberalen Soziologen William Graham Sumner sprach. Später jedoch wurde Roosevelt - je länger, desto mehr - zum Erfinder und konsequenten Praktiker einer Politik, die sich Mehrheiten beschafft, indem sie, auch mit Hilfe einer Klassenkampfrhetorik, Interessengruppen definiert und bedient.
All dies ändert, wie auch Shlaes betont, nichts an bleibenden Ergebnissen wie der Einlagensicherung als Schutz vor dem Verlust der Ersparnisse für Millionen "kleiner Leute" oder der Social Security als Minimum einer Altersversorgung, aber es revidiert den Mythos von der generell segensreichen Tätigkeit des Staates. In anderen Worten: Erst der Glaube an die politische Manipulierbarkeit der Abläufe hat nach dieser Interpretation aus einem Abschwung eine Krise, aus einer Depression "the great depression" werden lassen.
Amity Shlaes präsentiert diese Einsichten als mühelos lesbare Folge von Erzählungen in Form einer Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte ohne Statistiken und Kurven, so dass ihre revisionistische Schilderung des New Deal zugleich ein Panorama des intellektuellen und politischen Klimas der Zwischenkriegszeit entstehen lässt. So bleibt zu hoffen, dass ihr Buch in deutscher Übersetzung erscheint.
MICHAEL ZÖLLER
Der Verfasser ist Professor für Politische Soziologie an der Universität Bayreuth.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Amity Shlaes erzählt die Weltwirtschaftskrise neu
Kaum eine Krise ist von Wirtschaftshistorikern und Finanzwissenschaftlern so oft gedeutet worden wie die Kettenreaktion auf den Zusammenbruch der New Yorker Börse von 1929, die man als "the great depression" kennt. Was aber die Ökonomen gelernt haben, so etwa Ben Bernanke, der sich in seinem akademischen Vorleben mit dem Thema beschäftigte, hat kaum etwas mit den populären Schlussfolgerungen zu tun, die sich seither im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt haben. Während die Experten auf politische Fehlentscheidungen von der Geldpolitik bis zur Anhebung von Steuern verweisen, stand die öffentliche Wahrnehmung auf einem ganz anderen Blatt.
Nicht nur in den Vereinigten Staaten hielt sich jahrzehntelang der Mythos, wonach die Ursache in einer ungehemmten Entfaltung des Kapitalismus zu suchen sei, der schließlich an seinen Übertreibungen scheiterte, während Roosevelts New Deal die Krise durch entschlossenes staatliches Handeln überwand. Wie sehr diese Einstellung mindestens zwei Generationen geprägt hat, zeigt sich daran, dass bis vor kurzem die jeweils ältesten amerikanischen Wähler sich selbst als die progressivsten einstuften. Amity Shlaes, die sich als Kolumnistin für "Financial Times", "Wall Street Journal" und "Bloomberg" einen Namen gemacht hat, attackiert diesen New-Deal-Mythos, indem sie die beiden gängigsten Behauptungen widerlegt.
Zunächst korrigiert sie das geläufige Bild vom Bruch zwischen einem angeblich antiinterventionistischen, auf die Marktkräfte setzenden Politikstil Herbert Hoovers und dem aktiven Gestaltungswillen seines Nachfolgers Roosevelt, indem sie die Kontinuität hervorhebt. Beide, der in Großprojekte verliebte und an Organisation und Effizienz orientierte Ingenieur Hoover, der Lohnerhöhungen verordnete, und Roosevelt, der ohne Selbstzweifel beim Frühstück den Goldpreis festsetzte, glaubten daran, Menschen und Ereignisse kontrollieren zu können. Beide bastelten, wie Shlaes schreibt, an der Ökonomie herum ("doctored the economy habitually"). Roosevelt freilich baute diese Neigung zu einem System aus, indem er durch die Schaffung zahlloser nationaler Agenturen die Balance des amerikanischen Föderalismus grundlegend veränderte, so dass die Einzelstaaten und die Kommunen immer mehr von der Bundesregierung abhängig wurden.
PWA, die neue Public Works Administration, verfügte über die Hälfte des Bundesetats, der zwischen 1929 und 1936 auf mehr als das Dreifache, nämlich von 2,5 Prozent am Nationalprodukt auf 9 Prozent, angewachsen war. Entsprechend ihrer Macht, griffen diese Bundesagenturen auch immer tiefer in das Wirtschaftsgeschehen ein. Die NRA, die National Recovery Administration, die Mussolinis italienischem Vorbild glich, setzte nicht nur Förderquoten für Erdöl fest, um dem Preisverfall entgegenzuwirken, sondern regelte auch die Zusammensetzung von Maccaroni.
Die Arbeitslosigkeit schließlich, die 1932 vor Roosevelts erstem Wahlsieg bei 17 Prozent lag, in den ersten Amtsjahren auf 24 Prozent stieg, um Ende der dreißiger Jahre wieder das Ausgangsniveau zu erreichen und erst im Zweiten Weltkrieg darunter zu sinken, kann kaum der Rooseveltschen Politik zugerechnet werden. Dass diese Politik weit weniger konsistent war, als unterstellt wird, fiel nicht nur dem oft als Paten betrachteten John Maynard Keynes auf, sondern verweist auf Amity Shlaes' zweite Korrektur an dem gängigen Bild.
Suggeriert das Etikett des New Deal einerseits eine übertriebene Diskontinuität gegenüber den Vorgängern, so zeigt andererseits die gesamte Amtszeit Roosevelts ein Hin und Her, das zwar den Fähigkeiten eines meisterlichen Machttechnikers und Kommunikators, nicht aber der Unterstellung eines geschlossenen und durchgehaltenen Konzepts entspricht. Zu Beginn stand der Anspruch im Vordergrund, dem in Bedrängnis geratenen Einzelnen zu Hilfe zu kommen, dem "forgotten man", von dem Roosevelt in Umdeutung einer ganz anders gemeinten Formel des liberalen Soziologen William Graham Sumner sprach. Später jedoch wurde Roosevelt - je länger, desto mehr - zum Erfinder und konsequenten Praktiker einer Politik, die sich Mehrheiten beschafft, indem sie, auch mit Hilfe einer Klassenkampfrhetorik, Interessengruppen definiert und bedient.
All dies ändert, wie auch Shlaes betont, nichts an bleibenden Ergebnissen wie der Einlagensicherung als Schutz vor dem Verlust der Ersparnisse für Millionen "kleiner Leute" oder der Social Security als Minimum einer Altersversorgung, aber es revidiert den Mythos von der generell segensreichen Tätigkeit des Staates. In anderen Worten: Erst der Glaube an die politische Manipulierbarkeit der Abläufe hat nach dieser Interpretation aus einem Abschwung eine Krise, aus einer Depression "the great depression" werden lassen.
Amity Shlaes präsentiert diese Einsichten als mühelos lesbare Folge von Erzählungen in Form einer Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte ohne Statistiken und Kurven, so dass ihre revisionistische Schilderung des New Deal zugleich ein Panorama des intellektuellen und politischen Klimas der Zwischenkriegszeit entstehen lässt. So bleibt zu hoffen, dass ihr Buch in deutscher Übersetzung erscheint.
MICHAEL ZÖLLER
Der Verfasser ist Professor für Politische Soziologie an der Universität Bayreuth.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2011Der Weg zur
großen Depression
Dies ist kein Buch für eilige Leser. Man muss Geduld mitbringen und darf sich nicht daran stören, dass kaum eine handelnde Person eingeführt wird, ohne dass man in Nebensätzen zum Beispiel über deren Herkunft, Beruf oder private und geschäftliche Beziehungen informiert wird. Hier führt die Vorliebe für fast romanhafte Schilderungen die Autorin, die als Kolumnistin auch für Bloomberg, die Financial Times und das Wall Street Journal arbeitet, eher auf Abwege. Worum geht es in dem Buch?
Amity Shlaes möchte mit der verbreiteten Ansicht aufräumen, dass die amerikanische Demokratie und Wirtschaftsordnung ohne den „New Deal“, also die staatlichen Eingriffe der Roosevelt-Regierung in den Jahren 1933 bis 1939, zum Scheitern verurteilt gewesen wären. Um ihre kritische Sicht auf die gewaltigen staatlichen Rettungsprogramme begründen zu können, entfaltet Shlaes ein beeindruckendes fakten- und personenreiches Panorama, das sich von 1927 bis ins Jahr 1940 erstreckt.
Es handelt von vermeintlichen Helden, den Politikern, und Schurken, den Finanzjongleuren der Wall Street und des Großkapitals. Und es handelt von den wahren Helden: eben dem „vergessenen Mann“, dem Durchschnittsbürger, dem auch hierzulande sprichwörtlich gewordenen braven Steuerzahler, der jeden Morgen klaglos zur Arbeit geht und für womöglich fragwürdige Sozialprogramme aufkommen muss. In einer auf wichtige Wegmarken konzentrierten, dichten Chronologie zeichnet Shlaes die Kämpfe der Zeit nach. Der Blick „von oben“ und der „von unten“ wechseln sich ab.
Als Ursachen der Depression nennt Shlaes den Börseneinbruch, den auch durch eine verfehlte Zollpolitik zurückgehenden internationalen Handel und die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der „Umstellung von der landwirtschaftlichen auf die industrielle Produktion“. Als größte Probleme identifiziert sie die Interventionen des Staates und das „fehlende Vertrauen in den Markt“. Auch Roosevelts Vorgänger-Regierung Hoover hatte sich seit Ende der 1920er Jahre kräftig ins Wirtschaftsgeschehen eingemischt. Was die Privatwirtschaft zur wirtschaftlichen Gesundung hätte beitragen können, sei unterdrückt worden. Staatliche Interventionen, so ihre zentrale These, hätten dafür gesorgt, dass „aus einer Depression die große Depression wurde“. Insbesondere die Erwerbslosenzahlen scheinen der Autorin recht zu geben. Die Arbeitslosenquote stieg von 3,3 Prozent im Jahr 1927 auf fast 23 Prozent im Oktober 1933 und sank erst im Dezember 1936 auf immerhin noch 15,3 Prozent, um in den folgenden Jahren etwa auf diesem Niveau zu bleiben. Allerdings weiß niemand, wie die Entwicklung verlaufen wäre, wenn die Regierung nicht eingegriffen hätte.
Die Originalausgabe ist bereits 2007 erschienen. Der Erfolg des Buches in den USA ist sicherlich zum großen Teil damit zu erklären, dass es vor dem Hintergrund der in jenem Jahr einsetzenden Finanzkrise denjenigen „Munition“ lieferte, die staatliche Eingriffe ablehnten und den „Selbstheilungskräften“ des Marktes vertrauten. Betrachtungen der Autorin über Ähnlichkeiten zwischen New Deal, Faschismus und Kommunismus liefern zusätzliche Argumente. Dass das Buch als Warnung vor staatlichen Rettungsversuchen herhalten muss, ist bedauerlich. So gerät in den Hintergrund, dass es dank der anschaulichen Schilderung der Schicksale und Entscheidungen „großer“ und „vergessener Männer“ – und auch einiger Frauen – tatsächlich neue und mitunter provozierende Einblicke in die Geschichte der Weltwirtschaftskrise zu bieten hat.
Werner Bührer
Amity Shlaes: Der vergessene Mann. Eine neue Sicht auf Roosevelt, den New Deal und den Staat
als Retter. Aus dem Englischen von Carsten Roth. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2010. 448 Seiten. 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
großen Depression
Dies ist kein Buch für eilige Leser. Man muss Geduld mitbringen und darf sich nicht daran stören, dass kaum eine handelnde Person eingeführt wird, ohne dass man in Nebensätzen zum Beispiel über deren Herkunft, Beruf oder private und geschäftliche Beziehungen informiert wird. Hier führt die Vorliebe für fast romanhafte Schilderungen die Autorin, die als Kolumnistin auch für Bloomberg, die Financial Times und das Wall Street Journal arbeitet, eher auf Abwege. Worum geht es in dem Buch?
Amity Shlaes möchte mit der verbreiteten Ansicht aufräumen, dass die amerikanische Demokratie und Wirtschaftsordnung ohne den „New Deal“, also die staatlichen Eingriffe der Roosevelt-Regierung in den Jahren 1933 bis 1939, zum Scheitern verurteilt gewesen wären. Um ihre kritische Sicht auf die gewaltigen staatlichen Rettungsprogramme begründen zu können, entfaltet Shlaes ein beeindruckendes fakten- und personenreiches Panorama, das sich von 1927 bis ins Jahr 1940 erstreckt.
Es handelt von vermeintlichen Helden, den Politikern, und Schurken, den Finanzjongleuren der Wall Street und des Großkapitals. Und es handelt von den wahren Helden: eben dem „vergessenen Mann“, dem Durchschnittsbürger, dem auch hierzulande sprichwörtlich gewordenen braven Steuerzahler, der jeden Morgen klaglos zur Arbeit geht und für womöglich fragwürdige Sozialprogramme aufkommen muss. In einer auf wichtige Wegmarken konzentrierten, dichten Chronologie zeichnet Shlaes die Kämpfe der Zeit nach. Der Blick „von oben“ und der „von unten“ wechseln sich ab.
Als Ursachen der Depression nennt Shlaes den Börseneinbruch, den auch durch eine verfehlte Zollpolitik zurückgehenden internationalen Handel und die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der „Umstellung von der landwirtschaftlichen auf die industrielle Produktion“. Als größte Probleme identifiziert sie die Interventionen des Staates und das „fehlende Vertrauen in den Markt“. Auch Roosevelts Vorgänger-Regierung Hoover hatte sich seit Ende der 1920er Jahre kräftig ins Wirtschaftsgeschehen eingemischt. Was die Privatwirtschaft zur wirtschaftlichen Gesundung hätte beitragen können, sei unterdrückt worden. Staatliche Interventionen, so ihre zentrale These, hätten dafür gesorgt, dass „aus einer Depression die große Depression wurde“. Insbesondere die Erwerbslosenzahlen scheinen der Autorin recht zu geben. Die Arbeitslosenquote stieg von 3,3 Prozent im Jahr 1927 auf fast 23 Prozent im Oktober 1933 und sank erst im Dezember 1936 auf immerhin noch 15,3 Prozent, um in den folgenden Jahren etwa auf diesem Niveau zu bleiben. Allerdings weiß niemand, wie die Entwicklung verlaufen wäre, wenn die Regierung nicht eingegriffen hätte.
Die Originalausgabe ist bereits 2007 erschienen. Der Erfolg des Buches in den USA ist sicherlich zum großen Teil damit zu erklären, dass es vor dem Hintergrund der in jenem Jahr einsetzenden Finanzkrise denjenigen „Munition“ lieferte, die staatliche Eingriffe ablehnten und den „Selbstheilungskräften“ des Marktes vertrauten. Betrachtungen der Autorin über Ähnlichkeiten zwischen New Deal, Faschismus und Kommunismus liefern zusätzliche Argumente. Dass das Buch als Warnung vor staatlichen Rettungsversuchen herhalten muss, ist bedauerlich. So gerät in den Hintergrund, dass es dank der anschaulichen Schilderung der Schicksale und Entscheidungen „großer“ und „vergessener Männer“ – und auch einiger Frauen – tatsächlich neue und mitunter provozierende Einblicke in die Geschichte der Weltwirtschaftskrise zu bieten hat.
Werner Bührer
Amity Shlaes: Der vergessene Mann. Eine neue Sicht auf Roosevelt, den New Deal und den Staat
als Retter. Aus dem Englischen von Carsten Roth. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2010. 448 Seiten. 24,90 Euro.
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"Amity Shlaes is among the most brilliant of the young writers who are transforming American financial journalism." Paul Johnson, author of Modern Times