Britain is reeling from reports of a terrorist bomb on a film set that has killed a hundred people and, possibly, the brightest star in Hollywood, Thomas Bayne. Caught up in the middle of the national mourning is Susan Mantle - a rather hopeless London tour-guide - who is seen crying on a park bench and is taken up by the media as a symbol of the blitz spirit, appearing on the rolling news with the headline 'beautiful but crying'.
She is crying, though, for other reasons: she's just been told by a clairvoyant that she is about to die. Reason and the real world are quickly relinquished as Susan is swept into a media maelstrom, becoming the baffled and increasingly unwilling star of reality TV. Buffeted by the demands of her new public, and her private terrors about her own mortality, Susan starts to lose control of everything.
She is crying, though, for other reasons: she's just been told by a clairvoyant that she is about to die. Reason and the real world are quickly relinquished as Susan is swept into a media maelstrom, becoming the baffled and increasingly unwilling star of reality TV. Buffeted by the demands of her new public, and her private terrors about her own mortality, Susan starts to lose control of everything.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2009Terror auf allen Kanälen
Flucht ist zwecklos: In Glyn Maxwells pointenreichem Zeit-Roman gerät eine junge Frau unvermittelt in den Fokus der Boulevardmedien.
Voraussagen sind heikel, weil sie nicht rückgängig zu machen sind. Und selbst Hartgesottenen, die Prophezeiungen für Unsinn halten, mag es schwerfallen, am Tage ihres vorausgesagten Todes entspannt zu bleiben. Kurzum: Dieses "Wissen" bestimmt, was wir wahrnehmen oder ausblenden. Und wer weiß, vielleicht löst es sogar die eine oder andere Paranoia aus.
Glyn Maxwells Roman "Das Mädchen, das sterben sollte" beginnt nach einem solchen verstörenden Besuch bei einer zweifelhaften Wahrsagerin. Sie prophezeit Susan Mantle, einer jungen Londonerin, Ruhm, Reichtum und den baldigen Tod. Richtig in Fahrt kommt der Roman, als sich die ersten beiden Dinge zu erfüllen scheinen: Susan läuft Kameraleuten in den Weg, die Bilder brauchen zum Drama des Tages, einem Terroranschlag auf ein Filmteam. Susans verheultes Gesicht macht sich bestens, und außerdem hat sie nebst ihrem Tränenschleier prompt eine kultige Gedichtzeile von Dylan Thomas auf den Lippen. Etwas vom Tod, und das passt ja ganz gut. Dann stiefelt und schnieft sie abwesend weiter ihres Weges, eine Ikone des Leids, wie vom Himmel gefallen.
Die Fernsehzuschauer sind entzückt, zumal kurz darauf in den Brennpunkten zum Anschlag die Nachricht eintrifft, dass ein totgeglaubter Hollywoodstar doch lebt, "nur" sein Double nicht. Wer aber ist jener "geheimnisvolle Engel"? Während die Suche auf Hochtouren läuft, rennt Susan den Medien und ihrem vorausgesagten Tod davon, lange und emsig bis zur restlosen Erschöpfung.
Das alles wäre genug Schicksal für einen schlechten Roman. Glyn Maxwell, der seinen Sprachsinn vor allem als Lyriker feilte, nutzt hier aber die Erfahrungen, die er beim Schreiben von Theaterstücken gemacht hat: Er lässt seine Figuren permanent sprechen, gern aneinander vorbei. Für Bühnen hier wäre Maxwell, 1962 in England geboren und mit diversen Preisen ausgezeichnet, allein wegen der trockenen Pointen seiner Dialoge noch zu entdecken. Dem Text gibt das Tempo und trifft sehr genau das ewige Geschwätz, das in der Unterhaltungsbranche alltäglich zu inhaltslosem Gesamtrauschen verschwimmt. Das wäre wohl auch in der Literatur nur schwer zu ertragen, spürte Maxwell nicht zugleich jener Einsamkeit nach, die entsteht, wenn man spricht, aber alle immer nur mit sich selbst beschäftigt sind oder mit dem Schmarotzen am Ruhm der anderen.
Seine Kulisse ist die pralle Showmaschinerie des Reality-Fernsehens: Aufdringliche Moderatoren scheuen sich nicht, Susan mit Kameras bis ins Schlafzimmer zu verfolgen, um die neue Prominente für die Fans hautnah zu vergrößern. Unglaublich, wie viele Figuren der Autor zu mobilisieren weiß, allesamt Karikaturen ihrer selbst, die gleich Pop-up-Figuren neben Susan hochfahren und runterklappen, obwohl Susan nur ihre Ruhe will. Wahrscheinlich ist es nicht mal völlig übertrieben, wie Maxwell hier den alten Madonnenkult mit modernen Mitteln vervielfältigt und entstellt. Immer mutloser spricht Susan hilfesuchend in dumme Gesichter oder Telefone, während das Interesse an ihr schon wieder schwindet oder verrückt gewordene Anrufbeantworter nur noch ansagen: "Wir sind nicht im Haus von uns! Hinterlassen Sie sich eine Nachricht, wenn Sie mögen!" Alles spinnt, aber wo fing der Irrsinn nur an?
Maxwell zieht mit feinem Humor und manchmal sogar Andacht die Wurzel aus einem fortschreitend auf Ablenkung getakteten Leben. Bevor seine Geschichte selbst allzu vorhersehbar wird, baut er seinem collagenartig wuchernden Gebilde Schleifen, Sackgassen und Kreuzungen ein. Immer aber bleibt er in diesem bewegt filmischen Text seiner bedrohten, flüchtenden Hauptfigur nah, ohne die schrillen und stilleren Katastrophen am Ende noch runden zu wollen. Wie auch - immer wächst etwas nach. Maxwells Gesprächsspiralen illustrieren das lustvoll und schaurig.
ANJA HIRSCH
Glyn Maxwell: "Das Mädchen, das sterben sollte". Roman. Aus dem Englischen von Martina Tichy. Verlag Antje Kunstmann, München 2009, 435 S., geb., 19,90 [Euro].
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Flucht ist zwecklos: In Glyn Maxwells pointenreichem Zeit-Roman gerät eine junge Frau unvermittelt in den Fokus der Boulevardmedien.
Voraussagen sind heikel, weil sie nicht rückgängig zu machen sind. Und selbst Hartgesottenen, die Prophezeiungen für Unsinn halten, mag es schwerfallen, am Tage ihres vorausgesagten Todes entspannt zu bleiben. Kurzum: Dieses "Wissen" bestimmt, was wir wahrnehmen oder ausblenden. Und wer weiß, vielleicht löst es sogar die eine oder andere Paranoia aus.
Glyn Maxwells Roman "Das Mädchen, das sterben sollte" beginnt nach einem solchen verstörenden Besuch bei einer zweifelhaften Wahrsagerin. Sie prophezeit Susan Mantle, einer jungen Londonerin, Ruhm, Reichtum und den baldigen Tod. Richtig in Fahrt kommt der Roman, als sich die ersten beiden Dinge zu erfüllen scheinen: Susan läuft Kameraleuten in den Weg, die Bilder brauchen zum Drama des Tages, einem Terroranschlag auf ein Filmteam. Susans verheultes Gesicht macht sich bestens, und außerdem hat sie nebst ihrem Tränenschleier prompt eine kultige Gedichtzeile von Dylan Thomas auf den Lippen. Etwas vom Tod, und das passt ja ganz gut. Dann stiefelt und schnieft sie abwesend weiter ihres Weges, eine Ikone des Leids, wie vom Himmel gefallen.
Die Fernsehzuschauer sind entzückt, zumal kurz darauf in den Brennpunkten zum Anschlag die Nachricht eintrifft, dass ein totgeglaubter Hollywoodstar doch lebt, "nur" sein Double nicht. Wer aber ist jener "geheimnisvolle Engel"? Während die Suche auf Hochtouren läuft, rennt Susan den Medien und ihrem vorausgesagten Tod davon, lange und emsig bis zur restlosen Erschöpfung.
Das alles wäre genug Schicksal für einen schlechten Roman. Glyn Maxwell, der seinen Sprachsinn vor allem als Lyriker feilte, nutzt hier aber die Erfahrungen, die er beim Schreiben von Theaterstücken gemacht hat: Er lässt seine Figuren permanent sprechen, gern aneinander vorbei. Für Bühnen hier wäre Maxwell, 1962 in England geboren und mit diversen Preisen ausgezeichnet, allein wegen der trockenen Pointen seiner Dialoge noch zu entdecken. Dem Text gibt das Tempo und trifft sehr genau das ewige Geschwätz, das in der Unterhaltungsbranche alltäglich zu inhaltslosem Gesamtrauschen verschwimmt. Das wäre wohl auch in der Literatur nur schwer zu ertragen, spürte Maxwell nicht zugleich jener Einsamkeit nach, die entsteht, wenn man spricht, aber alle immer nur mit sich selbst beschäftigt sind oder mit dem Schmarotzen am Ruhm der anderen.
Seine Kulisse ist die pralle Showmaschinerie des Reality-Fernsehens: Aufdringliche Moderatoren scheuen sich nicht, Susan mit Kameras bis ins Schlafzimmer zu verfolgen, um die neue Prominente für die Fans hautnah zu vergrößern. Unglaublich, wie viele Figuren der Autor zu mobilisieren weiß, allesamt Karikaturen ihrer selbst, die gleich Pop-up-Figuren neben Susan hochfahren und runterklappen, obwohl Susan nur ihre Ruhe will. Wahrscheinlich ist es nicht mal völlig übertrieben, wie Maxwell hier den alten Madonnenkult mit modernen Mitteln vervielfältigt und entstellt. Immer mutloser spricht Susan hilfesuchend in dumme Gesichter oder Telefone, während das Interesse an ihr schon wieder schwindet oder verrückt gewordene Anrufbeantworter nur noch ansagen: "Wir sind nicht im Haus von uns! Hinterlassen Sie sich eine Nachricht, wenn Sie mögen!" Alles spinnt, aber wo fing der Irrsinn nur an?
Maxwell zieht mit feinem Humor und manchmal sogar Andacht die Wurzel aus einem fortschreitend auf Ablenkung getakteten Leben. Bevor seine Geschichte selbst allzu vorhersehbar wird, baut er seinem collagenartig wuchernden Gebilde Schleifen, Sackgassen und Kreuzungen ein. Immer aber bleibt er in diesem bewegt filmischen Text seiner bedrohten, flüchtenden Hauptfigur nah, ohne die schrillen und stilleren Katastrophen am Ende noch runden zu wollen. Wie auch - immer wächst etwas nach. Maxwells Gesprächsspiralen illustrieren das lustvoll und schaurig.
ANJA HIRSCH
Glyn Maxwell: "Das Mädchen, das sterben sollte". Roman. Aus dem Englischen von Martina Tichy. Verlag Antje Kunstmann, München 2009, 435 S., geb., 19,90 [Euro].
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