How breathtakingly close we are to lives that at first seem so far away. From the civil rights struggle in the United States to the Nazi crimes against humanity in Europe, there are more stories than people passing one another every day on the bustling streets of every crowded city. Only some stories survive to become history. Recently released from prison, Lamont Williams, an African American probationary janitor in a Manhattan hospital and father of a little girl he can't locate, strikes up an unlikely friendship with an elderly patient, a Holocaust survivor who was a prisoner in Auschwitz-Birkenau. A few blocks uptown, historian Adam Zignelik, an untenured Columbia professor, finds both his career and his long-term romantic relationship falling apart. Emerging from the depths of his own personal history, Adam sees, in a promising research topic suggested by an American World War II veteran, the beginnings of something that might just save him professionally, and perhaps even personally. As these men try to survive in early-twenty-first-century New York, history comes to life in ways neither of them could have foreseen. Two very different paths-Lamont's and Adam's-lead to one greater story as The Street Sweeper, in dealing with memory, love, guilt, heroism, the extremes of racism and unexpected kindness, spans the twentieth century to the present, and spans the globe from New York to Chicago to Auschwitz. Epic in scope, this is a remarkable feat of storytelling.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2013Die Erinnerung kann das Geschehen niemals originalgetreu wiedergeben
Vergessene Dokumente: Elliot Perlman hat mit "Tonspuren" einen Roman über die Schoa geschrieben. Der Herausforderung durch das Sujet wird der Australier nicht gerecht.
Elliot Perlman stammt aus einer polnisch-jüdischen Familie, die in den zwanziger Jahren nach Australien ausgewandert ist. Bislang ist er vor allem in den Vereinigten Staaten als Schriftsteller erfolgreich. Nun ist sein jüngster Roman übersetzt worden: "Tonspuren". Der Titel spricht sein Thema an: Es geht um Aufnahmen der ersten Interviews mit Holocaust-Überlebenden, die unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs von einem Psychologie-Professor der Universität Chicago namens Henry Border aufgezeichnet worden sein sollen.
Zufällig stößt der Historiker Adam Zignelik auf diese vergessenen Tondokumente, eigentlich in der Hoffnung, dabei Hinweise zur Beteiligung schwarzer amerikanischer Soldaten bei der Befreiung Dachaus aufzustöbern, denn als Sohn eines berühmten Bürgerrechtler-Anwalts liegt dies seinem eigentlichen Forschungsgebiet näher. Darüber jedoch sieht er großzügig hinweg, als er realisiert, was dieser Fund für sein schwer ins Stocken geratenes akademisches Fortkommen - und seine im Zusammenhang damit beendete Beziehung - bedeutet. Etwa gleichzeitig entwickelt sich zwischen einem eben aus der Haft entlassenen Afroamerikaner namens Lamont Williams und einem Patienten der New Yorker Klinik, in der Lamont darum kämpft, seine sechsmonatige Probezeit beim Gebäudeservice zu bestehen, eine ungewöhnliche Freundschaft: Henryk Mandelbrot ist Holocaust-Überlebender und schildert Lamont minutiös seine Erlebnisse als KZ-Häftling im für die Vergasung, Verbrennung und Verscharrung zuständigen Sonderkommando des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.
Damit sind bereits die Hauptelemente der Handlung benannt - ganze siebenhundert Seiten braucht Perlman deshalb, weil er etwa zwanzig weitere Personen einführt, ständig zwischen den historischen Ebenen des Holocausts, der Rassenunruhen und dem Jahr 2007, Akademikermilieu und Unterschicht sowie New York, Chicago, Warschau, Auschwitz und Melbourne hin und her wechselt und dem Leser bei diesen Eskapaden zumindest eine gewisse Orientierung zu ermöglichen versucht. Diese Erzähltechnik, die in Perlmans Vorgängerroman "Sieben Seiten der Wahrheit" durchaus überzeugt hat, funktioniert hier nur begrenzt, weil der Autor in Dickensscher Manier bemüht ist, jede einzelne Figur mit möglichst vielen anderen in Beziehung zu setzen. Das begrenzt aber die Protagonisten nur.
Einzig Lamont Williams ist für den Leser als echtes Individuum wahrnehmbar. Zum Beispiel, wenn er sich in der grandiosen Eingangsszene nicht durchringen kann, für einen älteren schwarzen Busfahrer Partei zu ergreifen, der von einem völlig außer sich geratenen Puertoricaner aufs wüsteste provoziert und beschimpft wird - Lamont ist auf Bewährung frei und scheut jede mögliche Begegnung mit der Polizei. Oder seine schmerzhaft-peinliche Erinnerung daran, wie er als Kind einen Schulkameraden besuchte, der die Actionfigur, die Lamont zum Geburtstag bekommen hatte und ihm voller Stolz vorführen wollte, als Geschenk für sich begriff.
Exaktheit lag dem Autor offensichtlich sehr am Herzen: Der Anhang zu "Tonspuren" enthält sieben Seiten Bibliographie zum Holocaust und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Perlmans Roman fußt auf sechs Jahren intensiver Forschung und ebenso vielen Besuchen in Auschwitz, trotzdem ist er genau da am ergreifendsten, wo er sich bewusst von den Fesseln historischer Korrektheit befreit. Aber wie genau muss und wie genau will man all das wissen, was Henryk Mandelbrot (und mit ihm Elliot Perlman) zu erzählen hat - und entsteht dieses Interesse aus den richtigen Motiven heraus? Kann es auch ein Zuviel an Unerträglichkeit geben? Gewiss sollte nichts beschönigt werden, aber was, wenn das Erinnern der Grausamkeit in allen Details eben nicht zu mahnendem Gedenken führt, sondern eine dunkle voyeuristische Lust an ebendieser Grausamkeit befriedigt oder gar erst produziert?
Seine "Tonspuren" widmet Perlman einzelnen Opfern sowohl des Holocausts wie auch der Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten, "die alle an verschiedenen Erscheinungsformen desselben Übels starben". Doch was genau ist dieses Übel? So unterschiedlich Perlmans Charaktere auch sind, haben sie doch eines gemeinsam, nämlich dass scheinbar keiner von ihnen für dieses ominöse Übel in irgendeiner Erscheinungsform anfällig wäre - alles zivilisierte, auf ihre Art liebenswerte Menschen, die zwar Fehler haben und machen, sich im entscheidenden Moment aber sicher richtig verhalten würden.
Ohne Zweifel muss die Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit wachgehalten werden, und längst ist klar, dass Erinnerung nie eine originalgetreue Reproduktion des tatsächlich Geschehenen oder Erlebten ist, sondern Vergangenes immer wieder neu, aktiv und subjektiv, rekonstruiert. Doch von der Reproduktion über die Rekonstruktion muss der Weg zum Transfer führen, zur Übertragung, zur Anwendung: auf die eigene historische, kulturelle und soziale Situation - und auf die eigene Person. In welcher Form erhebt sich das Übel heute, und wo bin ich anfällig dafür, ihm in die Hände zu spielen, es - wissentlich oder nicht - zu unterstützen? Um Antworten auf diese Fragen zu geben, ist die Welt des Jahres 2007, wie Perlman sie in der Gegenwartshandlung von "Tonspuren" präsentiert, zu gut, zu schlicht, zu flach. Wie seine Figuren.
MARGRET FETZER.
Elliot Perlman: "Tonspuren".
Roman.
Aus dem Englischen von Grete Osterwald. Deutsche Verlags-Anstalt, München. 704 S., geb., 24,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vergessene Dokumente: Elliot Perlman hat mit "Tonspuren" einen Roman über die Schoa geschrieben. Der Herausforderung durch das Sujet wird der Australier nicht gerecht.
Elliot Perlman stammt aus einer polnisch-jüdischen Familie, die in den zwanziger Jahren nach Australien ausgewandert ist. Bislang ist er vor allem in den Vereinigten Staaten als Schriftsteller erfolgreich. Nun ist sein jüngster Roman übersetzt worden: "Tonspuren". Der Titel spricht sein Thema an: Es geht um Aufnahmen der ersten Interviews mit Holocaust-Überlebenden, die unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs von einem Psychologie-Professor der Universität Chicago namens Henry Border aufgezeichnet worden sein sollen.
Zufällig stößt der Historiker Adam Zignelik auf diese vergessenen Tondokumente, eigentlich in der Hoffnung, dabei Hinweise zur Beteiligung schwarzer amerikanischer Soldaten bei der Befreiung Dachaus aufzustöbern, denn als Sohn eines berühmten Bürgerrechtler-Anwalts liegt dies seinem eigentlichen Forschungsgebiet näher. Darüber jedoch sieht er großzügig hinweg, als er realisiert, was dieser Fund für sein schwer ins Stocken geratenes akademisches Fortkommen - und seine im Zusammenhang damit beendete Beziehung - bedeutet. Etwa gleichzeitig entwickelt sich zwischen einem eben aus der Haft entlassenen Afroamerikaner namens Lamont Williams und einem Patienten der New Yorker Klinik, in der Lamont darum kämpft, seine sechsmonatige Probezeit beim Gebäudeservice zu bestehen, eine ungewöhnliche Freundschaft: Henryk Mandelbrot ist Holocaust-Überlebender und schildert Lamont minutiös seine Erlebnisse als KZ-Häftling im für die Vergasung, Verbrennung und Verscharrung zuständigen Sonderkommando des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.
Damit sind bereits die Hauptelemente der Handlung benannt - ganze siebenhundert Seiten braucht Perlman deshalb, weil er etwa zwanzig weitere Personen einführt, ständig zwischen den historischen Ebenen des Holocausts, der Rassenunruhen und dem Jahr 2007, Akademikermilieu und Unterschicht sowie New York, Chicago, Warschau, Auschwitz und Melbourne hin und her wechselt und dem Leser bei diesen Eskapaden zumindest eine gewisse Orientierung zu ermöglichen versucht. Diese Erzähltechnik, die in Perlmans Vorgängerroman "Sieben Seiten der Wahrheit" durchaus überzeugt hat, funktioniert hier nur begrenzt, weil der Autor in Dickensscher Manier bemüht ist, jede einzelne Figur mit möglichst vielen anderen in Beziehung zu setzen. Das begrenzt aber die Protagonisten nur.
Einzig Lamont Williams ist für den Leser als echtes Individuum wahrnehmbar. Zum Beispiel, wenn er sich in der grandiosen Eingangsszene nicht durchringen kann, für einen älteren schwarzen Busfahrer Partei zu ergreifen, der von einem völlig außer sich geratenen Puertoricaner aufs wüsteste provoziert und beschimpft wird - Lamont ist auf Bewährung frei und scheut jede mögliche Begegnung mit der Polizei. Oder seine schmerzhaft-peinliche Erinnerung daran, wie er als Kind einen Schulkameraden besuchte, der die Actionfigur, die Lamont zum Geburtstag bekommen hatte und ihm voller Stolz vorführen wollte, als Geschenk für sich begriff.
Exaktheit lag dem Autor offensichtlich sehr am Herzen: Der Anhang zu "Tonspuren" enthält sieben Seiten Bibliographie zum Holocaust und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Perlmans Roman fußt auf sechs Jahren intensiver Forschung und ebenso vielen Besuchen in Auschwitz, trotzdem ist er genau da am ergreifendsten, wo er sich bewusst von den Fesseln historischer Korrektheit befreit. Aber wie genau muss und wie genau will man all das wissen, was Henryk Mandelbrot (und mit ihm Elliot Perlman) zu erzählen hat - und entsteht dieses Interesse aus den richtigen Motiven heraus? Kann es auch ein Zuviel an Unerträglichkeit geben? Gewiss sollte nichts beschönigt werden, aber was, wenn das Erinnern der Grausamkeit in allen Details eben nicht zu mahnendem Gedenken führt, sondern eine dunkle voyeuristische Lust an ebendieser Grausamkeit befriedigt oder gar erst produziert?
Seine "Tonspuren" widmet Perlman einzelnen Opfern sowohl des Holocausts wie auch der Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten, "die alle an verschiedenen Erscheinungsformen desselben Übels starben". Doch was genau ist dieses Übel? So unterschiedlich Perlmans Charaktere auch sind, haben sie doch eines gemeinsam, nämlich dass scheinbar keiner von ihnen für dieses ominöse Übel in irgendeiner Erscheinungsform anfällig wäre - alles zivilisierte, auf ihre Art liebenswerte Menschen, die zwar Fehler haben und machen, sich im entscheidenden Moment aber sicher richtig verhalten würden.
Ohne Zweifel muss die Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit wachgehalten werden, und längst ist klar, dass Erinnerung nie eine originalgetreue Reproduktion des tatsächlich Geschehenen oder Erlebten ist, sondern Vergangenes immer wieder neu, aktiv und subjektiv, rekonstruiert. Doch von der Reproduktion über die Rekonstruktion muss der Weg zum Transfer führen, zur Übertragung, zur Anwendung: auf die eigene historische, kulturelle und soziale Situation - und auf die eigene Person. In welcher Form erhebt sich das Übel heute, und wo bin ich anfällig dafür, ihm in die Hände zu spielen, es - wissentlich oder nicht - zu unterstützen? Um Antworten auf diese Fragen zu geben, ist die Welt des Jahres 2007, wie Perlman sie in der Gegenwartshandlung von "Tonspuren" präsentiert, zu gut, zu schlicht, zu flach. Wie seine Figuren.
MARGRET FETZER.
Elliot Perlman: "Tonspuren".
Roman.
Aus dem Englischen von Grete Osterwald. Deutsche Verlags-Anstalt, München. 704 S., geb., 24,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main