Tells the story of Al Qaeda from its roots up to 9/11. This title investigates the extraordinary group of idealogues behind this organization - and those who tried to stop them. It takes us into training camps, mountain hideouts and top secret meetings to explore how it all fed into the planning and execution of 9/11.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2007Bin Ladins Chaostruppe
Lawrence Wrights preisgekröntes Buch über die Geschichte und Gegenwart von Al Qaida
"Die Dinge werden gefährlich, wenn sie einfach scheinen", hat Lawrence Wright in einem Interview erklärt und damit seine verblüffende Auffassung der Arbeit eines Reporters und Sachbuchautors offenbart: Es geht ihm nicht darum, die Leser sicher durchs Dickicht der Fakten, Thesen und Personen hindurchzuführen, sondern sie dessen verwirrende Opulenz erkennen zu lassen; nicht darum, Orientierung zu bieten, sondern vielmehr den Sinn des Publikums für das Labyrinthische der Gegenwart zu wecken; nicht bloß darum, zu erzählen, sondern zu fesseln und zu bannen, und in diesem konkreten Fall heißt das: das düstere, bizarre Leben von fünf oder sechs sehr unsympathischen Männern über mehrere Jahrzehnte so zu schildern, dass man das Buch nicht einen Moment weglegen möchte, bis zu jenem New Yorker Vormittag, an dem die Lebenslinien unserer Zeitgenossen zusammentreffen, dem des 11. September 2001.
Wright, der an der Universität Kairo studierte und zwischen den Berufen des Drehbuchautors, Sachbuchautors und Reporters wechselte, hat für "The Looming Tower" mehr als 600 Interviews geführt und den gesamten Nahen und Mittleren Osten bereist. Das Buch wurde gleich nach Erscheinen ein Bestseller und gewann in diesem Jahr erwartungsgemäß den Pulitzer-Preis. Nun erscheint es endlich unter dem Titel "Der Tod wird euch finden" auf Deutsch.
Was unterscheidet "Looming Tower" von den zahlreichen anderen, meist sehr guten Darstellungen der Geschichte von Al Qaida, den Bin-Ladin-Biographien und -Fernsehdokumentationen?
Wright gestattet sich gegenüber seinem Gegenstand eine große Souveränität, fast eine ironische Distanz. Bin Ladin und seine Leute werden nicht als die islamistischen Superschurken geschildert, als die sie selber gern erscheinen möchten, sondern in ihrer ganzen prosaischen Verkrachtheit und irdischen Ratlosigkeit. Das ganze Buch ist eine narrativ überzeugende und faktengestützte Widerlegung des von dieser Gruppe ausgerufenen Kampfs der Zivilisationen zwischen ihrer Marke des Islams und dem Rest der Welt: Dieser gefährlichen Schlichtheit setzt Wright eine lange und viele kurze Geschichten entgegen, wie Scheherazade ihre tausendundeine Nacht dauernden Erzählungen gegen das Todesurteil des Kalifen.
Wo man auch hineinliest: Skurrile Details und Szenen von Versagen und mehr oder weniger geglückter Improvisation ersetzen die bekannten Legenden, etwa bezüglich Bin Ladins Karriere im Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan: Seine arabischen Brigaden waren kaum fähig, die eigenen Waffen sachgemäß aufzustellen und zu transportieren. Ihre erste größere Aktion wurde von einem einzigen afghanischen Regierungssoldaten unterbunden, der die mit Elektrokabeln herumfuchtelnden Araber mit seinem Maschinengewehr zum Rückzug zwang. Bin Ladin war nicht dabei, ihn plagten, wie oft vor Kampfeinsätzen seiner Leute, Schwindelgefühle sowie Kopf- und Magenschmerzen. Die unter Dschihadisten berühmte Anekdote, wie er einmal unter dem Beschuss der sowjetischen Artillerie in seiner Stellung einschlief - so gelassen soll er da gewesen sein -, deutet Wright ganz anders: Der Mann ist vor Schreck in Ohnmacht gefallen.
Die Entwicklung Bin Ladins zur Frontfigur des internationalen Terrors war weniger seinem besonderen satanischen Charisma als dem Umstand geschuldet, dass er von allen möglichen Varianten stets die schlechteste wählte. Wright schildert die Geschichte des terroristischen Islamismus als Geschichte von Fehden, Abspaltungen und Fehlkalkulationen, in deren Verlauf die Protagonisten und ihre Familien oft genug in irgendwelchen staubigen Hinterhöfen landen und sich ratlos fragen, ob das nun die Endstation ist. Bin Ladin schafft es nacheinander, nahezu ein halbes Dutzend Förderer zu vergraulen, später verlassen ihn auch zwei Frauen und ungezählte Kinder. Auch seine Geldmittel versiegen immer wieder, weil er es nicht versteht, vorzusorgen oder ein zuverlässiges Finanzierungssystem aufzubauen, vom Bild des ominösen Finanziers des Terrors mit nahezu unerschöpflichen Mitteln und geheimen Sponsoren in der saudischen Heimat bleibt nichts übrig. Wright schildert, wie Bin Ladin mit seinen ausgehungerten Männern irgendwo in Afghanistan auf dem Staubboden hockt, ihnen ihre aus drei Zitronen bestehende Tagesration austeilt und dabei erklärt, wie viel Glück sie hätten, Millionen anderer Menschen würden sich solch üppige Nahrung wünschen.
Ohne es groß zu thematisieren, nährt der Autor mit der Wiedergabe zahlreicher verbürgter Äußerungen des Scheichs von Al Qaida den Zweifel an der geistigen Gesundheit des Mannes, etwa als Bin Ladin der saudischen Regierung seinen Plan darlegt, mit Hilfe der Bulldozer seiner Baufirma die irakische Armee aus Kuweit zu vertreiben. Im von den Taliban regierten Afghanistan herrscht ohnehin ein spezifischer Bezug zur Wirklichkeit: Eine andere große Nummer des Islamismus, Abdullah Assam, erklärte den Kämpfern schon mal, Vögelschwärme würden die russischen Bomben abfangen, Engel würden auf Pferden an ihrer Seite in die Schlacht ziehen, und die Leichname der Märtyrer würden nie verwesen. Das war sogar dem nach seiner Folterung in seiner ägyptischen Heimat halb wahnsinnigen Ayman al Zawahiri, der berühmten Nummer zwei von Al Qaida, zu viel: Er verfolgte Assam und seine Leute mit einer Intrige nach der anderen, irgendwann flog Assams Auto in die Luft.
Die von Geostrategen so gern angeführte Front der muslimischen Extremisten, die vom Maghreb bis nach Kaschmir alle zusammen nur daran arbeiten, den Westen zu bekämpfen, erscheint einem nach der Lektüre dieses Buches als schillernde Fata Morgana; stattdessen bleiben zahlreiche Szenen des Bruderstreits und der absurden Entzweiungen in Erinnerung, denen man allzu gern in der Nagerperspektive beigewohnt hätte: Wie Mullah Omar, der Talibanchef, beinah aus der Hocke fällt, weil sein Gast Bin Ladin eines schönen Tages ungefragt und ungebeten mal eben den Heiligen Krieg gegen die Vereinigten Staaten erklärt, woraufhin Omar zum Telefon rennt und brüllend fragt, seit wann in diesem Land jeder den Dschihad ausrufen dürfe und wer hier eigentlich der Emir sei. Oder, ebenso unfassbar, wie eine Abordnung der algerischen GIA bei Bin Ladin vorstellig wird, um Synergie- und Kooperationseffekte zu ergründen, und der Scheich besorgt feststellt, das seien ja nihilistische Killer, mit denen wolle er nichts zu tun haben. Und kann es wirklich wahr sein, dass der füllige Fanatiker Zawahiri noch in den neunziger Jahren in den Niederlanden unterwegs war, um dort den Aufbau eines Fernsehsenders zu betreiben, schön auf der blutrünstigen islamistischen Linie, eine höllische Synthese aus Al Dschazira und Endemol?
Wright erspart dem Leser aber auch nicht eine nuancierte Schilderung der Gegenseite, also der amerikanischen Antiterrorkämpfer. Eine Hauptperson ist dort John O'Neill, der im FBI als einer der Ersten die Gefahr von Al Qaida erkannte, dem aber die Mittel fehlten, sie angemessen und mit Hilfe der anderen Dienste, insbesondere der CIA, zu bekämpfen. Das Kapitel, wie O'Neill und eine kleine Armee von FBI-Agenten im Jemen einfällt, um dort die Ermittlungen nach dem Anschlag auf die "USS Cole" aufzunehmen, liest man fassungslos: Die meisten Agenten hatten noch nie ihre Heimat verlassen und wollten auch in der komplizierten jemenitischen Gesellschaft nach ihrer üblichen Methode ermitteln: zu zweit an die Wohnungstüren klopfen und alle Aussagen aufschreiben. Damit kamen sie nicht sehr weit, schon allein weil nur sechs von ihnen Arabisch sprachen, außerdem waren sie mit ihren Dienstwaffen gegenüber dem normalen jemenitischen Mann, der mindestens eine AK 47 zu Hause hat, hoffnungslos untergerüstet.
John O'Neill pflegte ein ähnliches Verhältnis zu Frauen wie sein Antagonist Bin Ladin, bloß ist es im Islam statthaft, vier Frauen zu haben, während O'Neill seine Polygamie irgendwie geheim halten musste, ebenso seine Schulden, seine Spielleidenschaft und seine Eigenart, Aktenkoffer mit Geheimunterlagen in Bars stehen zu lassen. Wenn Wright dennoch attestiert, dass O'Neill, hätte man ihn in eine verantwortungsvolle Position befördert, der Mann hätte sein können, die Anschläge zu vereiteln, so beleuchtet er zugleich ein ganz anderes und unerwartetes Problem: John O'Neill feierte gern und liebte das gute Leben, sein Jahresgehalt von 80 000 Dollar hielt nicht lange vor. Er konnte es sich einfach nicht länger leisten, im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Gerade als sich Attas Leute schon in den Vereinigten Staaten befanden, wechselte er in die Privatwirtschaft, als Sicherheitschef des World Trade Center, wo er dann auch umkam.
Die Anschläge des 11. September wuchsen über viele Jahre und Jahrzehnte in einem Schattenreich des islamischen Extremismus, den auch wegen des bizarren Verhaltens und der Inkompetenz seiner Führer lange niemand ernst nahm. Wer, wie John O'Neill, vor ihnen warnte, machte sich lächerlich. Heute sind die Blicke aller Dienste in diese Richtung gewendet. Womöglich, auch für solche Gedanken schärft Wrights Buch die Sinne, ignorieren wir gerade eine ganz andere bizarre und doch nicht weniger mörderische Bedrohung.
NILS MINKMAR
Lawrence Wright: "Der Tod wird euch finden". Aus dem Englischen von Stefan Gebauer und Hans Freundl. DVA, 543 Seiten, 24,95 Euro. Erscheint am 17. August.
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Lawrence Wrights preisgekröntes Buch über die Geschichte und Gegenwart von Al Qaida
"Die Dinge werden gefährlich, wenn sie einfach scheinen", hat Lawrence Wright in einem Interview erklärt und damit seine verblüffende Auffassung der Arbeit eines Reporters und Sachbuchautors offenbart: Es geht ihm nicht darum, die Leser sicher durchs Dickicht der Fakten, Thesen und Personen hindurchzuführen, sondern sie dessen verwirrende Opulenz erkennen zu lassen; nicht darum, Orientierung zu bieten, sondern vielmehr den Sinn des Publikums für das Labyrinthische der Gegenwart zu wecken; nicht bloß darum, zu erzählen, sondern zu fesseln und zu bannen, und in diesem konkreten Fall heißt das: das düstere, bizarre Leben von fünf oder sechs sehr unsympathischen Männern über mehrere Jahrzehnte so zu schildern, dass man das Buch nicht einen Moment weglegen möchte, bis zu jenem New Yorker Vormittag, an dem die Lebenslinien unserer Zeitgenossen zusammentreffen, dem des 11. September 2001.
Wright, der an der Universität Kairo studierte und zwischen den Berufen des Drehbuchautors, Sachbuchautors und Reporters wechselte, hat für "The Looming Tower" mehr als 600 Interviews geführt und den gesamten Nahen und Mittleren Osten bereist. Das Buch wurde gleich nach Erscheinen ein Bestseller und gewann in diesem Jahr erwartungsgemäß den Pulitzer-Preis. Nun erscheint es endlich unter dem Titel "Der Tod wird euch finden" auf Deutsch.
Was unterscheidet "Looming Tower" von den zahlreichen anderen, meist sehr guten Darstellungen der Geschichte von Al Qaida, den Bin-Ladin-Biographien und -Fernsehdokumentationen?
Wright gestattet sich gegenüber seinem Gegenstand eine große Souveränität, fast eine ironische Distanz. Bin Ladin und seine Leute werden nicht als die islamistischen Superschurken geschildert, als die sie selber gern erscheinen möchten, sondern in ihrer ganzen prosaischen Verkrachtheit und irdischen Ratlosigkeit. Das ganze Buch ist eine narrativ überzeugende und faktengestützte Widerlegung des von dieser Gruppe ausgerufenen Kampfs der Zivilisationen zwischen ihrer Marke des Islams und dem Rest der Welt: Dieser gefährlichen Schlichtheit setzt Wright eine lange und viele kurze Geschichten entgegen, wie Scheherazade ihre tausendundeine Nacht dauernden Erzählungen gegen das Todesurteil des Kalifen.
Wo man auch hineinliest: Skurrile Details und Szenen von Versagen und mehr oder weniger geglückter Improvisation ersetzen die bekannten Legenden, etwa bezüglich Bin Ladins Karriere im Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan: Seine arabischen Brigaden waren kaum fähig, die eigenen Waffen sachgemäß aufzustellen und zu transportieren. Ihre erste größere Aktion wurde von einem einzigen afghanischen Regierungssoldaten unterbunden, der die mit Elektrokabeln herumfuchtelnden Araber mit seinem Maschinengewehr zum Rückzug zwang. Bin Ladin war nicht dabei, ihn plagten, wie oft vor Kampfeinsätzen seiner Leute, Schwindelgefühle sowie Kopf- und Magenschmerzen. Die unter Dschihadisten berühmte Anekdote, wie er einmal unter dem Beschuss der sowjetischen Artillerie in seiner Stellung einschlief - so gelassen soll er da gewesen sein -, deutet Wright ganz anders: Der Mann ist vor Schreck in Ohnmacht gefallen.
Die Entwicklung Bin Ladins zur Frontfigur des internationalen Terrors war weniger seinem besonderen satanischen Charisma als dem Umstand geschuldet, dass er von allen möglichen Varianten stets die schlechteste wählte. Wright schildert die Geschichte des terroristischen Islamismus als Geschichte von Fehden, Abspaltungen und Fehlkalkulationen, in deren Verlauf die Protagonisten und ihre Familien oft genug in irgendwelchen staubigen Hinterhöfen landen und sich ratlos fragen, ob das nun die Endstation ist. Bin Ladin schafft es nacheinander, nahezu ein halbes Dutzend Förderer zu vergraulen, später verlassen ihn auch zwei Frauen und ungezählte Kinder. Auch seine Geldmittel versiegen immer wieder, weil er es nicht versteht, vorzusorgen oder ein zuverlässiges Finanzierungssystem aufzubauen, vom Bild des ominösen Finanziers des Terrors mit nahezu unerschöpflichen Mitteln und geheimen Sponsoren in der saudischen Heimat bleibt nichts übrig. Wright schildert, wie Bin Ladin mit seinen ausgehungerten Männern irgendwo in Afghanistan auf dem Staubboden hockt, ihnen ihre aus drei Zitronen bestehende Tagesration austeilt und dabei erklärt, wie viel Glück sie hätten, Millionen anderer Menschen würden sich solch üppige Nahrung wünschen.
Ohne es groß zu thematisieren, nährt der Autor mit der Wiedergabe zahlreicher verbürgter Äußerungen des Scheichs von Al Qaida den Zweifel an der geistigen Gesundheit des Mannes, etwa als Bin Ladin der saudischen Regierung seinen Plan darlegt, mit Hilfe der Bulldozer seiner Baufirma die irakische Armee aus Kuweit zu vertreiben. Im von den Taliban regierten Afghanistan herrscht ohnehin ein spezifischer Bezug zur Wirklichkeit: Eine andere große Nummer des Islamismus, Abdullah Assam, erklärte den Kämpfern schon mal, Vögelschwärme würden die russischen Bomben abfangen, Engel würden auf Pferden an ihrer Seite in die Schlacht ziehen, und die Leichname der Märtyrer würden nie verwesen. Das war sogar dem nach seiner Folterung in seiner ägyptischen Heimat halb wahnsinnigen Ayman al Zawahiri, der berühmten Nummer zwei von Al Qaida, zu viel: Er verfolgte Assam und seine Leute mit einer Intrige nach der anderen, irgendwann flog Assams Auto in die Luft.
Die von Geostrategen so gern angeführte Front der muslimischen Extremisten, die vom Maghreb bis nach Kaschmir alle zusammen nur daran arbeiten, den Westen zu bekämpfen, erscheint einem nach der Lektüre dieses Buches als schillernde Fata Morgana; stattdessen bleiben zahlreiche Szenen des Bruderstreits und der absurden Entzweiungen in Erinnerung, denen man allzu gern in der Nagerperspektive beigewohnt hätte: Wie Mullah Omar, der Talibanchef, beinah aus der Hocke fällt, weil sein Gast Bin Ladin eines schönen Tages ungefragt und ungebeten mal eben den Heiligen Krieg gegen die Vereinigten Staaten erklärt, woraufhin Omar zum Telefon rennt und brüllend fragt, seit wann in diesem Land jeder den Dschihad ausrufen dürfe und wer hier eigentlich der Emir sei. Oder, ebenso unfassbar, wie eine Abordnung der algerischen GIA bei Bin Ladin vorstellig wird, um Synergie- und Kooperationseffekte zu ergründen, und der Scheich besorgt feststellt, das seien ja nihilistische Killer, mit denen wolle er nichts zu tun haben. Und kann es wirklich wahr sein, dass der füllige Fanatiker Zawahiri noch in den neunziger Jahren in den Niederlanden unterwegs war, um dort den Aufbau eines Fernsehsenders zu betreiben, schön auf der blutrünstigen islamistischen Linie, eine höllische Synthese aus Al Dschazira und Endemol?
Wright erspart dem Leser aber auch nicht eine nuancierte Schilderung der Gegenseite, also der amerikanischen Antiterrorkämpfer. Eine Hauptperson ist dort John O'Neill, der im FBI als einer der Ersten die Gefahr von Al Qaida erkannte, dem aber die Mittel fehlten, sie angemessen und mit Hilfe der anderen Dienste, insbesondere der CIA, zu bekämpfen. Das Kapitel, wie O'Neill und eine kleine Armee von FBI-Agenten im Jemen einfällt, um dort die Ermittlungen nach dem Anschlag auf die "USS Cole" aufzunehmen, liest man fassungslos: Die meisten Agenten hatten noch nie ihre Heimat verlassen und wollten auch in der komplizierten jemenitischen Gesellschaft nach ihrer üblichen Methode ermitteln: zu zweit an die Wohnungstüren klopfen und alle Aussagen aufschreiben. Damit kamen sie nicht sehr weit, schon allein weil nur sechs von ihnen Arabisch sprachen, außerdem waren sie mit ihren Dienstwaffen gegenüber dem normalen jemenitischen Mann, der mindestens eine AK 47 zu Hause hat, hoffnungslos untergerüstet.
John O'Neill pflegte ein ähnliches Verhältnis zu Frauen wie sein Antagonist Bin Ladin, bloß ist es im Islam statthaft, vier Frauen zu haben, während O'Neill seine Polygamie irgendwie geheim halten musste, ebenso seine Schulden, seine Spielleidenschaft und seine Eigenart, Aktenkoffer mit Geheimunterlagen in Bars stehen zu lassen. Wenn Wright dennoch attestiert, dass O'Neill, hätte man ihn in eine verantwortungsvolle Position befördert, der Mann hätte sein können, die Anschläge zu vereiteln, so beleuchtet er zugleich ein ganz anderes und unerwartetes Problem: John O'Neill feierte gern und liebte das gute Leben, sein Jahresgehalt von 80 000 Dollar hielt nicht lange vor. Er konnte es sich einfach nicht länger leisten, im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Gerade als sich Attas Leute schon in den Vereinigten Staaten befanden, wechselte er in die Privatwirtschaft, als Sicherheitschef des World Trade Center, wo er dann auch umkam.
Die Anschläge des 11. September wuchsen über viele Jahre und Jahrzehnte in einem Schattenreich des islamischen Extremismus, den auch wegen des bizarren Verhaltens und der Inkompetenz seiner Führer lange niemand ernst nahm. Wer, wie John O'Neill, vor ihnen warnte, machte sich lächerlich. Heute sind die Blicke aller Dienste in diese Richtung gewendet. Womöglich, auch für solche Gedanken schärft Wrights Buch die Sinne, ignorieren wir gerade eine ganz andere bizarre und doch nicht weniger mörderische Bedrohung.
NILS MINKMAR
Lawrence Wright: "Der Tod wird euch finden". Aus dem Englischen von Stefan Gebauer und Hans Freundl. DVA, 543 Seiten, 24,95 Euro. Erscheint am 17. August.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wright's brilliantly constructed narrative is head and shoulders above the rest. He knows important parts of the Muslim world (including Saudi Arabia) at first hand, he understands the motors of Islamist militancy ... Moreover, he is a fine writer with an eye for the telling detail. Even those who think they know the story intimately will feel they are reading it anew New Statesman