Richard Strauss saw an empire come and go, survived two world wars, witnessed the rise and fall of the Weimar Republic, endured the period of National Socialism, and died the year that Germany was officially divided into two separate states. All the while he enjoyed a successful career as composer, as conductor of international stature, as organizer for the rights of composers, and as colleague of and collaborator with some of the most important composers, writers, and artists of his day. This biography covers Strauss's early musical development, his emergence as a tone poet in the late nineteenth century, his turn to the stage at the beginning of the twentieth century, the successes and failures of the post-World War I era, the turbulent 1930s, and the period of the Second World War and its aftermath.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2014Die Schattenseiten des Richard Strauss
Das unschöne Verhalten des Komponisten in der Nazi-Zeit wurde lange beschwiegen und beschönigt, aber nicht angemessen beschrieben. Traut sich Bryan Gilliam an diesen brisanten Stoff?
Das Jubiläumsjahr - Richard Strauss wurde 1864 geboren - nimmt langsam Fahrt auf. Die bisher schon nicht geringe Zahl der Strauss-Aufführungen nimmt zu, die ersten Bücher sind angekündigt oder bereits erschienen. Rund um den Geburtstag am 11. Juni wird das alles seinen Höhepunkt erreichen. Bryan Gilliam, international renommierter amerikanischer Strauss-Forscher, hatte 1999 eine kurzgefasste englische Darstellung des Lebens vorgelegt, die jetzt in einer gelungenen deutschen Übersetzung erscheint.
Bei solchen Neufassungen in anderen Sprachen ist eine der ersten Fragen immer die, ob das Buch auf den Stand der Zeit gebracht wurde. Das Literaturverzeichnis enthält zwar einige, vor allem englischsprachige Titel, die nach 1999 erschienen sind, aber die Spuren einer Einarbeitung neuer Erkenntnisse, neuerer Literatur sind eher schwach. Das in seiner gelungenen Mischung aus Lebensbericht und Werkanalyse wesentlichste Strauss-Buch der letzten Jahrzehnte, Michael Walters "Richard Strauss und seine Zeit" (2000), ist beispielsweise nicht berücksichtigt, eine Auseinandersetzung mit diesem durchaus kritischen Blick auf Leben und Werk wäre nützlich gewesen. Walter Werbecks grundlegender Strauss-Artikel in "Musik in Geschichte und Gegenwart" fehlt ebenso wie Michael Katers Buch "Composer of the Nazi Era" (2000), das den Blick auf das Verhalten von Strauss im "Dritten Reich" hätte schärfen können.
Es geht einem ja mit Strauss ganz merkwürdig, und darin ist er nur mit Richard Wagner zu vergleichen: Seinem Welterfolg, der vor allem auf einer Handvoll Opern beruht, und seiner entsprechenden Beliebtheit und gewaltigen Anhängerschaft steht eine kleine Zahl von ,Nörglern' gegenüber, an die "Widersacher" aus dem "Heldenleben" erinnernd, die nicht davon ablassen, sich an Strauss' Haltung im "Dritten Reich" zu reiben, aber auch an einigen seiner Werke und seiner kompositorischen Haltung insgesamt Kritik zu üben (so Theodor W. Adorno 1964 in einem fulminanten Essay). Manche von ihnen nehmen dabei, meist ohne es zu wissen, die Haltung des mit Abstand wichtigsten Librettisten von Strauss, Hugo von Hofmannsthal, auf, der im Juli 1914, also immerhin nach "Elektra", "Rosenkavalier" und der ersten Fassung der "Ariadne auf Naxos", in einem Brief schreibt: "Hätt ich einen Komponisten, der minder berühmt aber meinem Herzen näher, meiner Geistesart verwandter wäre, da wärs mir freilich wohler."
Dem Strauss-Forscher Gilliam sind zahlreiche erhellende Arbeiten zu verdanken. Es gelingt ihm, was keine geringe Leistung ist, auf etwas über zweihundert Seiten dieses lange, reiche und lange Zeit von Glück verwöhnte Leben (Thomas Mann prägte einmal den Ausdruck "Erfolgswindbeutelei") präzise zu umreißen. Von einer Biographie dieses Umfangs darf man keine tieflotenden Werkanalysen erwarten, aber Gilliam ist auch in seinen kurzen Darstellungen in diesem Bereich merklich sicher im Sattel, obwohl in seiner Perspektive ein Höhepunkt den anderen übertrifft - so wird auch die problematische "Frau ohne Schatten" zum einzigartigen Kunstwerk.
Die Schwäche des Buches liegt in der eher weich gezeichneten Sicht auf den Zeitgenossen Strauss. Das betrifft keineswegs nur die Zeit des "Dritten Reichs", die in den Umrissen korrekt behandelt wird. Mit einer Bemerkung wie: "Strauss leistete kaum besonders mutigen Widerstand in diesen düsteren zwölf Jahren" ist allerdings ein Ton angeschlagen, der der Sachlage nicht völlig gerecht wird. Der entscheidende Mentor des jungen Strauss, Alexander Ritter, erhält seinen gebührenden Stellenwert; dass es sich aber bei ihm um einen glühenden Antisemiten handelte, wird nicht berichtet.
Dass sich der junge Strauss und Cosima Wagner in ihrem Briefwechsel antisemitische Bälle zuwarfen, wird nicht erwähnt. Dass sich Strauss in tiefsitzenden Ressentiments gegen die Musik seiner Zeit verstrickte, hätte deutlicher gemacht werden müssen. 1934 beschimpft er brieflich am Beispiel der "Lulu"-Orchesterstücke von Alban Berg die ganze Richtung als Zeichen von "Impotenz" und als "aufgelegten Schund", und diese Ressentiments verloren sich nicht: noch 1948 schleudert er das diffamierende Wort "Emigrantenschwindel" in die gleiche Richtung. Die zunehmende schwere Belastung der Familie durch die Existenz der jüdischen Schwiegertochter ist fraglos, aber das entschuldigt nicht alles an Kompromissen, die Strauss mit dem NS-System einging und keineswegs nur bis zum erzwungenen Rücktritt von der Leitung der Reichmusikkammer 1935.
Immer wieder werden die Biographien von Gustaf Gründgens und Wilhelm Furtwängler um- und umgegraben, was seine Berechtigung hat. Aber der Fall Strauss ist der problematischste von allen großen Künstlern, die sich auf verschiedene Weisen mit dem "Dritten Reich" einließen. Und auch wenn man dies und das entschuldigen mag und auch wenn man ohne Abstriche feststellen kann, dass Strauss kein Nationalsozialist und kein in der Wolle gefärbter Antisemit wie Richard Wagner war, so wird man ihm doch beispielsweise nicht nachsehen können, dass er seine Unterschrift unter den infamen "Protest der Richard-Wagner-Stadt München" gegen Thomas Mann vom April 1933 gesetzt hat - auch hier waren Ressentiments wirksam.
Dieser "Protest" war, wie der Betroffene am schärfsten erkannte, ein Fanal der "nationalen Exkommunikation" und eine "lebensgefährliche Denunziation" - ihn unterschrieben zu haben ist unverzeihlich. Dass diese keineswegs ephemere, sondern ins Zentrum von Strauss' politisch-moralischer Verfasstheit zielende Episode bei Gilliam nicht vorkommt, ist bedauerlich. Der der Strauss-Verachtung völlig unverdächtige deutsch-kanadische Historiker Michael Kater, der sich intensiv mit dem Zeitgenossen Strauss befasst hat, schreibt von dessen "Eitelkeit, verbunden mit einer allgemeinen moralischen und politischen Gleichgültigkeit" - treffender kann man es nicht sagen, und diese Diagnose, die eben nicht nur zwölf Jahre betrifft, müsste in einer Biographie deutlicher diskutiert werden.
Es ist nicht so, dass Gilliams Buch etwas massiv verharmlost oder gar falsch darstellt. Aber die durchaus verstehbare Begeisterung für seinen Heros lässt Gilliam die ganze Gestalt in ein etwas zu mildes Licht rücken. Es gibt ein Foto aus dem Wien des Jahres 1943, aufgenommen bei einem Festakt im Wiener Rathaus. Neben dem alten Strauss stehen NS-Würdenträger, die den rechten Arm stramm emporreißen und siegheilig nach vorne blicken. Strauss jedoch schaut mürrisch zum Fotografen, winkelt den rechten Unterarm an und krümmt die Hand, als wolle er einen Tennisball auffangen.
Aus dieser tragikomisch verkorksten Geste ließe sich seine Haltung gegenüber dieser Epoche, die er sich nicht ausgesucht hatte, präzise entwickeln. Gerade im Jubiläumsjahr wäre es an der Zeit, eine breitere Öffentlichkeit mit diesen Tatsachen, die immer noch nur in bruchstückhaften Anekdoten kursieren, sine ira et studio zu konfrontieren. Dafür ist nach wie vor über die ansonsten solide Information durch Bryan Gilliam hinaus ein Griff zu Michael Walters unüberholter Darstellung nötig. Der Weltruhm von Richard Strauss müsste das doch aushalten.
JENS MALTE FISCHER
Bryan Gilliam: "Richard Strauss". Magier der Töne. Aus dem Englischen von Ulla Höber. Verlag C. H. Beck, München 2014. 235 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das unschöne Verhalten des Komponisten in der Nazi-Zeit wurde lange beschwiegen und beschönigt, aber nicht angemessen beschrieben. Traut sich Bryan Gilliam an diesen brisanten Stoff?
Das Jubiläumsjahr - Richard Strauss wurde 1864 geboren - nimmt langsam Fahrt auf. Die bisher schon nicht geringe Zahl der Strauss-Aufführungen nimmt zu, die ersten Bücher sind angekündigt oder bereits erschienen. Rund um den Geburtstag am 11. Juni wird das alles seinen Höhepunkt erreichen. Bryan Gilliam, international renommierter amerikanischer Strauss-Forscher, hatte 1999 eine kurzgefasste englische Darstellung des Lebens vorgelegt, die jetzt in einer gelungenen deutschen Übersetzung erscheint.
Bei solchen Neufassungen in anderen Sprachen ist eine der ersten Fragen immer die, ob das Buch auf den Stand der Zeit gebracht wurde. Das Literaturverzeichnis enthält zwar einige, vor allem englischsprachige Titel, die nach 1999 erschienen sind, aber die Spuren einer Einarbeitung neuer Erkenntnisse, neuerer Literatur sind eher schwach. Das in seiner gelungenen Mischung aus Lebensbericht und Werkanalyse wesentlichste Strauss-Buch der letzten Jahrzehnte, Michael Walters "Richard Strauss und seine Zeit" (2000), ist beispielsweise nicht berücksichtigt, eine Auseinandersetzung mit diesem durchaus kritischen Blick auf Leben und Werk wäre nützlich gewesen. Walter Werbecks grundlegender Strauss-Artikel in "Musik in Geschichte und Gegenwart" fehlt ebenso wie Michael Katers Buch "Composer of the Nazi Era" (2000), das den Blick auf das Verhalten von Strauss im "Dritten Reich" hätte schärfen können.
Es geht einem ja mit Strauss ganz merkwürdig, und darin ist er nur mit Richard Wagner zu vergleichen: Seinem Welterfolg, der vor allem auf einer Handvoll Opern beruht, und seiner entsprechenden Beliebtheit und gewaltigen Anhängerschaft steht eine kleine Zahl von ,Nörglern' gegenüber, an die "Widersacher" aus dem "Heldenleben" erinnernd, die nicht davon ablassen, sich an Strauss' Haltung im "Dritten Reich" zu reiben, aber auch an einigen seiner Werke und seiner kompositorischen Haltung insgesamt Kritik zu üben (so Theodor W. Adorno 1964 in einem fulminanten Essay). Manche von ihnen nehmen dabei, meist ohne es zu wissen, die Haltung des mit Abstand wichtigsten Librettisten von Strauss, Hugo von Hofmannsthal, auf, der im Juli 1914, also immerhin nach "Elektra", "Rosenkavalier" und der ersten Fassung der "Ariadne auf Naxos", in einem Brief schreibt: "Hätt ich einen Komponisten, der minder berühmt aber meinem Herzen näher, meiner Geistesart verwandter wäre, da wärs mir freilich wohler."
Dem Strauss-Forscher Gilliam sind zahlreiche erhellende Arbeiten zu verdanken. Es gelingt ihm, was keine geringe Leistung ist, auf etwas über zweihundert Seiten dieses lange, reiche und lange Zeit von Glück verwöhnte Leben (Thomas Mann prägte einmal den Ausdruck "Erfolgswindbeutelei") präzise zu umreißen. Von einer Biographie dieses Umfangs darf man keine tieflotenden Werkanalysen erwarten, aber Gilliam ist auch in seinen kurzen Darstellungen in diesem Bereich merklich sicher im Sattel, obwohl in seiner Perspektive ein Höhepunkt den anderen übertrifft - so wird auch die problematische "Frau ohne Schatten" zum einzigartigen Kunstwerk.
Die Schwäche des Buches liegt in der eher weich gezeichneten Sicht auf den Zeitgenossen Strauss. Das betrifft keineswegs nur die Zeit des "Dritten Reichs", die in den Umrissen korrekt behandelt wird. Mit einer Bemerkung wie: "Strauss leistete kaum besonders mutigen Widerstand in diesen düsteren zwölf Jahren" ist allerdings ein Ton angeschlagen, der der Sachlage nicht völlig gerecht wird. Der entscheidende Mentor des jungen Strauss, Alexander Ritter, erhält seinen gebührenden Stellenwert; dass es sich aber bei ihm um einen glühenden Antisemiten handelte, wird nicht berichtet.
Dass sich der junge Strauss und Cosima Wagner in ihrem Briefwechsel antisemitische Bälle zuwarfen, wird nicht erwähnt. Dass sich Strauss in tiefsitzenden Ressentiments gegen die Musik seiner Zeit verstrickte, hätte deutlicher gemacht werden müssen. 1934 beschimpft er brieflich am Beispiel der "Lulu"-Orchesterstücke von Alban Berg die ganze Richtung als Zeichen von "Impotenz" und als "aufgelegten Schund", und diese Ressentiments verloren sich nicht: noch 1948 schleudert er das diffamierende Wort "Emigrantenschwindel" in die gleiche Richtung. Die zunehmende schwere Belastung der Familie durch die Existenz der jüdischen Schwiegertochter ist fraglos, aber das entschuldigt nicht alles an Kompromissen, die Strauss mit dem NS-System einging und keineswegs nur bis zum erzwungenen Rücktritt von der Leitung der Reichmusikkammer 1935.
Immer wieder werden die Biographien von Gustaf Gründgens und Wilhelm Furtwängler um- und umgegraben, was seine Berechtigung hat. Aber der Fall Strauss ist der problematischste von allen großen Künstlern, die sich auf verschiedene Weisen mit dem "Dritten Reich" einließen. Und auch wenn man dies und das entschuldigen mag und auch wenn man ohne Abstriche feststellen kann, dass Strauss kein Nationalsozialist und kein in der Wolle gefärbter Antisemit wie Richard Wagner war, so wird man ihm doch beispielsweise nicht nachsehen können, dass er seine Unterschrift unter den infamen "Protest der Richard-Wagner-Stadt München" gegen Thomas Mann vom April 1933 gesetzt hat - auch hier waren Ressentiments wirksam.
Dieser "Protest" war, wie der Betroffene am schärfsten erkannte, ein Fanal der "nationalen Exkommunikation" und eine "lebensgefährliche Denunziation" - ihn unterschrieben zu haben ist unverzeihlich. Dass diese keineswegs ephemere, sondern ins Zentrum von Strauss' politisch-moralischer Verfasstheit zielende Episode bei Gilliam nicht vorkommt, ist bedauerlich. Der der Strauss-Verachtung völlig unverdächtige deutsch-kanadische Historiker Michael Kater, der sich intensiv mit dem Zeitgenossen Strauss befasst hat, schreibt von dessen "Eitelkeit, verbunden mit einer allgemeinen moralischen und politischen Gleichgültigkeit" - treffender kann man es nicht sagen, und diese Diagnose, die eben nicht nur zwölf Jahre betrifft, müsste in einer Biographie deutlicher diskutiert werden.
Es ist nicht so, dass Gilliams Buch etwas massiv verharmlost oder gar falsch darstellt. Aber die durchaus verstehbare Begeisterung für seinen Heros lässt Gilliam die ganze Gestalt in ein etwas zu mildes Licht rücken. Es gibt ein Foto aus dem Wien des Jahres 1943, aufgenommen bei einem Festakt im Wiener Rathaus. Neben dem alten Strauss stehen NS-Würdenträger, die den rechten Arm stramm emporreißen und siegheilig nach vorne blicken. Strauss jedoch schaut mürrisch zum Fotografen, winkelt den rechten Unterarm an und krümmt die Hand, als wolle er einen Tennisball auffangen.
Aus dieser tragikomisch verkorksten Geste ließe sich seine Haltung gegenüber dieser Epoche, die er sich nicht ausgesucht hatte, präzise entwickeln. Gerade im Jubiläumsjahr wäre es an der Zeit, eine breitere Öffentlichkeit mit diesen Tatsachen, die immer noch nur in bruchstückhaften Anekdoten kursieren, sine ira et studio zu konfrontieren. Dafür ist nach wie vor über die ansonsten solide Information durch Bryan Gilliam hinaus ein Griff zu Michael Walters unüberholter Darstellung nötig. Der Weltruhm von Richard Strauss müsste das doch aushalten.
JENS MALTE FISCHER
Bryan Gilliam: "Richard Strauss". Magier der Töne. Aus dem Englischen von Ulla Höber. Verlag C. H. Beck, München 2014. 235 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
' ... well written, informative and perceptive ... After this admirable book, the reader can return to listening to Strauss with added enjoyment.' Contemporary Review