Presents analysis of the economic course of the last seven years. This book identifies the origin of the crisis in the complex interaction between globalization, hugely destabilizing global imbalances and our dangerously fragile financial system.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2014Sparen als Krisenursache
Martin Wolfs Diagnose der Finanzkrise
Martin Wolf ist Mitherausgeber und der Kommentator der "Financial Times". In seinem neuen Buch stellt er die Frage, was wir aus der Finanzkrise und der Euro-Krise gelernt haben und noch lernen müssen. Im Kern besteht sein Buch aus drei Teilen, die Schocks, Verwerfungen und Lösungen behandeln. Dabei ist der erste Teil mit der Beschreibung und Analyse der Finanzkrise und der Euro-Krise recht konventionell. Wolf greift Ben Bernankes These einer globalen Ersparnisschwemme auf und macht diese für die Kreditflut und die Überschuldung amerikanischer Hauskäufer und die folgende Finanzkrise verantwortlich. Die lockere Geldpolitik der Fed wird nicht als beitragende Bedingung zur Krise in Frage gestellt, sondern selbst als Resultat der globalen Ungleichgewichte erklärt.
Leistungsbilanzüberschüsse von Ländern wie China oder Deutschland sind nur bei Defiziten anderswo möglich. Seit langem zeichnen sich die Vereinigten Staaten durch große Defizite aus. Dem amerikanischen Leistungsbilanzdefizit entsprechen Kapitalimporte, beispielsweise aus China, das riesige Dollarreserven angehäuft hat. Um trotzdem Vollbeschäftigung zu erreichen, hatte die Fed nach Wolf die lockere Geldpolitik betrieben, die Voraussetzung für die Überschuldung der Haushalte und die Finanzkrise war. Analog macht Wolf Kreditgeber wie Deutschland und deren Leistungsbilanzüberschüsse für die Krise in der Eurozone verantwortlich. Global wie in der Eurozone sind für ihn Nachfragedefizite in Überschussländern und leichtsinniges Vergeben und Annehmen von Krediten für die Krisen verantwortlich. Wolf betont, dass sich beide Seiten bei Krediten oft wie Narren verhalten haben. Wenn die Eurozone es nach deutschem Vorbild schaffte, als Ganzes einen hohen Leistungsbilanzüberschuss zu erzielen, würde das die globalen Probleme nur verschärfen.
Wenn Ungleichgewichte der Leistungsbilanzen, zu viel Ersparnis und Kapitalexport beziehungsweise Nachfragedefizite hier und Überschuldung - ob bei Haushalten oder beim Staat - dort die Ursachen der Probleme sind, kann man fragen, warum es dazu gekommen ist. Eine entscheidende Determinante ist die Reaktion Chinas und anderer asiatischer Länder auf die Asien-Krise der späten neunziger Jahre. Man wollte durch Leistungsbilanzüberschüsse und Devisenreserven krisenfest werden. Liberalisierung, Globalisierung und technologische Entwicklungen haben das ermöglicht. Hohe Ölpreise können die Überschüsse von Rohstoffländern erklären. Auch die Alterung von Gesellschaften spielt nach Wolf eine Rolle.
Wolfs Lösungsvorschläge orientieren sich nicht vorwiegend an dem, was leicht und schnell politisch durchsetzbar ist, sondern an dem, was funktionieren könnte. Als Keynesianer betont er die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Nachfrage durch staatliche Defizite und hält den Versuch, die Staatsschulden bald abzubauen, für verfrüht. Ebenfalls als Keynesianer betont er, dass nicht nur Defizitländer, sondern auch Überschussländer an der Überwindung globaler Ungleichgewichte mitwirken müssen. Wie manche Anhänger der Österreichischen Schule hält er die Geldschöpfung durch die Banken für eine Krisenursache, die langfristig überwunden werden sollte. Kurzfristig macht er sich die Forderungen nach viel mehr Eigenkapital der Banken, einem Abbau der steuerlichen Privilegierung von Kreditfinanzierung und Eurobonds (für europäische Staatsschulden unterhalb der 60-Prozent-Schwelle) zu eigen. Der Wirksamkeit komplexer Regulierung steht er skeptisch gegenüber.
Das Buch ist ungeheuer anregend, weil für viele theoretische Perspektiven offen. Was fehlt, sind Überlegungen zur zentralen Frage, wie man die These einer globalen Ersparnisschwemme falsifizieren könnte. Verglichen mit diesem Problem, sind andere Behauptungen zweitrangig, wie die deutsche Dominanz in der Euro-Rettungspolitik.
ERICH WEEDE
Martin Wolf: The Shifts and the Shocks. What We've Learned - and Still Have to Learn - from the Financial Crisis. Penguin Books, New York 2014, 466 Seiten, 35 Dollar
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Martin Wolfs Diagnose der Finanzkrise
Martin Wolf ist Mitherausgeber und der Kommentator der "Financial Times". In seinem neuen Buch stellt er die Frage, was wir aus der Finanzkrise und der Euro-Krise gelernt haben und noch lernen müssen. Im Kern besteht sein Buch aus drei Teilen, die Schocks, Verwerfungen und Lösungen behandeln. Dabei ist der erste Teil mit der Beschreibung und Analyse der Finanzkrise und der Euro-Krise recht konventionell. Wolf greift Ben Bernankes These einer globalen Ersparnisschwemme auf und macht diese für die Kreditflut und die Überschuldung amerikanischer Hauskäufer und die folgende Finanzkrise verantwortlich. Die lockere Geldpolitik der Fed wird nicht als beitragende Bedingung zur Krise in Frage gestellt, sondern selbst als Resultat der globalen Ungleichgewichte erklärt.
Leistungsbilanzüberschüsse von Ländern wie China oder Deutschland sind nur bei Defiziten anderswo möglich. Seit langem zeichnen sich die Vereinigten Staaten durch große Defizite aus. Dem amerikanischen Leistungsbilanzdefizit entsprechen Kapitalimporte, beispielsweise aus China, das riesige Dollarreserven angehäuft hat. Um trotzdem Vollbeschäftigung zu erreichen, hatte die Fed nach Wolf die lockere Geldpolitik betrieben, die Voraussetzung für die Überschuldung der Haushalte und die Finanzkrise war. Analog macht Wolf Kreditgeber wie Deutschland und deren Leistungsbilanzüberschüsse für die Krise in der Eurozone verantwortlich. Global wie in der Eurozone sind für ihn Nachfragedefizite in Überschussländern und leichtsinniges Vergeben und Annehmen von Krediten für die Krisen verantwortlich. Wolf betont, dass sich beide Seiten bei Krediten oft wie Narren verhalten haben. Wenn die Eurozone es nach deutschem Vorbild schaffte, als Ganzes einen hohen Leistungsbilanzüberschuss zu erzielen, würde das die globalen Probleme nur verschärfen.
Wenn Ungleichgewichte der Leistungsbilanzen, zu viel Ersparnis und Kapitalexport beziehungsweise Nachfragedefizite hier und Überschuldung - ob bei Haushalten oder beim Staat - dort die Ursachen der Probleme sind, kann man fragen, warum es dazu gekommen ist. Eine entscheidende Determinante ist die Reaktion Chinas und anderer asiatischer Länder auf die Asien-Krise der späten neunziger Jahre. Man wollte durch Leistungsbilanzüberschüsse und Devisenreserven krisenfest werden. Liberalisierung, Globalisierung und technologische Entwicklungen haben das ermöglicht. Hohe Ölpreise können die Überschüsse von Rohstoffländern erklären. Auch die Alterung von Gesellschaften spielt nach Wolf eine Rolle.
Wolfs Lösungsvorschläge orientieren sich nicht vorwiegend an dem, was leicht und schnell politisch durchsetzbar ist, sondern an dem, was funktionieren könnte. Als Keynesianer betont er die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Nachfrage durch staatliche Defizite und hält den Versuch, die Staatsschulden bald abzubauen, für verfrüht. Ebenfalls als Keynesianer betont er, dass nicht nur Defizitländer, sondern auch Überschussländer an der Überwindung globaler Ungleichgewichte mitwirken müssen. Wie manche Anhänger der Österreichischen Schule hält er die Geldschöpfung durch die Banken für eine Krisenursache, die langfristig überwunden werden sollte. Kurzfristig macht er sich die Forderungen nach viel mehr Eigenkapital der Banken, einem Abbau der steuerlichen Privilegierung von Kreditfinanzierung und Eurobonds (für europäische Staatsschulden unterhalb der 60-Prozent-Schwelle) zu eigen. Der Wirksamkeit komplexer Regulierung steht er skeptisch gegenüber.
Das Buch ist ungeheuer anregend, weil für viele theoretische Perspektiven offen. Was fehlt, sind Überlegungen zur zentralen Frage, wie man die These einer globalen Ersparnisschwemme falsifizieren könnte. Verglichen mit diesem Problem, sind andere Behauptungen zweitrangig, wie die deutsche Dominanz in der Euro-Rettungspolitik.
ERICH WEEDE
Martin Wolf: The Shifts and the Shocks. What We've Learned - and Still Have to Learn - from the Financial Crisis. Penguin Books, New York 2014, 466 Seiten, 35 Dollar
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