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Mona ist jung, hübsch und gerade nach New York gezogen, um Karriere zu machen. Doch die Stadt hat nicht auf sie gewartet. Dafür lernt sie gleich zwei Männer kennen: den Ostküsten-Aristokraten Sidney und Adam, einen schwarz gelockten Bohemien. Hin und her gerissen lässt sich Mona durch eine Welt treiben, die der aus Berlin vor den Nazis geflohene «Dr. Feelgood» Max Jacobson mit seinen «Vitamin-Spritzen» versorgt. Und so webt sich ein zweiter Faden in die Geschichte: Ein prominenter Patient von Dr. Feelgood liegt eines Tages tot in seiner Wohnung. Ein Gerichtsmediziner beginnt zu recherchieren.…mehr

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Produktbeschreibung
Mona ist jung, hübsch und gerade nach New York gezogen, um Karriere zu machen. Doch die Stadt hat nicht auf sie gewartet. Dafür lernt sie gleich zwei Männer kennen: den Ostküsten-Aristokraten Sidney und Adam, einen schwarz gelockten Bohemien. Hin und her gerissen lässt sich Mona durch eine Welt treiben, die der aus Berlin vor den Nazis geflohene «Dr. Feelgood» Max Jacobson mit seinen «Vitamin-Spritzen» versorgt. Und so webt sich ein zweiter Faden in die Geschichte: Ein prominenter Patient von Dr. Feelgood liegt eines Tages tot in seiner Wohnung. Ein Gerichtsmediziner beginnt zu recherchieren. Aufzudecken gibt es einiges - und es betrifft Namen bis hoch ins Weiße Haus ...
Autorenporträt
ULRIKE STERBLICH, Politologin und Autorin aus Berlin, lebt weiterhin in ihrer Heimatstadt, wo sie auch als Gastgeberin der Talk- und Lesebühne 'Berlin Bunny Lectures' bekannt wurde. 2012 erschien ihr erfolgreiches Mauerstadt-Memoir 'Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt', über das Wolfgang Herrndorf urteilte: 'Zarter, liebevoller, staunender wurde selten eine Jugend, eine Stadt und beider Verschwinden beschrieben.' 2021 veröffentlichte Ulrike Sterblich ihr Romandebüt 'The German Girl', ihr zweiter Roman 'Drifter' stand 2024 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Rezensionen
In dem Roman herrscht die matt-manische Stimmung der 60er Jahre, so mitreißend und hinreißend, dass man sich einen Doris-Day-Teewärmerhut und Bakelit-Ohrringe überziehen und einen Fanbrief an die Zeit schreiben möchte, von der Andy Warhol sagte, Amphetamin habe sie zusammengehalten, Speed, die Droge der Schönen und Schlanken. Sarah Pines Die Welt 20210306
Zu gut, um
gesund zu sein

Als die Feelgood-Doctors die Stars
der Stars waren: Ulrike Sterblichs Roman
„The German Girl“ spielt mit einer Wirklichkeit,
die verrückter war als jede Fiktion

VON CHRISTIANE LUTZ

Am 8. Februar 1971 erschien im New York Magazine die Titelgeschichte: „Doctor Feelgood, are you sure it’s all right?“ – „Herr Doktor Feelgood, sind Sie sicher, das ist in Ordnung“? Die Journalistin Susan Wood ergründet in der Reportage das Geschäft der sogenannten „Feelgood-Doctors“, die in den Sechzigern die New Yorker Prominenz und alle, die es sich leisten wollten, legal mit Drogen versorgten. Wie es sich für eine investigative Recherche gehört, ließ sich Wood selbst die sagenhaften Spritzen verabreichen. Sie habe ohnehin viel Zeit für Neues gehabt, ihre Ehe war gerade in die Brüche gegangen.

Was die Feelgood-Doctors ihr da genau injizierten, ahnt Wood nur: Amphetamine, Vitamine, Beruhigungsmittel und was den Ärzten sonst noch einfiel, Bestandteile menschlicher Plazenta zum Beispiel. Total harmlos, versicherte eine Freundin, die Spritzen würden sie allenfalls in die moderne Gegenwart katapultieren. „If you’re down he’ll pick you up, Doctor Robert, take a drink from his special cup“, singen die Beatles in „Doctor Robert“ und die Rolling Stones beschwören die pillenförmigen „Mother’s little Helpers“. Wirklich jeder, so scheint es, nahm damals irgendwas.

Davon handelt das dokumentarisch-fiktionale Romandebüt „The German Girl“ der deutschen Autorin Ulrike Sterblich. Die bekanntesten Feelgood-Doctors der Zeit hießen Max Jacobson und Robert Freymann, beides Deutsche, die in Berlin studiert hatten. Jacobson war Jude und floh 1936 vor den Nationalsozialisten nach New York, wo er eine schicke Praxis an der Upper Eastside eröffnete. Robert Freymann soll der von den Beatles besungene „Doctor Robert“ sein. Aber nicht nur die Beatles tranken aus dem „Special Cup“ der Doctores, die Liste der prominenten, nun ja, Patienten ist eindrucksvoll: Marylin Monroe, Maria Callas, Liz Taylor, Eddie Fisher und Truman Capote waren bei ihnen, Tennessee Williams fand die Behandlung „sagenhaft anregend“. Der wohl berühmteste Spritzenempfänger war John F. Kennedy. Er taucht nicht persönlich auf im Roman, das hat Ulrike Sterblich dann offenbar doch nicht gewagt. Den ewig kranken Präsidenten hatte Max Jacobson 1961 sogar nach Wien begleitet – und ihn fitgespritzt, damit er sein Treffen mit Nikita Chruschtschow schmerzfrei durchstehen konnte.

Die Wirklichkeit ist also verrückter als jede Fiktion. Sterblich nimmt diese Wirklichkeit, setzt die fiktive Protagonistin Mona Friedrich, ein Berliner Model und das titelgebende „German Girl“, hinein und vermischt beides zu einem schrägen und sehr unterhaltsamen Porträt der Zeit. Außer ein paar Werbe-Jobs läuft es in Berlin beruflich nicht allzu gut für Mona, also versucht sie ihr Glück in den USA. Durch Mona hindurch erlebt man dann das New York der Sechziger, das aufregend, aber auch sehr anstrengend gewesen sein muss. „Ich war mir nie sicher, ob in den Sechzigern mehr passierte, weil die Leute länger wach waren (weil so viele auf Amphetamin waren), oder ob die Leute anfingen, Amphetamine zu nehmen, weil so viel los war, dass sie länger wach bleiben mussten, um mitmachen zu können. Wahrscheinlich beides“, schrieb Andy Warhol über jene Zeit.

Mona lässt sich durch Nachtclubs treiben und auf Partys in die Hamptons einladen. Sie begegnet durchgeknallten Filmemachern, einem Guru in einem winzigen WG-Zimmer und ihrer amerikanischen Doppelgängerin. Niemand hat einen Plan, aber alle haben großen Spaß dabei. Sie fängt eine Affäre mit dem heimatlosen Adam an, der immer unangekündigt und ungeduscht bei ihr aufkreuzt, was sie hinnimmt, weil er so schön ist. Radiomoderator Sidney wiederum verehrt sie sehr und spielt Lieder für sie in seiner Sendung, zum Beispiel „Mona“ von Bo Diddley, eines der unzähligen Songzitate des Buches. Auch Aretha Franklin taucht mit „Doctor Feelgood“ auf, genau wie Thelonious Monk, Chet Baker und die Doors. Die erwähnten Songs ergeben einen wirklich guten Soundtrack.

Die Feelgood-Doctors halten die ewige Party am Laufen. Auch Mona landet irgendwann wegen einer Grippe in der Praxis von Doktor Max, einem charismatischen Mann mit kastiger Brille. Nach der Behandlung fühlt sie sich „getragen von einer unerschöpflichen Energie“. Darauf folgen Panik und Erschöpfung. Als immer wieder ominöse Haarstoppel in ihrem Waschbecken auftauchen, ist Mona überzeugt, dass sich ein fremder Mann in ihrem Badezimmer rasiert. Da hilft nur ein weiterer Besuch beim Doktor. Diätpillen werden zum ewigen Begleiter, auch bei einem Heimatbesuch in Berlin 1968, das auf sie plötzlich wie die totale Provinz wirkt.

Es sind allerdings nicht die Untiefen der Sucht, über die Ulrike Sterblich schreiben will. Der Roman balanciert höchstens am Rande des Abgrunds, Mona stürzt nicht. Die Autorin interessiert viel mehr das Feelgood-Phänomen. Sie zoomt hinein in die aufgekratzte New Yorker Gesellschaft und eine Zeit, in der die Speed-Doctors, wie sie auch genannt werden, sorglos mit fragwürdigen Substanzen hantieren konnten. „Der Mensch braucht alle Energie, die er kriegen kann, besonders, wenn er selbst viel leisten muss“, findet Max Jacobson. Wer würde widersprechen wollen?

Ulrike Sterblich lässt sich allerdings auch nicht dazu hinreißen, den Rausch zum Star zu machen. Für eine Ode an die Drogen ist der Roman zu dokumentarisch, zu distanziert gegenüber seinem Personal. Bis zu ihrem Debüt hat Sterblich vor allem an Essaybänden und Sachbüchern mitgearbeitet, 2012 erschien „Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt: Eine Kindheit in Berlin (West)“ – eine Art Autobiografie. Das Dokumentarische, die Recherche liegen ihr. Passend dazu ist Monas Geschichte gerahmt von den Recherchen eines Doktor Michael Baden (auch den gab es wirklich), der die Feelgood-Doctors zur Rechenschaft ziehen will, nachdem der Fotograf Mark Shaw (auch echt) an einer Amphetaminvergiftung stirbt. Sterblich springt in der Chronologie der Ereignisse hin und her, von Figur zu Figur, und verliert nie die Fakten aus dem Blick.

Darin liegt aber auch eine Schwäche: Am Ende ist die Realität ist immer noch etwas faszinierender als der Roman. Ein Kampf, den jeder Autor auf sich nehmen muss, der historische Gegenstände hat. Im Idealfall steht die Fiktion für sich, weil sie durch ihre Figuren und Sprache etwas eigenes schafft. Wie in Emma Clines Roman „The Girls“, in dem sie vom Leben und den Morden der Manson Family in den Sechzigerjahren erzählt, sich aber von den realen Ereignissen dabei nicht die Show stehlen lässt. So rasant Sterblichs Stil auch ist, sie kommt dagegen oft kaum gegen den Sog der tatsächlichen Ereignisse an, die sie selbst am meisten zu faszinieren scheinen. Mona, zwar liebenswert planlos und undogmatisch, wirkt an manchen Stellen daher wie die Kulissenschieberin für die eigentliche Geschichte. Sie wirkt oft bloß wie die Ticketverkäuferin für die Rutschbahn ins New York vergangener Tage. So ist „The German Girl“ vielleicht kein literarisches Großereignis, aber doch eine wilde Reise durch die Vergangenheit.

Weil aber jede Party ein Ende haben muss, folgten nach der Coverstory im New York Magazine Recherchen der New York Times, die Staatsanwaltschaft und die ärztliche Berufsaufsicht ermittelten gegen die Spritzen-Doktores. Max Jacobson verlor 1975 seine Lizenz, sein Kollege Robert Freymann machte noch ein paar Jahre weiter. Verwerflich fanden beide ihr Verhalten nie. Freymann veröffentlichte 1982 sogar noch ein Buch mit dem leicht beleidigten Titel „What’s so bad about feeling good?“– „Was ist schlecht daran, gut drauf zu sein?“

Das New York der Sechzigerjahre
muss aufregend, aber auch sehr
anstrengend gewesen sein

Ulrike Sterblich:
The German Girl. Roman. Rowohlt, Hamburg 2021. 384 Seiten, 20 Euro.

„Sagenhaft anregend.“ – Katharine Graham, die Herausgeberin der Washington Post, 1966 in New York mit Truman Capote auf dessen „Black and White Ball“.

Foto: AP

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Sehr gut gefallen hat Rezensentin Eva Behrendt der Roman. Sie meint, es hätte mit dem durchaus prekären historischen Stoff, den sie sehr gut recherchiert findet, auch schief gehen können - etwa in Richtung Abgrund durch Glamour und Sucht. Aber glücklicherweise bürste die Autorin ihn "sanft gegen den Strich", behandele ihre Figuren mit "zugewandter Distanz" und erfreue durch viele schräge Details aus dem New York der Schönen und Reichen in den 60er und 70er Jahre. Auch dass sie ihrer Protagonistin eine Reifung zugesteht samt glücklicher Bindung am Schluss, hat die Kritikerin zufrieden gestellt, auch wenn sie nicht wirklich ergriffen wurde von Ort, Zeit und vor allem nicht der Hauptperson.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.2021

Irre, Genies und irre Genies

Ulrike Sterblichs Roman "The German Girl" zeigt die New Yorker High Society auf deutschem Speed.

Die sechziger Jahre waren die Ära des öffentlich zelebrierten Rauschmittelgenusses. So will es jedenfalls die vulgäre Popgeschichtsschreibung. Denn natürlich hat alles seine Vorläufer. Man denke nur an die Opiumhöhlen des neunzehnten Jahrhunderts oder an die Berliner Kokain-Szene, die sich zwischen den Kriegen mit den Restbeständen geschäftstüchtiger Militärärzte eindeckte. Klaus Mann schrieb begeistert: "Früher mal hatten wir eine Armee, jetzt haben wir prima Perversitäten! Laster noch und noch! Kolossale Auswahl! Das muss man gesehen haben!"

Zwischen den Roaring Twenties und den psychedelischen Sixties liegt allerdings eine dunkle Epoche, in der deutsche Soldaten mit dem 1937 patentierten Wirkstoff Methamphetamin in den Blitzkrieg geschickt worden waren. Das Präparat Pervitin, das körperliche und emotionale Erschöpfung unterdrückt, ging als "Hermann-Göring-Pille" in die Medizingeschichte ein. Ulrike Sterblich hat mit "The German Girl" einen Roman über die Nachkriegs-Karriere dieser deutschen Droge geschrieben. Er spielt in der ausgerechnet von Berliner Emigranten-Ärzten gepäppelten Crème von New York City.

Sterblich hangelt sich in ihrem Milieuroman erfreulicherweise nicht am Mythos von Warhols Factory entlang. Stattdessen arbeitet sie die allgemeine Aufgeschlossenheit gegenüber Stimmungsaufhellern auch in jenen Bevölkerungsteilen heraus, die den Vorwurf des Drogenmissbrauchs schockiert von sich gewiesen hätten. Unter dem Schirm der modernen Medizin konnte auch die Hausfrau aus dem Mittleren Westen einen Ausweg aus der Enge ihrer Lebensumstände finden. Das kann man nach wie vor sehr gut in Jonathan Franzens Epochenroman "Die Korrekturen" nachlesen. Allerlei Präparate, die in einer heutigen Hausapotheke undenkbar wären, wurden über den Gartenzaun hinweg gereicht und machten das Vorstadtleben etwas schriller. So ist es nicht verwunderlich, dass Mona, die Hauptfigur aus "The German Girl", ihre langen Beine der Werbekampagne einer Diätpillen-Firma leiht.

Die junge Deutsche ist aus Berlin in die Stadt der Sternchen gekommen, um dort als Model zu reüssieren. Wir verfolgen ihre neugierigen Erkundungen durch Manhattan, und durch ihre Augen entsteht ein Bild des New Yorker Undergrounds. Auf einer exzentrischen Künstlerparty werden den Gästen ihre Wintermäntel zerschnitten, in einem Verschlag der Wohnung hockt ein Guru und nimmt dem verstrahlten Partyvolk die Beichte ab. Mona macht alles in allem eine gute Figur in dieser Szenerie aus Irren, Genies und irren Genies. Über einen verlotterten Szenegänger heißt es cool: "Matsch klebte ihm an Kleidung und Haaren, seine Schuhe sahen aus wie von einem geistesgestörten Schuster zusammengenähtes Herbstlaub." Alles irgendwie abstoßend und anziehend zugleich. Mona lässt sich treiben aus Neugier, aus Lebenshunger, manchmal auch aus Unentschlossenheit.

Bei einem Rundgang durch die Alten Meister im Metropolitan Museum lernt sie den jungen Ostküsten-Aristokraten Sidney kennen, der sich sofort in Monas minimalistischen Swing verliebt. Und der den gesamten Roman über dranbleiben wird an seiner Traumfrau. Mona wiederum fühlt sich verunsichert von Sidneys ernsten Absichten. Sie stürzt sich deswegen in diverse Abenteuer mit diversen Herren. Der arme Sidney! Aber wie gesagt: Er bleibt am Ball. Und weil dieser Roman nicht die Geschichte einer tragischen Selbstzerstörung entfaltet, sondern die einer persönlichen Reifung, breitet sich in der Leserin ein Gefühl von tiefer Sympathie für diese lässige Heldin aus.

Die eigentliche Geschichte, die "The German Girl" erzählt, ist aber durchaus abgründig. Sie beruht auf dem erwähnten Umstand, dass es ausgerechnet aus Deutschland geflohene Ärzte waren, die New York in den ersten Nachkriegsjahrzehnten mit Amphetaminen versorgten. Auf Rezept. Mit gekonnter Injektion in den Po oder auch to go.

Der berühmteste dieser von Aretha Franklin als "Dr. Feelgood" besungenen Ärzte war Max Jacobson. Er hatte es zu beachtlicher Popularität gebracht mit einer Remedur aus Vitaminen, Hormonen, Enzymen und Plazenta: alles zusammengemixt in einem schmuddeligen Hinterzimmerlabor, das Jacobson großspurig als "Constructive Research Foundation" bezeichnete. Dass seinen Aufbauspritzen immer auch eine ordentliche Portion Speed beigegeben war, galt in der Szene als offenes Geheimnis. Robert Freymann, dessen ähnlich spezialisierte Praxis sich in unmittelbarer Nähe zu Jacobsons befand, war der Ansicht: "Besser sie kommen zu mir, als sich mit Drogen, Alkohol und ungesunder Lebensweise zugrunde zu richten." Wer einen Hangover hatte, bekam vom Doktor einen "Fallschirm" verschrieben.

Irritiert blickt man mit diesem fein ironischen Roman zurück in eine Epoche, als das Vertrauen in die hippokratischen Tugenden väterlicher Ärztedarsteller noch grenzenlos schien. Selbsttäuschung ist ja bekanntlich die bitterste Art der Täuschung. Erst als sich psychotische Abstürze häufen und es zu einem Todesfall kommt, der die Gerichtsmedizin auf den Plan ruft, beginnt der Mythos von "Miracle Max" zu bröckeln. Auch Mona ist inzwischen Stammgast in seinem Behandlungszimmer. Anders als der grippekranke Sidney, der schnell abgefertigt wird: "Sie hatte vergessen, wie ungern es in der Praxis von Dr. Max Jacobson gesehen wurde, wenn man dort mit einem echten Infekt erschien."

Jacobsons berühmtester Klient soll John F. Kennedy gewesen sein. Zusammen mit den anderen Patienten hätte er im Miracle-Max-Wartezimmer ein Klassentreffen der hundert prominentesten Amerikaner veranstalten können: Yul Brynner, Anthony Quinn, Tennessee Williams, Eddie Fisher, Elizabeth Taylor, Maria Callas, Hedy Lamarr, um nur einige zu nennen. Und natürlich Truman Capote, der den Doktor als "gewaltige theatralische Figur" und später noch viel besser als "das deutsche Insekt mit dem magischen Stachel" beschrieben hatte.

Grundlage des Romans sind zwei Enthüllungsgeschichten aus den frühen Siebzigern, im "New York Magazine" und der "New York Times", die den sich häufenden Vorwürfen gegen die Doctor Strangeloves von der Upper East Side nachgegangen waren. Achtzig Milligramm Methamphetamin soll allein Jacobson monatlich für seine Patienten bestellt haben. Das entsprach etwa hundert starken Dosen Speed. Ein starker Stoff also im Wortsinn, den Ulrike Sterblich hier bewundernswert unpompös, um nicht zu sagen lässig, aufführt und der nach seiner Verfilmung schreit.

KATHARINA TEUTSCH

Ulrike Sterblich:

"The German Girl". Roman.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2021. 384 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.02.2021

Zu gut, um
gesund zu sein
Als die Feelgood-Doctors die Stars
der Stars waren: Ulrike Sterblichs Roman
„The German Girl“ spielt mit einer Wirklichkeit,
die verrückter war als jede Fiktion
VON CHRISTIANE LUTZ
Am 8. Februar 1971 erschien im New York Magazine die Titelgeschichte: „Doctor Feelgood, are you sure it’s all right?“ – „Herr Doktor Feelgood, sind Sie sicher, das ist in Ordnung“? Die Journalistin Susan Wood ergründet in der Reportage das Geschäft der sogenannten „Feelgood-Doctors“, die in den Sechzigern die New Yorker Prominenz und alle, die es sich leisten wollten, legal mit Drogen versorgten. Wie es sich für eine investigative Recherche gehört, ließ sich Wood selbst die sagenhaften Spritzen verabreichen. Sie habe ohnehin viel Zeit für Neues gehabt, ihre Ehe war gerade in die Brüche gegangen.
Was die Feelgood-Doctors ihr da genau injizierten, ahnt Wood nur: Amphetamine, Vitamine, Beruhigungsmittel und was den Ärzten sonst noch einfiel, Bestandteile menschlicher Plazenta zum Beispiel. Total harmlos, versicherte eine Freundin, die Spritzen würden sie allenfalls in die moderne Gegenwart katapultieren. „If you’re down he’ll pick you up, Doctor Robert, take a drink from his special cup“, singen die Beatles in „Doctor Robert“ und die Rolling Stones beschwören die pillenförmigen „Mother’s little Helpers“. Wirklich jeder, so scheint es, nahm damals irgendwas.
Davon handelt das dokumentarisch-fiktionale Romandebüt „The German Girl“ der deutschen Autorin Ulrike Sterblich. Die bekanntesten Feelgood-Doctors der Zeit hießen Max Jacobson und Robert Freymann, beides Deutsche, die in Berlin studiert hatten. Jacobson war Jude und floh 1936 vor den Nationalsozialisten nach New York, wo er eine schicke Praxis an der Upper Eastside eröffnete. Robert Freymann soll der von den Beatles besungene „Doctor Robert“ sein. Aber nicht nur die Beatles tranken aus dem „Special Cup“ der Doctores, die Liste der prominenten, nun ja, Patienten ist eindrucksvoll: Marylin Monroe, Maria Callas, Liz Taylor, Eddie Fisher und Truman Capote waren bei ihnen, Tennessee Williams fand die Behandlung „sagenhaft anregend“. Der wohl berühmteste Spritzenempfänger war John F. Kennedy. Er taucht nicht persönlich auf im Roman, das hat Ulrike Sterblich dann offenbar doch nicht gewagt. Den ewig kranken Präsidenten hatte Max Jacobson 1961 sogar nach Wien begleitet – und ihn fitgespritzt, damit er sein Treffen mit Nikita Chruschtschow schmerzfrei durchstehen konnte.
Die Wirklichkeit ist also verrückter als jede Fiktion. Sterblich nimmt diese Wirklichkeit, setzt die fiktive Protagonistin Mona Friedrich, ein Berliner Model und das titelgebende „German Girl“, hinein und vermischt beides zu einem schrägen und sehr unterhaltsamen Porträt der Zeit. Außer ein paar Werbe-Jobs läuft es in Berlin beruflich nicht allzu gut für Mona, also versucht sie ihr Glück in den USA. Durch Mona hindurch erlebt man dann das New York der Sechziger, das aufregend, aber auch sehr anstrengend gewesen sein muss. „Ich war mir nie sicher, ob in den Sechzigern mehr passierte, weil die Leute länger wach waren (weil so viele auf Amphetamin waren), oder ob die Leute anfingen, Amphetamine zu nehmen, weil so viel los war, dass sie länger wach bleiben mussten, um mitmachen zu können. Wahrscheinlich beides“, schrieb Andy Warhol über jene Zeit.
Mona lässt sich durch Nachtclubs treiben und auf Partys in die Hamptons einladen. Sie begegnet durchgeknallten Filmemachern, einem Guru in einem winzigen WG-Zimmer und ihrer amerikanischen Doppelgängerin. Niemand hat einen Plan, aber alle haben großen Spaß dabei. Sie fängt eine Affäre mit dem heimatlosen Adam an, der immer unangekündigt und ungeduscht bei ihr aufkreuzt, was sie hinnimmt, weil er so schön ist. Radiomoderator Sidney wiederum verehrt sie sehr und spielt Lieder für sie in seiner Sendung, zum Beispiel „Mona“ von Bo Diddley, eines der unzähligen Songzitate des Buches. Auch Aretha Franklin taucht mit „Doctor Feelgood“ auf, genau wie Thelonious Monk, Chet Baker und die Doors. Die erwähnten Songs ergeben einen wirklich guten Soundtrack.
Die Feelgood-Doctors halten die ewige Party am Laufen. Auch Mona landet irgendwann wegen einer Grippe in der Praxis von Doktor Max, einem charismatischen Mann mit kastiger Brille. Nach der Behandlung fühlt sie sich „getragen von einer unerschöpflichen Energie“. Darauf folgen Panik und Erschöpfung. Als immer wieder ominöse Haarstoppel in ihrem Waschbecken auftauchen, ist Mona überzeugt, dass sich ein fremder Mann in ihrem Badezimmer rasiert. Da hilft nur ein weiterer Besuch beim Doktor. Diätpillen werden zum ewigen Begleiter, auch bei einem Heimatbesuch in Berlin 1968, das auf sie plötzlich wie die totale Provinz wirkt.
Es sind allerdings nicht die Untiefen der Sucht, über die Ulrike Sterblich schreiben will. Der Roman balanciert höchstens am Rande des Abgrunds, Mona stürzt nicht. Die Autorin interessiert viel mehr das Feelgood-Phänomen. Sie zoomt hinein in die aufgekratzte New Yorker Gesellschaft und eine Zeit, in der die Speed-Doctors, wie sie auch genannt werden, sorglos mit fragwürdigen Substanzen hantieren konnten. „Der Mensch braucht alle Energie, die er kriegen kann, besonders, wenn er selbst viel leisten muss“, findet Max Jacobson. Wer würde widersprechen wollen?
Ulrike Sterblich lässt sich allerdings auch nicht dazu hinreißen, den Rausch zum Star zu machen. Für eine Ode an die Drogen ist der Roman zu dokumentarisch, zu distanziert gegenüber seinem Personal. Bis zu ihrem Debüt hat Sterblich vor allem an Essaybänden und Sachbüchern mitgearbeitet, 2012 erschien „Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt: Eine Kindheit in Berlin (West)“ – eine Art Autobiografie. Das Dokumentarische, die Recherche liegen ihr. Passend dazu ist Monas Geschichte gerahmt von den Recherchen eines Doktor Michael Baden (auch den gab es wirklich), der die Feelgood-Doctors zur Rechenschaft ziehen will, nachdem der Fotograf Mark Shaw (auch echt) an einer Amphetaminvergiftung stirbt. Sterblich springt in der Chronologie der Ereignisse hin und her, von Figur zu Figur, und verliert nie die Fakten aus dem Blick.
Darin liegt aber auch eine Schwäche: Am Ende ist die Realität ist immer noch etwas faszinierender als der Roman. Ein Kampf, den jeder Autor auf sich nehmen muss, der historische Gegenstände hat. Im Idealfall steht die Fiktion für sich, weil sie durch ihre Figuren und Sprache etwas eigenes schafft. Wie in Emma Clines Roman „The Girls“, in dem sie vom Leben und den Morden der Manson Family in den Sechzigerjahren erzählt, sich aber von den realen Ereignissen dabei nicht die Show stehlen lässt. So rasant Sterblichs Stil auch ist, sie kommt dagegen oft kaum gegen den Sog der tatsächlichen Ereignisse an, die sie selbst am meisten zu faszinieren scheinen. Mona, zwar liebenswert planlos und undogmatisch, wirkt an manchen Stellen daher wie die Kulissenschieberin für die eigentliche Geschichte. Sie wirkt oft bloß wie die Ticketverkäuferin für die Rutschbahn ins New York vergangener Tage. So ist „The German Girl“ vielleicht kein literarisches Großereignis, aber doch eine wilde Reise durch die Vergangenheit.
Weil aber jede Party ein Ende haben muss, folgten nach der Coverstory im New York Magazine Recherchen der New York Times, die Staatsanwaltschaft und die ärztliche Berufsaufsicht ermittelten gegen die Spritzen-Doktores. Max Jacobson verlor 1975 seine Lizenz, sein Kollege Robert Freymann machte noch ein paar Jahre weiter. Verwerflich fanden beide ihr Verhalten nie. Freymann veröffentlichte 1982 sogar noch ein Buch mit dem leicht beleidigten Titel „What’s so bad about feeling good?“– „Was ist schlecht daran, gut drauf zu sein?“
Das New York der Sechzigerjahre
muss aufregend, aber auch sehr
anstrengend gewesen sein
Ulrike Sterblich:
The German Girl. Roman. Rowohlt, Hamburg 2021. 384 Seiten, 20 Euro.
„Sagenhaft anregend.“ – Katharine Graham, die Herausgeberin der Washington Post, 1966 in New York mit Truman Capote auf dessen „Black and White Ball“.
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Rezensentin Katharina Teutsch bewundert die Mischung aus Lässigkeit und Abgründigkeit im neuen Roman von Ulrike Sterblich. Erzählt wird die Geschichte der jungen deutschen Mona, die als Model in den Sechzigern nach New York kommt und auch jenseits der Künstlerszene von Manhattan erlebt, wie die unterschiedlichen Milieus zu Drogen greifen. Denn entlang von Monas zahlreichen Affären führt uns die Autorin in eine Epoche, in der aus Deutschland geflohene Ärzte in der Nachkriegszeit Politiker, Stars, Sternchen und Hausfrauen mit Amphetaminen versorgten, resümiert die Kritikerin: Auch Mona sucht den legendären Dr. Max Jacobson auf, um sich Injektionen verabreichen zu lassen. Sterblich schildert aber keineswegs den Prozess einer Selbstzerstörung, sondern begleitet ihre Heldin mit leiser Ironie bei der Reifung, versichert die Rezensentin, die den Film zum Buch schon vor sich sieht.

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