Alexander Bevilacqua shows that the Enlightenment effort to learn about Islam and its religious and intellectual traditions issued not from a secular agenda but from the scholarly commitments of a pioneering group of Catholic and Protestant Christians who cast aside inherited views and bequeathed a new understanding of Islam to the modern West.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2018Als Europa den Islam noch gut fand
Aufstieg und Niedergang: Alexander Bevilacqua zeigt die Kosten der Aufklärung
Die zwei Ansätze, die heute die Auseinandersetzung mit dem Islam bestimmen, hatten sich bereits zu Beginn des modernen Wissenschaftsbetriebs herausgebildet. So hatten zunächst im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert bis zum Jahr 1750 Philologen und Forschungsreisende unbekanntes Terrain erkundet, sie eigneten sich Wissen an, übersetzten Texte und setzten sich mit ihrem Gegenstand sachlich auseinander. Größeres Wissen sei bei jenen Gelehrten Hand in Hand mit größerer Sympathie gegangen, beobachtet der amerikanische Historiker Alexander Bevilacqua.
Unter den Philosophen der Aufklärung änderte sich das. Sie nahmen die Welt des Islams nicht mehr als gleichwertige Zivilisation wahr, sondern zunehmend als fremden anderen. Mit dem Fortschritt in Europa wuchs die Vorstellung, dass der Kontinent einzigartig und anderen überlegen sei. Zudem lehnten die Aufklärer, die auch dem Christentum kritisch gegenüberstanden, ebenso alles Islamische ab.
Die großen Namen der zweiten Phase sind bekannt, unter ihnen säkulare Gelehrte wie Montesquieu und Voltaire. Vergessen sind jedoch die Gelehrten der ersten Phase. Von ihnen handelt die faszinierende Studie des amerikanischen Historikers Alexander Bevilacqua. Viele von ihnen waren, anders als die Aufklärer nach ihnen, fromme Christen oder gar Geistliche. Sie beschäftigten sich auf der Grundlage ihres Glaubens neugierig und als Wissenschaftler mit dem Islam. So zeichnet Bevilacqua das Bild einer "Gelehrtenrepublik" zur islamisch-arabischen Welt, wie sie bisher nicht bekannt war.
In seiner Studie wirft der Autor ein neues Licht auf die Entstehung des Fachs Islamwissenschaft. Dazu wertete er von 2011 bis 2016 in sieben Ländern Quellen in lateinischer, arabischer, italienischer, französischer, deutscher und englischer Sprache aus. Er widerlegt die verbreitete Vorstellung, dass sich Europa zwischen den Kreuzzügen und dem modernen Kolonialismus nicht mit der islamischen Welt beschäftigt habe. Bevilacqua bezeichnet die "Gelehrtenrepublik", die er vorstellt und auf die Zeit von 1650 bis 1750 datiert, als eine "außergewöhnliche Epoche" in der Auseinandersetzung mit dem Islam. Für ihre Gelehrten war die Vorstellung von der Einheit aller Zivilisationen selbstverständlich.
Sie hätten die "religiösen, literarischen und intellektuellen Traditionen" in der islamischen Welt verheißungsvoll wahrgenommen, schreibt Bevilacqua. Sie nahmen die ganze Zivilisation der islamischen Welt wahr - die Religion und Frömmigkeit ebenso wie die Geschichte und Gesellschaft, die Musik und Literatur. Dazu werteten sie Manuskripte, Bücher und Reiseberichte aus, die Reisende in jener Zeit aus dem Orient nach Europa brachten. Ausführlich stellt der Autor den katholischen Geistlichen Ludovico Maracci (1612 bis 1700) vor, der 1698 mit Unterstützung von Papst Urban VIII. die erste vollständige lateinische Übersetzung des Korans vorlegte. Sie enthielt auch einen Korankommentar.
Die erste englische Übersetzung des Korans erschien 1734 von George Sale (1697 bis 1736), einem Autodidakten. Mit ihrer eleganten Prosa wurde sie zu einem Klassiker und war bis in das zwanzigste Jahrhundert unübertroffen. Beide prägten das Verständnis vom Islam lange. Zudem nahmen Historiker Mohammed nicht in erster Linie als Propheten wahr, der Wunder wirkte, sondern als einen Staatsmann im Sinne Machiavellis, einem Zeitgenossen von Maracci und Sale.
Einen Ehrenplatz in dieser Republik des Geistes räumt Bevilacqua dem französischen Orientalisten Barthélemy d'Herbelot de Molainville (1625 bis 1695) ein. Zwei Jahre nach dessen Tod erschien die Bibliothèque Orientale mit mehr als achttausend Einträgen zur islamischen Welt. Dazu hatte d'Herbelot Quellen in orientalischen Sprachen ausgewertet. Die Bibliothèque bildete lange den Grundstock dessen, was Europa über die islamische Welt wusste. D'Herbelots Assistent Antoine Galland veranlasste ihre Veröffentlichung. Später wurde er zum ersten europäischen Übersetzer von Tausendundeiner Nacht.
Der Bruch kam mit der Aufklärung, in der sich auch die Machtbalance zwischen Orient und Abendland verschob. Während im Orient der Niedergang der großen islamischen Staaten einsetzte, begann der wirtschaftliche und politische Aufstieg Europas. Die Werke der "Gelehrtenrepublik" um Maracci, Sale und d'Herbelot hatten aber noch lange Bestand.
RAINER HERMANN
Alexander Bevilacqua:
"The Republic of Arabic
Letters". Islam and the
European Enlightenment.
Harvard University Press,
Harvard and London 2018.
360 S., geb., 31,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aufstieg und Niedergang: Alexander Bevilacqua zeigt die Kosten der Aufklärung
Die zwei Ansätze, die heute die Auseinandersetzung mit dem Islam bestimmen, hatten sich bereits zu Beginn des modernen Wissenschaftsbetriebs herausgebildet. So hatten zunächst im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert bis zum Jahr 1750 Philologen und Forschungsreisende unbekanntes Terrain erkundet, sie eigneten sich Wissen an, übersetzten Texte und setzten sich mit ihrem Gegenstand sachlich auseinander. Größeres Wissen sei bei jenen Gelehrten Hand in Hand mit größerer Sympathie gegangen, beobachtet der amerikanische Historiker Alexander Bevilacqua.
Unter den Philosophen der Aufklärung änderte sich das. Sie nahmen die Welt des Islams nicht mehr als gleichwertige Zivilisation wahr, sondern zunehmend als fremden anderen. Mit dem Fortschritt in Europa wuchs die Vorstellung, dass der Kontinent einzigartig und anderen überlegen sei. Zudem lehnten die Aufklärer, die auch dem Christentum kritisch gegenüberstanden, ebenso alles Islamische ab.
Die großen Namen der zweiten Phase sind bekannt, unter ihnen säkulare Gelehrte wie Montesquieu und Voltaire. Vergessen sind jedoch die Gelehrten der ersten Phase. Von ihnen handelt die faszinierende Studie des amerikanischen Historikers Alexander Bevilacqua. Viele von ihnen waren, anders als die Aufklärer nach ihnen, fromme Christen oder gar Geistliche. Sie beschäftigten sich auf der Grundlage ihres Glaubens neugierig und als Wissenschaftler mit dem Islam. So zeichnet Bevilacqua das Bild einer "Gelehrtenrepublik" zur islamisch-arabischen Welt, wie sie bisher nicht bekannt war.
In seiner Studie wirft der Autor ein neues Licht auf die Entstehung des Fachs Islamwissenschaft. Dazu wertete er von 2011 bis 2016 in sieben Ländern Quellen in lateinischer, arabischer, italienischer, französischer, deutscher und englischer Sprache aus. Er widerlegt die verbreitete Vorstellung, dass sich Europa zwischen den Kreuzzügen und dem modernen Kolonialismus nicht mit der islamischen Welt beschäftigt habe. Bevilacqua bezeichnet die "Gelehrtenrepublik", die er vorstellt und auf die Zeit von 1650 bis 1750 datiert, als eine "außergewöhnliche Epoche" in der Auseinandersetzung mit dem Islam. Für ihre Gelehrten war die Vorstellung von der Einheit aller Zivilisationen selbstverständlich.
Sie hätten die "religiösen, literarischen und intellektuellen Traditionen" in der islamischen Welt verheißungsvoll wahrgenommen, schreibt Bevilacqua. Sie nahmen die ganze Zivilisation der islamischen Welt wahr - die Religion und Frömmigkeit ebenso wie die Geschichte und Gesellschaft, die Musik und Literatur. Dazu werteten sie Manuskripte, Bücher und Reiseberichte aus, die Reisende in jener Zeit aus dem Orient nach Europa brachten. Ausführlich stellt der Autor den katholischen Geistlichen Ludovico Maracci (1612 bis 1700) vor, der 1698 mit Unterstützung von Papst Urban VIII. die erste vollständige lateinische Übersetzung des Korans vorlegte. Sie enthielt auch einen Korankommentar.
Die erste englische Übersetzung des Korans erschien 1734 von George Sale (1697 bis 1736), einem Autodidakten. Mit ihrer eleganten Prosa wurde sie zu einem Klassiker und war bis in das zwanzigste Jahrhundert unübertroffen. Beide prägten das Verständnis vom Islam lange. Zudem nahmen Historiker Mohammed nicht in erster Linie als Propheten wahr, der Wunder wirkte, sondern als einen Staatsmann im Sinne Machiavellis, einem Zeitgenossen von Maracci und Sale.
Einen Ehrenplatz in dieser Republik des Geistes räumt Bevilacqua dem französischen Orientalisten Barthélemy d'Herbelot de Molainville (1625 bis 1695) ein. Zwei Jahre nach dessen Tod erschien die Bibliothèque Orientale mit mehr als achttausend Einträgen zur islamischen Welt. Dazu hatte d'Herbelot Quellen in orientalischen Sprachen ausgewertet. Die Bibliothèque bildete lange den Grundstock dessen, was Europa über die islamische Welt wusste. D'Herbelots Assistent Antoine Galland veranlasste ihre Veröffentlichung. Später wurde er zum ersten europäischen Übersetzer von Tausendundeiner Nacht.
Der Bruch kam mit der Aufklärung, in der sich auch die Machtbalance zwischen Orient und Abendland verschob. Während im Orient der Niedergang der großen islamischen Staaten einsetzte, begann der wirtschaftliche und politische Aufstieg Europas. Die Werke der "Gelehrtenrepublik" um Maracci, Sale und d'Herbelot hatten aber noch lange Bestand.
RAINER HERMANN
Alexander Bevilacqua:
"The Republic of Arabic
Letters". Islam and the
European Enlightenment.
Harvard University Press,
Harvard and London 2018.
360 S., geb., 31,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main