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"Draws on the latest findings in neuroscience to explain how magic deceives us, surprises us, and amazes us, and demonstrates how illusionists skillfully 'hack' our brains to alter how we perceive things and influence what we imagine"--

Produktbeschreibung
"Draws on the latest findings in neuroscience to explain how magic deceives us, surprises us, and amazes us, and demonstrates how illusionists skillfully 'hack' our brains to alter how we perceive things and influence what we imagine"--
Autorenporträt
Jordi Camí is a medical doctor and professor of pharmacology at Pompeu Fabra University in Spain. He is a member of the Spanish Society of Illusionism. Luis M. Martínez is a neuroscientist at the Spanish National Research Council at the Institute of Neuroscience in Alicante.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2022

Auf Illusionen kommt es an

Neuromagie: Jordi Camí und Luis M. Martínez verknüpfen Zauberkünste und Hirnforschung

Das Gehirn des Menschen besteht aus etwa hundert Milliarden Neuronen, die über eine noch wesentlich größere Zahl von Schnittstellen, den Synapsen, miteinander verbunden sind. Seine Erforschung ist ein kompliziertes Unterfangen, das interdisziplinäres Vorgehen erfordert. Neurowissenschaftlich arbeitende Einrichtungen rekrutieren heute Forscher vieler Disziplinen: Medizin, Biologie, Psychologie, Mathematik, Informatik, Physik und auch Ingenieurwissenschaften.

Eher multidisziplinär ist eine Zusammenarbeit, die neuerdings unter dem Namen "Neuromagic" daherkommt. Mithilfe von Zauberkünstlern wollen Neurowissenschaftler den Einfluss von deren Täuschungs- und Manipulationsmethoden auf ein Publikum aus der Perspektive der Hirnforschung untersuchen. Dadurch sollen Erkenntnisse über das menschliche Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen, die Ökonomie der Aufmerksamkeit, nicht bewusst ablaufende Prozesse und vor allem die Beeinflussbarkeit kognitiver Prozesse durch gezielte Beeinflussung (Priming) gewonnen werden.

Gänzlich neu ist das Interesse der Wissenschaft an der Zauberkunst nicht. Schon 1888 erschien erstmals ein Beitrag zu Wahrnehmungstäuschungen, der sich en passant auch mit der Arbeit von Zauberkünstlern befasste. Er stammte aus der Feder des amerikanischen Psychologen Joseph Jastrow, der nicht zuletzt durch seine Experimente mit Kippfiguren bekannt wurde, also Abbildungen, die für den Betrachter spontan ihre Gestalt wechseln und sich etwa von einem Hasen in eine Ente und wieder zurück verwandeln können.

Andere Wissenschaftler nahmen Jastrows Faden auf. So veröffentlichten etwa der französische Intelligenzforscher Alfred Binet oder der deutsche Mediziner und Philosoph Max Dessoir schon bald Abhandlungen, die sich ausschließlich der Psychologie der Zauberkunst widmeten. Parallel dazu entwickelte sich um 1900 eine bemerkenswerte Allianz zwischen Zauberkünstlern und Wissenschaftlern im Kampf gegen den um sich greifenden Spiritismus. Nicht nur durch die tricktechnische Expertise der Zauberer, sondern auch durch die psychologischen Kenntnisse, welche diese sich über viele Generationen gleichsam intuitiv angeeignet hatten, konnten viele spiritistische Experimente als pseudowissenschaftlicher Schwindel enttarnt werden.

Berühmte Magier wie etwa der auch als Entfesselungskünstler bekannte Harry Houdini beteiligten sich an regelrechten Aufklärungskampagnen. Später entstanden erste auf die Beobachtung von Zauberkunststücken gestützte sozialpsychologische Arbeiten über die Rolle unzutreffender Zuschreibungen, welche die fälschliche Annahme beziehungsweise Interpretation von Kausalbeziehungen betrafen.

Eine systematische und über die Psychologie hinausgehende Betrachtung der von Zauberkünstlern entwickelten Strategien, die Wahrnehmungsfähigkeit von Zuschauern zu unterlaufen, hat allerdings erst vor etwa zwei Jahrzehnten begonnen. Es ist kein Zufall, dass zu ihren Pionieren vor allem Wissenschaftler mit einer besonderen Affinität zur Zauberkunst gehören. Zwei von ihnen - der Pharmakologe Jordi Camí und der Hirnforscher Luis M. Martínez - haben mit "The Illusionist Brain" jetzt ein Werk vorgelegt, das allen Anforderungen an eine gute populärwissenschaftliche Darstellung genügt: Jedem interessierten Laien oder Novizen verschafft es verständlich formulierte und fundierte Einsichten sowohl auf dem Feld der Hirnforschung wie auf dem der Zauberei.

Camí und Martínez beginnen mit einer Darstellung des Zusammenwirkens unserer Sinnesorgane mit dem Gehirn. Anhand gut ausgewählter Beispiele und zahlreicher Illustrationen und Videos, die über QR-Codes abrufbar sind, wird Sehen als Leistung unseres Gehirns verständlich gemacht: Es sortiert die ihm übermittelten optischen Signale, verarbeitet sie zu einem Ganzen und sorgt dabei dafür, dass anatomisch und psychologisch bedingte Lücken auf der Grundlage bereits gewonnener Informationen und Erfahrungen beseitigt werden. Erst durch diese Leistung stellt es ein Bild her, das zur Grundlage von bewussten oder unbewussten Reaktionen werden kann.

Die Darstellung der Autoren macht allerdings stets deutlich, dass die Interaktion zwischen visuellen Reizen und dem Erinnerungsvermögen Schwachstellen hat. An diesen kann das menschliche Hirn getäuscht beziehungsweise regelrecht "gehackt" werden. Nicht nur im Kontext der Zauberkunst ist das von Bedeutung. Auch in der Werbung oder der Forensik spielt es eine Rolle. Juristen wissen: Kaum ein Beweismittel ist heikler als eine Zeugenaussage. Viel Raum widmen die Autoren natürlich kognitiven Prozessen, die beim Betrachten von Zauberkunststücken eine Rolle spielen. Dabei wird deutlich, dass etwa die Neigung zur Unterstellung kausaler beziehungsweise linearer Handlungsabläufe und die stetige Suche nach Informationen, die unsere Überzeugungen oder Annahmen bestätigen - der "confirmation bias" -, gravierende Folgen haben können. Sie führen etwa zu mangelnder Empfänglichkeit für eigentlich offenkundige Veränderungen, zum Ausblenden von an sich auffälligen Differenzen zwischen unterschiedlichen Sachverhalten oder zur Unsichtbarkeit von Personen und Objekten, obschon sie im Gesichtsfeld eines Beobachters liegen. Letzteres veranschaulichen Camí und Martínez unter anderem durch das berühmte Experiment "Gorillas in unserer Mitte". Den Betrachtern einer gefilmten Alltagsszene entgeht dabei ein als Gorilla verkleideter Akteur. Zauberkünstler haben diese Form der Unaufmerksamkeitsblindheit intuitiv genutzt, als noch niemand von Neurowissenschaften sprach.

Seriös lässt sich der Wert der Zauberkunst für die Hirnforschung kaum abschätzen. Nicht zu Unrecht weisen Camí und Martínez jedoch darauf hin, dass die Beobachtung eines Publikums, das sich freiwillig und unter den realen Bedingungen einer Zaubervorstellung illusionieren lässt, überkommenen Laborexperimenten überlegen ist. Bei Letzteren würden Hypothesen gewöhnlich als bestätigt gelten, wenn etwa zwei Drittel der Resultate positiv seien. In Zaubervorstellungen hingegen seien andere Werte erreichbar. In der Tat: Ein Zauberkünstler, der nur zwei Drittel seines Publikums verzaubert, kann einpacken. PETER RAWERT

Jordi Camí und Luis M. Martínez: "The Illusionist Brain". The Neuroscience of Magic.

Princeton University Press, Princeton 2022. 248 S., Abb., geb., 28,- Euro.

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