From his early Liverpool days, through the historic decade of The Beatles, to Wings and his long solo career, The Lyrics pairs the definitive texts of 154 songs by Paul McCartney with first-person commentaries on his life and music. Spanning two alphabetically arranged volumes, these commentaries reveal how the songs came to be and the people who inspired them: his devoted parents, Mary and Jim; his songwriting partner, John Lennon; his "Golden Earth Girl", Linda Eastman; his wife, Nancy McCartney; and even Queen Elizabeth II, amongst many others. Here are the origins of "Let It Be", "Lovely Rita", "Yesterday", and "Mull of Kintyre", as well as McCartney's literary influences, including Shakespeare, Lewis Carroll and Alan Durband, his secondary school English teacher. With images from McCartney's personal archives-handwritten texts, paintings and photographs, hundreds previously unseen-The Lyrics, spanning sixty-four years, is the definitive literary and visual record of one of the greatest songwriters of all time.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2021Wen der Song trifft
Vom Nutzen der Großfamilie als Quelle des Optimismus: Paul McCartney erzählt an seinen Liedern entlang aus seinem Leben.
Im Frühjahr 1970 waren nicht nur die lebensfrohen, optimistischen Sechziger Vergangenheit, sondern auch die Band, die deren Geist am nachdrücklichsten verkörpert hatte. Der Unfrieden, in dem sich die Beatles getrennt hatten, gipfelte in einem Wettstreit, bei dem einer der vier gegen sich selbst antrat. Nur drei Wochen bevor am 8. Mai nach elendig langem Vorlauf endlich das Abgesangsalbum "Let It Be" erschien, brachte Paul McCartney seine erste Soloplatte heraus - und enthüllte der Welt wie nebenbei in einem PR-Textlein das lang gehütete Geheimnis vom Ende der Beatles.
Für Ende November 2021 ist nun, nach mehreren Verschiebungen, bei Disney+ die Premiere von Peter Jacksons Dreiteiler "The Beatles: Get Back" angekündigt, der auf dem bei der Arbeit an "Let It Be" gedrehten Filmmaterial basiert - und soeben ist, nur drei Wochen früher, Paul McCartneys autobiographischer Bild- und Textband "Lyrics" erschienen. Sollte sich tatsächlich die Geschichte wiederholen, dann allerdings weder als Tragödie noch als Farce, sondern als Ausdruck eines Hypes, der bei den Beatles nie wirklich endet. Vermutlich werden die beiden Neuerscheinungen sich gegenseitig nützen, auch wenn es mit McCartneys mächtigem "Lyrics"-Ziegel und dem großformatigen Begleitbuch zum Film auf manchem Gabentisch eng werden dürfte.
Den Titel "Lyrics" darf man getrost als Understatement des Jahres werten. Der erfolgreichste Popmusiker unserer Zeit druckt hier nicht einfach nur Songtexte ab, sondern erzählt anhand seiner Lieder sein Leben. Über 154 Songs, entstanden zwischen 1956 und 2020, hat McCartney mit dem Dichter Paul Muldoon gesprochen, der mit einigen Helfern auch die Auswahl übernahm und die Gesprächspassagen später in Kurzerzählungen umwandelte. Umrahmt sind die Texte von Fotos aus Familien- und Musiker- leben, von Erinnerungsstücken oder Manuskripten, die McCartney als Schöpfer origineller Kritzeleien zeigen.
Über seine Kunst spricht McCartney mit selbstbewusster Bescheidenheit. "Wenn ich Glück habe mit den Songs, dann kommen sie einfach aus heiterem Himmel", erzählt er. "Es ist weniger, als würde ich sie komponieren; sie treffen einfach ein." Und das dann manchmal auch im Traum, wie in der berühmten Entstehungsgeschichte von "Yesterday". Schickte der Himmel nichts hernieder, musste McCartney selbst ran, in der frühen Beatles-Zeit meist mit John Lennon: Nach rund drei Stunden war ein Welthit fertig.
Das Geheimnis erfolgreichen Songwritings sei es, ein Bild zu malen, so McCartney: "Eigentlich ist die Vignette mein Handwerkszeug." In den meisten seiner Kompositionen gebe es "einen simplen Trick, weil ich nicht wahnsinnig bewandert bin". Und wenn man ihn frage, wie er all das mache, erzählt er anlässlich des Wings-Songs "Hi, Hi, Hi", dann antworte er: "Sex und Drogen" - "was streng genommen nicht so ganz der Wahrheit entspricht, aber immerhin ungefähr".
Die meisten seiner Sachen findet Paul McCartney schon ganz gut, obschon ihm Stücke wie "Old Siam, Sir" oder "Venus and Mars/Rock Show" heute "ein bisschen peinlich" sind. Apropos: Wer dar- über stets gerätselt hat, der erfährt dank des Buches, dass das in "Ob-La-Di, Ob-La-Da" mehrfach zu hörende "bra" keinen BH beschreibt, sondern "die afrikanische Version von ,bro'" ist. Von allen seinen Songs der liebste ist McCartney "Here, There and Everywhere" vom Beatles-Album "Revolver".
Der Lesefreude unbedingt zugutekommt, dass die meisten Songs lediglich als Ausgangspunkte dienen für Anekdoten aus einem langen und reichen Leben. Da neidet man McCartney nicht die Begegnung mit Andy Warhol, mit dem er dessen Film "Empire" schaute: "Eine einzige Einstellung vom Empire State Building, acht Stunden lang." Es war, erinnert sich McCartney, "nicht unbedingt der spritzigste Abend".
Ganz anders die regelmäßigen Zusammentreffen seiner Großfamilie, die zueinander hielt, gemeinsam feierte und laut McCartney nicht nur das Fundament für seine Musikalität, sondern auch für seinen Optimismus bildete; einen Optimismus, den er sich trotz des nie verwundenen Todes seiner Mutter, als er gerade vierzehn war, bewahrt hat. Die eine oder andere Anekdote taucht im Buch doppelt auf, da sie ihm zu gleich zwei Songs einfiel.
Zu diesen zweimal erzählten, doch immer wieder gern gehörten Geschichten zählt das erste Zusammentreffen mit Lennon. John und Paul, zwei beste Freunde und kongeniale Partner, die sich nach der Beatles-Trennung öffentlich befehdeten und später still und heimlich wieder versöhnten. Ein "sehr zynischer Mensch" sei Lennon gewesen, jedoch "mit einem Herzen aus Gold", schreibt McCartney, der gleichwohl deutlich macht, wie sehr ihn die Spitzen des alten Kumpels verletzt haben. Nicht gänzlich überwunden scheint auch, dass die Welt in Lennon lange den intellektuellen und in ihm selbst nur den niedlichen Beatle sah. Dass Lennon "nie so ein großes Interesse an Literatur hatte wie ich", diese Feststellung kann sich McCartney nicht verkneifen.
Es finden in "Lyrics" auch McCartneys so verständliche wie irritierende Bestrebungen ihre Fortsetzung, den eigenen Anteil an den Beatles-Kompositionen stärker herauszustreichen, als die klassische Autorenzeile Lennon/McCartney ihn erscheinen lässt. Nicht nur bei seiner Solonummer "Yesterday", auch bei den Gemeinschaftswerken "She Loves You" und "I Want to Hold Your Hand" hat McCartney seinen Namen nun an die erste Stelle gesetzt - und sogar bei "Ticket to Ride", das er noch 1994 zu sechzig Prozent John Lennon zuschrieb.
Es sind dies die kleinen Eitelkeiten eines großen Komponisten, der sich eine Liebe zum "Gewöhnlichen" attestiert: Am meisten begeistere es ihn, "wenn jemand gleichzeitig großartig und ganz normal sein kann". Und ein wenig hat Paul McCartney dabei vielleicht auch an sich selbst gedacht.. JÖRG THOMANN.
Paul McCartney: "Lyrics". 1956 bis heute.
Hrsg. von Paul Muldoon. Aus dem Englischen von Conny Lösch. C. H. Beck Verlag, München 2021. 2 Bände im Schuber, zus. 874 S., Abb., geb., 78,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vom Nutzen der Großfamilie als Quelle des Optimismus: Paul McCartney erzählt an seinen Liedern entlang aus seinem Leben.
Im Frühjahr 1970 waren nicht nur die lebensfrohen, optimistischen Sechziger Vergangenheit, sondern auch die Band, die deren Geist am nachdrücklichsten verkörpert hatte. Der Unfrieden, in dem sich die Beatles getrennt hatten, gipfelte in einem Wettstreit, bei dem einer der vier gegen sich selbst antrat. Nur drei Wochen bevor am 8. Mai nach elendig langem Vorlauf endlich das Abgesangsalbum "Let It Be" erschien, brachte Paul McCartney seine erste Soloplatte heraus - und enthüllte der Welt wie nebenbei in einem PR-Textlein das lang gehütete Geheimnis vom Ende der Beatles.
Für Ende November 2021 ist nun, nach mehreren Verschiebungen, bei Disney+ die Premiere von Peter Jacksons Dreiteiler "The Beatles: Get Back" angekündigt, der auf dem bei der Arbeit an "Let It Be" gedrehten Filmmaterial basiert - und soeben ist, nur drei Wochen früher, Paul McCartneys autobiographischer Bild- und Textband "Lyrics" erschienen. Sollte sich tatsächlich die Geschichte wiederholen, dann allerdings weder als Tragödie noch als Farce, sondern als Ausdruck eines Hypes, der bei den Beatles nie wirklich endet. Vermutlich werden die beiden Neuerscheinungen sich gegenseitig nützen, auch wenn es mit McCartneys mächtigem "Lyrics"-Ziegel und dem großformatigen Begleitbuch zum Film auf manchem Gabentisch eng werden dürfte.
Den Titel "Lyrics" darf man getrost als Understatement des Jahres werten. Der erfolgreichste Popmusiker unserer Zeit druckt hier nicht einfach nur Songtexte ab, sondern erzählt anhand seiner Lieder sein Leben. Über 154 Songs, entstanden zwischen 1956 und 2020, hat McCartney mit dem Dichter Paul Muldoon gesprochen, der mit einigen Helfern auch die Auswahl übernahm und die Gesprächspassagen später in Kurzerzählungen umwandelte. Umrahmt sind die Texte von Fotos aus Familien- und Musiker- leben, von Erinnerungsstücken oder Manuskripten, die McCartney als Schöpfer origineller Kritzeleien zeigen.
Über seine Kunst spricht McCartney mit selbstbewusster Bescheidenheit. "Wenn ich Glück habe mit den Songs, dann kommen sie einfach aus heiterem Himmel", erzählt er. "Es ist weniger, als würde ich sie komponieren; sie treffen einfach ein." Und das dann manchmal auch im Traum, wie in der berühmten Entstehungsgeschichte von "Yesterday". Schickte der Himmel nichts hernieder, musste McCartney selbst ran, in der frühen Beatles-Zeit meist mit John Lennon: Nach rund drei Stunden war ein Welthit fertig.
Das Geheimnis erfolgreichen Songwritings sei es, ein Bild zu malen, so McCartney: "Eigentlich ist die Vignette mein Handwerkszeug." In den meisten seiner Kompositionen gebe es "einen simplen Trick, weil ich nicht wahnsinnig bewandert bin". Und wenn man ihn frage, wie er all das mache, erzählt er anlässlich des Wings-Songs "Hi, Hi, Hi", dann antworte er: "Sex und Drogen" - "was streng genommen nicht so ganz der Wahrheit entspricht, aber immerhin ungefähr".
Die meisten seiner Sachen findet Paul McCartney schon ganz gut, obschon ihm Stücke wie "Old Siam, Sir" oder "Venus and Mars/Rock Show" heute "ein bisschen peinlich" sind. Apropos: Wer dar- über stets gerätselt hat, der erfährt dank des Buches, dass das in "Ob-La-Di, Ob-La-Da" mehrfach zu hörende "bra" keinen BH beschreibt, sondern "die afrikanische Version von ,bro'" ist. Von allen seinen Songs der liebste ist McCartney "Here, There and Everywhere" vom Beatles-Album "Revolver".
Der Lesefreude unbedingt zugutekommt, dass die meisten Songs lediglich als Ausgangspunkte dienen für Anekdoten aus einem langen und reichen Leben. Da neidet man McCartney nicht die Begegnung mit Andy Warhol, mit dem er dessen Film "Empire" schaute: "Eine einzige Einstellung vom Empire State Building, acht Stunden lang." Es war, erinnert sich McCartney, "nicht unbedingt der spritzigste Abend".
Ganz anders die regelmäßigen Zusammentreffen seiner Großfamilie, die zueinander hielt, gemeinsam feierte und laut McCartney nicht nur das Fundament für seine Musikalität, sondern auch für seinen Optimismus bildete; einen Optimismus, den er sich trotz des nie verwundenen Todes seiner Mutter, als er gerade vierzehn war, bewahrt hat. Die eine oder andere Anekdote taucht im Buch doppelt auf, da sie ihm zu gleich zwei Songs einfiel.
Zu diesen zweimal erzählten, doch immer wieder gern gehörten Geschichten zählt das erste Zusammentreffen mit Lennon. John und Paul, zwei beste Freunde und kongeniale Partner, die sich nach der Beatles-Trennung öffentlich befehdeten und später still und heimlich wieder versöhnten. Ein "sehr zynischer Mensch" sei Lennon gewesen, jedoch "mit einem Herzen aus Gold", schreibt McCartney, der gleichwohl deutlich macht, wie sehr ihn die Spitzen des alten Kumpels verletzt haben. Nicht gänzlich überwunden scheint auch, dass die Welt in Lennon lange den intellektuellen und in ihm selbst nur den niedlichen Beatle sah. Dass Lennon "nie so ein großes Interesse an Literatur hatte wie ich", diese Feststellung kann sich McCartney nicht verkneifen.
Es finden in "Lyrics" auch McCartneys so verständliche wie irritierende Bestrebungen ihre Fortsetzung, den eigenen Anteil an den Beatles-Kompositionen stärker herauszustreichen, als die klassische Autorenzeile Lennon/McCartney ihn erscheinen lässt. Nicht nur bei seiner Solonummer "Yesterday", auch bei den Gemeinschaftswerken "She Loves You" und "I Want to Hold Your Hand" hat McCartney seinen Namen nun an die erste Stelle gesetzt - und sogar bei "Ticket to Ride", das er noch 1994 zu sechzig Prozent John Lennon zuschrieb.
Es sind dies die kleinen Eitelkeiten eines großen Komponisten, der sich eine Liebe zum "Gewöhnlichen" attestiert: Am meisten begeistere es ihn, "wenn jemand gleichzeitig großartig und ganz normal sein kann". Und ein wenig hat Paul McCartney dabei vielleicht auch an sich selbst gedacht.. JÖRG THOMANN.
Paul McCartney: "Lyrics". 1956 bis heute.
Hrsg. von Paul Muldoon. Aus dem Englischen von Conny Lösch. C. H. Beck Verlag, München 2021. 2 Bände im Schuber, zus. 874 S., Abb., geb., 78,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
The Lyrics is a triumph. It is hugely readable, devoid of rock cliché, and full of fresh stories and opinions that even devoted fans won't have encountered before. The pictures of McCartney and of handwritten lyrics, many of them never previously published, are worth the entry ticket on their own and the quality of the boxed product makes it a tactile pleasure and fun to possess. All that, and its highly original organisation, means you never get bogged down in a period of his life you don't find interesting ... The Lyrics is McCartney at his best. Daniel Finkelstein The Times