Produktdetails
- Verlag: GB Gardners Books / Murray
- Seitenzahl: 636
- Englisch
- Abmessung: 240mm
- Gewicht: 1180g
- ISBN-13: 9780719555817
- Artikelnr.: 43968890
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Nationalsozialistischer Terror in Köln, Krefeld und Bergheim
Eric A. Johnson: Der nationalsozialistische Terror. Gestapo, Juden und gewöhnliche Deutsche. Siedler Verlag, Berlin 2001. 704 Seiten, 68,- Mark.
Seit geraumer Zeit findet das Phänomen des nationalsozialistischen Terrors die bevorzugte Aufmerksamkeit der Geschichtswissenschaft. Im Zuge einer regionalgeschichtlichen Untersuchung dreier Städte im Rheinland - Köln, Krefeld und Bergheim - setzt sich der amerikanische Historiker Eric A. Johnson aufs neue mit dem widrigen Untersuchungsgegenstand auseinander. Er unterzieht sich dieser Aufgabe auf der Grundlage eines breiten Quellenmaterials, vornehmlich der einschlägigen Polizei- und Gerichtsakten. Ergänzt werden diese durch Prozeßakten aus der Nachkriegszeit sowie durch umfangreiche Befragungen, die während der neunziger Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts angestellt wurden: In dieser Perspektive wäre allerdings eine intensive Auseinandersetzung mit dem quellenkritischen Problem der zeitgenössischen und der nicht-gleichzeitigen Zeugnisse aufschlußreich, ja erforderlich gewesen.
Die für den regionalen Untersuchungszusammenhang überreich ausgebreiteten Beispiele der Verfolgung derjenigen, die nicht zur "Volksgemeinschaft" gezählt wurden, von Kommunisten und Christen über die Zeugen Jehovas bis hin zu den Juden, um nur einige der Opfergruppen zu benennen, lesen sich wie ein nicht enden wollender Beleg über die "unvermutete Gemeinheit der Menschennatur" (Wilhelm Röpke). Wie sich diese anthropologische Disposition der menschlichen Spezies unter den Bedingungen eines totalitären Systems grausam zu entfalten vermocht hat und warum sich normale Bürger nicht selten in heimtückische Bestien verwandelt haben, wird freilich kaum zureichend erklärt: Der Gegensatz zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Rechtsstaat und Unrechtsstaat kann dabei einfach nicht hoch genug veranschlagt werden.
Daß sich der Autor von der in der neueren Forschung zunehmend betonten These distanziert, wonach die Geheime Staatspolizei für das Phänomen des Terrors weniger relevant gewesen sei als ein grassierendes Denunziantentum der Bevölkerung, leuchtet dagegen ein: "Es gibt . . . Gründe für die Annahme, daß dieser gegenwärtige Schwerpunkt auf Denunziationen deren Bedeutung zu stark betont und möglicherweise zu einer Unterschätzung der bösartigen und gezielten Aktionen der Gestapo und einer Überschätzung der Schuld der deutschen Bevölkerung geführt hat. Es geht hier nicht darum, die deutsche Zivilbevölkerung von jeder Schuld freizusprechen. Im Gegenteil, es ist eine der zentralen Thesen dieses Buches, daß sich die deutsche Zivilbevölkerung tatsächlich in hohem Maße der Mittäterschaft an der Ermordung der Juden und zahlreicher weiterer Verbrechen, die in der NS-Gesellschaft begangen wurden, schuldig gemacht hat. Aber man darf nicht in den Fehler verfallen, die gesamte deutsche Bevölkerung eines Verbrechens (der Denunziation) anzuklagen, das nur von einem relativ kleinen Bruchteil dieser Bevölkerung begangen wurde." Die Feststellung freilich, "Millionen deutscher Bürger" hätten "noch während des Krieges vom Massenmord an den Juden erfahren", vermag deshalb nicht recht zu überzeugen, weil zu unbestimmt bleibt, was tatsächlich gewußt, vermutet oder geahnt worden ist und weil die aufgebotenen Belege die sehr weit gehende These kaum plausibel machen können.
Insgesamt liegt die Stärke der Darstellung in der reichhaltigen Präsentation exemplarischer Materialien, die ebenso anschaulich wie erschreckend wirken. Zu kurz kommt darüber jedoch die historiographische Interpretation. Wo diese unterbreitet wird, wirft sie nicht selten Probleme auf - beispielsweise im Gebrauch eines allgemeinen Faschismusbegriffs für das Spezifische des deutschen Nationalsozialismus oder im Transport der zählebigen Geschichtslegende, wonach am Ende der Weimarer Republik Hitlers "Machtergreifung" durch eine Koalition aus SPD und KPD hätte verhindert werden können: Ein Bündnis zwischen denen, welche die Demokratie von Weimar verteidigt haben, und denen, welche die Diktatur des Proletariats an die Stelle der Republik setzen wollten, war eben nicht möglich. Eric A. Johnson hat eine an Faktenreichtum kaum zu überbietende Darstellung vorgelegt, die allerdings einmal mehr auf die Notwendigkeit übergreifender und einordnender Synthesen verweist.
KLAUS HILDEBRAND
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