Tony Blair has often said that he wishes history to judge the great political controversies of the early twenty-first century--above all, the actions he has undertaken in alliance with George W. Bush. This book is the first attempt to fulfill that wish, using the long history of the modern state to put the events of recent years--the war on terror, the war in Iraq, the falling out between Europe and the United States--in their proper perspective. It also dissects the way that politicians like Blair and Bush have used and abused history to justify the new world order they are creating. Many books about international politics since 9/11 contend that either everything changed or nothing changed on that fateful day. This book identifies what is new about contemporary politics but also how what is new has been exploited in ways that are all too familiar. It compares recent political events with other crises in the history of modern politics--political and intellectual, ranging from seventeenth-century England to Weimar Germany--to argue that the risks of the present crisis have been exaggerated, manipulated, and misunderstood. David Runciman argues that there are three kinds of time at work in contemporary politics: news time, election time, and historical time. It is all too easy to get caught up in news time and election time, he writes. This book is about viewing the threats and challenges we face in real historical time.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2006Prävention als Bumerang
Wer Risiken plausibel macht, muß sie auch bekämpfen
Für die transatlantischen und die innereuropäischen Beziehungen vor und im Irak-Krieg 2003 bemühen manche unwirschen Beobachter die Pudel-Metapher: Tony Blair habe wie der Pudel von George W. Bush agiert, sagen die einen. Für andere war Gerhard Schröder auch nicht mehr als der Pudel von Jacques Chirac. Wieso Pudel? Weil sie als folgsame und harmlose Hunderasse gelten? Aber Vorsicht, der eine oder andere Pudel hat bekanntlich einen mephistophelischen Kern. Beide Versionen der Pudel-Metapher passen gewiß nicht auf den britischen oder den damaligen deutschen Regierungschef. Aber während über die Haupt- und Nebengründe, die Rhetorik, die beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen sowie neuerdings auch über die untergründigen Gegenläufe der deutschen Nichtbeteiligungspolitik am Irak-Krieg intensiv diskutiert wird, weiß man hierzulande nur ganz wenig über die britische Kriegsbeteiligungspolitik und ihre Gründe. Der Reformpolitiker Tony Blair mit seiner Dynamik, seinen Widersprüchen und seiner politischen Methodik ist selbst den Briten bis heute weitgehend ein Rätsel geblieben. David Runciman versucht sich an Lösungen für dieses Rätsel, jedenfalls soweit es die Außenpolitik Blairs betrifft. Dabei holt er mächtig aus und stellt seine Antworten in ein etwas wackeliges weltpolitisches Gegenwartspanorama. Wackelig ist es hauptsächlich deshalb, weil es sich bei den einzelnen Kapiteln um überarbeitete Essays handelt, die in loser Folge in der London Review of Books erschienen sind. Da paßt manches nicht recht zusammen und wirkt weit hergeholt - zum Beispiel wenn Runciman die innenpolitische Situation des Nachkriegsiraks mit der Weimarer Republik vergleicht. Jedoch gehört es zu den Stärken des Buches, daß sein Autor auf elegante Weise deftig zugespitzte sozialwissenschaftliche Theorie-Reflexion, zum Beispiel über Max Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik, mit aktuellen politischen Auseinandersetzungen zu verknüpfen weiß.
Die Ausgangsüberlegung Runcimans bezieht sich auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Waren sie ein Ereignis, das den Lauf der Weltgeschichte geändert hat? Das haben viele Menschen damals gedacht. Seither hat sich das Charisma des Schreckens nach und nach verflüchtigt. Heute halten nur noch wenige, die unmittelbar unter dem Eindruck des Geschehens solche apokalyptischen Deutungen formulierten, daran fest. Gleichwohl hat sich in der Politik, in den Staaten und über die Staatsgrenzen hinweg, angestoßen von der Furcht vor einer Ausweitung des transnationalen Terrorismus, vieles verändert. Die Risiken einer politischen Katastrophe sind drastisch gestiegen, in quantitativer und in qualitativer Hinsicht. Damit aber verändert sich auch die Aufgabe der Politik. Es gehört nun zu den gewichtigsten Herausforderungen der Politiker an den Entscheidungsstellen, risikopräventiv zu handeln. Als sich herausstellte, daß Saddam Hussein gar nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, deren vorgebliche Existenz ja den Krieg legitimiert hatte, haben sich die amerikanischen und die britischen Geheimdienste lächerlich gemacht, und es wurde offenbar, daß die Anführer der Kriegskoalition und ihre Berater nur über ein politisch unsauberes Fingerspitzengefühl verfügen. Mit einiger Überzeugungskraft argumentiert Runciman, daß in Tony Blairs Lagebeurteilung die Diktatur Saddams aber auch unabhängig vom aktuellen Stand der Waffenentwicklung im Irak ein beträchtliches Hochrisiko darstellte und vor allem auch eines, das im Laufe der Zeit immer gefährlicher würde.
Für Blair ging es 2003 nicht darum, zu entscheiden, ob das irakische Regime ein unmittelbares oder kein Risiko darstellte, und dann je nach der Antwort den Krieg zu beginnen oder sich herauszuhalten. Vielmehr betrachtete Blair Saddam Hussein als einen Politiker, der entweder schon jetzt oder in absehbarer Zukunft über Massenvernichtungswaffen verfügt. Um deren Einsatz oder deren Weiterentwicklung zuvorzukommen, sei Gewalt gerechtfertigt. In der Öffentlichkeit wurde das unmittelbare Risiko rhetorisch drastisch erhöht, darin war und ist Blair ein Meister; aber er präsentierte keine "Lüge", sondern die schärfere von zwei Versionen einer Konstellation, die beide ein militärisches Eingreifen nicht nur erlaubten, sondern verlangten. Runciman verhehlt nicht sein Unbehagen über solche Lagebeurteilungen und Legitimationsstrategien, denn sie verlocken zu Manipulation und Selbstbetrug. Ob allerdings die Rückbesinnung auf Hobbes und den Abbé Sieyès hier Abhilfe verschaffen kann, wie er uns nahelegt, ist fraglich.
WILFRIED VON BREDOW
David Runciman: The Politics of Good Intentions. History, Fear and Hypocrisy in the New World Order. Princeton University Press, Princeton und Oxford 2006. VIII und 211 S., 18,95 £.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer Risiken plausibel macht, muß sie auch bekämpfen
Für die transatlantischen und die innereuropäischen Beziehungen vor und im Irak-Krieg 2003 bemühen manche unwirschen Beobachter die Pudel-Metapher: Tony Blair habe wie der Pudel von George W. Bush agiert, sagen die einen. Für andere war Gerhard Schröder auch nicht mehr als der Pudel von Jacques Chirac. Wieso Pudel? Weil sie als folgsame und harmlose Hunderasse gelten? Aber Vorsicht, der eine oder andere Pudel hat bekanntlich einen mephistophelischen Kern. Beide Versionen der Pudel-Metapher passen gewiß nicht auf den britischen oder den damaligen deutschen Regierungschef. Aber während über die Haupt- und Nebengründe, die Rhetorik, die beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen sowie neuerdings auch über die untergründigen Gegenläufe der deutschen Nichtbeteiligungspolitik am Irak-Krieg intensiv diskutiert wird, weiß man hierzulande nur ganz wenig über die britische Kriegsbeteiligungspolitik und ihre Gründe. Der Reformpolitiker Tony Blair mit seiner Dynamik, seinen Widersprüchen und seiner politischen Methodik ist selbst den Briten bis heute weitgehend ein Rätsel geblieben. David Runciman versucht sich an Lösungen für dieses Rätsel, jedenfalls soweit es die Außenpolitik Blairs betrifft. Dabei holt er mächtig aus und stellt seine Antworten in ein etwas wackeliges weltpolitisches Gegenwartspanorama. Wackelig ist es hauptsächlich deshalb, weil es sich bei den einzelnen Kapiteln um überarbeitete Essays handelt, die in loser Folge in der London Review of Books erschienen sind. Da paßt manches nicht recht zusammen und wirkt weit hergeholt - zum Beispiel wenn Runciman die innenpolitische Situation des Nachkriegsiraks mit der Weimarer Republik vergleicht. Jedoch gehört es zu den Stärken des Buches, daß sein Autor auf elegante Weise deftig zugespitzte sozialwissenschaftliche Theorie-Reflexion, zum Beispiel über Max Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik, mit aktuellen politischen Auseinandersetzungen zu verknüpfen weiß.
Die Ausgangsüberlegung Runcimans bezieht sich auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Waren sie ein Ereignis, das den Lauf der Weltgeschichte geändert hat? Das haben viele Menschen damals gedacht. Seither hat sich das Charisma des Schreckens nach und nach verflüchtigt. Heute halten nur noch wenige, die unmittelbar unter dem Eindruck des Geschehens solche apokalyptischen Deutungen formulierten, daran fest. Gleichwohl hat sich in der Politik, in den Staaten und über die Staatsgrenzen hinweg, angestoßen von der Furcht vor einer Ausweitung des transnationalen Terrorismus, vieles verändert. Die Risiken einer politischen Katastrophe sind drastisch gestiegen, in quantitativer und in qualitativer Hinsicht. Damit aber verändert sich auch die Aufgabe der Politik. Es gehört nun zu den gewichtigsten Herausforderungen der Politiker an den Entscheidungsstellen, risikopräventiv zu handeln. Als sich herausstellte, daß Saddam Hussein gar nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, deren vorgebliche Existenz ja den Krieg legitimiert hatte, haben sich die amerikanischen und die britischen Geheimdienste lächerlich gemacht, und es wurde offenbar, daß die Anführer der Kriegskoalition und ihre Berater nur über ein politisch unsauberes Fingerspitzengefühl verfügen. Mit einiger Überzeugungskraft argumentiert Runciman, daß in Tony Blairs Lagebeurteilung die Diktatur Saddams aber auch unabhängig vom aktuellen Stand der Waffenentwicklung im Irak ein beträchtliches Hochrisiko darstellte und vor allem auch eines, das im Laufe der Zeit immer gefährlicher würde.
Für Blair ging es 2003 nicht darum, zu entscheiden, ob das irakische Regime ein unmittelbares oder kein Risiko darstellte, und dann je nach der Antwort den Krieg zu beginnen oder sich herauszuhalten. Vielmehr betrachtete Blair Saddam Hussein als einen Politiker, der entweder schon jetzt oder in absehbarer Zukunft über Massenvernichtungswaffen verfügt. Um deren Einsatz oder deren Weiterentwicklung zuvorzukommen, sei Gewalt gerechtfertigt. In der Öffentlichkeit wurde das unmittelbare Risiko rhetorisch drastisch erhöht, darin war und ist Blair ein Meister; aber er präsentierte keine "Lüge", sondern die schärfere von zwei Versionen einer Konstellation, die beide ein militärisches Eingreifen nicht nur erlaubten, sondern verlangten. Runciman verhehlt nicht sein Unbehagen über solche Lagebeurteilungen und Legitimationsstrategien, denn sie verlocken zu Manipulation und Selbstbetrug. Ob allerdings die Rückbesinnung auf Hobbes und den Abbé Sieyès hier Abhilfe verschaffen kann, wie er uns nahelegt, ist fraglich.
WILFRIED VON BREDOW
David Runciman: The Politics of Good Intentions. History, Fear and Hypocrisy in the New World Order. Princeton University Press, Princeton und Oxford 2006. VIII und 211 S., 18,95 £.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main