Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2016Ein Zombie hing am Handlungsfaden
Wenn Horror zum Erzählprinzip wird und nur noch Olli Kahn weiter weiß: Aleksandar Hemon versucht sich in seinem Roman an einem neuen Genre
Auf der letzten Seite des Romans dankt Aleksandar Hemon nicht nur Freunden, Verwandten und Inspiratoren, sondern auch seiner Agentin, die offenbar nichts von "Zombie Wars" wusste, dann aber nicht "mit der Wimper gezuckt" hat, es in die Familie der Hemon-Bücher aufzunehmen. Warum versteckt einer ein Buch vor seiner Agentin? Weil sich der gelobte Autor einer jüdischen Immigrationsgeschichte ("Lazarus") damit ins populäre Fach der Zombiebelletristik verirrt hat?
Joshua Levin heißt der Held von Hemons neuem Roman. Er ist Englischlehrer und Drehbuchautor, ziemlich erfolglos, doch im Grunde sorgenfrei. Eine hübsche asiatischstämmige Freundin mit sexuell exzentrischen Vorlieben gibt es auch, was am meisten Joshua selbst verwundert, hat er doch einen abstoßenden Unterbiss, der geradezu mustersymbolisch die Bisslosigkeit dieses Mannes ins Bild setzt. Als brotloser Kindskopf steht Joshua in der jüdisch-amerikanischen Tradition des Stadtneurotikers von Woody Allen bis hin zu Gary Shteyngart: Er leidet unter einer Mischung aus Selbstverachtung und Grandiositätsgefühlen, ist sexuell hyperaktiv und zugleich unterversorgt, manövriert sich und ihm Nahestehende zielsicher in die übelsten Verstrickungen und hört nicht auf, sein chaotisches Leben zu kommentieren. Man kann dem Kerl einfach nichts krummnehmen. Nicht, wenn er (im Grunde gegen seinen Willen) mit einer bosnischen Kursteilnehmerin von "Englisch als Fremdsprache, Stufe 5" ins Bett steigt, wenn er den Mord an einer unschuldigen Katze provoziert - und auch nicht, wenn er schreibt.
Ein gewisser Major Klopstock, Militärarzt mit einem Wunderserum gegen die grassierende Zombiefizierung, schickt sich an, die Welt zu retten. Dabei muss er Prüfungen bestehen, die ihm einiges Ekel- und ziemlich viel Actionvermögen abverlangen. Von den Abenteuern dieses Majors Klopstock, über dessen Namenswahl man nur fruchtlos spekulieren kann, handelt ein von Jushua verfasstes Drehbuch für einen Film in spe. Das Ganze wird typographisch vom Rest des Romans abgesetzt. Dieser dreht sich auch bei genauerer Prüfung (und die ist nötig, weil der Roman hier und da so etwas wie Gesellschaftskritik behauptet: "Immerhin stehen wir gerade kurz davor, dem Irak ein neues Loch in den Arsch zu reißen") nur um den Fehltritt des Protagonisten. Das ist eng an die zuletzt von Jonathan Franzen zementierten Männerfiguren angelehnt, deren Leben nicht als reißender Strom in rauhem Gelände, sondern als toxisches Rinnsal auf englischem Rasen beschrieben werden kann. Auch hier gilt die Devise: "Was dich nicht umbringt, macht dich geil."
Was will Hemon mit dem altbekannten Figurensetting? Ganz klar wird es auch bei fortgeschrittener Lektüre nicht. Zwar gibt es eine Reihe schöner Slapstickvariationen zu den Themen Sex, Gewalt und Migration. Schleierhaft bleibt allerdings, weshalb der Autor sich mit Joshuas Vermieter wichtig macht - einem Veteran des Irak-Kriegs. Ohne ersichtliche Psycho-Logik wühlt er in den Unterhosen seines Mieters, nur um einige Seiten später zu dessen Kumpel und Handlanger zu werden und in Sachen "Frauen-aus-den-Klauen-brutaler-Balkan-Zampanos-Befreien" die dollsten Dinger zu drehen. Verstehe diesen Stalker, wer will. Eine Figur ist er nicht. Schon eher ein Ventil für Nationalklischees. Denn natürlich ist der gehörnte Bosnier ein Schläger und sein Gegenspieler ein wehrhafter Amerikaner.
Am Ende sind es auch die bemühten Dialoge oder zumindest ihre deutsche Übersetzung, die gegen das Buch arbeiten. Denn wer außer die Hauptfigur einer amerikanischen Fernsehserie redet so über einen Kriegseinsatz? "Sie glauben, wir ficken die einfach richtig gut durch, und später werden sie schon lernen, das zu mögen. Wer würde es denn nicht geil finden, vom letzten verbliebenen Supermachtschwanz der Welt durchgefickt zu werden?" Joshua wird es dabei ganz anders, und irgendwann fangen alle an zu kiffen wie die Pennäler. Die stolze Schilderung THC-schwangerer Entgrenzungsphantasien ist angesichts der Tatsache, dass sie seit Pynchon von so ziemlich allen amerikanischen Erfolgsautoren nachgeäfft wurde, so spießig, wie sie klingt.
Man fragt sich am Ende des Romans, weshalb der 1964 in Sarajevo geborene Autor nicht mehr Distanz zur Sprache seiner Figuren geschaffen hat. Sicher hätte er einiges zu sagen gehabt über den Balkan, den Krieg und über Amerika aus der Perspektive eines Neuankömmlings. Da hilft es nicht, wenn zuletzt die typographische Differenz zwischen Zombieszenen rund um Major Klopstock und Gegenwartsszenen rund um Joshua Levin einfach umgekehrt wird. Sind in Wahrheit wir die Zombies? Ernähren wir uns von unseren Mitmenschen? Sind wir nicht alle nur Teil eines schlampig gezimmerten Drehbuchs?
Fragen über Fragen, die an Olli Kahns ZDF-Stand-up-Interpretation von Rilkes "Panther" erinnern ("Ist mein symbolischer Käfig das Tor? Ist mein symbolischer Käfig der Sechzehnmeterraum? Oder ist mein symbolischer Käfig psychologisch?"). Wie heißt es im Roman so verräterisch? "Schreiben bedeutet doch vor allem eines: die hoffnungslose Bürde von Entscheidungen tragen zu müssen, die keinerlei Folgen nach sich ziehen." Das ist entweder kokett, oder der Autor ist bankrott. Hemons Agentin wäre zu Recht beunruhigt gewesen.
KATHARINA TEUTSCH
Aleksandar Hemon: "Zombie Wars". Roman.
Aus dem Amerikanischen von André Mumot. Knaus Verlag, München 2016. 318 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Horror zum Erzählprinzip wird und nur noch Olli Kahn weiter weiß: Aleksandar Hemon versucht sich in seinem Roman an einem neuen Genre
Auf der letzten Seite des Romans dankt Aleksandar Hemon nicht nur Freunden, Verwandten und Inspiratoren, sondern auch seiner Agentin, die offenbar nichts von "Zombie Wars" wusste, dann aber nicht "mit der Wimper gezuckt" hat, es in die Familie der Hemon-Bücher aufzunehmen. Warum versteckt einer ein Buch vor seiner Agentin? Weil sich der gelobte Autor einer jüdischen Immigrationsgeschichte ("Lazarus") damit ins populäre Fach der Zombiebelletristik verirrt hat?
Joshua Levin heißt der Held von Hemons neuem Roman. Er ist Englischlehrer und Drehbuchautor, ziemlich erfolglos, doch im Grunde sorgenfrei. Eine hübsche asiatischstämmige Freundin mit sexuell exzentrischen Vorlieben gibt es auch, was am meisten Joshua selbst verwundert, hat er doch einen abstoßenden Unterbiss, der geradezu mustersymbolisch die Bisslosigkeit dieses Mannes ins Bild setzt. Als brotloser Kindskopf steht Joshua in der jüdisch-amerikanischen Tradition des Stadtneurotikers von Woody Allen bis hin zu Gary Shteyngart: Er leidet unter einer Mischung aus Selbstverachtung und Grandiositätsgefühlen, ist sexuell hyperaktiv und zugleich unterversorgt, manövriert sich und ihm Nahestehende zielsicher in die übelsten Verstrickungen und hört nicht auf, sein chaotisches Leben zu kommentieren. Man kann dem Kerl einfach nichts krummnehmen. Nicht, wenn er (im Grunde gegen seinen Willen) mit einer bosnischen Kursteilnehmerin von "Englisch als Fremdsprache, Stufe 5" ins Bett steigt, wenn er den Mord an einer unschuldigen Katze provoziert - und auch nicht, wenn er schreibt.
Ein gewisser Major Klopstock, Militärarzt mit einem Wunderserum gegen die grassierende Zombiefizierung, schickt sich an, die Welt zu retten. Dabei muss er Prüfungen bestehen, die ihm einiges Ekel- und ziemlich viel Actionvermögen abverlangen. Von den Abenteuern dieses Majors Klopstock, über dessen Namenswahl man nur fruchtlos spekulieren kann, handelt ein von Jushua verfasstes Drehbuch für einen Film in spe. Das Ganze wird typographisch vom Rest des Romans abgesetzt. Dieser dreht sich auch bei genauerer Prüfung (und die ist nötig, weil der Roman hier und da so etwas wie Gesellschaftskritik behauptet: "Immerhin stehen wir gerade kurz davor, dem Irak ein neues Loch in den Arsch zu reißen") nur um den Fehltritt des Protagonisten. Das ist eng an die zuletzt von Jonathan Franzen zementierten Männerfiguren angelehnt, deren Leben nicht als reißender Strom in rauhem Gelände, sondern als toxisches Rinnsal auf englischem Rasen beschrieben werden kann. Auch hier gilt die Devise: "Was dich nicht umbringt, macht dich geil."
Was will Hemon mit dem altbekannten Figurensetting? Ganz klar wird es auch bei fortgeschrittener Lektüre nicht. Zwar gibt es eine Reihe schöner Slapstickvariationen zu den Themen Sex, Gewalt und Migration. Schleierhaft bleibt allerdings, weshalb der Autor sich mit Joshuas Vermieter wichtig macht - einem Veteran des Irak-Kriegs. Ohne ersichtliche Psycho-Logik wühlt er in den Unterhosen seines Mieters, nur um einige Seiten später zu dessen Kumpel und Handlanger zu werden und in Sachen "Frauen-aus-den-Klauen-brutaler-Balkan-Zampanos-Befreien" die dollsten Dinger zu drehen. Verstehe diesen Stalker, wer will. Eine Figur ist er nicht. Schon eher ein Ventil für Nationalklischees. Denn natürlich ist der gehörnte Bosnier ein Schläger und sein Gegenspieler ein wehrhafter Amerikaner.
Am Ende sind es auch die bemühten Dialoge oder zumindest ihre deutsche Übersetzung, die gegen das Buch arbeiten. Denn wer außer die Hauptfigur einer amerikanischen Fernsehserie redet so über einen Kriegseinsatz? "Sie glauben, wir ficken die einfach richtig gut durch, und später werden sie schon lernen, das zu mögen. Wer würde es denn nicht geil finden, vom letzten verbliebenen Supermachtschwanz der Welt durchgefickt zu werden?" Joshua wird es dabei ganz anders, und irgendwann fangen alle an zu kiffen wie die Pennäler. Die stolze Schilderung THC-schwangerer Entgrenzungsphantasien ist angesichts der Tatsache, dass sie seit Pynchon von so ziemlich allen amerikanischen Erfolgsautoren nachgeäfft wurde, so spießig, wie sie klingt.
Man fragt sich am Ende des Romans, weshalb der 1964 in Sarajevo geborene Autor nicht mehr Distanz zur Sprache seiner Figuren geschaffen hat. Sicher hätte er einiges zu sagen gehabt über den Balkan, den Krieg und über Amerika aus der Perspektive eines Neuankömmlings. Da hilft es nicht, wenn zuletzt die typographische Differenz zwischen Zombieszenen rund um Major Klopstock und Gegenwartsszenen rund um Joshua Levin einfach umgekehrt wird. Sind in Wahrheit wir die Zombies? Ernähren wir uns von unseren Mitmenschen? Sind wir nicht alle nur Teil eines schlampig gezimmerten Drehbuchs?
Fragen über Fragen, die an Olli Kahns ZDF-Stand-up-Interpretation von Rilkes "Panther" erinnern ("Ist mein symbolischer Käfig das Tor? Ist mein symbolischer Käfig der Sechzehnmeterraum? Oder ist mein symbolischer Käfig psychologisch?"). Wie heißt es im Roman so verräterisch? "Schreiben bedeutet doch vor allem eines: die hoffnungslose Bürde von Entscheidungen tragen zu müssen, die keinerlei Folgen nach sich ziehen." Das ist entweder kokett, oder der Autor ist bankrott. Hemons Agentin wäre zu Recht beunruhigt gewesen.
KATHARINA TEUTSCH
Aleksandar Hemon: "Zombie Wars". Roman.
Aus dem Amerikanischen von André Mumot. Knaus Verlag, München 2016. 318 S., geb., 19,99 [Euro].
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Dreadfully, wrigglingly, antisocially funny . . . Hemon's work often crackles with humour, but it's never been this uproarious. Spectator