Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 80,00 €
  • Gebundenes Buch

Je Band ein Plakat. Im Schmuckschuber

Produktbeschreibung
Je Band ein Plakat. Im Schmuckschuber
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2005

Und heute sind wir alle Stars
Ein Prachtband zeigt die „Rolling Stones” unter ständiger fotografischer Beobachtung
Die erstaunlichste Leistung der Digitalkameras, vor allem, wenn sie in Mobiltelefone eingebaut sind, besteht darin, dass sie jeden Augenblick in einen historischen Moment verwandeln. Hatte man in der analogen Fotografie den Augenblick wählen müssen, schon aus Rücksicht auf die Schwerfälligkeit des Mediums, so gibt es nun solche Hindernisse nicht mehr. Zack, zack, zack, immerzu lässt sich alles festhalten, so dass jeder Augenblick, der gerade vergangen ist, auf der Stelle als vergangener in die Gegenwart zurückkehren und dort für immer bleiben kann. Es fehlt nicht viel, und der grassierende Historismus unserer Tage wird seine systematische Vollendung erreichen: darin, dass jeder in jedem Augenblick nicht nur er selber ist, sondern auch sein eigenes Denkmal.
Schwer liegen die beiden Bände in der Hand, in denen die Bilder festgehalten sind, die der Fotograf Gered Mankowitz in den Jahren 1965 bis 1967 von den Rolling Stones machte: Hunderte, vielleicht Tausende Fotografien sind es, die der Verlag, ergänzt nur um kurze historische Erläuterung, in zwei Bänden und einem riesigen Schuber versammelte. Gewiss, diese Fotografien haben ihren Reiz als historisches Dokument, und mit Verwunderung, manchmal auch mit Rührung, betrachtet man die karierten, engen Hosen, die über dem Knöchel enden, oder den seltsamen Knicks, den Mick Jagger am Mikrofonständer vollbringt. Und leicht - viel leichter heute als damals, weil die Historiographie des Populären längst zur populären Kultur selbst gehört - erkennt man die schwarzen Vorbilder in diesen Bewegungen wie Little Richard oder Chuck Berry.
Doch was am meisten verblüfft, ist die Erkenntnis, dass es für gewisse Menschen schon damals ein Leben gegeben haben muss, das unter den Bedingungen pausenlos arbeitender Kameras geführt wurde. Dass es damals schon Menschen gab, die zur gleichen Zeit zwei- oder gar dreimal existierten: zum ersten Mal, weil sie überhaupt da waren, zum zweiten Mal, weil die Stunden, die sie vor vierzig Jahren im Studio verbrachten, seitdem in einer musikalischen Endlosschleife durch die Welt ziehen - und zum dritten Mal, weil das alles, das ganze Leben, das Singen und das Spielen, das Biertrinken und Spazierengehen, all diese vielen Augenblicke, auch fotografisch festgehalten sind.
Und so erkennt man, was mit dieser Musik, mit diesen so unschuldig und harmlos blickenden, mit diesen noch ganz und gar knabenhaften Menschen in die Welt gekommen ist: die volle Sichtbarkeit einer Öffentlichkeit, wobei es ganz gleichgültig ist, wie groß diese Öffentlichkeit jeweils ist. „Hier ist einer”, sagt diese Öffentlichkeit, „und alles, was er tut, ist wert, für die Ewigkeit festgehalten zu werden.” Und in diesem Augenblick beginnt jeder, sich selbst als einen anderen zu imaginieren. Die Übergänge zwischen dem Leben und dem Schauspiel werden fließend.
In diesen Bildern von den Rolling Stones ist der noch kindliche Anfang dieser Volksbewegung zu betrachten: die Entdeckung der noch überaus vergnüglichen Möglichkeit, einen Westernhelden in Arizona zu spielen, als Herr vor seinem Auto aufzutreten, einen neuen Pelzmantel vor der Kamera auszuführen. Das alles wäre nicht auszuhalten, wäre in diesen Gestalten, in diesen Gesichtern, in diesen Posen nicht noch etwas anderes zu erkennen: Witz, Ironie, Leichtigkeit. Seltsam, dass diese Qualität eines durch und durch medialisierten Lebens in der Zwischenzeit abhanden gekommen ist.
THOMAS STEINFELD
GERED MANKOWITZ: The Rolling Stones. Out of Their Heads. Photos 1965-67 / 1982. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2005. 2 Bde., je 320 S., 199,90 Euro.
Urahnen einer immer sichtbaren Öffentlichkeit: Die „Rolling Stones” im Jahre 1965.
Abb. aus dem besprochenen Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rührung überkam Thomas Steinfeld über den Rolling-Stones-Fotos von Gered Mankowitz angesichts der alten Moden oder des typischen Jagger-Knicks' am Mikrophon. Aber mit Erstaunen sieht er auch schon in den 60er Jahren angelegt, was sich mittlerweile zur "Volksbewegung" ausgewachsen hat, nämlich die Verwandlung jedes beliebigen Moments in ein historisches Dokument. Zur Erleichterung des Rezensenten erkennt man in den Aufnahmen aber neben aller Lust am "Schauspiel" auch noch "Witz, Ironie" und "Leichtigkeit", was ihm dieses zweibändige Werk, in dem neben den Fotos nur kurze historische Erläuterungen zu finden sind, sympathisch macht.

© Perlentaucher Medien GmbH