Die Hypothese stand bereits seit 1990 im Raum, als Hilke Thür die Vermutung äußerte, das seltsame, achteckige Mausoleum, das in Ephesos an einer herausgehobenen Stelle der Gräberprozessionsstraße stand, könnte das Grab von Arsinoë IV sein, der Schwester von Kleopatra VII, der letzten Pharaonin
Ägyptens. Das Gebäude, von dem die Grundmauern und einige Schmuckarchitektur erhalten sind, war über…mehrDie Hypothese stand bereits seit 1990 im Raum, als Hilke Thür die Vermutung äußerte, das seltsame, achteckige Mausoleum, das in Ephesos an einer herausgehobenen Stelle der Gräberprozessionsstraße stand, könnte das Grab von Arsinoë IV sein, der Schwester von Kleopatra VII, der letzten Pharaonin Ägyptens. Das Gebäude, von dem die Grundmauern und einige Schmuckarchitektur erhalten sind, war über einem Sarkophag errichtet worden, in dem sich bei der Entdeckung 1929 sterbliche Überreste befanden. Der Schädel ging im Lauf der Zeit verloren, die Skelettreste wurden dem Kunsthistorischen Museum in Wien offiziell überlassen. Seit 1929 hat sich die Interpretation des Gebäudes mehrfach geändert, mit der hier vorgestellten Untersuchung bekommt das Oktagon allerdings eine historisch herausragende Rolle. Wie die Autoren sehr schlüssig und unter mehreren Blickwinkeln nachweisen, handelt es sich dabei tatsächlich um die Grablege von Arsinoë, die 42/41 v. Chr. in Ephesos im Auftrag ihrer Schwester Kleopatra ermordet wurde, um eine mögliche Rivalin in der Thronfolge zu beseitigen.
Die Autoren stellen diese These selber immer wieder in Frage, indem sie die Fund/Befundlage zum Zeitpunkt der Entdeckung und römische Quellen unter verschiedenen Gesichtspunkten untersuchen. Dabei finden sie starke Bezüge zu Arsinoës Biografie, die über den Ort ihrer Ermordung hinaus gehen. Durch detaillierte Gegenüberstellungen der Ereignisse lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Ephesos auch als Arsinoës Geburtsort identifizieren und die epigrafischen und literarischen Quellen weisen das Artemision in Ephesos, den eigentlichen Tatort, als ein damals international anerkanntes Asylum nach. Der Mord in seinen Mauern war in höchstem Maß ein Sakrileg und könnte ein weiterer Grund für die hervorgehobene Lage des Grabmonuments gewesen sein, das erst nach Kleopatras Selbstmord errichtet wurde. Stilkritische Untersuchungen der Gebäudereste des Oktogon weisen ebenfalls in die Zeit von Arsinoës Ermordung. Das Skelett ist dementsprechend der einzig physisch erhaltene Körper aus der Ptolemäerdynastie und hätte mithilfe von DNA Untersuchungen z. B. klären können, ob Kleopatra afrikanische Wurzeln hatte – allerdings liefen diese wegen des schlechten Erhaltungszustandes ins Leere. Hier kommt die zweite, ebenso unglaubliche Entdeckung ins Spiel, die den Autoren gelang: Eine detektivische Spurensuche nach dem verschwundenen Schädel, die am Ende erfolgreich ist. Die im Schädel erhaltenen Zähne werden mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Licht in die Ptolemäergenealogie werfen, auch wenn das Geheimnis in diesem Band noch nicht gelüftet werden konnte.
Die Akribie, mit der die Autoren die Quellenlage analysieren, die Sorgfalt, mit der sie die eigene These immer wieder auf den Prüfstand stellen und doch immer zum gleichen Ergebnis kommen, ist bemerkenswert. Das macht die Arbeit wissenschaftlich rundum überzeugend. Die Entdeckung hat historischen Wert und wird auch in die Zukunft wirken, daran besteht kein Zweifel.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)