Paris, 1937. Andras Lévi, a Hungarian-Jewish architecture student, arrives from Budapest with a scholarship, a single suitcase, and a mysterious letter he promised to deliver. But when he falls into a complicated relationship with the letter's recipient, he becomes privy to a secret that will alter the course of his-and his family's-history. From the small Hungarian town of Konyár to the grand opera houses of Budapest and Paris, from the despair of Carpathian winter to an unimaginable life in labor camps, The Invisible Bridge tells the story of a family shattered and remade in history's darkest hour.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2011Die Operette passt nicht zum Genozid
Ein Nachfolger von "Doktor Schiwago"? Julie Orringer riskiert viel in ihrem Holocaust-Liebesroman "Die unsichtbare Brücke"
Budapest, 1937. Der zweiundzwanzigjährige Andras Lévi, wie viele Juden in Ungarn durch einen seit 1920 existierenden antisemitischen Numerus clausus vom Zugang zur Universität ausgeschlossen, macht sich auf den Weg nach Paris, wo er dank eines Stipendiums Architektur studieren möchte. Eine ältere, ihm unbekannte Dame bittet ihn, dort einen Brief zu übergeben. Noch im Zug trifft er einen Landsmann, der ihm später Freund und Widersacher zugleich sein wird. Die Zeichen in Europa stehen auf Sturm. Andras, der sich kaum für Politik interessiert, ahnt davon noch wenig.
Bereits kurz nach Studienbeginn muss er erfahren, dass die ungarische Regierung die Konten der jüdischen Stipendiaten im Ausland eingefroren hat. Dank seiner Zugbekanntschaft kommt er an einem Pariser Theater als Laufbursche unter, nach dem Bankrott des Theaters kann er in einer renommierten bühnenbildnerischen Werkstatt arbeiten.
Sein Studium ist zunächst nicht gefährdet. Seine Lehrer, darunter Le Corbusier, loben ihn. Der geheimnisvolle Brief aus Budapest führt ihn zunächst ins Haus und später auch in die Arme der Tanzlehrerin Claire, in die er sich, obwohl die Dame um neun Jahre älter und Mutter einer heranwachsenden Tochter ist, hoffnungslos verliebt.
Was er lange nicht weiß: Seine Angebetete, wie er eine ungarische Jüdin, floh nach einem düsteren Verbrechen, in das sie als Teenager in Ungarn verwickelt wurde, nach Paris, wo sie seitdem mit ihrer Tochter unter falschem Namen lebt. Schon bald wird sie deshalb ihre eigene Familie finanziell ruinieren und auch Andras in Gefahr bringen. Als seinStudentenvisum abläuft, ist Andras gezwungen, die Heimreise anzutreten. Gegen besseres Wissen wird ihn Claire/Klara, die er bald heiratet, begleiten. Ein Zurück nach Paris soll es von da an nicht mehr geben. Immer mehr werden Andras, sein älterer Bruder Tibor, der in Italien Medizin studiert, und der jüngste Bruder Mátyás, ein angehender Fred Astaire, in die Todesmaschinerien der Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts hineingerissen, die nur wenige Mitglieder der Familie und des Freundeskreises der Lévis überleben werden.
Zunächst werden die jungen Männer in die berüchtigten Munkaszolgalat-Einheiten eingezogen, Strafbataillone der ungarischen Armee, die von 1938 an ausschließlich für Juden reserviert waren und aus denen viele nicht zurückkehrten. Die Rekruten wurden zur Minenräumung an vorderster Ostfront eingesetzt oder zur Strafarbeit unter härtesten Bedingungen in den Karpaten. Darüber hat man in der europäischen Literatur wenig gelesen, und hier hat Julie Orringer sorgfältig recherchiert. Der Ton und die Behandlung der Soldaten changiert je nach Persönlichkeit und politischer Anschauung des Kommandeurs zwischen Grausamkeit und einem Mindestmaß an Solidarität.
Im Frühjahr 1944, als die Rote Armee längst gen Westen vorrückte, begannen die Deportationen ungarischer Juden in die Todeslager. Im Juli stoppte Diktator Horthy, dem internationalen und nationalen Druck nachgebend und den Frontverlauf durchaus vor Augen, diese wieder und verschonte damit zunächst einen großen Teil der Budapester Juden. Als im Herbst die faschistische Pfeilkreuzlerpartei die Macht übernahm, wurden in den letzten Kriegsmonaten auch die Budapester Juden deportiert, von denen sich einige wenige - wie im Roman - im Chaos der Bombardements, die auf die Donaumetropole niedergingen, retten konnten. Die Liebesgeschichte zwischen Andras und Klara schleppt sich als reichlich aufgeblasene Exposition allzu lange dahin. Zwar tauchen immer wieder neue Figuren, motivische Facetten und dramaturgische Stolpersteine auf, so dass die Spannung gehalten wird. Zuweilen aber ist das zu schmonzettenhaft für das, was das Buch am Ende sein möchte: ein Roman über den Antisemitismus und die Ermordung der ungarischen Juden. Es scheint, als scheue die junge Autorin davor zurück, ihre Helden in die Arbeits- und Todeslager der Nazis und die Höllen der Kriegsschlachten und des stalinistischen Gulags von Kolyma zu begleiten, was vielleicht auch daran liegen mag, dass die Nicht-Überlebende, das Nicht-Opfer im Roman die Lebensgeschichten ihrer eigenen Großeltern verarbeitet.
Mit dem Erzählungsband "Unter Wasser atmen" legte die 1973 in Miami geborene und heute in Brooklyn lebende Autorin 2005 ein fulminantes Debüt vor. Darin ging es um kleine Gemeinheiten und große Schicksalsschläge auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Ihr episch weit ausholendes Romandebüt, das von der amerikanischen Kritik mit Pasternaks "Doktor Schiwago" verglichen wurde, zeugt von großem Talent.
Was erschüttert, sind nicht die buchstäblich auf den letzten Seiten in einem seltsam neutralen Ton berichteten Greuel, die die schicksallosen Lévis erleiden, sondern die Beschreibung des sich perfide steigernden Antisemitismus, bei dem mancher Leser bittere Bezüge zur aktuellen Lage in Ungarn herstellen mag.
Die Krux dieses Buches bleibt die sich nicht auflösende Spannung zwischen den Genres: einer romantischen Liebesgeschichte mit Happy End in operettenhaft anmutender Szenerie und einem in den Epilog verbannten Roman über die größten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts.
SABINE BERKING
Julie Orringer: "Die unsichtbare Brücke". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2011. 800 S., geb, 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Nachfolger von "Doktor Schiwago"? Julie Orringer riskiert viel in ihrem Holocaust-Liebesroman "Die unsichtbare Brücke"
Budapest, 1937. Der zweiundzwanzigjährige Andras Lévi, wie viele Juden in Ungarn durch einen seit 1920 existierenden antisemitischen Numerus clausus vom Zugang zur Universität ausgeschlossen, macht sich auf den Weg nach Paris, wo er dank eines Stipendiums Architektur studieren möchte. Eine ältere, ihm unbekannte Dame bittet ihn, dort einen Brief zu übergeben. Noch im Zug trifft er einen Landsmann, der ihm später Freund und Widersacher zugleich sein wird. Die Zeichen in Europa stehen auf Sturm. Andras, der sich kaum für Politik interessiert, ahnt davon noch wenig.
Bereits kurz nach Studienbeginn muss er erfahren, dass die ungarische Regierung die Konten der jüdischen Stipendiaten im Ausland eingefroren hat. Dank seiner Zugbekanntschaft kommt er an einem Pariser Theater als Laufbursche unter, nach dem Bankrott des Theaters kann er in einer renommierten bühnenbildnerischen Werkstatt arbeiten.
Sein Studium ist zunächst nicht gefährdet. Seine Lehrer, darunter Le Corbusier, loben ihn. Der geheimnisvolle Brief aus Budapest führt ihn zunächst ins Haus und später auch in die Arme der Tanzlehrerin Claire, in die er sich, obwohl die Dame um neun Jahre älter und Mutter einer heranwachsenden Tochter ist, hoffnungslos verliebt.
Was er lange nicht weiß: Seine Angebetete, wie er eine ungarische Jüdin, floh nach einem düsteren Verbrechen, in das sie als Teenager in Ungarn verwickelt wurde, nach Paris, wo sie seitdem mit ihrer Tochter unter falschem Namen lebt. Schon bald wird sie deshalb ihre eigene Familie finanziell ruinieren und auch Andras in Gefahr bringen. Als seinStudentenvisum abläuft, ist Andras gezwungen, die Heimreise anzutreten. Gegen besseres Wissen wird ihn Claire/Klara, die er bald heiratet, begleiten. Ein Zurück nach Paris soll es von da an nicht mehr geben. Immer mehr werden Andras, sein älterer Bruder Tibor, der in Italien Medizin studiert, und der jüngste Bruder Mátyás, ein angehender Fred Astaire, in die Todesmaschinerien der Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts hineingerissen, die nur wenige Mitglieder der Familie und des Freundeskreises der Lévis überleben werden.
Zunächst werden die jungen Männer in die berüchtigten Munkaszolgalat-Einheiten eingezogen, Strafbataillone der ungarischen Armee, die von 1938 an ausschließlich für Juden reserviert waren und aus denen viele nicht zurückkehrten. Die Rekruten wurden zur Minenräumung an vorderster Ostfront eingesetzt oder zur Strafarbeit unter härtesten Bedingungen in den Karpaten. Darüber hat man in der europäischen Literatur wenig gelesen, und hier hat Julie Orringer sorgfältig recherchiert. Der Ton und die Behandlung der Soldaten changiert je nach Persönlichkeit und politischer Anschauung des Kommandeurs zwischen Grausamkeit und einem Mindestmaß an Solidarität.
Im Frühjahr 1944, als die Rote Armee längst gen Westen vorrückte, begannen die Deportationen ungarischer Juden in die Todeslager. Im Juli stoppte Diktator Horthy, dem internationalen und nationalen Druck nachgebend und den Frontverlauf durchaus vor Augen, diese wieder und verschonte damit zunächst einen großen Teil der Budapester Juden. Als im Herbst die faschistische Pfeilkreuzlerpartei die Macht übernahm, wurden in den letzten Kriegsmonaten auch die Budapester Juden deportiert, von denen sich einige wenige - wie im Roman - im Chaos der Bombardements, die auf die Donaumetropole niedergingen, retten konnten. Die Liebesgeschichte zwischen Andras und Klara schleppt sich als reichlich aufgeblasene Exposition allzu lange dahin. Zwar tauchen immer wieder neue Figuren, motivische Facetten und dramaturgische Stolpersteine auf, so dass die Spannung gehalten wird. Zuweilen aber ist das zu schmonzettenhaft für das, was das Buch am Ende sein möchte: ein Roman über den Antisemitismus und die Ermordung der ungarischen Juden. Es scheint, als scheue die junge Autorin davor zurück, ihre Helden in die Arbeits- und Todeslager der Nazis und die Höllen der Kriegsschlachten und des stalinistischen Gulags von Kolyma zu begleiten, was vielleicht auch daran liegen mag, dass die Nicht-Überlebende, das Nicht-Opfer im Roman die Lebensgeschichten ihrer eigenen Großeltern verarbeitet.
Mit dem Erzählungsband "Unter Wasser atmen" legte die 1973 in Miami geborene und heute in Brooklyn lebende Autorin 2005 ein fulminantes Debüt vor. Darin ging es um kleine Gemeinheiten und große Schicksalsschläge auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Ihr episch weit ausholendes Romandebüt, das von der amerikanischen Kritik mit Pasternaks "Doktor Schiwago" verglichen wurde, zeugt von großem Talent.
Was erschüttert, sind nicht die buchstäblich auf den letzten Seiten in einem seltsam neutralen Ton berichteten Greuel, die die schicksallosen Lévis erleiden, sondern die Beschreibung des sich perfide steigernden Antisemitismus, bei dem mancher Leser bittere Bezüge zur aktuellen Lage in Ungarn herstellen mag.
Die Krux dieses Buches bleibt die sich nicht auflösende Spannung zwischen den Genres: einer romantischen Liebesgeschichte mit Happy End in operettenhaft anmutender Szenerie und einem in den Epilog verbannten Roman über die größten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts.
SABINE BERKING
Julie Orringer: "Die unsichtbare Brücke". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2011. 800 S., geb, 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
A big, generously involving story, utterly convincing in its texture and detail. Beautiful and sad Metro