Produktdetails
- Verlag: Harvard University Press
- Seitenzahl: 240
- Englisch
- Abmessung: 215mm
- Gewicht: 425g
- ISBN-13: 9780674015722
- ISBN-10: 067401572X
- Artikelnr.: 13657358
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2005Akkumulation, Innovation und Institutionen
Ein Brevier zum Wirtschaftswachstum
Elhanan Helpman: The Mystery of Economic Growth. Belknap (Harvard University Press), Cambridge, Massachusetts 2004, 223 Seiten, 25,95 Dollar.
Vom Wirtschaftswachstum hängen die materiellen Lebensbedingungen der Menschen und der Wohlstand der Nationen ab. Bei einem Prozent Wachstum verdoppelt sich das Pro-Kopf-Einkommen alle 70 Jahre, bei 3 Prozent schon alle 23 Jahre. Eigentlich müßte sich in Anbetracht dieser Tatsache jeder Gebildete über das Wachstum und seine Determinanten informieren können. Gerade weil dazu in den vergangenen Jahren viele - und zunehmend mathematische Kenntnisse verlangende - Publikationen erschienen sind, wird es jedoch immer schwerer, den Überblick zu behalten. Hier hilft das neue und kurze Buch eines zwischen Israel und Nordamerika pendelnden Forschers, der selbst innovative Beiträge zur Wachstumsliteratur geleistet hat, sich aber auch an Nichtökonomen wendet - mit Erfolg.
In den neoklassischen Wachstumstheorien stand zunächst die Akkumulation im Mittelpunkt. Wachstum wurde durch Faktoreinsatz erklärt, durch mehr Maschinen, Ausrüstung, Fabriken, Arbeiter und später auch durch besser ausgebildete Arbeitskräfte. Diesen Theorien verdanken wir bleibende Erkenntnisse, zum Beispiel über die Abhängigkeit der Wachstumsraten von der Kapitalintensität von Volkswirtschaften, die sich in abnehmenden Wachstumsraten derselben Volkswirtschaft über die Zeit äußern kann oder in höheren Wachstumsraten ärmerer Länder im Ländervergleich.
Problematisch an den älteren neoklassischen Wachstumstheorien ist die Abhängigkeit des Wachstums - jedenfalls auf längere Sicht - vom technologischen Fortschritt, jedenfalls bei Verzicht auf eine direkte Erfassung dieses Fortschritts und ohne Analyse seiner Determinanten. Spätere Arbeiten haben gezeigt, daß die Produktivität des Faktoreinsatzes einen höheren Erklärungsbeitrag zum Wachstum als der Faktoreinsatz selbst leistet. Wenn der technologische Fortschritt und damit zusammenhängend der Produktivitätsfortschritt so bedeutsam ist, dann müssen auch dessen Rückwirkungen auf den Faktoreinsatz und Investitionen berücksichtigt werden. Weil Produktivitätszuwächse wesentlich zur Profitabilität von Investitionen beitragen, trägt dann der Produktivitätszuwachs auch zur Kapitalakkumulation bei. Das hat die Beurteilung beider Effekte in älteren Analysen oft verzerrt.
Während mit Hilfe der älteren neoklassischen Theorien nur ein abnehmendes Wachstum über die Zeit ohne weiteres erklärbar ist, können neuere Theorien auch das zuweilen beobachtbare zunehmende Wachstum von Volkswirtschaften erklären. Das ist dann zu erwarten, wenn der Wissenserwerb innerhalb von Unternehmen nicht nur diesen zu größerer Produktivität verhilft, sondern darüber hinaus auch anderen Unternehmen und damit der Volkswirtschaft - oder wenn die Produktivität von Arbeitern auch von der Produktivität anderer Arbeiter in ihrem Umfeld abhängt, wenn es also positive Externalitäten von lokalen Wissens- oder Produktivitätszuwächsen gibt.
Volkswirtschaften sind interdependent, das heißt, die Wachstumsaussichten verschiedener Länder beeinflussen einander. Dabei spielen Handel oder Protektionismus eine wichtige Rolle. Helpman analysiert theoretische Gründe dafür, daß der Freihandel unter bestimmten Bedingungen das Wachstum fördert, unter anderen jedoch das Wachstum verlangsamt. Obwohl Helpman darauf verweist, daß die wachstumsfördernden Effekte des Freihandels in den vergangenen 60 Jahren dominiert haben, wäre gerade an dieser Stelle eine weitergehende Analyse wünschenswert gewesen, wie plausibel überhaupt das Auftreten von Bedingungen ist, unter denen Protektionismus tatsächlich auch einmal das Wachstum fördern kann.
Ein anderer Aspekt der Interdependenz zwischen Volkswirtschaften ergibt sich aus der Tatsache, daß rund 95 Prozent der globalen Investitionen in Forschung und Entwicklung in den wohlhabenden Industrieländern getätigt werden. Die positiven Effekte dieser Investitionen sind allerdings nicht auf die Industrieländer beschränkt, weil Entwicklungsländer auch von Investitionen anderswo profitieren können.
Im abschließenden Kapitel beschäftigt sich Helpman mit den institutionellen und politischen Voraussetzungen des Wachstums. Er vertritt die These, daß vor allem die Ausgestaltung der Eigentums- und Verfügungsrechte vermittels der Anreizwirkungen das Wachstum bestimmt. Am überzeugendsten in diesem Kapitel ist die Zurückweisung des geographischen Determinismus, mit dem in jüngster Zeit manchmal die Entwicklungsdefizite Afrikas erklärt werden. Dabei spielen die Lage in den Tropen und die Entfernung zu geeigneten Häfen eine besondere Rolle. Zumindest in manchen Regionen hat sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Jahrhunderten grundlegend verändert, und somit ist hier tatsächlich eine gewisse Skepsis angesagt.
Natürlich läßt sich bei einem so kurzen Buch die eine oder andere Lücke feststellen. Das Thema der wirtschaftlichen Freiheit wird weitgehend vernachlässigt. Aber Helpman gelingt es, das wichtige und schwierige Thema des Wirtschaftswachstums einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
ERICH WEEDE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Brevier zum Wirtschaftswachstum
Elhanan Helpman: The Mystery of Economic Growth. Belknap (Harvard University Press), Cambridge, Massachusetts 2004, 223 Seiten, 25,95 Dollar.
Vom Wirtschaftswachstum hängen die materiellen Lebensbedingungen der Menschen und der Wohlstand der Nationen ab. Bei einem Prozent Wachstum verdoppelt sich das Pro-Kopf-Einkommen alle 70 Jahre, bei 3 Prozent schon alle 23 Jahre. Eigentlich müßte sich in Anbetracht dieser Tatsache jeder Gebildete über das Wachstum und seine Determinanten informieren können. Gerade weil dazu in den vergangenen Jahren viele - und zunehmend mathematische Kenntnisse verlangende - Publikationen erschienen sind, wird es jedoch immer schwerer, den Überblick zu behalten. Hier hilft das neue und kurze Buch eines zwischen Israel und Nordamerika pendelnden Forschers, der selbst innovative Beiträge zur Wachstumsliteratur geleistet hat, sich aber auch an Nichtökonomen wendet - mit Erfolg.
In den neoklassischen Wachstumstheorien stand zunächst die Akkumulation im Mittelpunkt. Wachstum wurde durch Faktoreinsatz erklärt, durch mehr Maschinen, Ausrüstung, Fabriken, Arbeiter und später auch durch besser ausgebildete Arbeitskräfte. Diesen Theorien verdanken wir bleibende Erkenntnisse, zum Beispiel über die Abhängigkeit der Wachstumsraten von der Kapitalintensität von Volkswirtschaften, die sich in abnehmenden Wachstumsraten derselben Volkswirtschaft über die Zeit äußern kann oder in höheren Wachstumsraten ärmerer Länder im Ländervergleich.
Problematisch an den älteren neoklassischen Wachstumstheorien ist die Abhängigkeit des Wachstums - jedenfalls auf längere Sicht - vom technologischen Fortschritt, jedenfalls bei Verzicht auf eine direkte Erfassung dieses Fortschritts und ohne Analyse seiner Determinanten. Spätere Arbeiten haben gezeigt, daß die Produktivität des Faktoreinsatzes einen höheren Erklärungsbeitrag zum Wachstum als der Faktoreinsatz selbst leistet. Wenn der technologische Fortschritt und damit zusammenhängend der Produktivitätsfortschritt so bedeutsam ist, dann müssen auch dessen Rückwirkungen auf den Faktoreinsatz und Investitionen berücksichtigt werden. Weil Produktivitätszuwächse wesentlich zur Profitabilität von Investitionen beitragen, trägt dann der Produktivitätszuwachs auch zur Kapitalakkumulation bei. Das hat die Beurteilung beider Effekte in älteren Analysen oft verzerrt.
Während mit Hilfe der älteren neoklassischen Theorien nur ein abnehmendes Wachstum über die Zeit ohne weiteres erklärbar ist, können neuere Theorien auch das zuweilen beobachtbare zunehmende Wachstum von Volkswirtschaften erklären. Das ist dann zu erwarten, wenn der Wissenserwerb innerhalb von Unternehmen nicht nur diesen zu größerer Produktivität verhilft, sondern darüber hinaus auch anderen Unternehmen und damit der Volkswirtschaft - oder wenn die Produktivität von Arbeitern auch von der Produktivität anderer Arbeiter in ihrem Umfeld abhängt, wenn es also positive Externalitäten von lokalen Wissens- oder Produktivitätszuwächsen gibt.
Volkswirtschaften sind interdependent, das heißt, die Wachstumsaussichten verschiedener Länder beeinflussen einander. Dabei spielen Handel oder Protektionismus eine wichtige Rolle. Helpman analysiert theoretische Gründe dafür, daß der Freihandel unter bestimmten Bedingungen das Wachstum fördert, unter anderen jedoch das Wachstum verlangsamt. Obwohl Helpman darauf verweist, daß die wachstumsfördernden Effekte des Freihandels in den vergangenen 60 Jahren dominiert haben, wäre gerade an dieser Stelle eine weitergehende Analyse wünschenswert gewesen, wie plausibel überhaupt das Auftreten von Bedingungen ist, unter denen Protektionismus tatsächlich auch einmal das Wachstum fördern kann.
Ein anderer Aspekt der Interdependenz zwischen Volkswirtschaften ergibt sich aus der Tatsache, daß rund 95 Prozent der globalen Investitionen in Forschung und Entwicklung in den wohlhabenden Industrieländern getätigt werden. Die positiven Effekte dieser Investitionen sind allerdings nicht auf die Industrieländer beschränkt, weil Entwicklungsländer auch von Investitionen anderswo profitieren können.
Im abschließenden Kapitel beschäftigt sich Helpman mit den institutionellen und politischen Voraussetzungen des Wachstums. Er vertritt die These, daß vor allem die Ausgestaltung der Eigentums- und Verfügungsrechte vermittels der Anreizwirkungen das Wachstum bestimmt. Am überzeugendsten in diesem Kapitel ist die Zurückweisung des geographischen Determinismus, mit dem in jüngster Zeit manchmal die Entwicklungsdefizite Afrikas erklärt werden. Dabei spielen die Lage in den Tropen und die Entfernung zu geeigneten Häfen eine besondere Rolle. Zumindest in manchen Regionen hat sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Jahrhunderten grundlegend verändert, und somit ist hier tatsächlich eine gewisse Skepsis angesagt.
Natürlich läßt sich bei einem so kurzen Buch die eine oder andere Lücke feststellen. Das Thema der wirtschaftlichen Freiheit wird weitgehend vernachlässigt. Aber Helpman gelingt es, das wichtige und schwierige Thema des Wirtschaftswachstums einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
ERICH WEEDE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main