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The definitive autobiography by renowned Island Records founder Chris Blackwell, looking back across his phenomenal life and career.

Produktbeschreibung
The definitive autobiography by renowned Island Records founder Chris Blackwell, looking back across his phenomenal life and career.
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Autorenporträt
Chris Blackwell
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2023

Erfolg ist ja eine zweitrangige Sache

Mit den großen Musikern am runden Tisch: Chris Blackwell, Plattenproduzent und Gründer von Island Records, blickt auf sein Leben zurück.

Im Jahr 1972 strandete eine jamaikanische Band in einem billigen Londoner Hotel. Abgebrannt, wie sie waren, reichte den Musikern ihr Geld nicht für den Rückflug in die Heimat. Sie hatten von einem Typen namens Blackwell gehört, der zwei ihrer Singles in England herausgebracht haben sollte. Als sie in seinem Büro saßen, fragte er, ob sie eine gute Live-Band seien. "We're great", war die Antwort. Es war die Art, wie der charismatische Bandleader es gesagt hatte, die es ihn glauben machte. Blackwell gab ihnen viertausend Pfund auf die Hand und ließ sie mit dem Versprechen nach Jamaika zurückkehren, sich mit einer musikalischen Gegengabe zu revanchieren. Monate später suchte er sie in Kingston auf, nicht sicher, ob sie ihr Wort halten würden. Doch sie spielten ihm ihre Aufnahmen vor. Sie waren großartig. Das erste Album von Bob Marley and The Wailers für Island Records war nahezu fertig. Es sollte "Catch a Fire" heißen.

Chris Blackwells Autobiographie ist randvoll von Anekdoten, die ein Licht auf den Gründer von Island Records werfen. Die Musiker und Bands des Labels - Cat Stevens und Roxy Music, Robert Palmer, Grace Jones, Melissa Etheridge und U2 - sind legendär. Der Mann, der hinter dieser Geschichte der populären Musik steht, ist kaum bekannt.

Blackwell ist 1937 in England zur Welt gekommen und als Sohn vermögender Eltern auf Jamaika aufgewachsen. Schon früh an Musik interessiert, übernahm er den Job, über Land zu fahren und die Jukeboxes mit Singles zu bestücken. Der Schritt lag nahe, selbst Musik aufzunehmen, um Nachschub für den unersättlichen Appetit der Hörer zu bekommen. 1959 gründete er das Label Island Records, benannt nach dem Roman "Island in the Sun" von Alec Waugh, der 1957 mit Harry Belafonte verfilmt worden war. Die wechselnden Papierlabel auf dem Vinyl spielten mit den Motiven der Sonne, der Insel, einer Palme und dem Meer.

Blackwell produzierte zunächst jamaikanischen Ska und exportierte diese tanzbare Musik nach England. 1962 zog er nach London und fuhr, die Singles im Kofferraum seines Autos, zu den Plattenläden und bot ihnen seine Musik an. 1964 landete er mit "My Boy Lollipop", gesungen von Millie Small, einem Mädchen aus den Slums von Kingston, einen Welthit. Ende der Sechziger setzte sich der Aufstieg mit Bands wie der Spencer Davis Group, Traffic oder Free fort.

Doch es sind nicht die Meilensteine dieser Erfolgsgeschichte, die Blackwells Erinnerungen so lesenswert machen. Es sind die vielen kleinen und großen Momente, die erzählen, wie man die Flamme der Kreativität am Brennen halten kann. Das Aufnehmen von Musik sei ein mysteriöser Vorgang, schreibt Blackwell, und er habe immer dafür gesorgt, dass sich die Musiker zu Hause und wertgeschätzt fühlten.

In seinem Büro besaß er keinen eckigen, sondern einen runden Tisch, an dem jeder Gesprächspartner gleichwertig war. Mit Bob Marley besprach er alles Geschäftliche unter einem großen Baum auf Jamaika, da sich der Rebell mit der Gitarre nicht von einem Weißen über den Tisch ziehen lassen wollte. Für die Mitarbeiter von Island Records gab es keine Berufsbezeichnungen, ihr Talent sollte nicht auf eine Funktion reduziert werden. Blackwell war ein Ermöglicher, kein am Geld interessierter Plattenboss. Viele der heute kanonischen Alben verkauften sich seinerzeit nur mäßig.

Im Studio trug Blackwell am liebsten Shorts und Flip-Flops und praktizierte das Prinzip der offenen Türen: Musiker sollten jederzeit zu den Aufnahme-Sessions stoßen können. Als er zur Fertigstellung von "Catch a Fire" dem Reggae ein Rock-Moment hinzufügen wollte, lief ihm im Gebäude von Island Records Wayne Perkins über den Weg. Dessen spontan eingespielte Gitarre ist auf "Concrete Jungle", "Stir It Up" und "Baby We've Got a Date" zu hören.

Als Produzent besaß Blackwell ein untrügliches Gespür für gute Songs. An Cat Stevens war er nicht interessiert, er mochte dessen an Musicals orientierte Alben nicht, auf denen Lieder mit so simplen Texten wie "I love my dog as much as I love you" zu hören waren. Als ihm Stevens einen Song nach dem anderen vorspielte, winkte Blackwell ab. Erst als er "Father and Son" hörte, war er entflammt. Nur aufgrund dieses einen Liedes nahm er den Songwriter unter Vertrag, im Vertrauen auf das Kommende.

Blackwell war ein Wünschelrutengänger für unerhörte Musik. Als ihm zu Ohren kam, dass Elektra/Asylum Records die Aufnahmen für ein weiteres Album von Tom Waits nicht veröffentlichen wollte, war er sofort daran interessiert. Was musste das für eine Musik sein, die einen Rauswurf provozierte? Er nahm den Geschassten kurzerhand unter Vertrag, ließ ihm alle Freiheit und brachte das abgelehnte Album "Swordfishtrombones" heraus. Es verkaufte sich schlecht, wird aber noch heute gehört.

Ein Stück Musikgeschichte ist auch die Zusammenarbeit mit Joe Boyd. Der Amerikaner hatte in London eine Produktionsfirma aufgemacht und ließ sich dafür gewinnen, für Island Records Musiker des entstehenden britischen Folk-Rock zu produzieren. Fairport Convention, John Martyn oder Richard und Linda Thompson stießen so zu dem Label. Und so kam es, dass auch der bedeutendste Erfolglose des vergangenen Jahrhunderts seine drei Alben für Island Records aufnahm: Nick Drake. Es gehört zu den berührenden Szenen des Buches, wenn Blackwell davon erzählt, wie ihm Drake bei ihrem letzten Treffen persönlich das Mastertape seines Meisterwerks "Pink Moon" zwei Jahre vor dessen Tod überreicht hat. Blackwell hatte ihm die Treue gehalten, trotz des bodenlosen Misserfolgs seiner Alben. Er glaubte an seine Künstler und wollte Musik aufnehmen, die von Dauer sein würde. Das ist ihm überraschend oft gelungen.

Vielleicht ist das der Schlüssel zu seiner Arbeit. Blackwell kennt etwas Größeres als den Erfolg: die Liebe zur Musik. Als Island Records mit Bands wie U2 - die er unter Vertrag genommen hatte, nachdem er sie in einem Londoner Club vor fünfzig Leuten hatte spielen sehen - in die oberste Liga mit Millionenumsätzen aufstieg, verlor er das Interesse und verkaufte 1989 das Label. Heute lebt der Fünfundachtzigjährige auf Jamaika. Am heutigen Dienstag wird ihm in Stockholm der Polar Music Prize für sein Lebenswerk verliehen. Er habe den Musikern dazu verholfen, die beste Version ihrer selbst zu werden, heißt es in der Begründung. Blackwell selbst sieht sein Talent lediglich darin, Kreativität ermöglicht und den Musikern Raum gegeben zu haben: "Du gehst einfach aus dem Weg und lässt sie ihr Ding machen." JÜRGEN GOLDSTEIN

Chris Blackwell mit Paul Morley: "The Islander". My Life in Music and Beyond.

Nine Eight Books, London 2022. 416 S., geb., 24,99 Euro.

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