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A rural borderland just forty years ago, today Shenzhen is a city of twenty million and a technology hub. This success is attributed to its status as a Special Economic Zone, but no other SEZs compare. Juan Du looks to the past to understand why. It turns out that Shenzhen is no prefab â instant city,â but a place influenced by deep local history.

Produktbeschreibung
A rural borderland just forty years ago, today Shenzhen is a city of twenty million and a technology hub. This success is attributed to its status as a Special Economic Zone, but no other SEZs compare. Juan Du looks to the past to understand why. It turns out that Shenzhen is no prefab â instant city,â but a place influenced by deep local history.
Autorenporträt
Juan Du, an award-winning architect and urban planner with extensive experience in China, Europe, and the United States, has been featured in international publications as one of Asiäs top designers. She is Associate Dean of the Faculty of Architecture at the University of Hong Kong and was formerly on the faculty of the Massachusetts Institute of Technology. She leads IDU_Architecture, a research and design office based in Hong Kong. Du is also the founding academic director of the Shenzhen Center for Design and is actively involved in the ongoing development and planning of the city.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.09.2020

Eine chinesische Erfolgsgeschichte

Auf die weltweit am schnellsten gewachsene Stadt ist Chinas Führung besonders stolz: Aber zentralstaatliche Planung ist nicht der Grund für den Aufstieg von Shenzen.

Knapp hundert Kilometer südwestlich von Peking lässt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gerade auf der grünen Wiese eine neue Modellstadt bauen. Xiong'an soll ein Schaufenster und Experimentierfeld für seine Politik werden und später einmal mit seinem Namen verknüpft sein so wie Shenzhen mit Deng Xiaoping und der Schanghaier Stadtteil Pudong mit Jiang Zemin. In der offiziellen Parteipropaganda klingt das so: "Schaut nach Shenzhen in den achtziger Jahren, nach Pudong in den neunziger Jahren und nach Xiong'an im 21. Jahrhundert." Nicht zufällig hat das für Xiong'an ausgewiesene Gebiet die gleiche Quadratkilometerzahl wie Shenzhen. Jeder, der schon einmal in Xiong'an war, einer Baustelle inmitten von Marschland, wird den Vergleich als ziemlich kühn empfinden. Dass er überhaupt gezogen wird, liegt an einem Missverständnis - an der Vorstellung nämlich, dass Shenzhens Erfolg allein das Ergebnis brillanter zentralstaatlicher Planung gewesen sei und dass diese Erfolgsgeschichte andernorts reproduziert werden könne.

Gegen diesen Mythos wendet sich die Stadtplanerin und Architektin Juan Du in ihrem Buch "The Shenzhen Experiment". Es ist pünktlich zum vierzigjährigen Bestehen der Sonderwirtschaftszone Shenzhen erschienen, zu dem die gängigen Klischees gerade wieder beschworen werden. Die Führung in Peking und ihre Bewunderer im Ausland führen "Chinas Silicon Valley" gern als Beleg dafür an, dass das Wirtschaftswunder des Landes ein Verdienst der Kommunistischen Partei und ihres autokratischen Regierungssystems sei. Sie könne durchregieren und müsse sich nicht mit den Befindlichkeiten der lokalen Bevölkerung aufhalten, heißt es gern.

Dagegen schreibt Juan Du: "Shenzhens wichtigster und am häufigsten übersehener Erfolgsfaktor war seine Fähigkeit, motivierte unternehmerische Menschen anzuziehen." Davon gab es so viele, dass die Stadt viel schneller wuchs, als die Planer es vorgesehen hatten. Im Jahr 2000 war die Einwohnerzahl sechsmal so groß wie geplant. Ironischerweise wurden sie der Autorin zufolge von einem Image angezogen, das die lokalen Stadtväter geprägt hatten, um Kritik aus der Zentralregierung abzuwehren. In Peking gab es damals eine mächtige Fraktion von Reformgegnern, die in Shenzhen einen kapitalistischen Sündenpfuhl oder gar einen Rückfall in die Konzessionsgebiete der Kolonialzeit sahen.

Ausführlich geht Juan Du auf die Rolle reformorientierter Lokalpolitiker ein, die sich mutig gegen bestehende Konventionen stellten. Yuan Geng zum Beispiel, der Begründer der Shekou-Industriezone, gründete eine Zeitung und ermutigte die Journalisten, Kritik an ihm zu veröffentlichen. Er warb dafür, von ausländischen Geschäftspraktiken zu lernen, und prägte den Slogan "Zeit ist Geld, Effizienz ist Leben", der das Selbstbild der Shenzhener prägte. Zu damaligen kommunistischen Zeiten kam das einem Sakrileg gleich und brachte Xuan Geng Rücktrittsforderungen ein.

Die Lokalpolitiker konnten mit neuen Ideen experimentieren, weil die Zentralregierung ihnen die Befugnisse dazu übertragen hatte. Ein Erfolgsfaktor in Shenzhen sei also gerade die Dezentralisierung von Macht gewesen, schreibt Juan Du. Das erkannte selbst Deng Xiaoping an, der 1984 das schnelle Fortschreiten der Bauarbeiten in Shenzhen damit erklärte, dass die lokalen Führer "über Ausgaben unter fünf Millionen Dollar selbst entscheiden können". Die Entscheidungsfreiheit auf lokaler Ebene brachte Neuerungen im Arbeitsrecht und im Aufenthaltsrecht, dem sogenannten Hukou-System, hervor, die später auch in anderen Landesteilen eingeführt wurden. Zu einer Zeit, in der die Wanderarbeiter der ständigen Gefahr ausgesetzt waren, aus den Städten zurück aufs Land deportiert zu werden, war Shenzhen 1984 die erste Stadt, die den Neuankömmlingen eine legale Basis gab, um in der Stadt zu leben. Anschaulich schildert Juan Du die Veränderungen im Arbeitsrecht am Beispiel des Bamboo Hotels, dem ersten externen Investitionsprojekt in Shenzhen. Dessen Hongkonger Besitzer verlangte, Mitarbeiter entlassen zu dürfen, was gegen das Versprechen der "eisernen Reisschüssel" verstieß. Nur so konnte er schließlich durchsetzen, dass die Handtücher in seinem Hotel täglich gewechselt wurden, was seine Mitarbeiter als Verschwendung betrachteten.

Die Erfolgsgeschichte der am schnellsten gewachsenen Stadt der Welt mit einer Wirtschaftsleistung so groß wie jene Dänemarks war keineswegs so linear, wie sie nun in den Elogen zum Jubiläum erzählt wird. Der Widerstand in der Parteiführung in Peking war zwischenzeitlich so groß, dass Shenzhen 1985 die Hälfte seiner Bauprojekte stoppen musste. Damals wurde explizit über Shenzhens "Misserfolg" debattiert. Das änderte sich mit Deng Xiaopings legendärer "Reise in den Süden" im Jahr 1992, über die Chinas Staatsmedien erst zwei Monate später berichten durften. Der 88 Jahre alte Deng überrumpelte mit dem Überraschungscoup seine Gegner und zwang sie in die Defensive.

Juan Du, die an der University of Hong Kong Architektur lehrt, wendet sich auch gegen die Vorstellung, dass Shenzhen gleichsam auf einer Tabula Rasa entstanden sei. "Die Geschichte von der modernen, fortschrittlichen urbanen Zivilisation ohne Vergangenheit jenseits eines Fischerdorfs ist ein wirkmächtiges modernes Märchen." Vielmehr sei die Region über Jahrhunderte in Handelsnetzwerke eingebunden gewesen, die sich in Beziehungen zur chinesischen Diaspora niederschlugen. In den Jahrzehnten vor dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik seien zudem aus dieser Region Zehntausende vor Hunger und politischer Verfolgung in die damalige britische Kronkolonie Hongkong geflüchtet.

Diese grenzüberschreitenden Netzwerke seien entscheidend für die spätere Entwicklung Shenzhens gewesen, schreibt Du. In den Anfangsjahren seien die wichtigsten Investitionen von Menschen aus Hongkong und Übersee gekommen, die private Beziehungen nach Shenzhen hatten. Mit dem Geld sei auch Wissen und Technologie transferiert worden. Um all das zu belegen, breitet die Autorin einen Berg an Fakten aus, in denen sie sich zwischenzeitlich so sehr verliert, dass der rote Faden bisweilen verlorengeht. Besonders am Herzen liegen ihr dabei die sogenannten urbanen Dörfer Shenzhens, die inmitten des Immobilienbooms noch halbwegs bezahlbares Wohnen ermöglichen. Dort lebt Juan Du zufolge immerhin die Hälfte der Shenzhener Bevölkerung. Das Image der modernen HightechMetropole erzählt also nur die halbe Wahrheit.

FRIEDERIKE BÖGE

Juan Du: "The Shenzhen

Experiment". The Story of China's Instant City.

Harvard University Press, Cambridge/Massachusetts 2020. 376 S., geb., 31,- [Euro].

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