From the invasion of Italy to the gates of Dachau, no World War II infantry unit in Europe saw more action or endured worse than the one commanded by Felix Sparks. A maverick officer - and the only man to survive his company's wartime odyssey from bitter beginning to victorious end. This book tells his story.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2014Der Papierkorb kennt die Wahrheit
An vorderster Front: Alex Kershaws Buch über einen amerikanischen Offizier und das "Dachau-Massaker"
Populäre Geschichtsschreibung, zumal aus dem englischen Sprachraum, steht zu Unrecht in Verruf. Sie füllt eine Lücke, besonders in Ländern, in denen wie bei uns das Erzähltalent der akademischen Elite nicht übermäßig ausgeprägt ist. Und doch wird man mit Alex Kershaws "Befreier" nicht glücklich. Kershaw, Journalist und Fernsehautor, hat neben einer Biographie des Fotografen Robert Capa mehrere Bücher über den Zweiten Weltkrieg veröffentlicht, darunter eine Schilderung der Luftschlacht um England und eine Chronik der Ardennenoffensive ("The Longest Winter"). Sein Schreiben spielt, wie das anderer populärer Militärhistoriker, an der Grenze zwischen Dokument und Fiktion, dort, wo sich die Aussagen der Zeitzeugen mit der freien literarischen Ausmalung ihrer Erlebnisse mischen.
"Der Befreier", Kershaws jüngstes Werk, folgt den Spuren von Felix Sparks, der im Zweiten Weltkrieg ein Bataillon der 45. US-Infanteriedivision kommandierte und bis zum Rang eines Colonels aufstieg. Ins Licht der Zeitgeschichte trat Sparks, als er am 29. April mit seiner Einheit das Konzentrationslager Dachau befreite und dabei zum Zeugen und Mitverantwortlichen des sogenannten Dachau-Massakers wurde, der Tötung von gefangenen SS-Wachen und mutmaßlichen Denunzianten durch amerikanische Armeeangehörige und überlebende Lagerhäftlinge. Zuvor aber hatte er die Kämpfe um Sizilien und den alliierten Brückenkopf von Anzio, die Winterschlacht in den Vogesen und die Eroberung der "Festungsstadt" Aschaffenburg an vorderster Front mitgemacht, und diesem Soldatenschicksal widmet Kershaw dreihundert von vierhundert Seiten seines Buchs.
Haben wir eben von "literarischer Ausmalung" gesprochen? Nun, bei Kershaw muss man das Literarische in dicke Anführungszeichen setzen. Über die Gefühle von Soldaten unter feindlichen Beschuss hat er Folgendes mitzuteilen: "Das unablässige Knallen und Krachen konnte den Unerschütterlichsten zermürben." Beim Vormarsch nach Nazi-Deutschland stoßen Sparks' Männer "auf wirklich überwältigenden Widerstand". Dennoch "bestand kaum Angst" bei ihnen, denn die Vorstellung, kampflos zurückzugehen, "fühlte sich nicht gut an". Im Osten nähert sich bereits "Stalins tobende Rote Armee", und nur die SS, "brutal und unendlich gewalttätig", leistet noch Gegenwehr, denn Hitler hat sie, wie alle Deutschen, in einen "wirbelnden Teufelskreis von wachsendem Nihilismus" gebannt. Am Ende, nachdem "der letzte Schusswirbel verklungen" ist, haben die Alliierten "schwindelerregende fünf Millionen Gefangene" gemacht.
Manche dieser martialischen Peinlichkeiten mögen sich der Übersetzung von Birgit Brandau verdanken, die offensichtlich ihre schwere Not damit hatte, Kershaws Stammtischprosa ins Deutsche zu bringen. Auf Dauer kommt man dennoch kaum um die Einsicht herum, dass die Kriegsschilderungen dieses Buches hauptsächlich aus Versatzstücken anderer, nicht unbedingt besserer Autoren bestehen. Was aber bei Kershaw, anders als etwa bei Stephen Ambrose ("Citizen Soldiers"), besonders irritiert, ist die Tatsache, dass er die Möglichkeiten, die in seinem Stoff gelegen hätten, auf eklatante Weise missachtet. Kershaw hat sein Thema nicht nur verschenkt. Er hat es ignoriert.
Denn Felix Sparks, der im Zuge des Vormarschs zum Obersalzberg den Auftrag bekam, mit seinen Männern einen Lagerkomplex nahe München zu besetzen, von dessen Insassen er sich nur vage Vorstellungen machte, hat das Dachau-Massaker - dessen filmische Version Martin Scorsese vor drei Jahren in "Shutter Island" lieferte - nicht bloß mit angesehen, sondern offenbar Schlimmeres verhindert. Eine Serie von vier Fotografien, die am Anfang des Buches zu sehen ist, zeigt Sparks, wie er mit seiner Offizierspistole in die Luft schießt, um Soldaten seines Bataillons davon abzuhalten, weiter auf die an einer Wand aufgereihten SS-Wachen zu feuern. Dennoch starben an diesem Vormittag im Mai etwa vierzig Menschen als Vergeltung für die Verbrechen, die in Dachau verübt worden waren. Der amerikanische General Linden, Kommandeur einer weiteren Infanteriedivision, der in Begleitung der Kriegsreporterin Marguerite Higgins ins Lager kam und zu den Häftlingen vorzudringen versuchte, wurde von Sparks mit der Waffe in der Hand gezwungen, das Gelände zu verlassen. Auch siebzig Jahre nach Kriegsende ist nicht völlig klar, was genau an jenem Tag in Dachau geschah.
In diesem geschichtlichen Nebel breiteten sich, je länger das Geschehen selbst zurücklag, immer mehr Legenden und Halbwahrheiten aus. Der Revisionist Erich Kern nahm das Massaker in seine Liste alliierter Kriegsverbrechen an Deutschen auf. Der Bataillonsarzt Howard Buechner, der von einer Untersuchungskommission der U.S. Army nach dem Krieg als einer der Hauptverantwortlichen für die Erschießungen benannt worden war, schob die Schuld in seinen Erinnerungen auf Sparks und dessen Untergebene. Kershaw hält Buechners "Märchen" die Fotos von Sparks und ein Zitat aus dem 1991 wiederentdeckten Untersuchungsbericht entgegen. Aber er macht sich nicht die Mühe, zu untersuchen, in welchem Meinungsklima der Fall erst in den vierziger und dann in den achtziger Jahren verhandelt wurde. Lieber lässt er den amerikanischen Nationalhelden Patton auftreten, der den Bericht über Sparks mit großer Geste im Papierkorb versenkt. Auch so kann man sich vor einer Aufgabe drücken.
Darin nämlich hätte die Herausforderung dieses Buches gelegen: die Geschichte eines Vorfalls aufzublättern, der in den Augen der Nachwelt in immer neuen Färbungen erscheint. Nicht die eine Wahrheit, sondern die vielen Wahrnehmungen zu schildern, die sich um den dunklen Kern des historischen Geschehens herum anlagern. Stattdessen erzählt uns Kershaw ein Soldatenleben im Landserjargon mit einer besinnlichen KZ-Episode am Schluss. Nichts gegen die populäre Geschichtsschreibung. Aber hier grenzt das Populäre ans Ordinäre.
ANDREAS KILB
Alex Kershaw: "Der Befreier". Die Geschichte eines amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Aus dem Englischen von Birgit Brandau. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2014. 488 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
An vorderster Front: Alex Kershaws Buch über einen amerikanischen Offizier und das "Dachau-Massaker"
Populäre Geschichtsschreibung, zumal aus dem englischen Sprachraum, steht zu Unrecht in Verruf. Sie füllt eine Lücke, besonders in Ländern, in denen wie bei uns das Erzähltalent der akademischen Elite nicht übermäßig ausgeprägt ist. Und doch wird man mit Alex Kershaws "Befreier" nicht glücklich. Kershaw, Journalist und Fernsehautor, hat neben einer Biographie des Fotografen Robert Capa mehrere Bücher über den Zweiten Weltkrieg veröffentlicht, darunter eine Schilderung der Luftschlacht um England und eine Chronik der Ardennenoffensive ("The Longest Winter"). Sein Schreiben spielt, wie das anderer populärer Militärhistoriker, an der Grenze zwischen Dokument und Fiktion, dort, wo sich die Aussagen der Zeitzeugen mit der freien literarischen Ausmalung ihrer Erlebnisse mischen.
"Der Befreier", Kershaws jüngstes Werk, folgt den Spuren von Felix Sparks, der im Zweiten Weltkrieg ein Bataillon der 45. US-Infanteriedivision kommandierte und bis zum Rang eines Colonels aufstieg. Ins Licht der Zeitgeschichte trat Sparks, als er am 29. April mit seiner Einheit das Konzentrationslager Dachau befreite und dabei zum Zeugen und Mitverantwortlichen des sogenannten Dachau-Massakers wurde, der Tötung von gefangenen SS-Wachen und mutmaßlichen Denunzianten durch amerikanische Armeeangehörige und überlebende Lagerhäftlinge. Zuvor aber hatte er die Kämpfe um Sizilien und den alliierten Brückenkopf von Anzio, die Winterschlacht in den Vogesen und die Eroberung der "Festungsstadt" Aschaffenburg an vorderster Front mitgemacht, und diesem Soldatenschicksal widmet Kershaw dreihundert von vierhundert Seiten seines Buchs.
Haben wir eben von "literarischer Ausmalung" gesprochen? Nun, bei Kershaw muss man das Literarische in dicke Anführungszeichen setzen. Über die Gefühle von Soldaten unter feindlichen Beschuss hat er Folgendes mitzuteilen: "Das unablässige Knallen und Krachen konnte den Unerschütterlichsten zermürben." Beim Vormarsch nach Nazi-Deutschland stoßen Sparks' Männer "auf wirklich überwältigenden Widerstand". Dennoch "bestand kaum Angst" bei ihnen, denn die Vorstellung, kampflos zurückzugehen, "fühlte sich nicht gut an". Im Osten nähert sich bereits "Stalins tobende Rote Armee", und nur die SS, "brutal und unendlich gewalttätig", leistet noch Gegenwehr, denn Hitler hat sie, wie alle Deutschen, in einen "wirbelnden Teufelskreis von wachsendem Nihilismus" gebannt. Am Ende, nachdem "der letzte Schusswirbel verklungen" ist, haben die Alliierten "schwindelerregende fünf Millionen Gefangene" gemacht.
Manche dieser martialischen Peinlichkeiten mögen sich der Übersetzung von Birgit Brandau verdanken, die offensichtlich ihre schwere Not damit hatte, Kershaws Stammtischprosa ins Deutsche zu bringen. Auf Dauer kommt man dennoch kaum um die Einsicht herum, dass die Kriegsschilderungen dieses Buches hauptsächlich aus Versatzstücken anderer, nicht unbedingt besserer Autoren bestehen. Was aber bei Kershaw, anders als etwa bei Stephen Ambrose ("Citizen Soldiers"), besonders irritiert, ist die Tatsache, dass er die Möglichkeiten, die in seinem Stoff gelegen hätten, auf eklatante Weise missachtet. Kershaw hat sein Thema nicht nur verschenkt. Er hat es ignoriert.
Denn Felix Sparks, der im Zuge des Vormarschs zum Obersalzberg den Auftrag bekam, mit seinen Männern einen Lagerkomplex nahe München zu besetzen, von dessen Insassen er sich nur vage Vorstellungen machte, hat das Dachau-Massaker - dessen filmische Version Martin Scorsese vor drei Jahren in "Shutter Island" lieferte - nicht bloß mit angesehen, sondern offenbar Schlimmeres verhindert. Eine Serie von vier Fotografien, die am Anfang des Buches zu sehen ist, zeigt Sparks, wie er mit seiner Offizierspistole in die Luft schießt, um Soldaten seines Bataillons davon abzuhalten, weiter auf die an einer Wand aufgereihten SS-Wachen zu feuern. Dennoch starben an diesem Vormittag im Mai etwa vierzig Menschen als Vergeltung für die Verbrechen, die in Dachau verübt worden waren. Der amerikanische General Linden, Kommandeur einer weiteren Infanteriedivision, der in Begleitung der Kriegsreporterin Marguerite Higgins ins Lager kam und zu den Häftlingen vorzudringen versuchte, wurde von Sparks mit der Waffe in der Hand gezwungen, das Gelände zu verlassen. Auch siebzig Jahre nach Kriegsende ist nicht völlig klar, was genau an jenem Tag in Dachau geschah.
In diesem geschichtlichen Nebel breiteten sich, je länger das Geschehen selbst zurücklag, immer mehr Legenden und Halbwahrheiten aus. Der Revisionist Erich Kern nahm das Massaker in seine Liste alliierter Kriegsverbrechen an Deutschen auf. Der Bataillonsarzt Howard Buechner, der von einer Untersuchungskommission der U.S. Army nach dem Krieg als einer der Hauptverantwortlichen für die Erschießungen benannt worden war, schob die Schuld in seinen Erinnerungen auf Sparks und dessen Untergebene. Kershaw hält Buechners "Märchen" die Fotos von Sparks und ein Zitat aus dem 1991 wiederentdeckten Untersuchungsbericht entgegen. Aber er macht sich nicht die Mühe, zu untersuchen, in welchem Meinungsklima der Fall erst in den vierziger und dann in den achtziger Jahren verhandelt wurde. Lieber lässt er den amerikanischen Nationalhelden Patton auftreten, der den Bericht über Sparks mit großer Geste im Papierkorb versenkt. Auch so kann man sich vor einer Aufgabe drücken.
Darin nämlich hätte die Herausforderung dieses Buches gelegen: die Geschichte eines Vorfalls aufzublättern, der in den Augen der Nachwelt in immer neuen Färbungen erscheint. Nicht die eine Wahrheit, sondern die vielen Wahrnehmungen zu schildern, die sich um den dunklen Kern des historischen Geschehens herum anlagern. Stattdessen erzählt uns Kershaw ein Soldatenleben im Landserjargon mit einer besinnlichen KZ-Episode am Schluss. Nichts gegen die populäre Geschichtsschreibung. Aber hier grenzt das Populäre ans Ordinäre.
ANDREAS KILB
Alex Kershaw: "Der Befreier". Die Geschichte eines amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Aus dem Englischen von Birgit Brandau. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2014. 488 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Exceptional... A worthy addition to vibrant classics of small-unit history like Stephen Ambrose's Band of Brothers. Wall Street Journal