The moving exploration of a young boy's loss of innocence
'The past is a foreign country: they do things differently there...'
When one long, hot summer, young Leo is staying with a school-friend at Brandham Hall, he begins to act as a messenger between Ted, the farmer, and Marian, the beautiful young woman up at the hall. He becomes drawn deeper and deeper into their dangerous game of deceit and desire, until his role brings him to a shocking and premature revelation. The haunting story of a young boy's awakening into the secrets of the adult world, The Go-Between is also an unforgettable evocation of the boundaries of Edwardian society. It was adapted into an internationally-successful film starring Julie Christie and Alan Bates.
Edited with an introduction and notes by Douglas Brooks-Davies
'Magical and disturbing'
Independent
'On a first reading, it is a beautifully wrought description of a small boy's loss of innocence long ago. But,visited a second time, the knowledge of approaching, unavoidable tragedy makes it far more poignant and painful'
Express
'The past is a foreign country: they do things differently there...'
When one long, hot summer, young Leo is staying with a school-friend at Brandham Hall, he begins to act as a messenger between Ted, the farmer, and Marian, the beautiful young woman up at the hall. He becomes drawn deeper and deeper into their dangerous game of deceit and desire, until his role brings him to a shocking and premature revelation. The haunting story of a young boy's awakening into the secrets of the adult world, The Go-Between is also an unforgettable evocation of the boundaries of Edwardian society. It was adapted into an internationally-successful film starring Julie Christie and Alan Bates.
Edited with an introduction and notes by Douglas Brooks-Davies
'Magical and disturbing'
Independent
'On a first reading, it is a beautifully wrought description of a small boy's loss of innocence long ago. But,visited a second time, the knowledge of approaching, unavoidable tragedy makes it far more poignant and painful'
Express
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2008Unschuld muss leiden
Endlich in vollständiger deutscher Übersetzung: "The Go-Between", der Pubertätsroman von L. P. Hartley, ist ein kunstreiches Buch über die unheimliche Ohnmacht der Kunst im Kampf mit der Passion
Was macht die unwiderstehliche Anziehungskraft dieses Romans aus? Ganz einfach: Der Leser identifiziert sich mit dem Ich-Erzähler. Aber welcher Trick stiftet die Schicksalsgemeinschaft? Weshalb schlüpfen wir in die Haut eines Jungen, der an der Schwelle zu seinem dreizehnten Lebensjahr in die Geheimnisse des Lebens eingeführt wird? Weshalb schwitzen wir mit ihm im Jahrhundertsommer des Jahres 1900, und weshalb können wir nicht mehr aus seiner Haut, bis die Katastrophe geschehen ist? Die Initiation mag der schlechthin universelle Stoff sein. Hartley macht aus der anthropologischen Ahnung sein erzählerisches Prinzip: Jeder Moment der Romanhandlung ist durchtränkt von der Ambivalenzerfahrung, die Riten des Übergangs definiert. Das Verlockende ist das Abstoßende; die Neugier des Knaben Leo wird stimuliert von dem, was er um keinen Preis wissen will.
Die soziale Welt der englischen Oberschicht des spätviktorianischen Zeitalters wird vorgeführt aus der Perspektive eines Außenseiters, eines Jungen aus bescheidenen, respektablen Verhältnissen, den die Mutter eines Schulkameraden in den Ferien auf einen Landsitz in Norfolk einlädt. Auch der Leser des 1953 publizierten Romans ist Gast in der untergegangenen Welt verschwenderischer Geselligkeit; nebenbei werden ihm die Regeln der Teepartys, Rasensportarten und Kirchgänge erläutert. Die Nostalgie, auf die der Roman spekuliert, ist von der Ambivalenz nicht ausgenommen. Der Ich-Erzähler vergegenwärtigt sich im Abstand von fünfzig Jahren den verhängnisvollen Sommer, der ihn traumatisierte. Die Beschwörung glücklicher Tage, die das Unglück heraufführen mussten, ersetzt ihm das Leben, das er versäumt hat.
Das Lebensfeindliche, ja Lebensgefährliche der Nostalgie ist auch die Pointe des berühmten ersten Satzes des Romans: "The past is a foreign country: they do things differently there." Der Zeitunterschied wird hier im unausgesprochenen Bild des Klassenunterschiedes erfasst. Hartleys Vater war ein Rechtsanwalt, der es als Ziegelfabrikant zu Reichtum brachte; trotz jahrzehntelanger Übung machte der Schriftsteller als Gast auf Adelssitzen in den Augen seiner Gastgeber eine groteske Figur. In den besseren Kreisen "gelten andere Regeln". Auf Brandham Hall werden Leo diese Regeln beigebracht, von der Wortwahl bis zur Kleiderordnung, und doch wird man ihm immer anmerken, dass er aus einer anderen Schicht kommt, aus dem inneren Ausland. Sie tun die Dinge dort anders: Schon sprachlogisch ist ausgeschlossen, dass das Ich sich ihnen erfolgreich anpasst, dem unheimlichen Präsens zum Trotz, in dem die Toten ihren Verrichtungen nachgehen. Eine Reise in die Vergangenheit wäre mit einem tödlichen Peinlichkeitsrisiko belastet.
Für den Schuljungen, dessen Vater verstorben ist, fällt der Kosmos von Brandham Hall mit der Welt der Erwachsenen zusammen. Während er Gefallen daran findet, sich im großen Haus verwöhnen zu lassen, und beflissen die erforderlichen Wohlverhaltensbeweise erbringt, legt er sich seine eigene Topographie zurecht, um die Schicklichkeiten unbeobachtet zu durchkreuzen: Er macht einen Bogen um das Hauptportal, treibt sich bei den Schuppen herum und hält sich am liebsten beim Komposthaufen auf.
Vom Verdorbenen sollte der Roman nach Auskunft des Autors handeln, von der Korruption der Unschuld. Aber so simpel ist die Moral des Buches nicht, das Hartley geschrieben hat. Wenn Unschuld korrumpiert wird, muss sie korrumpierbar sein, und hinter diesem Problem verbirgt sich die Frage, ob nicht in der Erfahrungslosigkeit, im Nichtwissenwollen eine korrumpierende Kraft steckt. Leo stellt sich den unstandesgemäßen Liebesleuten Marian, der Tochter aus dem Herrenhaus, und Ted Burgess, dem Bauern unten am Fluss, als "go-between" zur Verfügung, als Bote, der Briefe hin- und herträgt. Zunächst ahnt er nicht, was es mit den "Geschäften" auf sich hat, die die Briefpartner verbinden. Die enttäuschende, nach seinen Schuljungenmaßstäben prosaische und durch und durch unromantische Wahrheit findet er heraus, als er einen Brief Marians öffnet - nachdem er sich eingeredet hat, sie habe den Umschlag absichtlich unverschlossen gelassen.
Zur Katastrophe der Enttarnung der Liebenden, die am Abend von Leos dreizehntem Geburtstag nicht weit vom Komposthaufen in inniger Verschlingung überrascht werden, kommt es, weil Leo von dem Verdacht heimgesucht wird, er sei von Marian und Ted missbraucht worden, es sei ihnen in allen Freundschaftsbeweisen nie um seine Person gegangen, nur um seine Dienste. Der Junge weiß nicht, was die Liebe ist, und weiß daher auch nicht, dass Liebende die ganze Welt lieben und sogar die Dinge wie Personen behandeln, die sich zu ihrem Glück verschworen zu haben scheinen. Dabei hat er andererseits das Hochgefühl ausgekostet, die mysteriösen Geschäftsbeziehungen erst möglich zu machen und die Verbindung immer wieder herzustellen. Leo sieht sich von den Liebenden bestochen, erpresst und betrogen. Aber wenn man die Situation wirklich in Rechtsbegriffe fassen will, kann man ihm den Vorwurf der Kuppelei nicht ersparen.
Marian ist für Leo ein Bild der Hitze, der Leidenschaft, die er nicht begreift, obwohl er sie, ohne es zu merken, längst am ganzen Körper spürt. Tut die Hitze ihr Werk nicht, ohne dass Leo nachhelfen muss? Tag für Tag überprüft er den Stand des Thermometers, und Tag für Tag wünscht er sich, das Quecksilber möge eine neue Höchstmarke erreicht haben. Das englische Wort für Quecksilber ist "mercury". Als Merkur, den kleinsten Wandelstern, sieht Leo sich selbst in einem planetarischen Weltdeutungsschema, das die Bewegungen der Erwachsenen der Fatalität des Tierkreises unterwirft: Marian ist die Jungfrau, um die der Wassermann und der Schütze konkurrieren, Ted, den Leo zuerst beim Schwimmen erblickt, während er selbst sich naturgemäß nicht ins Wasser wagt, und Marians Verlobter Lord Trimingham, der aus dem Burenkrieg mit entstelltem Gesicht heimgekehrt ist. Die Erwachsenen spielen mit, apostrophieren Leo als Götterboten, ohne zu ahnen, dass die mythologische Kostümierung die Außenseite eines kosmologischen Geheimsystems ist.
Um den Liebesbann zu brechen, destilliert Leo ein Zaubermittel aus dem Saft der Tollkirsche. Dafür muss er die Königin der Nachtschattengewächse, die in einem Schuppen unbeachtet wuchert, niedermachen. Zuerst hatte er sie nicht angerührt, weil sie so schön war, dass er sie immer wieder ansehen wollte. In sozialhistorischer Beleuchtung mag man den von Leo gleichsam in sehender Blindheit heraufbeschworenen Skandal das Produkt eines Dienstbotenaufstandes nennen: Der Briefträger rebelliert gegen die moralische Ausbeutung, die er sich einbildet; der Kritik des puritanischen Ich-Bewusstseins verfällt ein diskretes Arrangement, dessen Duldung in der alten Ständegesellschaft denkbar war. Mrs Maudsley, die die Schande ihrer Tochter enthüllt, indem sie sich von Leo zum Ort des Stelldicheins führen lässt, ist selbst eine Bürgerliche; Lord Trimingham heiratet Marian nach dem Selbstmord ihres Geliebten trotzdem. Leo malt sich aus, er könne für seine Maid Marian den Robin Hood spielen. Der Enterbte, den er rächt, muss Lord Trimingham sein, der den Sitz seiner Familie vermietet hat und nur Gast im eigenen Haus ist, das er durch die Heirat zurückerwirbt.
Die symbolischen Beziehungsnetze, die Hartley beziehungsweise der alt gewordene Ich-Erzähler spinnt, sind Varianten jener semiotischen Systeme, mit denen der zwölfjährige Leo sich einen Reim auf eine Welt machen will, von der er keine Erfahrung hat. Der Gewalt der Natur will er mit der Erfindung der Kultur begegnen. Was Leo im Übergang zur Pubertät erlebt, ist das verwickelte Ineinander von Trieb und Idealisierung. Er ist sowohl auf Ted als auch auf Marian eifersüchtig, weil ihn der muskulöse Körper des Bauern fasziniert und er seine Idee der jungfräulichen Königin konservieren will. Dieser Roman eines Junggesellen enthält die Botschaft, dass die Magie der Sublimierung ins Unglück stürzt.
PATRICK BAHNERS
L. P. Hartley: "The Go-Between". Roman. Aus dem Englischen von Maria Wolff. Revidiert und ergänzt von Adrian Stokar. Vorwort von Colm Tóibín. Edition Epoca, Zürich 2008, 400 Seiten, geb., 24,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Endlich in vollständiger deutscher Übersetzung: "The Go-Between", der Pubertätsroman von L. P. Hartley, ist ein kunstreiches Buch über die unheimliche Ohnmacht der Kunst im Kampf mit der Passion
Was macht die unwiderstehliche Anziehungskraft dieses Romans aus? Ganz einfach: Der Leser identifiziert sich mit dem Ich-Erzähler. Aber welcher Trick stiftet die Schicksalsgemeinschaft? Weshalb schlüpfen wir in die Haut eines Jungen, der an der Schwelle zu seinem dreizehnten Lebensjahr in die Geheimnisse des Lebens eingeführt wird? Weshalb schwitzen wir mit ihm im Jahrhundertsommer des Jahres 1900, und weshalb können wir nicht mehr aus seiner Haut, bis die Katastrophe geschehen ist? Die Initiation mag der schlechthin universelle Stoff sein. Hartley macht aus der anthropologischen Ahnung sein erzählerisches Prinzip: Jeder Moment der Romanhandlung ist durchtränkt von der Ambivalenzerfahrung, die Riten des Übergangs definiert. Das Verlockende ist das Abstoßende; die Neugier des Knaben Leo wird stimuliert von dem, was er um keinen Preis wissen will.
Die soziale Welt der englischen Oberschicht des spätviktorianischen Zeitalters wird vorgeführt aus der Perspektive eines Außenseiters, eines Jungen aus bescheidenen, respektablen Verhältnissen, den die Mutter eines Schulkameraden in den Ferien auf einen Landsitz in Norfolk einlädt. Auch der Leser des 1953 publizierten Romans ist Gast in der untergegangenen Welt verschwenderischer Geselligkeit; nebenbei werden ihm die Regeln der Teepartys, Rasensportarten und Kirchgänge erläutert. Die Nostalgie, auf die der Roman spekuliert, ist von der Ambivalenz nicht ausgenommen. Der Ich-Erzähler vergegenwärtigt sich im Abstand von fünfzig Jahren den verhängnisvollen Sommer, der ihn traumatisierte. Die Beschwörung glücklicher Tage, die das Unglück heraufführen mussten, ersetzt ihm das Leben, das er versäumt hat.
Das Lebensfeindliche, ja Lebensgefährliche der Nostalgie ist auch die Pointe des berühmten ersten Satzes des Romans: "The past is a foreign country: they do things differently there." Der Zeitunterschied wird hier im unausgesprochenen Bild des Klassenunterschiedes erfasst. Hartleys Vater war ein Rechtsanwalt, der es als Ziegelfabrikant zu Reichtum brachte; trotz jahrzehntelanger Übung machte der Schriftsteller als Gast auf Adelssitzen in den Augen seiner Gastgeber eine groteske Figur. In den besseren Kreisen "gelten andere Regeln". Auf Brandham Hall werden Leo diese Regeln beigebracht, von der Wortwahl bis zur Kleiderordnung, und doch wird man ihm immer anmerken, dass er aus einer anderen Schicht kommt, aus dem inneren Ausland. Sie tun die Dinge dort anders: Schon sprachlogisch ist ausgeschlossen, dass das Ich sich ihnen erfolgreich anpasst, dem unheimlichen Präsens zum Trotz, in dem die Toten ihren Verrichtungen nachgehen. Eine Reise in die Vergangenheit wäre mit einem tödlichen Peinlichkeitsrisiko belastet.
Für den Schuljungen, dessen Vater verstorben ist, fällt der Kosmos von Brandham Hall mit der Welt der Erwachsenen zusammen. Während er Gefallen daran findet, sich im großen Haus verwöhnen zu lassen, und beflissen die erforderlichen Wohlverhaltensbeweise erbringt, legt er sich seine eigene Topographie zurecht, um die Schicklichkeiten unbeobachtet zu durchkreuzen: Er macht einen Bogen um das Hauptportal, treibt sich bei den Schuppen herum und hält sich am liebsten beim Komposthaufen auf.
Vom Verdorbenen sollte der Roman nach Auskunft des Autors handeln, von der Korruption der Unschuld. Aber so simpel ist die Moral des Buches nicht, das Hartley geschrieben hat. Wenn Unschuld korrumpiert wird, muss sie korrumpierbar sein, und hinter diesem Problem verbirgt sich die Frage, ob nicht in der Erfahrungslosigkeit, im Nichtwissenwollen eine korrumpierende Kraft steckt. Leo stellt sich den unstandesgemäßen Liebesleuten Marian, der Tochter aus dem Herrenhaus, und Ted Burgess, dem Bauern unten am Fluss, als "go-between" zur Verfügung, als Bote, der Briefe hin- und herträgt. Zunächst ahnt er nicht, was es mit den "Geschäften" auf sich hat, die die Briefpartner verbinden. Die enttäuschende, nach seinen Schuljungenmaßstäben prosaische und durch und durch unromantische Wahrheit findet er heraus, als er einen Brief Marians öffnet - nachdem er sich eingeredet hat, sie habe den Umschlag absichtlich unverschlossen gelassen.
Zur Katastrophe der Enttarnung der Liebenden, die am Abend von Leos dreizehntem Geburtstag nicht weit vom Komposthaufen in inniger Verschlingung überrascht werden, kommt es, weil Leo von dem Verdacht heimgesucht wird, er sei von Marian und Ted missbraucht worden, es sei ihnen in allen Freundschaftsbeweisen nie um seine Person gegangen, nur um seine Dienste. Der Junge weiß nicht, was die Liebe ist, und weiß daher auch nicht, dass Liebende die ganze Welt lieben und sogar die Dinge wie Personen behandeln, die sich zu ihrem Glück verschworen zu haben scheinen. Dabei hat er andererseits das Hochgefühl ausgekostet, die mysteriösen Geschäftsbeziehungen erst möglich zu machen und die Verbindung immer wieder herzustellen. Leo sieht sich von den Liebenden bestochen, erpresst und betrogen. Aber wenn man die Situation wirklich in Rechtsbegriffe fassen will, kann man ihm den Vorwurf der Kuppelei nicht ersparen.
Marian ist für Leo ein Bild der Hitze, der Leidenschaft, die er nicht begreift, obwohl er sie, ohne es zu merken, längst am ganzen Körper spürt. Tut die Hitze ihr Werk nicht, ohne dass Leo nachhelfen muss? Tag für Tag überprüft er den Stand des Thermometers, und Tag für Tag wünscht er sich, das Quecksilber möge eine neue Höchstmarke erreicht haben. Das englische Wort für Quecksilber ist "mercury". Als Merkur, den kleinsten Wandelstern, sieht Leo sich selbst in einem planetarischen Weltdeutungsschema, das die Bewegungen der Erwachsenen der Fatalität des Tierkreises unterwirft: Marian ist die Jungfrau, um die der Wassermann und der Schütze konkurrieren, Ted, den Leo zuerst beim Schwimmen erblickt, während er selbst sich naturgemäß nicht ins Wasser wagt, und Marians Verlobter Lord Trimingham, der aus dem Burenkrieg mit entstelltem Gesicht heimgekehrt ist. Die Erwachsenen spielen mit, apostrophieren Leo als Götterboten, ohne zu ahnen, dass die mythologische Kostümierung die Außenseite eines kosmologischen Geheimsystems ist.
Um den Liebesbann zu brechen, destilliert Leo ein Zaubermittel aus dem Saft der Tollkirsche. Dafür muss er die Königin der Nachtschattengewächse, die in einem Schuppen unbeachtet wuchert, niedermachen. Zuerst hatte er sie nicht angerührt, weil sie so schön war, dass er sie immer wieder ansehen wollte. In sozialhistorischer Beleuchtung mag man den von Leo gleichsam in sehender Blindheit heraufbeschworenen Skandal das Produkt eines Dienstbotenaufstandes nennen: Der Briefträger rebelliert gegen die moralische Ausbeutung, die er sich einbildet; der Kritik des puritanischen Ich-Bewusstseins verfällt ein diskretes Arrangement, dessen Duldung in der alten Ständegesellschaft denkbar war. Mrs Maudsley, die die Schande ihrer Tochter enthüllt, indem sie sich von Leo zum Ort des Stelldicheins führen lässt, ist selbst eine Bürgerliche; Lord Trimingham heiratet Marian nach dem Selbstmord ihres Geliebten trotzdem. Leo malt sich aus, er könne für seine Maid Marian den Robin Hood spielen. Der Enterbte, den er rächt, muss Lord Trimingham sein, der den Sitz seiner Familie vermietet hat und nur Gast im eigenen Haus ist, das er durch die Heirat zurückerwirbt.
Die symbolischen Beziehungsnetze, die Hartley beziehungsweise der alt gewordene Ich-Erzähler spinnt, sind Varianten jener semiotischen Systeme, mit denen der zwölfjährige Leo sich einen Reim auf eine Welt machen will, von der er keine Erfahrung hat. Der Gewalt der Natur will er mit der Erfindung der Kultur begegnen. Was Leo im Übergang zur Pubertät erlebt, ist das verwickelte Ineinander von Trieb und Idealisierung. Er ist sowohl auf Ted als auch auf Marian eifersüchtig, weil ihn der muskulöse Körper des Bauern fasziniert und er seine Idee der jungfräulichen Königin konservieren will. Dieser Roman eines Junggesellen enthält die Botschaft, dass die Magie der Sublimierung ins Unglück stürzt.
PATRICK BAHNERS
L. P. Hartley: "The Go-Between". Roman. Aus dem Englischen von Maria Wolff. Revidiert und ergänzt von Adrian Stokar. Vorwort von Colm Tóibín. Edition Epoca, Zürich 2008, 400 Seiten, geb., 24,90 Euro
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