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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2006

Wirtschaftsbuch
Zum Thema
Massenmärkte der Armen
C. K. Prahalad: The Fortune at the Bottom of the Pyramid: Eradicating Poverty Through Profits, Taschenbuchausgabe Januar 2006, Wharton School Publishing, 273 Seiten, 15,50 Euro.
Der amerikanischen Professor Prahalad zeigt, warum es sich lohnen könnte, die Märkte der armen Bevölkerung besser und mit mehr Produkten zu erschließen.
Mikrokredite verbessern die Welt
Muhammed Yunus: Grameen. Eine Bank für die Armen der Welt. Lübbe Verlag, August 2001, 252 Seiten, ab 21 Euro.
Der Gründer der Grameen Bank, Muhammad Yunus, ist vielleicht einer der bekanntesten Social Entrepreneurs. Seine Vision: Kleinkredite für Arme revolutionieren die Entwicklungshilfe.
Helden zum Anfassen
Eines Tages konnte die Ärztin die ausgemergelten Kindergesichter nicht mehr ertragen. Die 41-jährige Medizinerin hatte ihren Beruf gewählt, weil sie heilen wollte. Doch den Patienten auf der Kinderstation im Hospital da Lagoa in Rio de Janeiro, zu dessen Einzugsgebiet die ärmsten Viertel der Stadt gehörten, war nicht mehr zu helfen. Die Kinder litten meist nur an Durchfall. Doch da sie zu Hause unsauberes Wasser tranken, mussten sie immer wieder aufgenommen werden. Vera Cordeiro hatte es satt, diese Krankheiten zu behandeln, die ihren Ursprung in der Armut hatten. „Ich hatte zwei Optionen: Die Arbeit aufzugeben oder eine neue Form zu entwickeln”, sagt sie. Sie gründete Renascer, eine Organisation, die Patienten aus armen Familien nach der Entlassung aus dem Hospital ein halbes Jahr lang versorgt.
Menschen wie Cordeiro sind die Helden in David Bornsteins Buch Die Welt verändern. Es sind Menschen, die einen sozialen Missstand entdecken und nicht ruhen, bis er behoben ist. Sie helfen dabei nicht nur ihrem persönlichen Umfeld, sondern sie verändern Strukturen. „Um den Zustand der Welt zu verbessern”, müsste man diese „quasi besessenen Persönlichkeiten” fördern, denn sie hätten eine „schier unerschöpfliche Energie, Widerstände zu überwinden”, schreibt Bornstein in seiner Einleitung etwas zu euphorisch. Seine These ist trotzdem interessant. Demnach werden gesellschaftliche Veränderungen in einem bislang unterschätzten Maß von dem persönlichen Engagement einer einzigen Führungsperson ausgelöst. In Amerika nennt man diese Veränderer Social Entrepreneurs - Sozialunternehmer, weil sie soziale Ziele mit unternehmerischer Klugheit verfolgen.
Der in Montreal aufgewachsene und nun in New York lebende Autor scheint vom amerikanischen Traum des Selfmademan beeinflusst zu sein, der mit der Kraft seines unbändigen Willens alles erreichen kann. Armut ist nicht gottgegeben, sie ist von Menschen gemacht; also kann sie auch von Menschen überwunden werden. Bornstein zeigt den Lesern, dass überall auf der Welt Menschen an der Überwindung von sozialen Missständen arbeiten und nicht aufgeben, bis ihre Ideen sich als Standard durchsetzen. Früher hat man sie als Heilige oder Wohltäter verehrt, doch für Bornstein sind es Sozialunternehmer. Es sind Helden des Alltags, Helden zum Anfassen, Menschen wie wir. Das Problem: Tausende sind es, Millionen könnten es sein.
Bornsteins Buch bietet eine erfrischende Lektüre, die gute Laune macht, auch wenn der amerikanisch anmutende Überschwang manchmal irritiert. In weiten Teilen lässt der Autor die Geschichten seiner Sozialunternehmer aber für sich sprechen. Für die Recherche reiste er fünf Jahre lang durch Indien, Brasilien, Osteuropa und die USA - und besuchte seine Protagonisten. Ihre Schicksale sind faszinierend zu lesen: Die Ärztin Vera Cordeiro hat es geschafft, die Zahl der Wiederaufnahmen in ihrem Krankenhaus um 60 Prozent zu senken. Längst wurde ihr Versorgungsprogramm auf andere Krankenhäuser übertragen.
Oder der amerikanische Collegeabgänger, der ein System entwickelt, wie Universitäten begabte Schüler aus ärmeren Familien entdecken können, auch wenn diese keine guten Noten haben. Und da ist der McKinsey-Mitarbeiter, der seinen Beraterjob aufgibt und die Organisation Ashoka gründet, die eben diese Sozialunternehmer aufspürt und fördert. Geschichten, die anregen und irgendwie rebellisch stimmen, selbst irgendein soziales Problem anzupacken. Insofern verspricht der Autor nicht zu viel, wenn er sein Buch etwas pathetisch all jenen „ruhelosen Menschen” empfiehlt, die schon mal gesagt haben: „Das können wir besser”. Nina von Hardenberg
David Bornstein:
Die Welt verändern - Social Entrepreneurs und die Kraft neuer Ideen. Klett Cotta, Februar 2006,
410 Seiten, 24,50 Euro.
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