Parker ohne Vorname, ohne Biographie ist ein Einzelgänger, professionell bis zur Perfektion als Verbrecher. Doch vor zehn Monaten wurde er bei einem Waffendeal von seiner eigenen Frau verraten, die mit Mal Resnick, einem Großmaul aus dem Verbrechersyndikat, gemeinsame Sache machte. Jetzt ist Parker zurück in der Stadt, ein einsamer Jäger, der nach allen Regeln der Kunst Rache nimmt. "The Hunter" wurde 1967 unter dem Titel "Point Blank" von John Boorman mit Lee Marvin verfilmt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2015Einsam muss der Jäger sein
Zwei Gründerväter des Noir und zwei Selbstvermarkter
Man kann es einmal mit Quentin Tarantino versuchen - vielleicht hilft das ja. "The Hunter ist ein Klassiker und hat mich stark beeinflusst." So prangt es auf der blutroten Bauchbinde, die der Zsolnay Verlag dem Roman von Richard Stark spendiert hat, der im Original 1964 unter dem Titel "The Hunter" erschienen ist und den die Wiener Tochter des Hanser Verlags am heutigen Montag unter dem Originaltitel auf den Markt bringt, immerhin und zum Glück für die in der Regel nicht verwöhnten Krimileser übersetzt von Nikolaus Stingl (Richard Stark: "The Hunter", Zsolnay Verlag, Wien 2015, 191 S., geb., 17,90 [Euro]).
Das Buch gab es schon früher auf Deutsch, erstmals 1968 bei Ullstein unter dem Titel "Jetzt sind wir quitt"; die Verfilmung John Boormans lief unter dem Titel "Point Blank"; eine Neuauflage bei Ullstein nannte sich 1999 "Payback", so als wäre es gerade egal, was Donald E. Westlake, der sich hinter dem Pseudonym Richard Stark verbirgt, bei der Titelgebung eingefallen ist. Ob "Der Jäger" zu banal geklungen hätte? Vermutlich, nennt sich doch der coole Berufsverbrecher, der zwischen 1962 und 2008 in zwei Dutzend schwarzen Fällen sein fiktionales Unwesen trieb, einfach nur Parker. Er ist spezialisiert auf Raubüberfälle, die er in kleinen Teams organisiert; er hat es auf Banken, Geldtransporte, Juwelierläden abgesehen. Nach getaner Arbeit zieht er sich in ein Urlaubshotel - später in sein Haus am See - zurück und kommt erst wieder hervor, wenn "sein Bargeldbestand unter fünftausend Dollar sank. Er war nie mit einem seiner Jobs in Verbindung gebracht worden, und es gab auf der ganzen Welt keine Polizeiakte über ihn."
Menschen zu töten, das macht er nur, wenn etwas schiefläuft, aber leider läuft eben immer etwas schief, obwohl die Beutezüge akribisch ausgespäht und vorbereitet werden. Gleich mit seinem ersten Auftritt feiert er eine Art Auferstehung: Er hat überlebt, als seine Frau auf ihn schoss, weil ein Mitglied des Verbrechersyndikats namens Outfit sie vor die Wahl stellte - du oder er. Und nun ist Parker zurück in New York, um Rache zu nehmen und sich die 45 000 Dollar wiederzuholen, um die ihn Mal Resnick, aufstiegswilliges Syndikats-Mitglied, aber ein "Angeber und Feigling", beim letzten gemeinsamen Job geprellt hat. Parker, der ehrliche Gangster, der nur will, was ihm zusteht - man folgt ihm immer mit Hingabe bei seiner Abrechnungstour; und dem Zsolnay Verlag sei Dank, dass er uns nun schon zum neunten Mal daran teilnehmen lässt.
Noch eine Ausgrabung, diesmal sogar mit mehr als fünf Jahrzehnten Verspätung zum ersten Mal auf Deutsch: Jim Thompsons Roman "Die Verdammten" (Heyne Hardcore, 302 S., br., 9,99 [Euro]) führt in die flirrend heiße Wüste des westlichen Texas, in die Schatten der Bohrtürme, wo die Zivilisation ein sehr dünner Firnis ist. Der heißblütige Tom Lord, Deputy Sheriff aus alteingesessener Familie, stört die Geschäfte der Ölgesellschaft. Als er bei einem Kampf aus Versehen einen Bohrmeister erschießt, ist er selbst zum Abschuss freigegeben. "Der Abstieg ist immer einfach. Es hatte Jahrhunderte sorgsamer Aufzucht und ein kleines Vermögen gebraucht, um das aus ihm zu machen, was er war. Nun dauerte es weniger als ein Jahr, um ihn vollständig zu demontieren" - epische Wucht und alle Zutaten der Noir-Serie verbinden sich bei Thompson zu einem Drama vor einer Kulisse, die den Akteuren wenig Spielraum lässt.
Um in der Flut der Neuerscheinungen aufzufallen, greifen Autoren mittlerweile zu ausgefeilten PR-Gags. Dass ausgerechnet James Patterson, der in puncto Auflage den Weltspitzenplatz besetzt hält, vorangeht, ist keine Überraschung - er kommt ursprünglich aus der Werbebranche. Für sein neues Buch "Private Vegas" geht er indes ganz neue Wege. Eintausend Exemplare der auf seiner Homepage zu erwerbenden E-Book-Ausgabe haben einen virtuellen Zeitzünder, der das Buch nach vierundzwanzig Stunden löscht; ein einziges gedrucktes Exemplar zum Stückpreis von knapp 300 000 Dollar wird ebenfalls nach dieser Frist explodieren, aber nicht nur virtuell, sondern richtig, wenn auch unter fachkundiger Aufsicht eines Sprengkommandos. Als Entschädigung gibt es ein Abendessen mit dem Autor und ein goldenes Opernglas.
Niemand wird behaupten, dass Tirol ein zentraler Punkt auf der Weltkrimikarte ist, aber auch dort denkt man über crossmediale Vermarktung nach. So hört die ermittelnde LKA-Beamtin Songs im Radio oder aus Nachbarwohnungen, die von ihrem Erfinder stammen. Denn der Innsbrucker Songschreiber Joe Fischler trägt bei Lesungen seines ersten Alpenkrimis "Veilchens Winter" (Haymon, Innsbruck 2015, 286 S., 9,95 [Euro]) Eigenkomponiertes auf der Gitarre vor. Das macht das Buch allerdings keinesfalls zu einer Empfehlung. Wer Bosna mit "gewürzte Bratwurst im Brotmantel" eindeutschen zu müssen glaubt, mag sachlich nicht falsch liegen, sollte aber dringend bei den eingangs erwähnten Altmeistern Nachhilfe nehmen. Ein Beispiel, wie sehr die hemmungslose Sehnsucht vieler Verlage nach Regionalkrimis deren Urteilskraft trübt.
HANNES HINTERMEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei Gründerväter des Noir und zwei Selbstvermarkter
Man kann es einmal mit Quentin Tarantino versuchen - vielleicht hilft das ja. "The Hunter ist ein Klassiker und hat mich stark beeinflusst." So prangt es auf der blutroten Bauchbinde, die der Zsolnay Verlag dem Roman von Richard Stark spendiert hat, der im Original 1964 unter dem Titel "The Hunter" erschienen ist und den die Wiener Tochter des Hanser Verlags am heutigen Montag unter dem Originaltitel auf den Markt bringt, immerhin und zum Glück für die in der Regel nicht verwöhnten Krimileser übersetzt von Nikolaus Stingl (Richard Stark: "The Hunter", Zsolnay Verlag, Wien 2015, 191 S., geb., 17,90 [Euro]).
Das Buch gab es schon früher auf Deutsch, erstmals 1968 bei Ullstein unter dem Titel "Jetzt sind wir quitt"; die Verfilmung John Boormans lief unter dem Titel "Point Blank"; eine Neuauflage bei Ullstein nannte sich 1999 "Payback", so als wäre es gerade egal, was Donald E. Westlake, der sich hinter dem Pseudonym Richard Stark verbirgt, bei der Titelgebung eingefallen ist. Ob "Der Jäger" zu banal geklungen hätte? Vermutlich, nennt sich doch der coole Berufsverbrecher, der zwischen 1962 und 2008 in zwei Dutzend schwarzen Fällen sein fiktionales Unwesen trieb, einfach nur Parker. Er ist spezialisiert auf Raubüberfälle, die er in kleinen Teams organisiert; er hat es auf Banken, Geldtransporte, Juwelierläden abgesehen. Nach getaner Arbeit zieht er sich in ein Urlaubshotel - später in sein Haus am See - zurück und kommt erst wieder hervor, wenn "sein Bargeldbestand unter fünftausend Dollar sank. Er war nie mit einem seiner Jobs in Verbindung gebracht worden, und es gab auf der ganzen Welt keine Polizeiakte über ihn."
Menschen zu töten, das macht er nur, wenn etwas schiefläuft, aber leider läuft eben immer etwas schief, obwohl die Beutezüge akribisch ausgespäht und vorbereitet werden. Gleich mit seinem ersten Auftritt feiert er eine Art Auferstehung: Er hat überlebt, als seine Frau auf ihn schoss, weil ein Mitglied des Verbrechersyndikats namens Outfit sie vor die Wahl stellte - du oder er. Und nun ist Parker zurück in New York, um Rache zu nehmen und sich die 45 000 Dollar wiederzuholen, um die ihn Mal Resnick, aufstiegswilliges Syndikats-Mitglied, aber ein "Angeber und Feigling", beim letzten gemeinsamen Job geprellt hat. Parker, der ehrliche Gangster, der nur will, was ihm zusteht - man folgt ihm immer mit Hingabe bei seiner Abrechnungstour; und dem Zsolnay Verlag sei Dank, dass er uns nun schon zum neunten Mal daran teilnehmen lässt.
Noch eine Ausgrabung, diesmal sogar mit mehr als fünf Jahrzehnten Verspätung zum ersten Mal auf Deutsch: Jim Thompsons Roman "Die Verdammten" (Heyne Hardcore, 302 S., br., 9,99 [Euro]) führt in die flirrend heiße Wüste des westlichen Texas, in die Schatten der Bohrtürme, wo die Zivilisation ein sehr dünner Firnis ist. Der heißblütige Tom Lord, Deputy Sheriff aus alteingesessener Familie, stört die Geschäfte der Ölgesellschaft. Als er bei einem Kampf aus Versehen einen Bohrmeister erschießt, ist er selbst zum Abschuss freigegeben. "Der Abstieg ist immer einfach. Es hatte Jahrhunderte sorgsamer Aufzucht und ein kleines Vermögen gebraucht, um das aus ihm zu machen, was er war. Nun dauerte es weniger als ein Jahr, um ihn vollständig zu demontieren" - epische Wucht und alle Zutaten der Noir-Serie verbinden sich bei Thompson zu einem Drama vor einer Kulisse, die den Akteuren wenig Spielraum lässt.
Um in der Flut der Neuerscheinungen aufzufallen, greifen Autoren mittlerweile zu ausgefeilten PR-Gags. Dass ausgerechnet James Patterson, der in puncto Auflage den Weltspitzenplatz besetzt hält, vorangeht, ist keine Überraschung - er kommt ursprünglich aus der Werbebranche. Für sein neues Buch "Private Vegas" geht er indes ganz neue Wege. Eintausend Exemplare der auf seiner Homepage zu erwerbenden E-Book-Ausgabe haben einen virtuellen Zeitzünder, der das Buch nach vierundzwanzig Stunden löscht; ein einziges gedrucktes Exemplar zum Stückpreis von knapp 300 000 Dollar wird ebenfalls nach dieser Frist explodieren, aber nicht nur virtuell, sondern richtig, wenn auch unter fachkundiger Aufsicht eines Sprengkommandos. Als Entschädigung gibt es ein Abendessen mit dem Autor und ein goldenes Opernglas.
Niemand wird behaupten, dass Tirol ein zentraler Punkt auf der Weltkrimikarte ist, aber auch dort denkt man über crossmediale Vermarktung nach. So hört die ermittelnde LKA-Beamtin Songs im Radio oder aus Nachbarwohnungen, die von ihrem Erfinder stammen. Denn der Innsbrucker Songschreiber Joe Fischler trägt bei Lesungen seines ersten Alpenkrimis "Veilchens Winter" (Haymon, Innsbruck 2015, 286 S., 9,95 [Euro]) Eigenkomponiertes auf der Gitarre vor. Das macht das Buch allerdings keinesfalls zu einer Empfehlung. Wer Bosna mit "gewürzte Bratwurst im Brotmantel" eindeutschen zu müssen glaubt, mag sachlich nicht falsch liegen, sollte aber dringend bei den eingangs erwähnten Altmeistern Nachhilfe nehmen. Ein Beispiel, wie sehr die hemmungslose Sehnsucht vieler Verlage nach Regionalkrimis deren Urteilskraft trübt.
HANNES HINTERMEIER
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