»Seit Rabin tot ist, sieht Israels Zukunft düster, düster, düster aus.« Carmi Gillon, Schin-Bet-Chef 1994-1996
Zum ersten Mal überhaupt geben sechs frühere Chefs des israelischen Geheimdienstes Schin Bet Auskunft über ihr Handeln und ihre Entscheidungen - und werfen damit ein neues Licht auf die Besatzungspolitik in den palästinensischen Gebieten. Das Buch basiert auf dem sensationellen Dokumentarfilm The Gatekeepers (deutscher Titel: Töte zuerst) und enthält eine Fülle von Material, das der Autor und Regisseur im Film nicht verwenden konnte.Dem Filmemacher Dror Moreh ist es gelungen, alle sechs noch lebenden Ex-Chefs des israelischen Geheimdienstes Schin Bet vor die Kamera zu bekommen. Und nicht nur das: Sie sprechen so schonungslos offen und (selbst-)kritisch über Folterungen, gezielte Tötungen, Bombenangriffe, all die Maßnahmen, die sie seit dem Sechstagekrieg 1967 gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten angeordnet haben. Und sie stellen im Rückblick die Fragenach der moralischen Legitimation ihrer Aktionen. Ihr Urteil fällt vernichtend aus. So sagt Avraham Schalom, Schin-Bet-Chef 1980-1986: »Was wir den Palästinensern antun, unterscheidet sich, abgesehen von der Judenvernichtung, nicht von den Nazis in Osteuropa.« Politisch besonders brisant, dass die sechs Männer, allesamt israelische Patrioten, die ständig an den jeweiligen Premierminister berichtet haben, sämtlichen israelischen Regierungen seit 1967 (mit Ausnahme der von Jitzhak Rabin) vorwerfen, die falsche Palästina-Politik betrieben zu haben und zu betreiben: »Israel kapiert nicht, dass es jeden Kampf gewinnt. Aber den Krieg verliert.«
Eine »spektakuläre israelische Dokumentation« (Der Spiegel), »der wichtigste Film des Jahres« (New York Times)
Zum ersten Mal überhaupt geben sechs frühere Chefs des israelischen Geheimdienstes Schin Bet Auskunft über ihr Handeln und ihre Entscheidungen - und werfen damit ein neues Licht auf die Besatzungspolitik in den palästinensischen Gebieten. Das Buch basiert auf dem sensationellen Dokumentarfilm The Gatekeepers (deutscher Titel: Töte zuerst) und enthält eine Fülle von Material, das der Autor und Regisseur im Film nicht verwenden konnte.Dem Filmemacher Dror Moreh ist es gelungen, alle sechs noch lebenden Ex-Chefs des israelischen Geheimdienstes Schin Bet vor die Kamera zu bekommen. Und nicht nur das: Sie sprechen so schonungslos offen und (selbst-)kritisch über Folterungen, gezielte Tötungen, Bombenangriffe, all die Maßnahmen, die sie seit dem Sechstagekrieg 1967 gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten angeordnet haben. Und sie stellen im Rückblick die Fragenach der moralischen Legitimation ihrer Aktionen. Ihr Urteil fällt vernichtend aus. So sagt Avraham Schalom, Schin-Bet-Chef 1980-1986: »Was wir den Palästinensern antun, unterscheidet sich, abgesehen von der Judenvernichtung, nicht von den Nazis in Osteuropa.« Politisch besonders brisant, dass die sechs Männer, allesamt israelische Patrioten, die ständig an den jeweiligen Premierminister berichtet haben, sämtlichen israelischen Regierungen seit 1967 (mit Ausnahme der von Jitzhak Rabin) vorwerfen, die falsche Palästina-Politik betrieben zu haben und zu betreiben: »Israel kapiert nicht, dass es jeden Kampf gewinnt. Aber den Krieg verliert.«
Eine »spektakuläre israelische Dokumentation« (Der Spiegel), »der wichtigste Film des Jahres« (New York Times)
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erich Follath musste sich spürbar überwinden, dieses Buch in die Hand zu nehmen, fällt es ihm doch schwer für israelische Geheimdienstchefs Verständnis aufzubringen. "Kalt bis ans Herz" erscheint ihm noch der Sympathischste. Aber dann lasst er sich doch fesseln von den erstaunlich offenen Berichten, in denen sich die Chefs des Inlandsgeheimdiensts Shin Beth zu manchen ihrer härtesten Entscheidungen äußern, darunter die Liquidierung von palästinensischen Attentätern. Und was Follath dann richtig stutzig macht, ist, dass sie allesamt aus dem linken politischen Spektrum kommen, Verständnis für die Palästinenser aufbringen und die Israelis für diejenigen halten, die nicht mit der Besatzung leben können.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2015Folter, gezielte Tötung und die heilige Aufgabe des Schabak
Ihre Mitteilungsfreudigkeit hat Grenzen: Der Dokumentarfilmer Dror Moreh spricht mit ehemaligen Chefs des israelischen Inlandsgeheimdienstes
Der israelische Dokumentarfilmer Dror Moreh hat in den Jahren 2009/10 den damals amtierenden und fünf ehemalige Chefs von Israels Inlandsgeheimdienst Schabak interviewt. Daraus entstand in Koproduktion mit dem NDR und Arte die Filmdokumentation "Töte zuerst!", die 2013 hierzulande gezeigt und ausgezeichnet wurde. Aus dem umfangreichen Filmmaterial stellte Moreh dann für das israelische Staatsfernsehen eine fünfteilige Reihe zusammen, die noch im selben Jahr in Israel ausgestrahlt wurde. Sie liegt Morehs Buch "The Gatekeepers" zugrunde. In sechs chronologisch nach Amtszeiten geordneten, jeweils einem der Interviewten gewidmeten Kapiteln stehen die Geheimdienstler Rede und Antwort.
Moreh lockert die strikte Kapitelfolge auf, indem er bei speziellen Fragen mehrere Protagonisten in ein und demselben Abschnitt zu Wort kommen lässt. In diesen Passagen kommentieren meist die Jüngeren die Arbeit ihrer Amtsvorgänger, unter denen sie häufig auch gedient hatten. Substantielle Kritik kommt hier, wohl aus Kollegialitätsgründen, kaum auf. Dass Schabak-Chefs schon früher über ihre Arbeit öffentlich berichteten, findet in dem Buch keinerlei Erwähnung. Dabei hatten nach ihrem Ausscheiden gleich zwei der Befragten, Jaakov Peri und Karmi Gilon, ihre Memoiren in Israel veröffentlicht, an die sich das israelische Publikum bei der Lektüre von Morehs "Gatekeepers" erinnert haben dürfte - wie auch an den öffentlichen Appell, den die beiden zusammen mit ihren ebenfalls befragten Kollegen Avraham Schalom und Ami Ajalon im Jahr 2003 an den damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon richteten, das Leid der Palästinenser anzuerkennen und auf sie zuzugehen.
Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Interviews: Terrorbekämpfung könne eine politische Lösung nicht ersetzen. Eine solche sei nur mit gegenseitigem Vertrauen und einem territorialen Kompromiss zu erreichen, der eine umfassende, aber nicht gänzliche Räumung des israelisch besetzten Westjordanlands mit einschließe. Allerdings gaben sich die Geheimdienstchefs hier nicht gerade optimistisch.
Moreh findet die "linke" politische Einstellung der ehemaligen Schabak-Chefs ebenso bemerkenswert wie deren von ihm gelobte Offenheit und Reflektiertheit. Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass - was im Buch unerwähnt bleibt - so gut wie alle von ihnen nach ihrer Geheimdienstzeit Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft erhielten. Zum Zeitpunkt der Befragung konnten sie es sich deshalb erlauben, relativ zwanglos über ihre Schabak-Erfahrung zu sprechen.
Aber die Mitteilungsfreudigkeit der ehemaligen Geheimdienstler stößt im Gespräch schnell an ihre Grenzen. Und zwar dann, wenn es um konkrete Einzelheiten und nicht nur um die israelische Politik betreffende Erinnerungen und Einschätzungen oder um Methoden der Informantenanwerbung und Terrorbekämpfung geht, die auch von anderen Geheimdiensten bekannt sind. Die Gespräche drehen sich um sicherheitspolitische Ereignisse der jüngeren Geschichte Israels, bei denen der Schabak beratend wie operativ eine entscheidende Rolle spielte. Das meiste davon dürfte in der hier präsentierten Ausführlichkeit eher israelische Leser interessieren, etliche Wiederholungen hätten durch ein strengeres Lektorat vermieden werden können.
Der Dienstälteste Avraham Schalom macht kein Hehl daraus, dass neben begrenzt angewandter Folter die sogenannten gezielten Tötungen von Anfang an zur Schabak-Strategie gehörten. Schalom selbst war in die Kritik geraten, nachdem er im April 1984 den Befehl gegeben hatte, zwei palästinensische Terroristen, die einen israelischen Linienbus in ihre Gewalt gebracht hatten und nach beendeter Geiselnahme von israelischen Soldaten stark misshandelt worden waren, noch an Ort und Stelle zu töten.
Gegenüber Moreh behauptet er, hierfür das grundsätzliche Einverständnis des damaligen Ministerpräsidenten Itzhak Schamir gehabt zu haben, was dieser jedoch immer bestritt. Obgleich der Schabak-Chef die Aufklärung des schnell zum Skandal gewordenen Falls vergeblich zu behindern suchte, sind letztlich weder er noch die Mörder juristisch belangt worden. Schalom musste erst zwei Jahre später zurücktreten. Bis zuletzt bereute er seine Entscheidung nicht und sah das Problem nur darin, dass ein vor Ort anwesender Pressefotograf die Affäre auffliegen ließ. Hätte er von seiner Präsenz dort gewusst, so Schalom, hätte er die Tötung niemals befohlen.
Dass ein Fall wie jener der "Bus-300-Affäre" sich keinesfalls wiederholen dürfe, wurde für Schaloms Nachfolger zum Leitsatz. Deshalb bedürfen laut Avi Dichter gezielte Tötungen inzwischen der ausdrücklichen Genehmigung des Generalstabschefs, des Verteidigungsministers und des Ministerpräsidenten. Dass bei solchen Operationen immer wieder auch unschuldige palästinensische Zivilisten ums Leben gekommen sind, bedauern Morehs Gesprächspartner mehrmals und machen dafür den einen oder anderen taktischen Fehler verantwortlich. Dass solche keine juristischen Konsequenzen nach sich ziehen, ist für sie gar kein Thema - und für Moreh auch nicht. Damit bleibt der Autor einem überkommenen Verhaltensmuster des israelischen Sicherheitsestablishments verhaftet, das er so kritisch hinterfragt zu haben glaubt.
Entsprechend beschränkt sich die von den Befragten geäußerte Kritik im Wesentlichen auf die israelische Politik, während das Geheimdienstwesen im Großen und Ganzen als moralisch sauber und äußerst effizient erachtet wird - es sei denn, es geht um das Versagen des Schabak bei der Verhinderung jüdischen Terrors, wie dies bei der Ermordung von Ministerpräsident Itzhak Rabin 1995 der Fall war. Aus dieser Haltung erklärt sich auch, dass beispielsweise Jaakov Peri zwar mit leisem Bedauern einräumt, in seiner Schabak-Zeit ausländische Folterkritiker als "Gutmenschen" abgetan zu haben. Aber auch heute noch meint er in manchem ihrer Kommuniqués auf "Verleumdungen und Lügen" zu stoßen. Für ihre israelischen Mitstreiter hat er ebenfalls wenig übrig: "Die heilige Aufgabe des Geheimdienstes, den Staat zu schützen, überzeugt alle, außer die Anwälte."
Zu einem noch größeren israelischen Tabuthema, der Besetzung des Südlibanon, gelingt es Drot Moreh auch nicht, seinen Interviewpartnern mehr als nur einige Marginalien zu entlocken. Dazu gehört das ihn offenbar bewegende Bekenntnis des 2011 ausgeschiedenen Juval Diskin, er habe im Libanon angefangen, Gedichte zu schreiben. Zeigen wollte er keines.
JOSEPH CROITORU
Dror Moreh: "The Gatekeepers". Aus dem Inneren des israelischen Geheimdienstes. Aus dem Hebräischen von Ulrike Harnisch, Helene Seidler und Stefan Siebers. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 480 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ihre Mitteilungsfreudigkeit hat Grenzen: Der Dokumentarfilmer Dror Moreh spricht mit ehemaligen Chefs des israelischen Inlandsgeheimdienstes
Der israelische Dokumentarfilmer Dror Moreh hat in den Jahren 2009/10 den damals amtierenden und fünf ehemalige Chefs von Israels Inlandsgeheimdienst Schabak interviewt. Daraus entstand in Koproduktion mit dem NDR und Arte die Filmdokumentation "Töte zuerst!", die 2013 hierzulande gezeigt und ausgezeichnet wurde. Aus dem umfangreichen Filmmaterial stellte Moreh dann für das israelische Staatsfernsehen eine fünfteilige Reihe zusammen, die noch im selben Jahr in Israel ausgestrahlt wurde. Sie liegt Morehs Buch "The Gatekeepers" zugrunde. In sechs chronologisch nach Amtszeiten geordneten, jeweils einem der Interviewten gewidmeten Kapiteln stehen die Geheimdienstler Rede und Antwort.
Moreh lockert die strikte Kapitelfolge auf, indem er bei speziellen Fragen mehrere Protagonisten in ein und demselben Abschnitt zu Wort kommen lässt. In diesen Passagen kommentieren meist die Jüngeren die Arbeit ihrer Amtsvorgänger, unter denen sie häufig auch gedient hatten. Substantielle Kritik kommt hier, wohl aus Kollegialitätsgründen, kaum auf. Dass Schabak-Chefs schon früher über ihre Arbeit öffentlich berichteten, findet in dem Buch keinerlei Erwähnung. Dabei hatten nach ihrem Ausscheiden gleich zwei der Befragten, Jaakov Peri und Karmi Gilon, ihre Memoiren in Israel veröffentlicht, an die sich das israelische Publikum bei der Lektüre von Morehs "Gatekeepers" erinnert haben dürfte - wie auch an den öffentlichen Appell, den die beiden zusammen mit ihren ebenfalls befragten Kollegen Avraham Schalom und Ami Ajalon im Jahr 2003 an den damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon richteten, das Leid der Palästinenser anzuerkennen und auf sie zuzugehen.
Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Interviews: Terrorbekämpfung könne eine politische Lösung nicht ersetzen. Eine solche sei nur mit gegenseitigem Vertrauen und einem territorialen Kompromiss zu erreichen, der eine umfassende, aber nicht gänzliche Räumung des israelisch besetzten Westjordanlands mit einschließe. Allerdings gaben sich die Geheimdienstchefs hier nicht gerade optimistisch.
Moreh findet die "linke" politische Einstellung der ehemaligen Schabak-Chefs ebenso bemerkenswert wie deren von ihm gelobte Offenheit und Reflektiertheit. Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass - was im Buch unerwähnt bleibt - so gut wie alle von ihnen nach ihrer Geheimdienstzeit Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft erhielten. Zum Zeitpunkt der Befragung konnten sie es sich deshalb erlauben, relativ zwanglos über ihre Schabak-Erfahrung zu sprechen.
Aber die Mitteilungsfreudigkeit der ehemaligen Geheimdienstler stößt im Gespräch schnell an ihre Grenzen. Und zwar dann, wenn es um konkrete Einzelheiten und nicht nur um die israelische Politik betreffende Erinnerungen und Einschätzungen oder um Methoden der Informantenanwerbung und Terrorbekämpfung geht, die auch von anderen Geheimdiensten bekannt sind. Die Gespräche drehen sich um sicherheitspolitische Ereignisse der jüngeren Geschichte Israels, bei denen der Schabak beratend wie operativ eine entscheidende Rolle spielte. Das meiste davon dürfte in der hier präsentierten Ausführlichkeit eher israelische Leser interessieren, etliche Wiederholungen hätten durch ein strengeres Lektorat vermieden werden können.
Der Dienstälteste Avraham Schalom macht kein Hehl daraus, dass neben begrenzt angewandter Folter die sogenannten gezielten Tötungen von Anfang an zur Schabak-Strategie gehörten. Schalom selbst war in die Kritik geraten, nachdem er im April 1984 den Befehl gegeben hatte, zwei palästinensische Terroristen, die einen israelischen Linienbus in ihre Gewalt gebracht hatten und nach beendeter Geiselnahme von israelischen Soldaten stark misshandelt worden waren, noch an Ort und Stelle zu töten.
Gegenüber Moreh behauptet er, hierfür das grundsätzliche Einverständnis des damaligen Ministerpräsidenten Itzhak Schamir gehabt zu haben, was dieser jedoch immer bestritt. Obgleich der Schabak-Chef die Aufklärung des schnell zum Skandal gewordenen Falls vergeblich zu behindern suchte, sind letztlich weder er noch die Mörder juristisch belangt worden. Schalom musste erst zwei Jahre später zurücktreten. Bis zuletzt bereute er seine Entscheidung nicht und sah das Problem nur darin, dass ein vor Ort anwesender Pressefotograf die Affäre auffliegen ließ. Hätte er von seiner Präsenz dort gewusst, so Schalom, hätte er die Tötung niemals befohlen.
Dass ein Fall wie jener der "Bus-300-Affäre" sich keinesfalls wiederholen dürfe, wurde für Schaloms Nachfolger zum Leitsatz. Deshalb bedürfen laut Avi Dichter gezielte Tötungen inzwischen der ausdrücklichen Genehmigung des Generalstabschefs, des Verteidigungsministers und des Ministerpräsidenten. Dass bei solchen Operationen immer wieder auch unschuldige palästinensische Zivilisten ums Leben gekommen sind, bedauern Morehs Gesprächspartner mehrmals und machen dafür den einen oder anderen taktischen Fehler verantwortlich. Dass solche keine juristischen Konsequenzen nach sich ziehen, ist für sie gar kein Thema - und für Moreh auch nicht. Damit bleibt der Autor einem überkommenen Verhaltensmuster des israelischen Sicherheitsestablishments verhaftet, das er so kritisch hinterfragt zu haben glaubt.
Entsprechend beschränkt sich die von den Befragten geäußerte Kritik im Wesentlichen auf die israelische Politik, während das Geheimdienstwesen im Großen und Ganzen als moralisch sauber und äußerst effizient erachtet wird - es sei denn, es geht um das Versagen des Schabak bei der Verhinderung jüdischen Terrors, wie dies bei der Ermordung von Ministerpräsident Itzhak Rabin 1995 der Fall war. Aus dieser Haltung erklärt sich auch, dass beispielsweise Jaakov Peri zwar mit leisem Bedauern einräumt, in seiner Schabak-Zeit ausländische Folterkritiker als "Gutmenschen" abgetan zu haben. Aber auch heute noch meint er in manchem ihrer Kommuniqués auf "Verleumdungen und Lügen" zu stoßen. Für ihre israelischen Mitstreiter hat er ebenfalls wenig übrig: "Die heilige Aufgabe des Geheimdienstes, den Staat zu schützen, überzeugt alle, außer die Anwälte."
Zu einem noch größeren israelischen Tabuthema, der Besetzung des Südlibanon, gelingt es Drot Moreh auch nicht, seinen Interviewpartnern mehr als nur einige Marginalien zu entlocken. Dazu gehört das ihn offenbar bewegende Bekenntnis des 2011 ausgeschiedenen Juval Diskin, er habe im Libanon angefangen, Gedichte zu schreiben. Zeigen wollte er keines.
JOSEPH CROITORU
Dror Moreh: "The Gatekeepers". Aus dem Inneren des israelischen Geheimdienstes. Aus dem Hebräischen von Ulrike Harnisch, Helene Seidler und Stefan Siebers. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 480 S., geb., 22,99 [Euro].
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»Ein wichtiges Buch.« eschborner-zeitung.de 20150507