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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2002

Im Malstrom der Bedeutung
Laß dich überraschen! Wie Physik, Literatur, Philosophie, Popmusik und Fernsehen mit dem Informationsbegriff umgehen / Von Dietmar Dath

In einer der seltsamsten Episoden der Fernsehserie "Buffy - im Bann der Dämonen" sucht ein mehrere tausend Jahre altes Höllenwesen namens Moloch weder feuchte Kellergewölbe noch verwunschene Dachböden, sondern ausgerechnet das Internet heim. Das Szenario, aufgrund dessen es da hingeraten ist, verquickt die schöne Logos-Theologie des Wortes, das im Anfang bei Gott und sogar selbst göttlich war, charmant mit physikalistischen Vorstellungen von "Information", wie sie zeitgemäßer kaum sein könnten: Mutige Mönche verwandeln Moloch im "um das Jahr 1500" spielenden Prolog der Folge "in einen Text", der alle seine wesentlichen Attribute bewahrt, und verbannen den Dämon in ein Buch.

Dabei vertrauen die Brüder offenbar darauf, daß das Verhältnis zwischen ihren dämonologischen Symbolen und ihrem Objektwissen über Moloch nicht nur der semiotischen Bauernregel "Etwas kann jederzeit für etwas anderes stehen" folgt, sondern darüber hinaus eines der Abhängigkeit ist, wie es der Pionier der Quanteninformatik David Deutsch in seinem Aufsatz "Die Struktur des Multiversums" im August 2001 zusammengefaßt hat: Von einem physikalischen - und offenbar auch von einem dämonischen - System M kann man genau dann sagen, es "enthalte Information" über einen Parameter x, wenn: a.) die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ergebnisses einer bestimmten Messung - hier: Beschwörung - bezüglich M völlig von x abhängt und b.) es keine vollständige Beschreibung von M gibt, die von x unabhängig ist. Bei aller informatischen Frühreife dieser Kuttenträger: Von den heikleren Aspekten verschränkter Systeme haben sie erkennbar keinen Schimmer. Denn sie halten den bösen Moloch für verläßlich eingesperrt, solange niemand den alten Text liest und den Widerling durch Entfaltung der ihn verschlüsselnden Zeichenketten befreit.

In der betreffenden "Buffy"-Folge aber legt eine junge Bibliothekshilfskraft die alte Schwarte zur elektronischen Erfassung auf einen Scanner, und schon ist das Malheur passiert: Verkörpert durch einen schwach leuchtenden Schriftzug auf dem Bildschirm des nächstliegenden Endgeräts, fragt sich Moloch desorientiert: "Wo bin ich?" Um ihm auf diese Frage eine korrekte Antwort zu geben, kann es nicht schaden, sich einen Überblick über die ganz verschiedenen Gebrauchsweisen zu verschaffen, von denen der Begriff "Information" heute regiert wird.

Die geringste Gefahr höllischer Interferenzen droht dabei sicher von der umfangreichen Literatur, die "Information" als eine reine Angelegenheit des Nachrichtenwesens auffaßt. Schon Alan Turing schlug sich ja mit dem Knacken von Codes herum, als er seine erste nicht nur als abstrakte Idee vom "universalen Computer" greifbare Rechenmaschine bauen ließ, und der Informatikvordenker und Erforscher der Kapazität von Nachrichtenkanälen, Claude Shannon, war kein freischwebender Philosoph, sondern Angestellter der Bell Laboratories.

So verspricht denn auch Neil Gershenfelds im Jahr 2000 erschienenes Buch "The Physics of Information Technology" vor allem Unterweisung in Signalfragen. Nach einem Einleitungskapitel über Wechselwirkungen, Einheiten und Größenordnungen geht es sogleich um Rauschunterdrückungsprobleme, dann um Elektromagnetismus, Schaltkreise, Übertragungsbahnen, Antennen, Optik und magnetische Speicherung. Diese Konzentration auf Bastleraspekte hat Gershenfeld in Computerenthusiastenkreisen durchaus Kritik eingebracht: Internetforen-Teilnehmer spotten über seine "arbiträren" mathematischen Ausführungen, finden allerlei Fehlerchen oder präsentieren einen kurzen, stichelnden eigenen "Beitrag zur IT-Physik", dessen vollständiger Text lautet: "Über acht Stunden pro Tag auf einem Stuhl zu sitzen führt zur Zunahme der Masse und zur Abnahme kinetischer Energie."

Der Rang des Buchs wird durch solche Mäkeleien eher bestätigt als beschädigt. Was darin zu den informatischen Metaphysica steht, ist allerdings äußerst lapidar: "Die Informationstheorie quantifiziert die intuitive Vorstellung von Überraschung." Soll heißen: Wenn jemand aus dem Fenster deutet und dazu feststellt, es regne, während ich das selbst schon sehe, ist der Informationsgehalt der Äußerung dürftig; verrät er mir aber, daß der Regen aus Pflaumenschnaps besteht, dann erfahre ich etwas, das ich mir nicht hätte träumen lassen. Dies ist natürlich die ehrwürdige, vom Massachusetts Institute of Technology populär gemachte Definition von Information als "the difference that makes a difference".

Ihr kann sich vermutlich auch jener vor ziemlich genau zwanzig Jahren verstorbene amerikanische Schriftsteller vorbehaltlos anschließen, dessen Leben von einer Informationserfahrung nachhaltig verändert wurde: Philip K. Dick. Da er zuvor hauptsächlich Autor meisterhaft paranoischer Science-fiction war, hätte man von Dick vielleicht erwartet, sich dem Thema "Information" über das Thema "Computer" anzunähern.

Sein Zugang war jedoch direkter und überdies unfreiwillig: Im März 1974 erlebte Dick eine "Epiphanie", die ihm, wie er später schrieb, "als gebündelter Strahl ungeheuerliche Datenmengen über die Netzhaut direkt ins Hirn spielte" - zunächst in Form einer Bilderflut, die ihn an "moderne Künstler wie Klee und Picasso" denken ließ, dann als synästhetischer Code, der alle Sinne in seinen Bedeutungsstrudel saugte.

Ob man das nun für eine Drogenerfahrung, ein alarmierendes Wahnsymptom, einen Effekt von Überarbeitung oder eine Erscheinungsform des christlichen Logos hält - die Folgen für Dicks Literatur waren gravierend. Schon vor seiner Begegnung mit der numinosen Datensphäre hatten seine Texte religiöse Bezüge nicht verschmäht. Zoroastrische Ideen, katholische Stigmata, Teufelsfratzen am Himmel und "der Glaube der Väter" spendeten ihm zahlreiche Motive. Nach der Info-Offenbarung aber nahm sein Denken entschieden gnostische Züge an. In der inzwischen auszugsweise publizierten "Exegese" seines Erlebnisses, einem gewaltigen, mehrtausendseitigen "Arbeitsjournal", in dem lyrische Beschwörungen purer Datendichte und ironische Skepsis einander die Klinke in die Hand geben, aber auch in zahllosen Briefen der Nach-Offenbarungszeit und vor allem im das bizarre Ereignis fiktionalisierenden Roman "Valis" (1982) wimmelt es von offenen und versteckten Bezugnahmen auf die Gnosis und einen gnostisch rekontextualisierten Neoplatonismus.

Wo allerdings die Gnosis als große spätantike Widersacherin des eher lebenspraktischen (und bald sehr politischen) Christentums "direkte Gotterkenntnis" suchte, hatte Dick den "Tunnel unter der Wirklichkeit" von der anderen Seite her betreten: Er versuchte mit seinen Spekulationen die brutale Direktheit seiner Erfahrung gerade wiederaufzuheben, zwischen sich und die göttliche Informationsfülle etwas wie Vermittlung zu schalten. Neben allerlei zeichendeuterischen Abwegen führte ihn das schließlich zur subjektivistischen Info-Kosmogenese in "Valis" (das Titelkürzel steht für einen mit "Information" in eins gesetzten Gott: das "Vast Active Living Intelligent System"). Über den Helden des Buchs, Dicks Platzhalter Horselover Fat, heißt es da: "Sein Hirn hatte all die Information eingefangen, mit der ihn jener Strahl aus rosa Licht festgenagelt hatte, aber wie konnte er sich davon Rechenschaft ablegen?" Dicks Vorschlag: "Gedanken im Hirn werden von uns als Arrangementveränderungen des physischen Universums erlebt; in Wirklichkeit aber handelt es sich um Information und Informationsverarbeitung, die wir substantialisieren."

Daß die Menschen das nicht spüren, ist die informatische Erbsünde: "So werden unser echtes Leben und dessen Sinn unterhalb der Schwelle des Bewußtseins gehalten." Seinsvergessenheit enthüllt sich als Informationsproblem, das aber nicht darin besteht, daß wir zuwenig wissen, sondern darin, daß wir uns über unser strukturelles Wissen "keine Rechenschaft ablegen". Zuständig für eine Behebung dieses Übelstandes, deren Folgen allerdings möglicherweise noch viel schlimmer sind, dürfen sich in "Valis" Künstler fühlen, genauer: der Rockmusiker und Filmstar Eric Lampton und sein obskurer Freund Mini, Komponist elektronischer "Synchronizitätsmusik", die den Spalt zwischen Bewußtsein und suprarealer Information zu schließen vermag.

Dick hat in diesen beiden Figuren die damals in seinen Kreisen recht populären Musiker David Bowie und Brian Eno porträtiert. Letzterer legte seinerzeit mit Platten wie "Discreet Music" und "Music for Airports" wichtige Fundamente für das, was heute als "Ambient Techno" die musikalische Seite einer ganzen gnostischen Info-Popkultur ist. Wie viele andere weniger technische (= die Technik instrumentell nutzende) als vielmehr technizistische (= diese Nutzung durch Ausstellung ihrer Arbeitsspuren selbst thematisierende) popmusikalische Programmatiken, die am Computer seit "Kraftwerks" "Technopop" vor über zwanzig Jahren entworfen worden sind, ist dieser "Ambient Techno", dessen Stammväter neben Eno der "The Orb"-Gründer Alex Patterson und Richard James ("Aphex Twin") waren, eigentlich kein Regalfach für bestimmte Platten, sondern ein Metagenre. Seine Protagonisten versuchen, den semantischen (also wesentlich informatischen) Erstarrungen und Verschorfungen, die jede zeichensetzende Praxis in der Kunst erleiden muß und die ihre körpernahe, muskelreizende "Fluidität" bedrohen, mittels inszenierten Informationsverlusts und breit zelebrierter Aufwertung des Rauschens zu begegnen. Die beachtliche Schläue, die dabei verwendet wird und die sogar unausgesprochene (und im entsprechenden Popjournalismus bei Strafe der Uncoolness und totalen Themaverfehlung nicht mit etwas so schmutzig Irdischem wie Worten zu benennende) Maßstäbe für die "Güte der Streuung" von Sounds, ihreVerschmiertheit und Vagheit entwickelt hat, ist eine Wissenschaft für sich und will das eigentlich Unerreichbare: Codes für das Nichtübermitteln von Signalen, die lieber in Ruhe gelassen als gelesen werden wollen. Entsprechend wunderlich geben sich die Anhänger dieser Musik und die Bewohner der erweiterten soziokulturellen Lager, in denen sie sich tummeln - lauter poststrukturalistisch belesene Websurfer, die sich "Technoheiden" nennen, "Akte X"-gläubige Verschwörungstheoretiker, drei Dutzend Cyberpunk-Autoren und der irre Rand der "Free Software"-Bewegung, die den gegen die Markthegemonie von Microsoft gerichteten Slogan "Information will frei sein" für ein religiöses Mantra hält.

Einer, der nie zu ihnen zählte, hat dennoch versucht, die zentrale Problematik so klar zu formulieren wie möglich. Tom Stonier, der im Juni 1999 im Alter von zweiundsiebzig Jahren starb, bestand schon zu der Zeit, als Dick seine "göttliche Invasion" erlitt, darauf, daß die Erziehung der Zukunft wesentlich Informationserziehung sein müßte, womit er Computererziehung meinte. Der Sohn eines deutsch-jüdischen Vaters und einer Französin, dessen Familie 1939, als Tom Stonier zwölf war, aus Deutschland in die Vereinigten Staaten emigrierte, war zunächst als Biologe ausgebildet worden. 1964 veröffentlichte er sein erstes Buch, "Nuclear Disaster", das, basierend auf einer von ihm mitorganisierten Katatsrophenschutz-Studie, die Auswirkungen des Abwurfs einer Zwanzig-Megatonnen-A-Bombe auf Manhattan schilderte.

Die beiden Leidenschaften, die in diesem Buch vereint sind, Futurologie und Friedensforschung, machten Stonier in den folgenden Jahren zu einem vielbeachteten "Mann der Computer und des Friedens", wie der britische "Guardian" ihn in einem Nachruf nannte. Als Gründer eines Friedensforschungsinstituts im englischen Bradford und Professor für "Wissenschaft und Gesellschaft" war er in der Friedensbewegung der achtziger Jahre ein seltenes Beispiel für einen technophilen Pazifisten.

Als die Anliegen jener Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges in den Hintergrund traten, fand Stonier seine Altersberufung: eine dezidiert metaphysikfreundliche Informationsphysik, die er während der neunziger Jahre in Büchern wie "Information und die innere Struktur des Universums" und "Beyond Information" darlegte und mit epischen Zukunftsszenarien einer hyperintelligenten, info-aufgeklärten Menschheit verband. Kernaussage von Stoniers Lehre ist die Behauptung: "Information existiert. Um zu existieren, muß sie nicht wahrgenommen und nicht verstanden werden. Sie braucht keine Bedeutung, um zu existieren."

Den nachrichtentechnischen Unterschied zwischen latenter und manifester Information hält Stonier für "infophysikalisch irrelevant" und erklärt statt dessen: "Jedes materielle System, das sich in organisiertem Zustand befindet, enthält Information. Information organisiert Raum und Zeit." Mathematisch ist sein Informationsbegriff wie andere auch in Abhängigkeit vom Begriff der Entropie formuliert und beleiht auch andere Kategorien der Physik: Wie Energie das Vermögen eines Systems ist, Arbeit zu verrichten, soll Information sein Vermögen sein, Ordnung herzustellen.

Natürlich hat auch die alte Shannonsche Info-Übertragungslehre solche Interdependenzen fundamentaler physikalischer Kategorien für sich genutzt. Stonier aber stellt sich außerhalb des shannonistischen Mainstreams, indem es ihm eben nicht um eine mathematische Lehre der Signal- und Datenverarbeitung geht, wie sie in Informatiklehrbüchern und populärwissenschaftlichen Werken, etwa Keith Devlins "Infos und Infone", dargelegt wird, sondern um eine Theorie, die dem bislang eher differentiell gedachten, verhältnishaften Info-Begriff endlich einen "Gehalt" zumünzt, der es rechtfertigen würde, "Information" als Hauptwort zu gebrauchen. In unserer antiessentialistisch empfindenden Gegenwart kann so etwas natürlich nur als dezidiert romantisches Unterfangen gelesen werden, und das ist denn auch geschehen. Darüber hinaus aber berührt es, selbst wenn es ein Irrweg sein sollte, grundsätzliche Fragen zum Verhältnis unserer Symbole zu unserem Objektwissen.

Vor der Hypostasierung, Ideologisierung und Fetischisierung sind Begriffe schon wegen ihres sprachpragmatischen Gehalts als Welterschließungswerkzeuge niemals sicher. Ein gerade mal knapp über zwanzig Jahre altes Kybernetiklexikon aus der DDR konnte unter dem Eintragstitel "Information" neben nützlichen Auskünften über wissenschaftliche Zusammenhänge für künftige Nachrichtentechniker noch rührend treuherzig versichern: "Die I. kann als philosophische Kategorie betrachtet werden, und in der modernen Lehre über die I. erkennt man die Konkretisierung der Leninschen These von der Eigenschaft der Widerspieglung, die für die gesamte Materie kennzeichnend ist." Solche Versuche, Brücken zu schlagen zwischen unseren (auch politischen) Symbolen und unserem Objektwissen sterben mit den jeweiligen symbolischen Ordnungen ab und werden von neuen wieder neu hervorgebracht; das ist der Lauf der Welt. Sammelwerke mit Titeln wie "Informatik und Philosophie" oder "Symbol and Physical Knowledge" werden gewiß weiter erscheinen, solange die disziplinengeschichtliche Ausdifferenzierung der Informatik als eigene Wissenschaft und die Bestimmung ihrer Relation zur Physik im Gange ist. Das ist erfreulich für Soziologen und andere Geisteswissenschaftler, die dadurch reichlich Anschauungsmaterial für eigene Theoriebildung erhalten, und kein Problem für den Techniker.

Dämonen aber lauern in keinem dieser Bücher. Und falls doch, kann man immer noch den Ausweg beschreiten, den die Dämonenjägerin Buffy in der Fernsehserie findet: Man kappt ein paar Netzverbindungen, spricht Beschwörungsprogramme, lädt die ganze teuflische Information per Kabel auf einen Roboter, setzt ihn unter Strom und haut ihn zu Klump.

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Review of the hardback: 'Gershenfeld's book will be valuable for physical scientists looking for an enjoyable introduction to the information sciences.' Science