This book presents the photo publications of Dr. Paul Wolff and Alfred Tritschler, revealing both their extensive artistic skills and business acumen. Wolff and Tritschler's versatile approach encompassed industrial reportages, genre pictures, news coverage, advertising campaigns and even films. In this volume, their more than 1,000 known published works and many magazine contributions are gathered and illustrated in color for the first time. Texts drawing on extensive primary sources explore Wolff and Tritschler's most important creations and reconstruct the history of their company. We see just how markedly the contexts for the production and consumption of photography changed between the Weimar Republic and Third Reich, and how Wolff and Tritschler exemplify the pivotal role which outstanding individuals played within this history. Their journalistic activities developed within the larger expansion of photographic illustration; their success was closely linked to the advancement of media reception and its use in political policies. Wolff and Tritschler's photo publications take on a further, political meaning-also in terms of National Socialist ideology-in the context of their concrete usage. This book's focus on their entire oeuvre, particularly the little seen early and late output, makes it the most comprehensive evaluation of Wolff and Tritschler's multifaceted work to date.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2021Tausend Bücher ohne Siegel
Aus dem Urschlamm der Massenmedien: Agenturfotografien von Paul Wolff und Alfred Tritschler
Es war eine hinreißende Ausstellung, mit der im Ernst Leitz Museum in Wetzlar vor nicht allzu langer Zeit zum ersten Mal das imposante Werk des Fotografenteams Paul Wolff und Alfred Tritschler einigermaßen umfassend vorgestellt wurde. Ihr Titel lautete "Licht und Schatten", womit möglicherweise gar nicht die Ausgangsbasis noch jeder Fotografie gemeint war, sondern der Versuch, zwei Meister aus dem Dunkel des Vergessens zurückzuholen.
Obwohl Paul Wolff in den dreißiger Jahren mit seinen Büchern "Meine Erfahrungen mit der Leica" und "Meine Erfahrungen ... farbig" zwei in etliche Sprachen übersetzte Bestseller landete, geriet sein Name in Vergessenheit - und es hinterließ die Firma Wolff & Tritschler, die mit bis zu zwanzig Angestellten von Frankfurt aus operierte, auch kaum Motive, die sich eingebrannt hätten in das, was man gerne als das kollektive Gedächtnis bezeichnet. Dabei wird das Werk auf etwa siebenhunderttausend Aufnahmen geschätzt. Und es hat zu ihrer Zeit vermutlich kein Fotograf mehr Aufnahmen veröffentlicht als die beiden.
Wolff, eigentlich Arzt und zunächst nur engagierter Fotoamateur, und Tritschler, der als Kameramann unter anderem für Fritz Langs Kinofilm "Metropolis" gearbeitet hatte, lieferten alles: von Mode, Werbung und Stillleben bis zu Architektur-, Industrie- und Landschaftsfotografien, dazu Reisereportagen und Sportaufnahmen, etwa von den Olympischen Spielen 1936.
Und sie belieferten jeden. Perfekt hatten sie die Wünsche und Möglichkeiten des aufkeimenden massenmedialen Zeitalters für sich zu nutzen verstanden, und konsequent arbeiteten sie entlang eines massentauglichen Geschmacks. Dabei bedienten sie sich ebenso der Stilmittel der Neuen Sachlichkeit wie der ungewöhnlichen Perspektiven des Neuen Sehens, näherten sich später der Ästhetik des Nationalsozialismus an oder dokumentierten noch später distanziert nüchtern das zerbombte Frankfurt. Nur selten jedoch scherten sie aus mit avantgardistischen Experimenten - vielmehr war es, als nutzten sie die Strömungen der Zeit wie ästhetische Fertigteile und trieben sie nur noch zur Perfektion. Dabei allerdings arbeiteten sie auf solch hohem Niveau, dass man sich angesichts der Aufnahmen in jener Ausstellung samt dem kiloschweren Katalog von Hans-Michael Koetzle, dessen Auswahl man als ein "Best of" begreifen kann, wundern musste, weshalb der Kunstmarkt die beiden Fotografen bis heute ignoriert.
Nun ist ein weiteres Buch zu Wolff und Tritschler erschienen, noch größer, noch umfangreicher, das versucht, einen Eindruck des buchstäblich nicht überschaubaren Gesamtwerks zu vermitteln. In unendlicher Fleißarbeit und mit einer Akribie nahe der Selbstaufgabe sind darin von Manfred Heiting und Kristina Lemke in überbordender Fülle Bücher und Illustrierte aufgeführt, Kataloge, Unternehmensbroschüren und Bildkalender, dazu reichlich Handzettel und Prospekte, Ansichtskarten und Plakate, die mit Fotografien von Wolff & Tritschler illustriert waren.
Es sind Aberhunderte, womöglich Tausende, alle beschrieben in schier endlosen Listen und bebildert mit nahezu dreitausend oft freilich nur briefmarkengroßen Beispielen, die sich als Biographie zweier erfolgreicher und selbstbewusster Auftragsfotografen zu einer Geschichte der Agenturfotografie in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts addieren und sich zugleich als die Geschichte deutscher Sehnsüchte zwischen der Endphase des Kaiserreichs bis in die Anfänge der Nachkriegszeit lesen lassen - ob mit raffinierten Arrangements für Produktreklamen oder ausgestellter Lebensfreude und romantischen Ansichten für die Fremdenverkehrswerbung. Von den Herausforderungen im Beruf hingegen erzählen in epischer Breite ihre Industriefotografien. Dabei folgt das Buch nicht der Chronologie, sondern widmet sich mit gut einem Dutzend Kapiteln den unterschiedlichen Themen und Aspekten im Werk von Wolff und Tritschler, bis hin zu deren Fotos im Dienste politischer Propaganda, wobei für Wolff, wie Heiting und Lemke schreiben, weniger ideologische Neigungen als wirtschaftliche Eigeninteressen ausschlaggebend gewesen sein dürften - was dann etwa zu Illustrationen für die Broschüre "Arbeit für die Wehrmacht - Ein Querschnitt durch die Kriegsarbeit von Peek & Cloppenburg" führte.
In ihrer politischen Einschätzung Wolffs nehmen die Autoren den Fotografen vorsichtig in Schutz, und was dessen Kreativität angeht, greift Heiting zum Superlativ und schreibt, er sei "der begabteste, experimentierfreudigste und findigste Fototechniker seiner Zeit" gewesen - ein Anspruch, den Wolff trotz aller Kommerzialisierung der Arbeit durchaus an sich selbst stellte. Nirgends wird das klarer als in seinen Tier- und Pflanzenbüchern, erschienen in der kulturpädagogisch ausgerichteten Reihe der "Blauen Bücher", die in deutlicher Konkurrenz zu den Bänden von Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch angelegt sind - und deren Qualität mitunter erreichten, nicht aber deren Ruhm als Meilensteine der Neuen Sachlichkeit.
Ein Grund dafür mag sein, dass Wolff bei der Arbeit stets Publikationen vor Augen hatte, nur selten hingegen die Museumswand. Manfred Heiting und Kristina Lemke haben dem Rechnung getragen - und keinen Kunstband herausgegeben, sondern ein Bücherbuch.
FREDDY LANGER
"Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler". Die gedruckten Bilder 1906-2019.
Hrsg. von Manfred Heiting und Kristina Lemke. Steidl Verlag, Göttingen 2021. 600 S., Abb., geb., 125,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aus dem Urschlamm der Massenmedien: Agenturfotografien von Paul Wolff und Alfred Tritschler
Es war eine hinreißende Ausstellung, mit der im Ernst Leitz Museum in Wetzlar vor nicht allzu langer Zeit zum ersten Mal das imposante Werk des Fotografenteams Paul Wolff und Alfred Tritschler einigermaßen umfassend vorgestellt wurde. Ihr Titel lautete "Licht und Schatten", womit möglicherweise gar nicht die Ausgangsbasis noch jeder Fotografie gemeint war, sondern der Versuch, zwei Meister aus dem Dunkel des Vergessens zurückzuholen.
Obwohl Paul Wolff in den dreißiger Jahren mit seinen Büchern "Meine Erfahrungen mit der Leica" und "Meine Erfahrungen ... farbig" zwei in etliche Sprachen übersetzte Bestseller landete, geriet sein Name in Vergessenheit - und es hinterließ die Firma Wolff & Tritschler, die mit bis zu zwanzig Angestellten von Frankfurt aus operierte, auch kaum Motive, die sich eingebrannt hätten in das, was man gerne als das kollektive Gedächtnis bezeichnet. Dabei wird das Werk auf etwa siebenhunderttausend Aufnahmen geschätzt. Und es hat zu ihrer Zeit vermutlich kein Fotograf mehr Aufnahmen veröffentlicht als die beiden.
Wolff, eigentlich Arzt und zunächst nur engagierter Fotoamateur, und Tritschler, der als Kameramann unter anderem für Fritz Langs Kinofilm "Metropolis" gearbeitet hatte, lieferten alles: von Mode, Werbung und Stillleben bis zu Architektur-, Industrie- und Landschaftsfotografien, dazu Reisereportagen und Sportaufnahmen, etwa von den Olympischen Spielen 1936.
Und sie belieferten jeden. Perfekt hatten sie die Wünsche und Möglichkeiten des aufkeimenden massenmedialen Zeitalters für sich zu nutzen verstanden, und konsequent arbeiteten sie entlang eines massentauglichen Geschmacks. Dabei bedienten sie sich ebenso der Stilmittel der Neuen Sachlichkeit wie der ungewöhnlichen Perspektiven des Neuen Sehens, näherten sich später der Ästhetik des Nationalsozialismus an oder dokumentierten noch später distanziert nüchtern das zerbombte Frankfurt. Nur selten jedoch scherten sie aus mit avantgardistischen Experimenten - vielmehr war es, als nutzten sie die Strömungen der Zeit wie ästhetische Fertigteile und trieben sie nur noch zur Perfektion. Dabei allerdings arbeiteten sie auf solch hohem Niveau, dass man sich angesichts der Aufnahmen in jener Ausstellung samt dem kiloschweren Katalog von Hans-Michael Koetzle, dessen Auswahl man als ein "Best of" begreifen kann, wundern musste, weshalb der Kunstmarkt die beiden Fotografen bis heute ignoriert.
Nun ist ein weiteres Buch zu Wolff und Tritschler erschienen, noch größer, noch umfangreicher, das versucht, einen Eindruck des buchstäblich nicht überschaubaren Gesamtwerks zu vermitteln. In unendlicher Fleißarbeit und mit einer Akribie nahe der Selbstaufgabe sind darin von Manfred Heiting und Kristina Lemke in überbordender Fülle Bücher und Illustrierte aufgeführt, Kataloge, Unternehmensbroschüren und Bildkalender, dazu reichlich Handzettel und Prospekte, Ansichtskarten und Plakate, die mit Fotografien von Wolff & Tritschler illustriert waren.
Es sind Aberhunderte, womöglich Tausende, alle beschrieben in schier endlosen Listen und bebildert mit nahezu dreitausend oft freilich nur briefmarkengroßen Beispielen, die sich als Biographie zweier erfolgreicher und selbstbewusster Auftragsfotografen zu einer Geschichte der Agenturfotografie in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts addieren und sich zugleich als die Geschichte deutscher Sehnsüchte zwischen der Endphase des Kaiserreichs bis in die Anfänge der Nachkriegszeit lesen lassen - ob mit raffinierten Arrangements für Produktreklamen oder ausgestellter Lebensfreude und romantischen Ansichten für die Fremdenverkehrswerbung. Von den Herausforderungen im Beruf hingegen erzählen in epischer Breite ihre Industriefotografien. Dabei folgt das Buch nicht der Chronologie, sondern widmet sich mit gut einem Dutzend Kapiteln den unterschiedlichen Themen und Aspekten im Werk von Wolff und Tritschler, bis hin zu deren Fotos im Dienste politischer Propaganda, wobei für Wolff, wie Heiting und Lemke schreiben, weniger ideologische Neigungen als wirtschaftliche Eigeninteressen ausschlaggebend gewesen sein dürften - was dann etwa zu Illustrationen für die Broschüre "Arbeit für die Wehrmacht - Ein Querschnitt durch die Kriegsarbeit von Peek & Cloppenburg" führte.
In ihrer politischen Einschätzung Wolffs nehmen die Autoren den Fotografen vorsichtig in Schutz, und was dessen Kreativität angeht, greift Heiting zum Superlativ und schreibt, er sei "der begabteste, experimentierfreudigste und findigste Fototechniker seiner Zeit" gewesen - ein Anspruch, den Wolff trotz aller Kommerzialisierung der Arbeit durchaus an sich selbst stellte. Nirgends wird das klarer als in seinen Tier- und Pflanzenbüchern, erschienen in der kulturpädagogisch ausgerichteten Reihe der "Blauen Bücher", die in deutlicher Konkurrenz zu den Bänden von Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch angelegt sind - und deren Qualität mitunter erreichten, nicht aber deren Ruhm als Meilensteine der Neuen Sachlichkeit.
Ein Grund dafür mag sein, dass Wolff bei der Arbeit stets Publikationen vor Augen hatte, nur selten hingegen die Museumswand. Manfred Heiting und Kristina Lemke haben dem Rechnung getragen - und keinen Kunstband herausgegeben, sondern ein Bücherbuch.
FREDDY LANGER
"Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler". Die gedruckten Bilder 1906-2019.
Hrsg. von Manfred Heiting und Kristina Lemke. Steidl Verlag, Göttingen 2021. 600 S., Abb., geb., 125,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Freddy Langer hält das den Fotografen Paul Wolff und Alfred Tritschler gewidmete Buch von Manfred Heiting und Kristina Lemke für ein "Bücherbuch", nicht für einen Kunstband. Das liegt an der publizistischen Ausrichtung der Arbeit des Fotografenteams. Der vorliegende Band trägt dem laut Langer Rechnung, indem er die NS-Propagandarbeit von Wolff & Tritschler "vorsichtig" in Schutz nimmt und die gesamte epische Breite ihres Schaffens zu erfassen und abzubilden sucht, wenngleich auch in mitunter winzigen Abbildungen. Eine akribische Fleißarbeit, vor der Langer nur den Hut ziehen kann, weil sie Künstlerbiografie, Werkverzeichnis und Fotografiegeschichte in einem darstellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH