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The Mortal Sea - Bolster, W. J.
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Since the time of the Vikings, the Atlantic has shaped the lives of people who depend on it for survival, and people have shaped the Atlantic. In his account of this interdependency, Bolster, a historian and professional seafarer, takes us through a millennium-long environmental history of our impact on one of the largest ecosystems in the world.

Produktbeschreibung
Since the time of the Vikings, the Atlantic has shaped the lives of people who depend on it for survival, and people have shaped the Atlantic. In his account of this interdependency, Bolster, a historian and professional seafarer, takes us through a millennium-long environmental history of our impact on one of the largest ecosystems in the world.
Autorenporträt
W. Jeffrey Bolster is Associate Professor of History at the University of New Hampshire.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2013

Die Auslöschung der Arten hat Tradition

Tausend Jahre Gier: W. Jeffrey Bolster räumt mit der Legende auf, die Überfischung der Ozeane habe im Zeitalter der Industrialisierung begonnen.

Von James Hamilton-Paterson

Vor gut sechzehn Jahren war ich in einem der abgelegenen Häfen Neufundlands, in einer kleinen Fischergemeinschaft am Ende eines Meeresarms, nur von der See her zugänglich. Sie hatte dort seit dem achtzehnten Jahrhundert bestanden, und sie war am Sterben. 1992 hatte die kanadische Regierung ein Moratorium über den Fischfang verhängt, der den hartgesottenen Bewohnern des Dorfes zweihundertdreißig Jahre lang das Überleben gesichert hatte. Die Fanggründe der Neufundlandbank, die Europa mit einem Überfluss an Stockfisch versorgt hatten, waren zu guter Letzt leergefischt. Der Daseinsgrund der kleinen Häfen hatte sich erledigt.

Die Jugend verabschiedete sich Richtung Universität und Arbeitswelt und würde niemals zurückkehren. Die alternde Dorfgemeinschaft lebte von Regierungsalmosen, die mit dem Jahr 1997 auslaufen würden. Männer, die nie etwas anderes getan hatten, als zu fischen, klammerten sich an die Hoffnung, ihr Lebensunterhalt werde zurückkommen. Er tat es nicht, weil die ökologische Nische des Kabeljaus von geschätzten sieben Millionen Seehunden besetzt worden war. Die Männer waren gleichzeitig wütend und voller Reue. Sie waren wütend, weil sie längst vorhergesehen hatten, was passieren würde, und dies auch wiederholt den Fischereiexperten der Regierung mitgeteilt hatten, die sie, wie sie behaupteten, ignoriert hätten.

"Was wissen Wissenschaftler vom Fischen?", fragten sie mich kampflustig. "Wir haben ihnen gesagt, dass wildes Industriefischen nicht für immer aufrechterhalten werden kann. Wir waren es, die ihnen sagten, dass wir zu viele Jungfische fangen." (Kabeljau ist ein langlebiger Fisch, der erst im Alter von sieben Jahren geschlechtsreif wird.) "Aber nein, sie sagten, sie wüssten es besser." Und natürlich, fügten sie an, waren die Wissenschaftler im engen Schulterschluss mit der Regierung und der mächtigen internationalen Fischfangindustrie - während Ottawa keine Staaten vor den Kopf stoßen wollte, mit denen es alle möglichen anderen Handelsabkommen hat. Also wurde der Status quo beibehalten, bis es zu spät war und die gesamte Fischerei zusammenbrach.

Zaghaft schlug ich vor, sie hätten mit all ihrem Wissen doch von sich aus weniger Fische fangen können. Das war der Punkt, an dem sie reuig wurden. "Ja, das ist einfach gesagt. Aber entweder jeder stimmt zu, oder du schneidest dir ins eigene Fleisch zum Vorteil deines Konkurrenten. Ich gebe zu, wir waren alle zu gierig, Fischer wie Regierung. Unter uns gesagt: Wir haben uns zur Auslöschung gefischt."

Ich ging zum Friedhof des Fischerdorfs mit seinen Grabsteinen, auf denen wenig mehr als ein Dutzend Familiennamen standen, alle waren 1780 hier angekommen. Fast ein ganzes Dorf, verpflanzt aus Devon. Und dieser Ort war nur einer von Dutzenden dieser Sorte, die isoliert entlang der zerklüfteten Küste Neufundlands liegen. Keine Regierung würde eine hundertachtzig Kilometer lange Straße bauen für ein paar hundert Leute. "Wenn diese Stadt zusammenbricht, wird alles hier seinen Wert verlieren", sagte meine Pensionswirtin. "Wer sollte dieses Haus kaufen? Mein Mann und ich haben es selbst gebaut. Aber wir werden eines schönen Morgens einfach hinausgehen und uns nicht mehr darum kümmern, die Tür zuzumachen."

Einer der großen Vorzüge von W. Jeffrey Bolsters "The Mortal Sea": Das Buch zeigt, dass nichts an dieser Geschichte neu ist. Es beschreibt die Geschichte der Küstenfischerei im nordöstlichen Atlantik, hauptsächlich von Neuengland bis zur Neufundlandbank. Die Geschichte beginnt jedoch zwingend in Europa. Der Hauptgrund, warum die Fischer sich jemals über den Atlantik wagten, war die Überfischung von Nord- und Ostsee. Schon im dreizehnten Jahrhundert zeigte das Wappen der Hanse einen Stockfisch, aber um 1590 war der Bestand des Kabeljaus beunruhigend klein geworden. Auf der anderen Seite des Atlantiks entdeckten die europäischen Fischer einen paradiesischen Überfluss an Fisch, wie man ihn in Europa wohl seit den Tagen der Wikinger nicht mehr gesehen hatte. Die Plünderung begann von neuem.

Bolsters ungemein sorgfältiger historischer Bericht arbeitet mehrere Dinge heraus. Eines davon ist der Umstand, dass das - wenn auch unvollständige und vorwissenschaftliche - Wissen der Fischer über die Vorgänge unter der Wasseroberfläche sehr viel genauer und detaillierter war als das von landrattigen "Experten". Aber da die Fischer einer niedrigen Klasse angehörten, häufig Analphabeten waren, hörte man ihnen nicht richtig zu. Die offizielle Ansicht - basierend auf einer eher von der Bibel geprägten Wahrnehmung als auf Wissenschaft - gab (wie seit der Antike bekannt war) vor, dass Flüsse überfischt werden können, der Ozean jedoch nie.

Dennoch schrieb 1703 ein neufundländischer Fischer, dass "der Fisch weniger wird, der alte Vorrat aufgezehrt wird durch unser dauerndes Fischen". Erst im späten neunzehnten Jahrhundert, lange nach der flächendeckenden Einführung von Schlepp- und Schlagnetzen, erkannten Meeresforscher, was vor sich ging. Bolsters Buch korrigiert den verbreiteten Glauben, dass der wirkliche Schaden dem Fischbestand erst im späten neunzehnten Jahrhundert mit dem Aufkommen der Dampfkraft und industrieller Fischereitechnik zugefügt wurde. Aber Edward III. wurde schon 1376 eine Petition vorgelegt, er solle Balkenfischen verbieten - bei welchem man feingewebte Netze und schwere Holz- oder Eisenbalken über den Meeresgrund zog. Das Dokument beweist, indem es den Schaden beschreibt, den diese Methode den am Boden festsitzenden Lebewesen wie Austern und Muscheln zufügte - "von welchen die großen Fische gewohnt sind sich zu verköstigen" -, dass die Fischer des vierzehnten Jahrhunderts die Idee der Nahrungskette genau verstanden hatten. Die westliche Wissenschaft brauchte weitere fünfhundert Jahre, um den Anschluss an diese Alltagsbeobachtung des Mittelalters zu finden.

Die Lektüre des Buches stimmt melancholisch. Es zeigt: Menschen neigen dazu, den Zustand der Ñatur instinktiv mit jenem ihrer Kindheitstage zu vergleichen. Auf diese Weise erbt jedes Kind unwissentlich ein zunehmend verwüstetes Eden. Dieses Phänomen ist unter dem unschönen Begriff "Shifting Baseline Syndrome" (verzerrte und eingeschränkte Wahrnehmung von Wandel) bekannt, und zweifellos verzerrt es den Blick auf die sich wandelnde Umwelt. Zu Beginn der Untersuchung interviewt der Autor einen Fischer unweit von Cape Cod (ein nostalgischer Name in diesem Zusammenhang), dessen Familie seit ihrer Ankunft aus England anno 1643 in derselben Stadt von der Fischerei gelebt hatte. Jahrgang 1947, glaubt er, er werde der Letzte seines Stammes sein, der vom Fischen leben könne. Aus seiner Sicht hat sich während seiner Lebenszeit ein entscheidender Wandel vollzogen: "Ein Mann in der Fischerei, selbst einer, der Geld verdient und zufrieden ist, hat keine Ahnung, wie es damals war." Und so sehen wir etwas wehmütig jene historischen Bilder von der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert von Häfen mit Haufen von Schellfisch, Heilbutt wie große schwarze Pflastersteine und Kabeljau, so groß wie die Fischer, die sie in die Höhe halten.

War das das Paradies? Eindeutig nein, aber diese Frage quält den Umweltschutz. Wann war dann Eden? Sicher bevor das Eingreifen der Menschheit die Auslöschung einer ganzen Art verursachen und damit auch andere Dinge aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Im Meer wie auch an Land. 1839 klagte ein Fischer von der Massachusetts Bay bitter, dass "Söldner und grausame Individuen die Inseln heimsuchten, wo die angestammten Brutplätze dieser Vögel waren. Dieses Vorgehen zerstörte am Ende die ganze Rasse." Der Vogel, von dem hier die Rede ist, war der flugunfähige Riesenalk, abgeschossen oder zu Tode geprügelt bis zu seinem Aussterben Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Die amerikanische Wandertaube sollte folgen.

W. Jeffrey Bolster zitiert den großen, aus der Schweiz stammenden Wissenschaftler Louis Agassiz, der in "Principles of Zoology" (1848) schrieb: "So, wie sich die menschliche Rasse über die Oberfläche des Planeten ausbreitete, hat der Mensch mehr oder weniger die tierische Population verschiedener Regionen verändert, entweder durch Ausrottung oder durch Einführung gewisser Arten." Auch panikartig betriebene Fischzucht wird den Ozean nicht wiederherstellen, die Grundlinie hat sich unwiderruflich verschoben.

Dieses verdienstvolle Buch endet mit einer freundlichen Forderung nach besserer Verwaltung unserer verbleibenden Ressourcen. Ich stimme ihm zu, tue das aber ohne die geringste Hoffnung, dass diese effizienter sein wird als in den tausend Jahren, die der Autor so einfühlsam beleuchtet. Er hat eine dringend nötige Perspektive geschaffen, die unausgesprochen auch die Botschaft birgt, dass es vollkommen hoffnungslos ist, so zu tun, als würden wir unsere Vorgehensweise verbessern. Wir sind der Affe mit der Hand im Glas. In den abgelegenen Häfen Neufundlands muss sich das Klappern von verlassenen Türen und Fensterläden im Eissturm wie ironischer Beifall anhören.

Der englische Schriftsteller James Hamilton-Paterson hat zuletzt "Vom Meer" (2010) veröffentlicht.

Aus dem Englischen von Hannes Hintermeier.

W. Jeffrey Bolster: "The Mortal Sea". Fishing the Atlantic in the Age of Sail.

The Belknap Press, Harvard 2012. 378 S., geb., 23,99 [Euro].

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